Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander 8 стр.


«Das ist es. «Adam stellte fest, da? ihm dieser Wunsch von Herzen kam.

Aus dem Fenster der Bibliothek sah Bolitho Adam und Robina die Terrasse uberqueren. Ihr Anblick ruhrte ihn, denn in seinen Augen war es hochste Zeit, da? Adam ein bi?chen Freude am Leben fand — und sei es nur vorubergehend. Seit er sich zu Fu? von Penzance nach Falmouth durchgeschlagen hatte, in der Hoffnung auf einen Platz in der Familie Bolithos, hatte er nur Krieg und den harten Dienst in der Marine kennengelernt. Noch immer sah Bolitho den dunnen, eingeschuchterten Jungen von damals vor sich: furchtsam, aber mit der trotzigen Unruhe eines Fohlens. Nun glaubte er, Robina lachen zu horen. Ja, er gonnte Adam diese Ablenkung.

Ein Lakai offnete beide Turflugel, und ein hochgewachsener Mann in flaschengrunem Rock und wei?en Strumpfen betrat die Bibliothek.

«Und hier ist nun Samuel Fane aus Washington«, stellte Chase ihn vor.

In Fanes schmalem, unbewegtem Gesicht schien sich das Leben ganz in die tiefliegenden, funkelnden Augen zuruckgezogen zu haben, die dicht an der kraftigen Hakennase sa?en.

«Und Sie sind Vizeadmiral Bolitho«, nickte er statt eines Gru?es.»Also, kommen wir zur Sache.»

Bolitho lie? den schon ausgestreckten Arm sinken. Vielleicht mochte Fane nicht mit einem alten Feind einen Handedruck tauschen. Verstandlich, aber trotzdem ein Affront.

Seltsamerweise lie? ihn das irgendwie gelassener werden: die innere Ruhe vor einem Duell, wenn man sich damit abgefunden hat, da? jede Hoffnung auf eine einfache Losung nur Selbsttauschung ware.

Im gleichen trockenen Ton fuhr Fane fort:»San Felipe. Wurden Sie mir bitte erklaren, Admiral, weshalb Ihre Regierung sich fur berechtigt halt, diese Insel und ihre Bevolkerung wie etwas Wertloses we g-zuwerfen? Woher nimmt sie dieses Recht?»

«Beruhigen Sie sich, Sam«, mahnte Chase unbehaglich.»Sie wissen doch, da? die Sache anders liegt.»

«We i? ich das?«Die tiefliegenden scharfen Augen lie?en Bolitho keine Sekunde los.

Bolitho lachelte andeutungsweise.»So wurde es beim Friedensschlu? vereinbart. Und

Bolitho sah Chases Blick wutend aufflackern.»Ich dachte, Frankreich sei Ihr Freund und Verbundeter?«wechselte er das Thema.

Fane zuckte die Schultern.»So war es. Vielleicht wird es auch kunftig so sein. Aber was San Felipe betrifft, das im Suden vor unserer Haustur liegt, so gilt das nicht.»

«Die Menschen auf San Felipe sind britische Untertanen«, stellte Bolitho fest.

Chase grinste.»Das waren auch die meisten von uns. Fruher.»

Fane schien ihn nicht gehort zu haben.»Vor einiger Zeit erhielt ich eine Depesche des Gouverneurs von San Felipe. Die Uneinsichtigkeit der britischen Regierung bereitete ihm naturgema? Sorgen. Er ist nicht geneigt, die ihm aufgezwungene Losung zu akzeptieren, das hei?t, eine bluhende Insel vor den Franzosen zu raumen oder — von ihnen geduldet — unter franzosischer Flagge dort weiterzuwirken.»

«Das verstehe ich.»

«Wirklich, Admiral? Das la?t mich hoffen. Aber wie dem auch sei, die Regierung der Vereinigten Staaten ist nicht gewillt, tatenlos zuzusehen, wenn Menschen wie afrikanische Sklaven von einer Hand in die andere verschachert werden.»

Bolitho war aufgesprungen und horte sich zu seiner eigenen Uberraschung wutend erwidern:»Dann ist es sinnlos, da? Sie meine Zeit verschwenden, Mr. Fane. Oder ich die Ihre!»

Hastig sagte Chase:»Aber nicht doch, meine Herren! Schockschwerenot, Sam, der Admiral ist mein Gast. Ich dulde es nicht, da? ihr euch anfaucht wie zwei Wildkater!»

Fane milderte seinen Ton.»Dann werden wir einen Kompromi? finden mussen.»

Bolitho setzte sich wieder.»Welchen, zum Beispiel?»

«Wenn San Felipe den Wunsch au?ert, sich unter den Schutz der Vereinigten Staaten zu begeben, wird meine Regierung dies wohlwollend aufnehmen.»

«Kommt nicht in Frage.»

«Aber wenn die Franzosen einverstanden sind, Admiral? Waren Sie es dann auch?»

Bolitho blickte zu Chase hinuber, aber der starrte nur einen Walkiefer an.

Fur Chase war das nichts Neues, er hatte es langst gewu?t — wie alle hier: Es war kein Kompromi?, nicht die Spur davon. Es war Erpressung.

Bolitho zwang sich zur Ruhe.»Der Gouverneur war zu diesem Ersuchen nicht berechtigt, weder bei Ihnen noch anderweitig. Wir sind hier in einer tragischen Entwicklung der Geschichte befangen, konnen aber nichts daran andern.»

Fane musterte ihn unbewegt.»Das bleibt abzuwarten. «Schlie?lich fugte er hinzu:»Ihr Flaggschiff kann der Gastfreundschaft meiner Regierung sicher sein. Diese Angelegenheit la?t sich nicht so schnell bereinigen. Sie will gut bedacht werden.»

Bolitho nickte. Fane hatte ihn also nur testen oder provozieren wollen. Aber aus welchem Grund?

Er konnte es sich nicht verkneifen, Fane festzunageln.»Ihre Regierung hat auch einem anderen britischen Schiff ihre Gastfreundschaft zugesichert, Mr. Fane: der

Sie wird bald zu mir sto?en.»

«Ja, ich wei?«, knurrte Fane und schob die Hande unter seine Frackscho?e.»Ich mu? mich jetzt verabschieden. «Und mit einem kurzen Nicken:»Admiral…»

Chase begleitete den Gesandten aus der Bibliothek, und Bolitho trat wieder ans Fenster. Aber statt des blonden Madchens am Arm des jungen Offiziers sah er nur Dunkelheit.

Bolitho wandte sich um, als er Chases schweren Schritt zuruckkehren horte.

In gewisser Hinsicht war das eben schwieriger gewesen als ein Seegefecht, uberlegte er. Und viel unergiebiger.

V Der Schlachter

In den Wochen nach der Abendgesellschaft bei Chase wurde Bolithos Geduld auf eine harte Probe gestellt. Zwar setzten Jonathan Chase und einige andere reiche Bostoner Burger ihren Ehrgeiz darein, den Offizieren der

Vielleicht, so grubelte er, hatte er den Zeitplan, den ihm seine Befehle vorschrieben, ignorieren und als erstes San Felipe anlaufen sollen, damit der Eroffnungszug nicht Captain Duncan von der

uberlassen blieb. Aber dieser Schritt hatte als Einschuchterung — oder Schlimmeres — ausgelegt werden konnen.

Uberhaupt — wo blieb die

Worauf war Duncan gesto?en, das wichtig genug war, sein Eintreffen in Boston zu verzogern?

An diesem Tag hatte Bolitho sein Mittagessen nicht angeruhrt. Obwohl Fleisch und Brot frisch waren, von Chase mit einem Boot als Geschenk an Bord geschickt, hatte er keinen Bissen davon herunterbekommen.

Auf allen Decks herrschte mittagliche Ruhe. Rumdufte schwangerten die hei?e Luft, weil in den Messen die Tagesration ausgegeben wurde.

Vielleicht hatte Sheaffe vorausgesehen, da? Bolithos Auftrag blo?e Zeitverschwendung sein wurde und nur zu scharfen Auseinandersetzungen mit den Amerikanern fuhren mu?te. Bolitho zupfte an seinem schwei?nassen Hemd, zwang sich aber, sitzenzubleiben, weil er sonst nur wieder ruhelos in seiner Kajute auf und ab getigert ware.

Belinda. Er wandte sich um und starrte durch die Heckfenster, bis seine Augen tranten. Inzwischen mu?te alles vorbei sein. Entweder hatten sie jetzt ein Kind, oder…

Es war Belindas erstes Kindbett. Da konnte alles mogliche passiert sein.

Achates schwojte an ihrer Ankertrosse und ruckte die fernen Hafengebaude in Bolithos Blickfeld. Er wollte lieber wieder auslaufen. Wollte etwas tun.

Ein leichtes Klopfen an der Lamellentur kundigte Keen an, dem beim Eintreten Bolithos unberuhrter Teller nicht entging.

«Die amerikanischen Fregatten gehen ankerauf, Sir.»

Bolitho nickte.»Ja. Nur die Franzosen bleiben noch hier.»

Keen zogerte.»Meiner Ansicht nach, Sir«, sagte er dann,»sollte uns ein weiteres Kurierschiff zur Verfugung gestellt werden.»

«Sie machen sich also auch Gedanken wegen

Keen zog die Schultern hoch.»Ja, allerdings. Da wir nicht einmal uber eine kleine Brigg verfugen, sind wir taub und blind fur alles, was sich au?erhalb dieses Hafens abspielt.»

Yovell, der Sekretar, stand unschlussig im Turrahmen.»Verzeihung, Sir, aber diese Papiere benotigen Ihre Unterschrift.»

Bolitho mu?te plotzlich an seinen Neffen denken. Adam hatte um Erlaubnis ersucht, Chases Nichte Robina nach Newburyport begleiten zu durfen. Jetzt beneidete er ihn um seine Freiheit; Adam wenigstens blieben dieses endlose Warten und die nagende Ungewi?heit erspart. In den letzten Tagen hatten er wie auch Allday unter Bolithos Gereiztheit zu leiden gehabt.

Schnell uberflog er, was Yovell geschrieben hatte, und setzte seine Unterschrift darunter. Kein Wunder, da? uber den Papierberg in der Admiralitat bittere Witze gerissen wurden. Wer konnte diese Flut von Berichten auch jemals lesen?

Bolitho fa?te einen Entschlu?.»Ich unternehme noch einen letzten Versuch, die Angelegenheit San Felipe mit den Amerikanern zu besprechen. Danach brechen wir auf und segeln zu der Insel, ob die

nun eingetroffen ist oder nicht. Falls Sie den Kapitan eines Handelsschiffes uberreden konnen, senden Sie bitte diskret mit ihm Nachricht nach Antigua. Dort sollte der Admiral von English Harbour uber unser Vorhaben unterrichtet werden. Und wenn ich Ihrer Depesche ein, zwei Satze hinzufuge, schaffen wir es vielleicht, ihm eine Brigg abzuluchsen.»

Ozzard trat ein und raumte wortlos das Tablett ab; nur ein vorwurfsvoller Blick verriet, was er uber diese Verschwendung dachte.

«Erwarten Sie etwa, da? uns die Amerikaner einen Strich durch die Rechnung machen, Sir?«fragte Keen.

Bolitho schuttelte den Kopf.»Sie meinen, mit diesen Fregatten? Nein, das ware unklug. Sie werden Mi?billigung au?ern, sich aber mit der Zuschauerrolle begnugen.»

Der Erste Offizier trat mit eingezogenem Kopf uber die Schwelle.»Bitte um Vergebung wegen der Storung, Sir, aber Mr. Chases Barkasse halt auf uns zu. Er hat auch den anderen Gentleman dabei.»

Bolitho und Keen wechselten Blicke.

Dann sagte Bolitho leise:»Endlich beehrt uns Mr. Fane, der Gesandte des Prasidenten, in eigener Person. Nun konnen wir vielleicht reinen Tisch machen.»

Grinsend griff Keen nach seinem Hut.»Ehrenwache vollzahlig antreten lassen, Mr. Quantock! Wenn es Zunder gibt, dann soll's nicht an uns liegen.»

Allday kam aus dem Nebenraum getrottet und warf einen Blick zum Schott, wo Bolithos Sabel hingen. Nach kurzem Zogern nahm er die goldglanzende Prunkwaffe herunter, die Bolitho nach der Schlacht bei Abukir verliehen worden war. Dem alten, abgewetzten Familiensabel gab er einen liebevollen Klaps und murmelte:»Du kommst auch noch dran — spater.»

Bolitho hob die Arme, damit Allday den glitzernden Ehrensabel an seinen Gurtel schnallen konnte. Allday hatte recht. Der alte Sabel war fur die Schlacht, das Prunkstuck furs Reprasentieren.

Rund zwolfhundert Meilen sudlich der Stelle, wo Bolitho mit muhsam beherrschter Ungeduld Mr. Samuel Fanes Besuch erwartete, lag Seiner Britannischen Majestat Fregatte

reglos unter der blendenden Sonne. Vor ihrem Bug muhten sich zwei ihrer Boote lustlos ab, das Mutterschiff an Schleppleinen in Fahrt zu bringen, damit wenigstens Ruderwirkung erhalten blieb, wenn sie schon jede Hoffnung auf Wind verloren hatten.

Seit drei Tagen lagen sie in einer Totenflaute, die sie festhielt, nachdem sie San Felipe verlassen hatten. Ihr Auftrag dort war nur zum Teil erfullt.

Mit gerunzelter Stirn sa? Kapitan Duncan an seinem Schreibtisch und fugte einen weiteren Absatz an seinen ohnehin schon langen Brief. Er schrieb an seine Frau — wie die meisten verheirateten Marineoffiziere mit ahnlicher Regelma?igkeit, wie er sein personliches

Logbuch fuhrte. Er wu?te weder, wann er diesen Brief beenden, noch welchem Schiff er ihn mitgeben wurde.

Trotz seiner Schroffheit hing Duncan sehr an seiner Frau und ging zart mit ihr um. Sie waren jetzt zwei Jahre verheiratet, hatten aber insgesamt kaum einen Monat miteinander verbracht. Er haderte deshalb nicht mit dem Schicksal, denn solche Opfer mu?te bringen, wer sich der Kriegsmarine verschrieb. Duncan war gerade erst 27 Jahre geworden und schon Fregattenkapitan. Und wenn er diesen Posten unter Bolitho behielt, konnte nichts — Friede hin oder her — seinen weiteren Aufstieg verhindern.

Wie viele seiner Zeitgenossen glaubte Duncan nicht an einen dauerhaften Frieden. Er hatte sich bereits in drei gro?eren Seeschlachten ausgezeichnet und war auch in kleineren Gefechten erfolgreich gewesen, im Kampf Schiff gegen Schiff, dem ureigensten Element jedes guten Fregattenkapitans.

Bolitho galt seine uneingeschrankte Verehrung. Er bewunderte ihn nicht so sehr wegen seines Mutes und seiner Geschicklichkeit — beides hielt er eher fur selbstverstandlich — , sondern mehr noch fur seine Anteilnahme am Schicksal der ihm Unterstellten. Obwohl er es nicht einmal sich selbst eingestand, versuchte Kapitan Duncan, Bolitho in allem nachzueifern.

Daher auch sein unzufriedenes Stirnrunzeln. Denn sein Besuch in San Felipe war kein Erfolg gewesen. Gouverneur Sir Humphrey Rivers hatte ihn abgefertigt wie einen grunen Rekruten, statt ihn zu behandeln, wie es einem Kriegsschiffkommandanten und Abgesandten Bolithos zukam.

Duncan verstand eben eine Menge von der Seefahrt, aber nichts von Mannern wie Rivers.

Gleich bei ihrer ersten Begegnung hatte Rivers die Beherrschung verloren. Sie standen in seinem mitten in einer bluhenden Plantage gelegenen Herrenhaus, und Rivers schrie Duncan an:»Da drau?en neben dem Hafen liegt ein Friedhof, Kapitan! Er ist voller tapferer Manner, die ihr Leben fur diese Insel gelassen haben! Ich denke nicht daran, ihr Andenken zu verraten und alles hier den Franzosen auszuliefern. Verdammt will ich sein, wenn ich das tue!»

Insgeheim pflichtete Duncan ihm ja bei, aber er war zu sehr daran gewohnt, seinen Befehlen zu gehorchen. Au?erdem war ihm der Mann zuwider, er hielt ihn fur ein arrogantes Schwein.

Bolitho wurde es nicht gerade freuen, da? er mit leeren Handen kam. Wenn Rivers sich weigerte, die zwischen England und Frankreich geschlossene Vereinbarung zu erfullen, mochte er sich unversehens vor der Anklage des Hochverrats oder der Meuterei sehen — oder womit die Regierung sonst unbotma?ige Gouverneure zur Rason brachte. Mit einem erneuten Stirnrunzeln begann Duncan wieder zu schreiben.

Da hob sich das Deck unter seinen Fu?en, und von einem Nebentisch fiel klappernd der Stechzirkel zu Boden.

Als Duncan aufsprang, spurte er, wie das Schiff unter ihm langsam wieder zum Leben erwachte.

Er eilte an Deck, wo sein Erster Offizier und der Segelmeister hoffnungsvoll zu den schlaffen Segeln emporstarrten, mit denen ein erstes zartes Luftchen zu spielen begann.

Duncan wischte sich den Schwei? aus den Augen. Viel war das nicht, aber immerhin.

«Mr. Palmer! Rufen Sie die Boote zuruck und lassen Sie sie wieder einsetzen. Und dann alle Mann an Deck zum Segelmanover!«Er schlug dem Leutnant auf die Schulter und fugte hinzu:»Hol's der Teufel, Mr. Palmer, aber vielleicht haben wir jetzt die langste Zeit hier geschmort.»

Mit ein paar Schritten war Duncan am Schanzkleid und packte den sonnenwarmen Handlauf mit seinen machtigen Pranken. Er sah zu, wie das erste Boot die Schleppleine loswarf und dankbar zum Schiff zuruckpullte, obwohl die erschopften Bootsgasten kaum noch die Riemen heben konnten.

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