Als Bolitho an Bord der
Truculent
Die riesige rote Sonnenscheibe rutschte unter die Kimm. Eigentlich mu?ten dort Dampfwolken aufsteigen oder der Rauch einer Explosion, dachte Midshipman Segrave. Er stand am Niedergang, als Simcox ihn fand.»Heute wird es eng an Bord«, scherzte er.»Mal sehen, ob wir einen Platz fur Sie finden. «Dann wurde er ernst.«»Bob Jay hat mir von Ihren alten Narben erzahlt. «Und als der Junge ihn wutend anstarrte:»Das war seine verdammte
Pflicht mir gegenuber.»
Segrave ballte die Fauste.»Dazu haben Sie kein Recht!»
«Wollen Sie mir meine Rechte erklaren, Mr. Segrave? Ich trage des Konigs Rock ein paar Jahre langer als Sie. Sagen Sie mir also nicht, was ich darf und was nicht. «Simcox' Gesicht war nur eine Handbreit von dem Segraves entfernt.»Man hat Sie auf Ihrem alten Schiff ausgepeitscht wie einen tollen Hund, daher die Narben. Irgendjemand wollte Ihnen zeigen, welche Macht er hat und wie schwach Sie sind. «Der Junge nickte betroffen.»Das ist jetzt vorbei. Jay wird nie vergessen, da? Sie ihm das Leben gerettet haben. «Er legte ihm die Hand auf die Schulter.»Ich mu?te ubrigens auch das dem Kommandanten melden.»
Segrave wischte sich das Gesicht mit dem Armel.»Es war wohl Ihre Pflicht«, sagte er mit zitternder Stimme.
«Alles klar jetzt?«fragte Simcox.
«Nein. «Der Junge schuttelte verzweifelt den Kopf.»Ich habe auf der
Als die Dunkelheit fiel und die Sterne am dunklen Himmel hervortraten, sa? Bolitho in seiner Kajute am Tisch. Er horte an Deck Kommandos und das Quietschen der Ankerwinde, als der Anker kurzstag gehievt wurde. Jay, der Mastergehilfe, war mit einer kleinen. Prisenmannschaft druben auf der
«Ich wei?. «Bolitho sah die Uberraschung auf Tyackes entstelltem Gesicht. Als er weitersprach, bemerkte Tyacke zum erstenmal die furchterliche Narbe auf Bolithos Stirn, die eine Strahne nur halb verdeckte.»Einer meiner Flaggleutnants bezeichnete meine Kommandanten und mich einmal als >eine kleine Schar Begluckten. Aber wir wurden immer weniger. Ich wei?, was es hei?t, einen Freund zu gewinnen und ihn sofort wieder zu verlieren. Man konnte manchmal meinen, es sei besser, mit niemandem befreundet zu sein.»
Oben rief eine Stimme:
Bolitho blieb nachdenklich sitzen und horte den Larm oben nicht. Er brauchte Manner wie Tyacke und seine Besatzung nicht nur fur den Kampf. Aber ob sie das je verstehen wurden?
Dann offnete er bedachtsam Catherines Brief. Ein Efeublatt fiel heraus. Er hielt den Brief dicht unter die schwingende Lampe und las:
Leutnant James Tyacke umklammerte die Luvreling und starrte durch die Gischt voraus, als Bolitho nach oben kam.»Segel in Sicht, Sir!»
Bolitho griff haltsuchend nach einer Pardune.»Ich habe die Meldung gehort. Sie haben einen guten Mann oben, Mr. Tyacke.»
Der Ausguckposten hatte das fremde Schiff bei Beginn der Morgendammerung gemeldet. In der Nacht hatte der Wind gedreht und kam jetzt aus Nord. Die
Albacora.
«Wir schlie?en jetzt zur
Jemand meldete, da? die
Miranda
Tyacke packte ihn am Arm.»Sie tun, was ich Ihnen sage, ich bin hier der Kommandant. Und jetzt kummern Sie sich um das Beiboot da unten!»
Bolitho konnte Simcox' Gesicht nicht erkennen, aber er spurte, wie sehr dieser Befehl den Mann verletzt hatte.
«Ben ist ein gro?artiger Seemann, Sir«, erlauterte Tyacke.»Wenn er diesen verdammten Krieg uberlebt, wird noch mehr aus ihm. «Wutend wandte sich der Kommandant dann an die Gruppe im Heck des Schoners:»Morgan, holen Sie diese Leine dicht, oder wollen Sie, da? das Beiboot zerschmettert wird?»
Zum erstenmal hatte Tyacke einen seiner Manner unberechtigt angeschnauzt. Ihn bedruckte wohl die Entscheidung, Simcox an Bord zu lassen und selbst auf den Brander zu gehen.
Manner eilten im Zwielicht hin und her, und dann stand Jay, der Mastergehilfe, an der Pinne.»Wir sind soweit, Sir. Wir konnen die Besatzungen jetzt auswechseln. «Er sah von Tyacke hinuber zu Simcox.»Geht Ben mit?»
«Nein, ich gehe. Sie bleiben hier bei ihm. Und bei diesem
Schiff!»
Als sich auch Segrave bereitmachte, sagte Tyacke leise zu Bolitho:»Er hat sich freiwillig gemeldet. Wenn's schlimm wird, kann ich einen zweiten Offizier gebrauchen. «Laut fragte er:»Na, wollen Sie immer noch mit, Mr. Segrave? Wenn Sie lieber bleiben wollen, tun Sie's. Niemand wird Sie deshalb fur einen Feigling halten, nicht nach dem, was Sie fur Mr. Jay getan haben.»
Das erste schwache Sonnenlicht fing sich in Segeln und Rigg.
«Ich komme mit, Sir«, sagte der Junge.
Von oben rief der Ausguck:»Es ist die
«Sie wird Sie an Bord nehmen wollen, Sir.»
Allday stand schon mit dem Kleidersack neben ihm, auch Jenour tauchte auf. Plotzlich blieb keine Zeit mehr. Manner stiegen ins Beiboot, und Tyacke hatte es eilig, auch wenn er als letzter uberstieg. Er schwang gerade ein Bein ubers Schanzkleid, als plotzlich Simcox neben ihm auftauchte.»Soll ich nicht doch mitkommen?»
Simcox schwankte, aber Tyacke fing ihn auf. Bolitho sah den kurzen Abschied zweier Freunde.»Du wirst mal ein guter Master, Ben. Such dir auch einen guten Kommandanten.»
Was Simcox antwortete, wurde vom Larm an Deck und dem Klatschen der Seen ubertont. Dann war Tyacke verschwunden, und das Beiboot flog auf die
«Richtig. Verfolgen Sie ihn zum Schein. Der Trick ist alt, aber er konnte Erfolg haben. Mr. Tyacke mu? jedenfalls nahe an die feindlichen Schiffe herankommen, ohne zunachst ihren Verdacht zu wecken.»
«Und welche Chance hat die Crew auf dem Brander, Sir Richard?»
Bolitho sah ihn fest an.»Kaum eine. Es kostet viel Zeit, zum Feind aufzukreuzen. Wenn erst die Lunten brennen, mussen Tyacke und seine Besatzung ins Beiboot und zum Land rudern. Dort werden sie den Hollandern in die Hande fallen. Aber man wird sie wohl ungeschoren lassen, denn unsere Truppen sind nahe. «Er spurte, da? Jenour seine Luge durchschaute, und erlauterte:»Wenn Mr. Tyacke einen Fehler macht, werden wir zwolf gute Leute verlieren. Wenn wir aber direkt angreifen, wurden wir alle Schiffe und jeden Mann opfern.»
Allday sah zur fernen Kuste.»Keine leichte Entscheidung.»
Bolitho strich sich die Haarstrahne aus der Stirn. Was auch geschehen wurde, das Resultat war in jedem Fall schlimm.
«Die Herren in London lassen sich deswegen sicher keine grauen Haare wachsen«, murmelte Allday.»Ich habe schon gefurchtet, Sie wurden selbst auf den Brander gehen, Sir Richard.»
Bolitho sah Wolken uber dem Land aufsteigen und meinte, Sand zwischen den Zahnen zu spuren.»Diesmal nicht.»
Die gro?en Segel der
Miranda
Muhsam suchte Simcox nach den passenden Worten.»Danke, Sir Richard. Aber wir waren eben Freunde, und ich wei?, warum er das getan hat. «Er deutete auf die davonziehende
Dann war er unten im Boot, stutzte sich auf den Leutnant und versuchte, seinen Degen nicht zwischen den Beinen einzuklemmen.
«Also hier war es?«Tyacke blickte sich in der Kajute der
Albacora
Das Schiff setzte weniger hart ein.»Wir laufen leichter, Sir«, sagte er.
Tyacke ri? sich aus seinen Gedanken.»Wie? Ja, naturlich. Aber den Wind haben wir immer noch gegen uns. «Er hockte sich auf eine Kiste, wo sein verletztes Gesicht im Schatten lag.»Mr. Simcox hat mir von Ihren anderen Verletzungen erzahlt«, begann er so ruhig, als habe er alle Zeit der Welt.»Man hat Sie geschlagen. Weil Sie an Bord nichts taugten?»
In der Erinnerung ballte Segrave die Fauste. Der Kommandant damals hatte kein Interesse gehabt an dem, was bei den Midshipmen geschah. Ihn interessierten nur Ergebnisse, sonst nichts. Ein Leutnant hatte daraufhin die Offiziersanwarter in zwei Gruppen geteilt, die nun miteinander wetteiferten beim Kanonenexerzieren, in Seemann- schaft, bei Bootsmanovern. Wer verlor, wurde bestraft, wer gewann, erhielt kleine Belohnungen. Segrave gehorte als Neuling immer zu den Verlierern. Also hatte man ihn immer wieder nackt ausgezogen, uber eine Lafette gebunden und ausgepeitscht. Seine Kameraden hatten das getan, aber auch der verantwortliche Leutnant. Sie hatten ihn erniedrigt und beleidigt, immer und immer wieder. Die Narben dieser Mi?handlung wurde er nie mehr verlieren.
Mit Tyacke konnte er plotzlich uber all das sprechen, in kurzen abgehackten Satzen. Der Kommandant horte stumm zu, bis der Junge schwieg.
«Solche Brutalitat hat immer der Kommandant zu verantworten«, sagte er schlie?lich.»Wenn es ihm egal ist, wie die Offiziere seine Befehle ausfuhren oder ihre Aufgaben erfullen, kommt es so weit. Kein Leutnant kann so etwas wagen, wenn ihn sein Kommandant dabei nicht decken wurde. Haben Sie sich freiwillig auf den Brander gemeldet, weil Sie auf Ihre altes Schiff zuruckkehren sollten?«Als Segrave schwieg, fuhr er fort:»Sie hatten den Leutnant umbringen sollen. Was Schlimmeres als hier hatte Sie dann auch nicht erwartet. Aber Ihnen ware wohler gewesen. «Er legte Segrave die Hand auf die Schulter.»Doch Sie haben Ihre Entscheidung getroffen. «Ein Sonnenstrahl huschte uber seine entstellte Gesichtshalfte.»Und ich die meine.»
Oben horte man Schritte, die heisere Stimme des Bootsmanns scheuchte ein paar Manner auf ihre Stationen.