Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander 2 стр.


Aber die alte

hatte dabei ihr Letztes gegeben. Mit ihren dreiunddrei?ig Jahren leistete sie schlie?lich keinen Widerstand mehr, als die gro?e spanische

nicht mehr gab.

Daheim in England sagten sie, wenn er das spanische Geschwader Casares' nicht im Gefecht aufgehalten und besiegt hatte, ware es rechtzeitig zur Vereinigten Flotte vor Trafalgar gesto?en, und dann hatte selbst der tapfere Nelson dort kaum siegen konnen. Bolitho wu?te nicht, wie er darauf reagieren sollte. Wollte man ihm damit schmeicheln — oder Nelsons Ruhm schmalern? Jedenfalls war ihm ubel geworden, als dieselben Leute, die Nelson einst geha?t und verachtet hatten — auch wegen seiner Affare mit Emma Hamilton — , ihn jetzt aufs hochste lobten und seinen Tod beklagten.

Wie so viele, war auch Bolitho dem kleinen Admiral nie begegnet, der seine Seeleute begeistert hatte, trotz des zermurbenden Blockadedienstes oder bei blutigen Gefechten Schiff gegen Schiff. Nelson hatte seine Manner wirklich gekannt und ihnen die Autoritat gegeben, die sie verstanden und brauchten.

Bolitho merkte, da? Allday leise die Kajute verlie?, und machte sich wieder Vorwurfe, da? er ihn mitgenommen hatte zu diesem Einsatz. Doch Allday, standfest wie eine englische Eiche, wollte es nicht anders. Bolitho hatte ihn nur verletzt und beleidigt, wenn er ihn als Halbinvaliden in Falmouth zuruckgelassen hatte.

Er beruhrte sein linkes Lid und seufzte. Wurde ihn das verletzte Auge im hellen afrikanischen Sonnenlicht qualen? Nur zu gut konnte er sich an den Augenblick im Gefecht erinnern, als er in die Sonne geschaut und sein Blick sich verschattet hatte, als krieche Seenebel ubers Deck. Und an den triumphierenden Atemzug des Spaniers, der mit seinem Sabel einen Ausfall machte. Jenour, dem Flaggleutnant, war der Degen aus der Hand geschlagen worden, als er versuchte, Bolitho zu verteidigen. Aber Allday war dagewesen und hatte das Schlimmste verhindert. Der Sabel des Spaniers war uber das blutige Deck geschlittert, sein abgetrennter Arm mit ihm. Ein zweiter Hieb brachte ihm das Ende, als Alldays Rache fur eine Wunde, die ihn seither fast standig schmerzte und behinderte.

Konnte er Allday nach all dem daheim zurucklassen, und sei es aus Fursorglichkeit? Bolitho wu?te, da? nur der Tod sie einst trennen wurde.

Er stie? sich vom Fenster ab und nahm den Facher aus seiner Seekiste zur Hand. Catherines Facher. Sie hatte dafur gesorgt, da? er ihn mitnahm, als er in Spithead an Bord der

Das alte graue Haus war Catherines einzige Zuflucht vor dem Hohn und Tratsch der Gesellschaft. Ferguson, der einarmige Steward, der einst wie Allday in die Marine gepre?t worden war, kummerte sich aufopfernd um sie. Aber im ganzen Westen des Landes wurde man ebenso wie in London uber sie lastern und tratschen:

befehlen

«Mein Liebster, du mu?t dich vorsehen!»

Jetzt war sie in Falmouth, und trotz allem Schutz und aller Verehrung blieb sie; dort weiterhin eine Fremde.

Sie hatte ihn am jenem kalten, windigen Vormittag zu seiner Abreise nach Portsmouth begleitet. Zusammen warteten sie am alten Kai, wohl wissend, da? mit diesen abgetretenen Stufen auch Nelson zum letzten Mal englischen Boden unter den Fu?en gehabt hatte. Hinter ihnen stand die Kutsche mit dem Wappen der Bolithos, so schlammbespritzt, als wolle sie von den Stunden zeugen, die sie beide unerkannt darin verbracht hatten.

Nicht immer ganz unerkannt. Auf dem Weg durch Guildford hatten ein paar Bummelanten auf der Stra?e hurra gerufen und:»Gott segne dich, Dick! Und schei? auf die Arschlocher in London. 'Tschuldigung, Madam!»

Als die Barkasse sich mit kraftigem Riemenschlag der Treppe naherte, hatte sie die Arme um seinen Hals gelegt, das Gesicht na? von Regen und Tranen:»Ich liebe dich, mein Alles. «Sie hatte ihn lange geku?t und sich erst von ihm gelost, als die Barkasse gerauschvoll festmachte. Erst dann hatte sie sich abgewandt, aber noch einmal innegehalten, um zu sagen:»Erinnere Allday daran, da? er gut auf dich aufpassen soll.»

Die restlichen Umstande hatte er vergessen, als ob plotzlich Dunkelheit uber ihn hereingebrochen sei.

Kapitan Poland klopfte hart an die Tur und trat in die Kajute, den Dreispitz unter den Arm geklemmt. Bolitho sah seine Blicke durch den halbdunklen Raum huschen, als erwarte er, seine Kajute vollig verandert zu finden.

Bolitho setzte sich wieder auf die Fensterbank.

Poland sah ihm ins Gesicht.»Wir haben Land in Sicht, Sir Richard. Der Master, Mr. Hull, halt es fur einen perfekten Landfall.»

Immer diese Vorsicht. Bolitho war sie schon einige Male aufgefallen, auch als er Poland eingeladen hatte, mit ihm zu Abend zu speisen.»Und was halten Sie selbst davon, Kapitan?»

Poland schluckte trocken.»Er hat wohl recht, Sir Richard. «Zogernd fugte er hinzu:»Der Wind hat nachgelassen. Wir werden den ganzen Tag brauchen, um die Kuste zu erreichen. Selbst den Tafelberg sieht man erst vom Masttopp aus.»

Bolitho griff nach seinem Mantel, lie? ihn aber dann doch liegen.»Ich komme gleich nach oben. Sie haben eine ungewohnlich schnelle Reise gemacht, Kapitan. Das werde ich in meinem Bericht erwahnen.»

Zu jeder anderen Zeit hatte es ihn amusiert, den schnellen Wechsel des Ausdrucks in Polands sonnengerotetem Gesicht zu beobachten. Einerseits freute er sich, denn das schriftliche Lob eines Vizeadmirals konnte vielleicht fur eine noch schnellere Beforderung des Kommandanten sorgen. Andererseits konnte es aber so interpretiert werden, da? Poland die zweifelhafte Gonnerschaft eines Mannes geno?, der uber Autoritat spottete, der seine Frau wegen einer anderen verlassen und seine Ehre in den Wind geworfen hatte.

Aber jetzt war jetzt, und Bolitho sagte scharf:»Also los!»

Auf dem Achterdeck sah Bolitho seinen Flaggleutnant Jenour bei den Schiffsoffizieren stehen und freute sich wieder, wie vorteilhaft sich der Mann verandert hatte: ein eifriger, liebenswurdiger Junge und der erste in seiner Familie, der zur Royal Navy gegangen war. Bolitho hatte anfangs daran gezweifelt, da? er die Herausforderungen bestehen wurde, die sie erwarteten. Auch hatte er gehort, da? einige der erfahrenen Salzbuckel an Bord daruber Wetten abschlossen, wie lange Jenour uberleben wurde. Aber er hatte uberlebt — und wie! Er war aus den Gefechten als Mann, als Veteran hervorgegangen.

Es war Jenours schoner Degen gewesen, ein Geschenk seines Vaters, der ihm entrissen worden war, als er Bolitho zu Hilfe eilte. Jenour hatte aus dieser Erfahrung ebenso gelernt wie aus vielen anderen. Seit jenem letzten Gefecht trug der junge Mann seinen Degen stets an eine Sorgleine geknupft, die mit einem dekorativen Knoten geschmuckt war und die Waffe im Kampf fest mit seinem Handgelenk verband. Es war auffallend, mit welchem Respekt die Offiziere der

Diese Sonne erhob sich nun aus der See und ubergo? die niedrigen Wellen wie mit geschmolzenem Kupfer. Schon dampfte

Bolitho bedauerte die Wachoffiziere in ihren Huten und schweren Manteln. Poland wollte damit offensichtlich Autoritat demonstrieren, wie ungemutlich sie sich auch fuhlten. Was sie wohl von seiner lassigen Kleidung hielten? Fur Pomp und Etikette blieb immer noch Zeit, wenn sie auf die Flotte trafen, die angeblich hier vor der afrikanischen Kuste operierte. Unterwegs waren sie sich vorgekommen wie das einzige Schiff auf dem Ozean.

Gedankenversunken begann er langsam hin und her zu gehen. Manner, die mit nimmer endenden Wartungsarbeiten beschaftigt waren, mit Splei?en, dem Ersatz von Tauwerk, mit Malen und Schrubben, sahen hoch, wenn sein Schatten an ihnen vorbeiglitt. Aber jeder schaute schnell weg, wenn ihre Blicke sich zufallig trafen.

Mr. Hull, der schweigsame Master der Fregatte, uberwachte drei Midshipmen, die abwechselnd in einer Karte arbeiteten. Neben ihm versuchte der Zweite, zur Zeit Wachoffizier, nicht zu gahnen — das ware riskant gewesen bei einem Kommandanten mit so unberechenbarem Temperament. Aus der Kombuse roch es nach Fruhstuck, doch bis zum Wachwechsel wurde es noch lange dauern.

Hull fragte leise:»Was denkt er jetzt wohl, Mr. Munro?«Er deutete kurz auf die hohe Gestalt im wei?en Hemd, in deren dunklem Haar, im Nacken zusammengebunden, die Brise spielte, wahrend er ohne Hast hin und her wanderte.

Munro antwortete leise:»Ich wei? nicht, Mr. Hull. Aber wenn nur die Halfte von dem wahr ist, was man so hort, hat er genug zum Nachdenken. «Wie die anderen hatte auch Munro wenig vom Vizeadmiral gesehen, au?er bei einem gemeinsamen Essen, zu dem er und der Kommandant die Offiziere und Unteroffiziere eingeladen hatten, um ihnen den Zweck der Reise zu erlautern.

Zwei starke Verbande waren mit Infanterie und Seesoldaten zum Kap beordert worden. Ihr einziges Ziel: zu landen, Kapstadt zu belagern und es den Hollandern wieder abzunehmen, Napoleons unfreiwilligen Alliierten. Dann, und nur dann, wurden Englands Schiffahrtswege ums Kap wieder sicher sein vor franzosischen Kaperern. In Kapstadt gab es auch eine Werft, die nach der Wiedereroberung verbessert und vergro?ert werden sollte, damit englische Schiffe sich nie wieder notdurftig selbst versorgen oder wertvolle Monate vergeuden mu?ten auf der Suche nach passenden Stutzpunkten.

Polands Stimme schnitt durch Munros Gedanken wie ein Messer:»Mr. Munro! Achten Sie gefalligst auf die Faulpelze, die angeblich am zweiten Kutter arbeiten. Sie starren zum Horizont, statt zu arbeiten. Aber vielleicht liegt es daran, da? auch der Wachhabende in den Tag traumt, wie?»

Mr. Hull grinste mitleidlos.»Der hat seine Augen wirklich uberall. «Er wandte sich an die Seekadetten, um von Munros Verlegenheit abzulenken.»Und was treiben Sie da, meine Herren? Guter Gott, so werden aus Ihnen niemals Leutnants, aus keinem von Ihnen.»

Bolitho horte das alles, war aber in Gedanken woanders. Er dachte an Catherines verzweifelten Zorn. Wieviel von dem, was sie sagte, traf zu? Er wu?te, da? er sich im Lauf der Jahre Feinde gemacht hatte. Viele hatten versucht, ihm zu schaden, auch wegen seines toten Bruders Hugh, der wahrend der Amerikanischen Revolution die Fronten gewechselt hatte. Spater hatten sie das gleiche mit seinem Neffen Adam versucht. O ja, er hatte echte Feinde, nicht nur eingebildete. Brauchte man ihn wirklich so schnell am Kap der Guten Hoffnung? Oder stimmte es, da? Nelsons Sieg uber die Vereinigte Flotte die englische Strategie vollig umgesto?en hatte? Frankreich und Spanien hatten zwar viele Schiffe verloren, sie waren gesunken oder als Prise genommen worden. Aber auch Englands Flotte war nach Trafalgar schwer angeschlagen, und die wichtigen Blockadegeschwader vor Frankreichs Hafen hatten die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht. Napoleon wurde jetzt neue Schiffe brauchen und sie in Toulon bauen lassen oder an der franzosischen Kanalkuste, moderne Schiffe, von denen Nelson in seinen Wortgefechten mit der Admiralitat so oft gesprochen hatte. Doch bis dahin wurde sich Napoleon woanders nach Hilfe umschauen — vielleicht bei seinem alten Alliierten Amerika?

Bolitho zupfte Kuhlung suchend an seinem Hemd, einem aus der eleganten Kollektion, die Catherine ihm in London gekauft hatte, wahrend er bei den Lords der Admiralitat vorsprach. Er hatte die Hauptstadt immer geha?t, ihre verlogene Gesellschaft, ihre privilegierten Burger, die den Krieg nur wegen seiner Unbequemlichkeit verfluchten, ohne an die vielen Manner zu denken, die drau?en ihr Leben hingaben, um die Freiheit aller zu schutzen. Burger wie. Doch er verdrangte Belinda aus seinen Gedanken und tastete nach dem silbernen Medaillon, das Catherine ihm gegeben hatte: klein, aber mit ihrem perfekten Miniaturportrat im Inneren. Es zeigte ihre dunklen Augen, ihren unverhullten Hals, wie er ihn kannte und liebte. Auf der Ruckseite enthielt es eine gepre?te Haarlocke von ihr. Er konnte nur raten, wie lange sie dieses Medaillon schon besessen hatte. Sicherlich war es kein Geschenk ihres ersten Mannes, dieses Glucksritters, der bei einer Rauferei in Spanien ums Leben gekommen war. Vielleicht aber stammte es von ihrem zweiten Mann, Luis Parejas. Er war gefallen, als er Bolitho half, ein erobertes Handelsschiff gegen Berberpiraten zu verteidigen. Luis war doppelt so alt gewesen wie Catherine, aber auf seine Weise hatte er sie geliebt. Die Miniatur besa? die Finesse, die er als spanischer Kaufmann geschatzt hatte.

Damals war Catherine in Bolithos Leben getreten — und nach einer kurzen, heftigen Affare wieder daraus verschwunden. Das war ein Mi?verstandnis gewesen, der fehlgeschlagene Versuch, ihrer beider Ruf zu schutzen. Bolitho hatte sich oft verflucht, da? er ihre Trennung zugelassen hatte.

Erst vor zwei Jahren, als die

Antigua anlief, hatten sie einander wiedergefunden. Bolitho fuhrte eine Ehe mit Belinda, die erkaltet war. Catherine war zum dritten Mal verheiratet — mit Viscount Somervell, einem bosartigen, dekadenten Mann. Er hatte versucht, sie physisch zu vernichten, und hatte sie ins Schuldgefangnis werfen lassen, als er von ihrer neu entflammten Leidenschaft erfuhr. Bolitho hatte sie daraus gerettet. Er horte ihre Stimme so klar, als stunde sie neben ihm auf dem schnell trocknenden Deck:»Trag dies immer bei dir, Liebster. Ich werde es dir erst wieder abnehmen, wenn du neben mir liegst. «Er fuhlte die Gravur auf der Ruckseite des Medaillons, die sie in London hatte anbringen lassen: Moge das Gluck dich immer leiten. Moge die Liebe dich immer schutzen.

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