Poland gestattete sich ein seltenes Lacheln.»Fur mich auch nicht, Sir Richard.»
Bolitho sah sich nach Jenour um.»Lassen Sie Wasserleichter langsseits kommen, sobald wir ankern, Kapitan. Und loben Sie Ihre Mannschaft mal, das wird allen gut tun. Es war eine sehr schnelle Reise.»
Als die Achterdeckswache den gro?en Besanbaum schiftete, stach das Sonnenlicht wie mit blitzenden Lanzen nach ihnen. Bolitho bi? die Zahne zusammen. Aber sie hatten sich alle geirrt, sein Auge war in Ordnung. Er konnte die anderen Schiffe trotz des Hitzeflimmerns klar und deutlich erkennen.
Jenour beobachtete ihn und nickte Allday zu, der mit dem polierten Degen nach achtern kam. Es gab also doch noch Hoffnung.
Die beiden Fregatten drehten in den Wind und ankerten erheblich fruher als selbst der grimmige Mr. Hull vorhergesagt hatte. Signale wurden ausgetauscht, Boote zu Wasser gelassen, Sonnensegel aufgeriggt. Bolitho beobachtete das alles vom Achterdeck aus, wahrend er noch einmal uber seinen Auftrag nachdachte.
Der Landeplatz im Nordwesten war fur den ersten Angriff gut gewahlt, es gab keinen besseren. Bolitho studierte die Karte mit gro?ter Sorgfalt. Die Saldanhabucht war flach und geschutzt genug, um dort Truppen und Marineinfanterie anlanden zu konnen. Die Schiffe wurden ihnen zunachst Feuerschutz geben. Doch im Binnenland begannen dann die wirklichen Probleme, denn die Bucht lag einhundert Meilen von Kapstadt entfernt. Die englische Infanterie, wochenlang auf engstem Raum an Bord zusammengepfercht, war noch nicht fit fur lange Fu?marsche und standige Scharmutzel. Die Hollander, diese hervorragenden Soldaten, wurden sich nicht alle paar Meilen mit ihnen schlagen, sondern Vorrate und Wasserstellen unbrauchbar machen und den erschopften Truppen erst vor Kapstadt entschlossen entgegentreten. Widerstand bei der bevorstehenden Landung schien also wenig wahrscheinlich.
Bolitho verspurte seine alte Ungeduld. Es wurde einen langen und teueren Feldzug geben, der um die Nachschublinien gefuhrt wurde von Truppen, die bisher nur den Garnisonsdienst in Westindien kennengelernt hatten — auf den Inseln des Todes, wie die Infanterie sie nannte. Dort starben mehr Manner an Fieber als im Feuer des Feindes.
Jenour naherte sich gru?end.»Ihre Depesche an den General ist unterwegs, Sir Richard. Mit dem Schoner
Abendrote breitete sich uber den glitzernden Horizont und tauchte Masten und Spieren in Bronze. An Land hatte man die Ankunft der
Jenour hatte sich gut unter Kontrolle, aber Bolitho konnte man nichts vormachen.»Ich denke«, er befeuchtete sich die trockenen Lippen,»der Commodore hatte langst um Erlaubnis bitten mussen, an Bord zu kommen. «Er schwieg unter Bolithos forschendem
Blick.
«Das hatte ich an seiner Stelle getan. «Bolitho erinnerte sich an Kapitan Varians respektlose Bemerkung.»Bitten Sie Kapitan Poland um seine Gig und sagen Sie ihm, da? ich zur
Allday beugte sich vor und sagte leise:»Sehen Sie, Sir, man wei? Bescheid. Eine Stunde nach unserer Ankunft wei? man auf allen Schiffen: Nelson ist gefallen, aber wir haben gesiegt!»
Einer der Bootsgasten starrte Allday verblufft an, und dieser runzelte die Stirn. Der Bootsgast blickte schnell weg und kam fast aus dem Rudertakt. Das konnte er nicht fassen: Ein Seemann, auch wenn er Bootsfuhrer war, sprach den Admiral an, und der neigte sich sogar vor, um ihm zuzuhoren?
Bolitho nickte.»Nelson wird uns allen sehr fehlen. England wird nie wieder einen wie ihn bekommen.»
Allday lehnte sich zuruck. Da bin ich nicht so sicher, dachte er und sah Bolitho an.
Der steile Bugsprit der
Jenour versuchte sich zu entspannen. Er hatte die Wache an der Seitenpforte aufziehen sehen, rotliches Sonnenlicht reflektierte von ihren gezogenen Sabeln. Als der Buggast die Gig festgemacht hatte, stieg Bolitho nach oben. Die gebrullten Kommandos und das Schrillen der Pfeifen betaubten ihn fast. Allday war dicht hinter ihm und wurde ihn stutzen, falls sein Fu? abglitt oder sein Auge versagte. Blo? das nicht.
Er fing sich und gru?te zum Achterdeck hin, uber dem die Kriegsflagge vor dem Abendhimmel tanzte.
Der Offizier, der ihn empfing, trug nur ein einzelnes Schulterstuck. Aber fur einen Commander war er zu alt, also bei
Beforderungen offensichtlich ubergangen worden.»Willkommen an Bord, Sir Richard.»
Bolitho lachelte kurz. Allday hatte recht, auf Schiffen gab es keine Geheimnisse.»Wo steckt der Commodore?«Bolitho sah zu Warrens Flagge auf.»Ist er krank?»
Commander Maguire sah unglucklich drein.»Er bittet um Entschuldigung, Sir Richard. Er erwartet Sie in seiner Kajute.»
Bolitho nickte den anderen Offizieren zu und wandte sich an Jenour.»Bleiben Sie mit Allday hier und schauen Sie sich um.»
Maguire fuhrte ihn zum Niedergang und verbeugte sich, als Bolitho zur Achterkajute schritt, vor der ein Seesoldat knallend die Hacken zusammenschlug. Das Schiff strahlte etwas Unwirkliches aus. Vielleicht war es auf zu vielen Stationen und zu lange fern von England eingesetzt worden. Funfzehn Jahre, hatte Bolitho gehort, war die
Ein schwarzer Diener in Leinenhose und roter Weste offnete die Lamellentur. Wieder einmal war Bolitho uberrascht.
Man hatte aus der Achterkajute die Kanonen entfernt, um Quartier fur die vielen Offiziere zu schaffen, die bei den langen Truppentransporten untergebracht werden mu?ten. Um auf die Entfernung den Feind trotzdem zu tauschen, hatte man im Heck Kanonenattrappen eingebaut. Darum also wirkte die Kajute jetzt so geraumig. Nur ein Gestell mit Musketen erinnerte an den Krieg.
Commodore Arthur Warren kam hinter einer zweiten Lamellentur hervor.»Sir Richard! Was mussen Sie von mir denken?»
Bolitho war entsetzt. Er hatte den gleichaltrigen Warren nie naher gekannt, doch dieser Offizier in der zu gro?en Uniformjacke wirkte mit seinem faltigen Gesicht wie ein sehr alter Mann.
Die Tur fiel zu. Commander Maguire hatte sich ohne Erlaubnis entfernt. Kein Wunder, da? der selbstbewu?te Kapitan Varian hier fur seine Zukunft eine Chance sah, dachte Bolitho.
Sie waren allein mit dem Diener.
«Setzen Sie sich doch bitte. «Bolitho wartete, bis der Diener roten Wein in kostbare spanische Glaser gefullt und sie ihnen gereicht hatte. Warren setzte sich mit schmerzverzogenem Gesicht, ein Bein steif vor sich ausgestreckt, die linke Hand im Jackett verborgen. Das war kein kranker, sondern ein sterbender Mann.
Bolitho hob sein Glas.»Auf gute Besserung. Die Neuigkeiten von Trafalgar haben Sie gewi? schon erfahren.»
Der Wein war schal und flach, aber Bolitho achtete nicht darauf. Er dachte an seine Zeit als Flaggleutnant von Konteradmiral Sir Charles Thelwall auf dem Dreidecker Euryalus. Die Gesundheit seines Vorgesetzten hatte sich damals auf See rapide verschlechtert. Er schatzte Thelwall sehr, und es schmerzte ihn, als er sich an Land zur Ruhe setzte und bald darauf starb. So hatte Thelwall dann auch die Meuterei in der Nore, in Spithead, in Plymouth und Schottland nicht mehr erlebt, die kein Kapitan vergessen durfte, wenn er nicht mit seinem Leben spielen wollte. Der Admiral hatte damals so ausgesehen wie Warren jetzt.
Der Commodore unterdruckte einen tiefen, gurgelnden Husten. Die roten Flecken danach auf seinem Taschentuch stammten nicht vom Wein. Vorsichtig sagte Bolitho:»Ich mochte Sie nicht behelligen, Commodore, aber ich konnte den Arzt der
Warren antwortete heiser:»Die Armee wird das nicht mogen, Sir Richard. Sir David Baird ist ein Eisenfresser.»
Bolitho dachte an den Brief, der in seinem Safe auf der
Warren unterdruckte wieder einen Hustenanfall.»Was habe ich zu tun? Ich bin Ihr ergebener Diener, Sir Richard. Wenn Kapitan Varian Ihnen gemeldet haben sollte…»
Bolitho unterbrach ihn.»Ich gehore seit meinem zwolften Lebensjahr der Marine an und habe seither gelernt, mir eine eigene Meinung zu bilden. «Er stand auf, trat ans Fenster und blickte uber die Kanonenattrappe hinweg zum nachsten Schiff, einer Fregatte.»Ich werde nicht ein einziges Leben mehr aufs Spiel setzen, Commodore Warren, als notig ist, damit wir beide hier unser Bestes geben konnen. Uberall in der Marine sind loyale Manner und Offiziere enttauscht, da? der Sieg von Trafalger nicht vollstandig war. Aber es wird noch Jahre dauern, bis der Tyrann Napoleon besiegt ist.»
Warren und der Diener starrten ihn an, denn er hatte sehr laut gesprochen. Nun lachelte er.»Vergeben Sie mir meinen Ubereifer. Aber ich habe zu viele gute Schiffe untergehen, zu viele tapfere Manner fallen gesehen, weil ihre Vorgesetzten Fehler begingen. Wer die harten Gesetze des Krieges lieber vergessen mochte, wird es unter meinem Kommando schwer haben. «Er nahm seinen Hut.
«Augenblick noch, Sir Richard. «Warren nahm seinen eigenen Hut aus der Hand des Dieners und folgte ihm an Deck bis zur Seitenpforte. Seine Stimme klang viel fester.»Den Krieg kennen meine Manner und ich bisher nicht. Aber ich werde mein Bestes tun, genau wie meine Leute.»
Jenour sah Bolithos ernstes Lacheln und wu?te, da? Wichtiges vor ihnen lag.
Commodore Warren blickte sich suchend nach Maguire um. Fur die alte
Bolitho nahm Jenour beiseite.»Wir werden spater hierher umziehen, Stephen, wenigstens fur die nachste Zeit. Bereiten Sie die anderen auf der
«Der Feind wei?, da? wir hier sind«, fuhr Bolitho fort.»Er kann uns beobachten. Ich mochte mir jenseits des Kaps den zweiten Ankergrund ansehen, vielleicht erspart uns das einen Hundert-Meilen-Marsch. Mein Befehl an den General lautete deshalb, den Angriff zu verschieben.»
Jenour sah Bolithos Augen, sie waren grau wie der Ozean, uber den er blickte.»Aber Sie rechnen mit dem Widerstand des Generals, nicht wahr?»
Bolitho klopfte Jenour auf den Arm.»Wir handeln unabhangig voneinander. Da wir heute schon ofter an Nelson gedacht haben, sollten wir uns auch an seine Worte erinnern: Die kuhnsten Ma?nahmen sind fast immer die sichersten.»
In dieser Nacht sa? Bolitho am Heckfenster seiner Kajute auf der
Das Deck zitterte, als eine Stromung das Schiff an der Ankerkette bewegte. Vom Wechsel auf die
Auch Ozzard schlief nicht, Bolitho horte ihn in der neuen Speisekammer rumoren. Ozzard, der ein Geheimnis mit sich herumtrug, wie Bolitho aufgefallen war. Er gahnte und rieb sich das verletzte Auge. Warum war Ozzard damals nicht an Deck gewesen, als Uberlebende und Verwundete die sinkende
verlie?en? Daruber fiel ihm sein Flaggkapitan und Freund Valentine Keen ein, den der Verlust des alten Schiffes genauso geschmerzt hatte. Und dann schlief Bolitho doch ein.
III Wer ist die Albacora?
Der kleine Toppsegelschoner
Die
Achtern am Kompa? hielt sich ihr Kommandant, Leutnant James Tyacke, an einer Pardune fest. Wie seine ganze Besatzung war er na? bis auf die Haut. Mit geroteten Augen starrte er durch die Gischt hoch zum brettharten Gro?segel und seiner Flagge, wahrend das Schiff mit sudlichem Kurs durch die Seen pflugte.
Sie hatten die ganze Nacht und ein Gutteil des Tages dazu gebraucht, um sich aus der Saldanhabucht freizusegeln, weg von den ankernden Kriegsschiffen, Versorgern, Bombarden, Truppentransportern und kleineren Einheiten. Leutnant Tyacke war lange nach Westen abgelaufen, um genugend Raum fur eine schnelle Reise hinunter zu Commander Warrens kleiner Flottille zu haben. Noch aus einem anderen Grund war er weit auf See hinaus gesegelt, und den ahnte allenfalls der zweite Mann an Bord. Tyacke wollte so viel Raum wie moglich zwischen sich und die Flotte legen, damit ihn nicht wieder ein Befehl zum Flaggschiff zuruckrief.