Es war sinnlos, weiter in ihn zu dringen. Allday war wie eine Eiche und wurzelte tief. Wenn er soweit war, wurde er schon mit seinem Problem herausrucken.
Tuson war der nachste Besucher. Bolitho hatte gelernt, die regelma?ige Behandlung zu ertragen und sich die Schmerzen beim Verbandwechsel nicht anmerken zu lassen. Er offnete das linke Auge und schaute starr zu den Heckfenstern. Wa?rige Sonne und ein tiefblauer Horizont. Er spannte sich, spurte jahe Hoffnung und ballte dann die Fauste, als sich der Schatten wieder wie ein Vorhang vor sein Gesichtsfeld legte.
Tuson sah seine verkrampften Hande.»Nur nicht den Mut verlieren, Sir. Das bessert sich noch.»
Bolitho wartete, bis der Verband wieder verknotet worden war. Dann fragte er abrupt:»Was ist eigentlich mit meinem Bootsfuhrer los?»
Tuson sah ihn an.»Es geht um Bankart, Sir, seinen Sohn. Ein Pech, da? er an Bord ist, wenn Sie mich fragen.»
Bolitho fa?te ihn am Hemdsarmel.»Mit mir konnen Sie doch offen reden, Mann.»
Tuson klappte seine schwarze Tasche zu.»Wie wurden Sie sich fuhlen, Sir, wenn Ihr Neffe sich als Feigling entpuppte?»
Bolitho horte, wie die Tur geschlossen wurde.
Supreme,
entern oder versenken.
In dieser Nacht, als die
Am nachsten Tag hielt
ein portugiesisches Fischerboot an, nachdem ihm ein Schu? vor den Bug gesetzt worden war.
Nach einer Weile erreichte die Nachricht das Flaggschiff: Der Fischer hatte vor zwei Tagen den Golf von Rosas unterhalb des Kaps passiert. Dort lag ein gro?es franzosisches Kriegsschiff.
Bolitho ging auf seiner Heckgalerie auf und ab und kummerte sich nicht um den Wind und die Gischt, die ihn bis auf die Haut durchna?te.
Das franzosische Schiff wurde kaum nach Gibraltar segeln, sondern vor Anker bleiben oder in Richtung Toulon auslaufen. Und zwischen ihm und seinem Ziel wurde
soll bei ihr bleiben.»
Wenn er dazu in der Lage gewesen ware, hatte er gesehen, wie Stayt eine Augenbraue hob. Bolitho tastete sich an den Tisch und starrte hilflos auf die Seekarte. Dann drehte er sich zu Stayt um und grinste.»Morgen wird
Minuten spater wehten die Flaggen hell an ihren Leinen aus und wurden von
Wenn sich der Wind gegen sie stellte, wurde er umdenken mussen. Da der Master aber zuversichtlich war, da? er weiterhin aus Sudwest wehen wurde, bestand vielleicht die Chance, an die Franzosen heranzukommen.
Die Kuste, die der Feind als Zufluchtsort gesehen hatte, konnte fur ihn zu einer Falle werden.
Kapitan Valentine Keen nahm sich in seiner Kajute einen Augenblick Zeit, um sicherzustellen, da? er alles hatte, was er in den nachsten Stunden brauchte. Das Schiff schien still zu sein, abgesehen vom regelma?igen Achzen der Balken und dem gedampften Rauschen des Wassers am Rumpf.
Er sah sein Spiegelbild und zog eine Grimasse. Bald wurde er an Deck gehen und befehlen, das Schiff klar zum Gefecht zu machen. Furcht beruhrte eiskalt sein Ruckgrat. Auch das war normal. Er musterte sich so sorgfaltig wie einen Untergebenen: sauberes Hemd, saubere Hose. Das verringerte die Entzundungsgefahr, falls er verwundet wurde. Er beruhrte seine Seite und spurte das Ziehen der alten Wunde. Der Blitz trifft nie zweimal die gleiche Stelle, hie? es. Im Spiegel sah er sich lacheln. Ein Brief an seine Mutter lag in der Stahlkassette. Wie oft habe ich jetzt schon so an sie geschrieben? fragte er sich.
Es klopfte leise — Stayt.
«Sir Richard ist an Deck, Sir. «Das klang wie eine Warnung.
Keen nickte.»Vielen Dank. «Stayt verschwand wieder in der Finsternis. Seltsamer Vogel, dachte er. Dann lockerte er seinen Degen in der Scheide und vergewisserte sich, da? seine Uhr tief in der Tasche steckte, falls er sturzte.
Er horte leise Stimmen vor der Tur und ri? sie auf, ehe jemand anklopfen konnte.
Erst sah er nur ihr blasses, ovales Gesicht; sie steckte vom Kinn bis zu den Fu?en in seinem Bootsmantel, den er ihr vor einer Weile geschickt hatte. Er fuhrte sie in die Kajute, die bald ebenfalls geraumt und gefechtsbereit gemacht werden wurde.
Vielleicht war das franzosische Schiff ja gar nicht da?
Doch er verwarf diesen Gedanken. Der Wind war zu frisch, und kein Kommandant wurde Lust verspuren, gegen ihn anzukampfen, um womoglich an einer Leekuste zu enden.
Er ergriff Zenorias Hande.»Du bleibst mit Ozzard im Frachtraum, Liebste, da bist du sicher. Er wird sich um dich kummern. Wo steckt deine Gefahrtin?»
«Millie ist schon unten. «Ihre Augen wirkten im Schein der Blendlaterne sehr dunkel.
Keen zog ihr den Bootsmantel zurecht und spurte, wie sich ihre Schultern versteiften.»Gut so. Unten ist es kalt. Und keine Angst.»
Sie schuttelte den Kopf.»Angst habe ich nur um dich, falls..»
Er beruhrte ihre Lippen.»Nein. Wir sind bald wieder zusammen. «Er zog sie sanft an sich, glaubte, ihren Herzschlag zu spuren, und erinnerte sich an ihre Brust in seiner Hand.»Es stimmt, Zenoria, ich liebe dich«, murmelte er.
Als sie ging, drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Ob zur Erinnerung oder um ihm Mut zu machen, das wu?te er nicht.
Er griff nach seinem Hut und stieg rasch zum Achterdeck hinauf. Bolitho stand in Luv bei den Netzen, und die
Icarus
blockieren.
Bolitho drehte sich um und fragte:»Wie lange noch?»
Keen sah, wie verkrampft er den Kopf hielt, und litt mit ihm.»Ich lasse bei Tagesanbruch klar zum Gefecht machen, Sir.»
Bolitho klammerte sich an die Netze, als das Schiff in ein riesiges Wellental sackte; es schien vom Bug bis zur Heckreling zu erzittern.
«Bekommen die Manner vorher zu essen?»
Keen lachelte traurig.»Jawohl, Sir. Die Kombuse ist bereit. «Beinahe hatte er» selbstverstandlich «gesagt.
Bolitho schien sich unterhalten zu wollen.»Sind die Frauen unter Deck?»
«Jawohl, Sir«, sagte Keen. Er dachte an Millie, die Zofe aus Jamaika. Er hatte den Verdacht, da? sie heimlich ein Verhaltnis mit Wenmouth hatte, dem Korporal, der sie vor Unbill schutzen sollte.»Die Vorstellung, da? sie wahrend des Gefechts dort unten sitzt, ist mir unangenehm«, gestand er.
Bolitho beruhrte seinen Verband.»Falls es uberhaupt zum Gefecht kommt. Im Augenblick aber, Val, ist sie hier besser aufgehoben als in irgend einem Hafen.»
Zwischen den Decks trillerten die Pfeifen, und Decksoffiziere befahlen den Mannern, die Hangematten abzunehmen und zusammenzurollen. Innerhalb weniger Minuten war das Deck von Matrosen uberflutet, die zu den Netzen rannten und ihre Hangematten als Schutz gegen Splitter und Musketenkugeln hineinstopften. Aus dem Kombusenschornstein kam der kraftige Geruch nach gebratenem Speck, und aus dem Luk horte Bolitho den dunnen Klang einer Fiedel. Zeit zu essen, frische Kleider anzuziehen, mit einem Freund einen Schluck Rum zu trinken und ein Lied anzustimmen. Fur manche mochte es das letzte Mal sein.
Keen war nach vorne gegangen, um mit dem Bootsfuhrer zu sprechen. Bolitho drehte sich um und suchte nach dem Wachoffizier.»Mr. Griffin!»
Doch der Schatten war nicht der Leutnant, sondern Mid-shipman Sheaffe.
Bolitho zuckte die Achseln.»Sagen Sie mir, was vorgeht.»
Sheaffe blieb neben ihm stehen.»Mr. Fallowfield sagt, da? es in einer halben Stunde zu dammern beginnt. Es ist bewolkt, wie Sie sehen, Sir. «Er verstummte und sagte dann:»Verzeihung, Sir Richard.»
«Daran gewohne ich mich allmahlich«, erwiderte Bolitho.»Aber ich freue mich schon auf den Tag, an dem ich wieder sehen kann.»
Keen kam nach achtern zuruck und legte gru?end die Hand an den Hut.»Der Landfall erfolgt punktlich, Sir«, rief er.»Ich kann bald halsen, aber erst.»
Bolitho, dessen Haar im Wind wehte, drehte sich zu ihm um.»Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen eingescharft habe, Val: Verbannen Sie alles au?er dem bevorstehenden Gefecht aus Ihren Gedanken. «Seine Stimme hatte ihren harten Klang verloren, als er hinzufugte:»Sonst wird unsere tapfere Zenoria noch vor ihrer Hochzeit zur Witwe.»
Keen grinste. Er legte die Hande um den Mund, gerade als ein schwacher Sonnenstrahl wie flussiges Gold an der Gro?-bramstenge hinabglitt, und rief:»Mr. Paget! Klar Schiff zum Gefecht!»
Bolitho holte tief Atem, als Trommelwirbel erschollen und die Pfeifen die Mannschaft zusammenriefen. Er brauchte nicht sehen zu konnen, um zu wissen, was vor sich ging: dumpfe Schlage unter Deck, wo Trennwande entfernt und personliche Habseligkeiten ins Orlopdeck, tief unter die Wasserlinie, geschafft wurden. Pulver wurde aus dem Magazin geholt und Sand aufs Deck gestreut, damit die Geschutzbedienungen nicht ausglitten. Au?erdem sollte er Blut aufsaugen.
Bolitho spurte Allday neben sich und hob den Arm, damit sein Bootsfuhrer ihm den Degen an den Gurtel hangen konnte. Fur einen neuen Kampf, zu Sieg oder Versagen. Dachte eigentlich jemand an diese Manner hier, wu?te man an Land, wie viele Menschenleben geopfert werden mu?ten, damit man sich dort ein angenehmes Leben machen konnte?
Pagets Stimme.»Schiff ist klar zum Gefecht, Sir!»
Keen sagte:»Gut gemacht, Mr. Paget, aber beim nachsten Mal mu? das zwei Minuten schneller gehen!»
«Aye, aye, Sir. «Das war nur ein Spiel zwischen Kommandant und Erstem Offizier. Genau wie bei mir und Thomas Herrick, dachte Bolitho. Er begann jetzt Umrisse zu erkennen, die ausgestopften Hangemattsnetze, die Achtzehnpfun-der auf dem Oberdeck.
Keen rief:»Ruder drei Strich nach Steuerbord! Neuer Kurs Nord zu West!»
Paget setzte seinen Sprechtrichter an.»An die Brassen!»
Keen umklammerte die Querreling und sah zu, wie die gro?en Rahen gebra?t wurden. Als der Bug sich hob, sah er zum ersten Mal vage Land, das sich schrag an Backbord dahinzog. Er wandte sich an Bolitho, um ihn zu informieren, schwieg aber, als er feststellte, da? der Vizeadmiral noch so dastand wie zuvor, Allday dicht hinter sich. Bolitho hatte nichts gesehen — eine Tatsache, die Keen ruhrend und zugleich besorgniserregend fand. Allday warf ihm einen raschen Blick zu, der Bande sprach.
«Entern Sie auf, Mr. Griffin«, sagte Keen,»und melden Sie, was Sie sehen.»
Midshipman Sheaffe und seine Signalgasten standen an den Flaggleinen bereit. An Deck lag eine riesige franzosische Trikolore klar zum Hei?en.
Keen nahm ein Teleskop und kletterte in die Wanten. Das Land lag in der Sonne, schien aber nur wenig Substanz zu haben. Sie liefen zwei Meilen entfernt fast parallel zur Kuste. Die Bucht war zehn Meilen breit, und an einem Ende ragte das zerkluftete Kap schutzend ins Meer hinaus: ein perfekter Ankerplatz.
«Irgendwelche Schiffe zu sehen?«rief Bolitho.
«Bisher noch keine, Sir.»
«Hei?en Sie die Trikolore und setzen Sie die Bramsegel. Wir mussen so beweglich wie moglich sein.»
Keen gab dem Ersten Offizier einen Wink, hielt dann aber inne, als ein Ruf des Ausgucks alle nach oben schauen lie?.
«Schiff recht voraus!»
Keen starrte in die Takelage, da? seine Augen tranten, von Ungeduld geplagt, bis Leutnant Griffin erganzte:»Linienschiff, Sir! Vor Anker!»
Keen sah die gro?e Trikolore an der Gaffel auswehen, wahrend die Manner in den Webeleinen aufenterten, um mehr Segel zu setzen.
«Kurs Nord zu West, Sir!»
Keen horte Bolitho leise sagen:»Sieht aus, als hatten wir doch noch Gluck.»
Als die warmenden Sonnenstrahlen das Achterdeck erreicht hatten, spurte Bolitho die zunehmende Spannung. Er wu?te nicht, ob er Keen uber jede seiner Ma?nahmen Bericht erstatten lassen oder ihn mit seinen Fragen verschonen sollte.
Doch schon trat Keen neben ihn.»Der Franzose liegt nur vor Buganker«, berichtete er. Er legte eine Pause ein, damit Bolitho sich ein Bild machen konnte. Da der Wind noch immer von Suden kam, wurde das andere Schiff auf sie zuschwojen, als sei es auf konvergierendem Kurs. Keen fugte hinzu:»Keine Anzeichen von Aufregung, Sir. Bisher jedenfalls. Mr. Griffin sagt, es lagen Boote langsseits, unter anderem ein Leichter mit Wasserfassern.»
Bolitho mu?te plotzlich an
denken und den sterbenden Hallowes, dessen Hand er gehalten hatte.
«Sehr passend.»
«Mit Ihrer Zustimmung, Sir, beabsichtige ich, zwischen dem Feind und der Kuste durchzulaufen. Das Wasser ist dort tief genug. So haben wir den Windvorteil und konnen ihn beim Passieren beschie?en. «Mit halbem Ohr nahm er die heiseren Rufe der Stuckfuhrer und die rauheren Tone des furchterregenden Geschutzmeisters Crocker wahr. Der stand mit der ersten Abteilung an Steuerbord und wurde das Gefecht genie?en.
«Noch ein Schiff, Sir! An Backbord voraus!»
Keen ri? Midshipman Hext das Fernrohr aus der Hand.»Eine spanische Korvette«, sagte er dann.
Stayt murmelte:»Es wird ihr schwerfallen, an uns heranzukommen, Sir. Sie mu?te gegen den Wind aufkreuzen.»
«Achten Sie auf ihre Signale, Mr. Sheaffe. Sie wird bald verlangen, da? wir uns genauer zu erkennen geben. «Er hob die Stimme.»He, ihr da an Deck! Behaltet den Franzosen im Auge, nicht diesen lacherlichen kleinen Pott!«Jemand lachte.
Bolitho meinte:»Meiner Ansicht nach wird er nicht reagieren. Die Spanier haben ihre Absprachen mit den Franzosen.»
Als die kleine Korvette wendete, schaumte das Wasser an ihren Geschutzpforten entlang, als sei sie auf Grund gelaufen. Das Land hinter ihr war hoch und grun. Hier und dort wiesen wei?e Flecke auf vereinzelte Anwesen hin.
Es mochte hier zwar eine Kustenbatterie geben, dachte Bolitho, aber das war unwahrscheinlich. Die nachste gro?ere Garnison sollte sich in Gerona befinden, nur zwanzig Meilen landeinwarts.
Das kleine spanische Kriegsschiff war nun bis auf eine Kabellange herangekommen. Bolitho horte druben die Taljen rasseln, ein Anker wurde klariert, als schickten sie sich an, ihn fallen zu lassen. Auf dem Franzosen mu?ten viele Augen die Argonaute beobachten. Man wurde nicht nur auf ihren Baustil achten, sondern auch auf ihre Vorbereitungen.