Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander 22 стр.


«Riemen hoch!«Die fahlen Ruder hoben sich triefend, die Blatter perfekt ausgerichtet. Allday hatte seine Leute gut gedrillt. Dann das Fallreep hinauf zum durchdringenden Gezwitscher der Bootsmannspfeifen, zum Rhythmus der Trommeln und Querpfeifen. Tonwolken schwebten wie wei?er Staub uber den Marinesoldaten, als sie ihm zu Ehren die Waffen prasentierten. Und da kam auch schon Thomas Herrick mit strahlendem Gesicht herbeigeeilt und lie? die Formlichkeit verwehen wie Pfeifenton.

«Kommen Sie nach achtern, Sir Richard«, rief Herrick. Er lachelte schuchtern.»An den Titel habe ich mich noch nicht ganz gewohnt.»

Ich auch nicht, dachte Bolitho, als sie unter die vertraute Poop schritten. Hier hatten Manner die Waffen gegeneinander erhoben und waren gefallen. Dort oben hatten Kugeln Matrosen und Seesoldaten umgemaht, und wo nun zwei kleine Kadetten aufmerksam dem Sailing Master lauschten, war er selbst getroffen worden.

In der Achterkajute war es warm, obwohl Fenster und Skylight weit offenstanden. Herrick eilte geschaftig umher.»Hier stinkt es nach Farbe und Teer wie auf der Werft von Chatham!»

Ein Kabinensteward stellte Pokale auf ein Tablett, und Bolitho, dem das Hemd bereits am Leib klebte, setzte sich unters Skylight. Er sah Herrick voller Zuneigung an. Sein Haar war nun graumeliert, und er wirkte fulliger, was vermutlich am Eheleben und den Kochkunsten seiner Dulcie lag. Doch sonst sah er so aus wie fruher: die gleichen klaren blauen Augen und die forschende Neugier, wenn er seinen Freund ansah, der fruher einmal sein Kommandant gewesen war in einem Krieg, in dem Meuterei eine argere Bedrohung darstellte als der Feind.

«Ich habe den jungen Adam gesehen, als er hier war, Richard.»

Bolitho nahm einen Pokal vom Tablett. Roter Bordeaux. Mit Herricks Beforderung war auch sein Geschmack besser geworden.

«Eine schone Brigg«, fuhr Herrick fort.»Als nachstes bekommt er eine Fregatte, wie er es sich immer ertraumt hat. Falls er keine Schwierigkeiten kriegt. «Er machte eine Pause und blickte jah besorgt drein.»Na, dann trinken wir mal auf dich, mein Freund, und bleibe Fortuna dir treu.»

Bolitho griff nach seinem Pokal, verfehlte ihn aber und streifte ihn mit der Stulpe. Der Wein flo? uber den Tisch wie Blut, und als Herrick und der Steward ihm zu Hilfe eilen wollten, sagte Bolitho:»Schon gut, ich komme allein zurecht!«Das klang scharfer als beabsichtigt, deshalb setzte er rasch hinzu:»Entschuldige, Thomas.»

Herrick nickte langsam und schenkte ihm neu ein.

«Ich habe naturlich von deiner Verwundung gehort, Richard, und war schockiert. «Er beugte sich vor und schaute Bolitho zum ersten Mal direkt an.»Aber ich kann keinen Schaden erkennen, au?er vielleicht.»

Bolitho senkte den Blick.»Aye, Thomas, au?er vielleicht — das sagt alles. «Er leerte den Pokal, ohne es uberhaupt zu merken.»So, und nun zu dieser Untersuchung, Thomas.»

Herrick lehnte sich zuruck und musterte ihn ernst.»Die Verhandlung findet morgen hier statt.»

«Das ist doch alles Mumpitz, Thomas. «Bolitho ware am liebsten aufgestanden und auf- und abgegangen, wie er es in dieser Kajute so oft getan hatte.»Mein Gott, du kennst Valentine Keen doch. Er ist ein vorzuglicher Charakter und inzwischen ein hervorragender Kommandant.»

«Naturlich habe ich ihn nicht vergessen. Schlie?lich sind wir oft genug miteinander zur See gefahren. «Herrick wurde ernst.»Uber die Verhandlung kann ich nicht sprechen, Richard, aber du hast dieses schmutzige Geschaft ja schon selbst erledigen mussen und verstehst das bestimmt.»

«Nur zu gut. Mein Flaggleutnant hat mir gleich von diesem Besuch abgeraten.»

Herrick beobachtete ihn besorgt.»Da hatte er recht. Jeder Kontakt zwischen uns konnte als Absprache gedeutet werden. Schlie?lich sind wir alle Freunde.»

Bolitho starrte zornig aus den Fenstern.»Wirklich? Ich frage mich langsam. «Herricks verletzter Blick entging ihm.»Als meine Flagge auf der

Achates,

Herrick packte die Tischkante.»Ich wei?, Richard, ich wei?. Doch das andert nichts an der Tatsache, da? wir hier eine Verhandlung zu fuhren haben. Ohne den entsprechenden Befehl wurde ich kein Wort mehr daruber verlieren.»

Bolitho war bemuht, sich zu entspannen. Seit seiner Verwundung schien ihm jeder Zwischenfall, jedes Problem direkt unter die Haut zu gehen. Er griff nach seinem Pokal und merkte, da? Herrick mit Absicht nicht hinsah, nur fur den Fall, da? er ihn wieder umstie?.

«Ich werde personlich erscheinen«, sagte er.»Ich habe nicht die Absicht, eine schriftliche Aussage einzureichen, als ware das nur eine zweitrangige Angelegenheit. Die Zukunft meines Flaggkapitans ist in Gefahr, und ich denke nicht daran, tatenlos zuzusehen, wie er von Feinden, uber deren Namen ich nur Vermutungen anstellen kann, verleumdet wird!»

Herrick winkte seinen Steward hinaus. Dann sagte er beherrscht:»Es war nicht recht von Keen, eine verurteilte Strafgefangene von einem Schiff zu entfernen. Die Tatsache, da? es sich um eine junge Frau handelt, erschwert noch den Fall.»

Bolitho stellte sich das schmutzige Straflingsschiff und die junge Zenoria an der Grating vor. Das Madchen wurde fur den Rest seines Lebens die Narbe auf dem Rucken tragen. Es hatte sterben mussen, wenn Keen nicht gewesen ware. Niemand hatte damals voraussehen konnen, welche Folgen dieser Zwischenfall haben wurde.

«Wenn es sich um einen gewohnlichen mannlichen Gefangenen gehandelt hatte. «meinte Herrick.

«Aber das war eben nicht der Fall, Thomas. Sie wurde falschlich beschuldigt und zu Unrecht verbannt. Mein Gott, Mann, man wollte sie wegen ihres Vaters aus dem Weg schaffen!»

Herrick rutschte unter Bolithos zornigem Blick unbehaglich auf seinem Stuhl herum.»Andere sagen aber…»

Bolitho stand auf.»Wenn du wieder mal an Dulcie schreibst, richte ihr bitte meine besten Gru?e aus.»

Auch Herrick war jetzt auf den Beinen.»Bitte geh nicht im Zorn, Richard!»

Bolitho atmete tief, um sich wieder zu fassen, ehe er vor die Ehrenwache trat.

«Wer wird sonst noch zugegen sein? Kannst du mir wenigstens das verraten?«Er verbarg seine Verbitterung nicht.

Herrick erwiderte:»Admiral Sir Marcus Laforey und sein Flaggkapitan. «Abrupt fugte er hinzu:»Ist diese Frau noch auf der

Bolitho wu?te, diese Bemerkung war unfair, aber im Augenblick stand mehr auf dem Spiel als nur Worte. Seine und Keens Karriere waren auch dann gefahrdet, wenn kein negatives Urteil erging, denn das Gerucht wurde sich rasch verbreiten. Dem mu?te Einhalt geboten werden.

Die beiden Admirale gingen zwar gemeinsam zur Pforte, aber Bolitho hatte sich noch nie von seinem Freund ferner gefuhlt. Dabei kannte er Herrick langer als Allday, der auf eben dieses Schiff zwangsverpflichtet worden war.

Er zogerte, als die erste Reihe Seesoldaten in sein Blickfeld kam. Der Oberfeldwebel am Ende, dessen Blick starr aufs Land gerichtet war, wirkte seltsam steif. Bolitho blieb stehen und konnte dann das Gesicht unterbringen. Der Mann, damals nur ein gemeiner Seesoldat, hatte ihm an jenem gra?lichen Tag geholfen.

«McCall, ich habe Sie in guter Erinnerung«, sagte er leise.

Der Oberfeldwebel, dessen Hauptmann hinter Bolitho stand und zuschaute, blieb steif stehen. Doch seine Augen wurden lebhaft, als er sagte:»Vielen Dank, Sir. «Er zogerte, als furchte er, zu weit zu gehen.»War ein hei?er Kampf, Sir.»

Bolitho lachelte.»Aye. Freut mich, da? Sie beim Marinekorps vorangekommen sind. «Vielsagend fugte er hinzu:»Aber passen Sie auf, da? andere Ihre Anstrengungen nicht zunichte machen.»

Bolitho blieb an der Pforte stehen und luftete gru?end seinen Hut zum Achterdeck. Von morgen an mochte er das Schiff mit ganz anderen Augen sehen.

Er wu?te, da? Herrick ihn besorgt beobachtete — entweder weil er befurchtete, er konne wegen seiner beeintrachtigten Sehkraft stolpern, oder weil er wu?te, da? seine Aufrichtigkeit zu einer Entfremdung zwischen ihnen gefuhrt hatte.

Kapitan Francis Inch beugte sich uber die Seekarte und zupfte mehrmals an seinem linken Ohrlappchen, was er oft tat, wenn er uber seinen nachsten Schritt nachdachte.

Vor seinem inneren Auge sah Inch die Schiffe vor sich:

direkt achteraus und

Er studierte die Karte aufmerksamer und war sich der Gegenwart der beiden anderen Kommandanten, die schweigend ihren Wein tranken, sehr bewu?t.

Zweihundert Meilen sudwestlich von Toulon, und schon mu?ten sie sich in einem aufkommenden Sturm abqualen. Wenn der Wind nicht bald umschlug oder nachlie?, mochten sie von ihrer Station abgetrieben oder gar so weit zerstreut werden, da? sie den Kontakt verloren.

Er dachte an die kleine Brigg

die den anderen Schiffen weit vorauslief. Inch nahm sie hart ran, beneidete aber ihren Kommandanten Kapitan Quarrell mehr, als er sich eingestehen mochte. Quarrell hatte wenigstens Bewegungsfreiheit, wahrend sie sich schwerfallig und langsam mit dem Sturm herumschlugen, auf Station blieben. Er sah auf und gewahrte durch die Heckfenster Schaumkronen.

«Ich mu? bald aufbrechen«, sagte Kapitan Houston.»Sonst finde ich in diesem Wetter mein Schiff nie wieder.»

Montresor von der

bemerkte:»Solange der Wind so bleibt, konnen wir nichts unternehmen.»

Inch schaute sie ungeduldig an. Negative Einstellung. Keiner war bereit, uber das Naheliegende hinauszusehen. Montresor entpuppte sich als guter Kommandant, schien sich aber von dem sauerlichen Houston leiten zu lassen.

Letzterer sagte:»Ich halte es fur Wahnsinn, unsere einzige Fregatte zu einem wilden Tauschungsmanover auszuschicken, obwohl wir sie doch hier brauchen. «Von Inchs Schweigen ermuntert, fuhr er fort:

allein ist mit der Suche nach den Franzosen uberfordert.»

Inch sah sich in der Kajute um. Trotz der Gemalde, die er aufgehangt hatte, wirkte sie noch immer franzosisch. Die Bilder stellten landliche Szenen dar, Bache und Wiesen, Kirchen und Bauernhofe seiner Heimat Dorset. Er dachte an Hannah, seine Frau. Sie hatte ihm bereits einen Sohn geschenkt, und das zweite Kind war unterwegs. Konnte sie sich eigentlich vorstellen, was er tat?

«Vizeadmiral Bolitho hat uns

Inch nickte bedauernd. Es gab noch viel zu besprechen, doch Houston hatte recht: Wenn das Wetter sich weiter verschlechterte, wurde er nie zu seinem Schiff zuruckfinden.

Er horte eine ferne, wie verlorene Stimme aus dem Rigg.

Montresor sagte:»Der Ausguck hat etwas gesichtet. «Er schuttelte sich.»Kein guter Tag fur Uberraschungen.»

Es klopfte an. Inchs Erster Offizier war personlich gekommen.»Signal von

Sir: Schiff im Nordwesten gesichtet.»

Er warf den anderen einen Blick zu.»Der Wind wird immer starker. Soll ich mehr Segel wegnehmen lassen?«Inch zupfte sich am Ohr.»Nein. Lassen Sie die Herren hier zu ihren Booten bringen. Danach mochte ich an

signalisieren, ehe sie au?er Sicht kommt.»

Als der Leutnant hinwegeilte, wandte er sich an die anderen.

«Da?

bei diesem Wetter ein blo?es Fischerboot meldet, ist ausgeschlossen. «Er sah zu, wie seine Worte ihre Wirkung taten.»Bleiben Sie also gut auf Station hinter

Rapid

Sir: Kommandant ist wohlbehalten an Bord.»

Inch grunzte und dachte besorgt an Houstons Boot, das sich weiter muhsam zur

Sir! Im Nordwesten

aufzuschlie?en. «Er nahm ein Teleskop und ging aufs Huttendeck, um Ausschau nach

wurde von ihm eingehullt. Gott, mu?te das ausgerechnet jetzt passieren? Er fuhr den Midshipman, der ihm wie ein Hundchen gefolgt war, an:»Signal ans Geschwader: >Mehr Segel setzen<.»

Die Signalflaggen wirkten vor den tiefen Wolken sehr bunt.

Nun hatte er seine Chance. Zur Abwechslung brauchte er sich mal nicht nach den Anweisungen vom Flaggschiff zu richten. Diesmal hatte er selbst den Befehl. Wenn er Hannah davon erzahlte, wurde sie ihn mit ihren veilchenblauen Augen bewundernd anschauen. Bolitho verwundet und mit Keen nach Malta gerufen: absurd, da? man ihn wegen dieses dummen Verfahrens vom Geschwader wegbeordert hatte. Doch ganz gleich, was die Grunde waren: Francis Inch befehligte vorubergehend das Geschwader. Ihm war, als sei plotzlich eine schwere Last von ihm genommen. Jetzt hatte er keine Zweifel mehr und wu?te, da? er furchtlos in das Gefecht gehen konnte.

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