Er war stolz auf sein Schiff und die Mannschaft. Die Matrosen kletterten mit wild flatternden Hosen hinaus auf die Rahen, Segel losten sich donnernd und fullten sich unter dem Winddruck, so da? die Schraglage des Decks noch zunahm. Achteraus wurde
ganz kurz sichtbar.
«An Deck!«Das war ein Leutnant. Savill hatte mit der Entsendung eines erfahrenen Mannes ins Krahennest recht getan.»Signal von
Drei Linienschiffe im Nordwesten!»
Inch spurte am ganzen Korper ein Prickeln. Also drei. Nun konnte kein Zweifel mehr bestehen. Das waren die Franzosen.
«Signal ans Geschwader, Mr. Savill: Klar zum Gefecht.»
Inch dachte an Bolitho und war stolz, an diesem Tag mit der Fuhrung betraut zu sein.
Trommelwirbel erklang, und als wieder Gischt uber den Bug der
Doch der Larm tauschte ihn nicht uber die Tatsache hinweg, da? sie nur langsam vorankamen. Wenn der Wind nicht zu ihren Gunsten umsprang — er verbannte die Folgerung aus seinen Gedanken.
«Einen Strich mehr nach Luv, Mr. Savill.»
Er horte die erstickten Rufe, als seine Manner sich abmuhten, dem Befehl Folge zu leisten. Er konnte noch nicht wagen abzufallen, damit mu?te er bis zum letzten Augenblick warten, wenn Manovrierfahigkeit am wichtigsten war. Der Zweite Offizier stand oben im Krahennest und beobachtete die naherkommenden Schiffe, was ihm bei dem hartnackigen Nebel nicht leicht fallen mu?te. Das Land lag nur funf Meilen querab, war aber trotzdem unsichtbar. Binnen einer Stunde hatte sich die See von Haifischblau zu Zinngrau verfarbt und zu zornigen Kammen aufgeturmt, die vom Wind, der mit gespenstischem Geheul durchs Rigg fuhr, zerfetzt wurden.
Savill kam auf dem schiefen Deck herangetaumelt, Wasser troff ihm von Gesicht und Brust.»Schiff ist klar zum Gefecht, Sir!»
Inch bi? sich auf die Lippen. Sie konnten es nicht wagen, die Leepforten des unteren Batteriedecks zu offnen, da es sonst binnen weniger Minuten uberflutet sein wurde. Aber er trostete sich mit dem Gedanken, da? es den drei franzosischen Schiffen auch nicht anders erging. Drei gegen drei. Die Chancen standen nicht ubel. Ob der Feind versuchte, einem Gefecht auszuweichen? Unwahrscheinlich, entschied Inch. Wenn die Franzosen tatsachlich aufs offene Meer zuhielten, wurde
Helicon
«Gefechtsflagge hissen, Mr. Savill. «Er sah sich nach dem Offizier der Seesoldaten um.»Ah, Major, und Ihre Pfeifer sollen zum Tanz aufspielen.»
Und so hielt
auf die fernen Schiffe zu. Die kleinen Pfeifer der Royal Marines stampften an Deck auf und ab, spielten einen Marsch nach dem anderen und konnten sich manchmal kaum auf den Beinen halten.
Inch sah, da? seine Besatzung die Miniaturparade grinsend betrachtete. Gut, das lenkte sie von dem Unvermeidlichen ab. Hier und dort starrte ein Mann durch die Netze oder ubers Schanzkleid und suchte nach dem Feind. Vermutlich neue Matrosen, dachte er. Oder Leute, die das schon allzu oft erlebt hatten.
Er schaute zu seinem Ersten Offizier hinuber. Ein guter, zuverlassiger Mann, der bei der Mannschaft beliebt war. Das kam bei einem Ersten nicht oft vor.
Wieder erscholl der Ruf des Ausguckpostens.
«Himmel, der hat heut' aber viel zu sagen«, bemerkte Savill. Einige Manner in seiner Nahe lachten.
Doch das Lachen verging ihnen, als der Leutnant oben fortfuhr:»Das erste Schiff ist ein Dreidecker, Sir.»
«Signal an
und
unter Feuer, Sir!»
Inch fluchte.»Signal an
Sie soll sich fernhalten! Was denkt sich der junge Narr eigentlich? Wenn er versucht, diese Matronen zu belastigen, holt er sich nur eine blutige Nase!»
Savill war mit seinem Teleskop in die Wanten geklettert.»Ein Schiff nahert sich
und versucht, sie von uns abzuschneiden!»
Inch starrte ihn an. Obwohl ein Gefecht bevorstand, schien der franzosische Admiral bereit zu sein, Zeit und Kraft an eine kleine Brigg zu verschwenden. Houstons Worte hallten hohnisch in ihm nach, als seien sie gerade erst ge — sprochen worden:
war ihr einziges Bindeglied. Seit
«Keine Bestatigung von
Sir.»
«Verflucht!«Inch drehte sich um.»Lassen Sie Ihre Leute aufentern und die Bramsegel setzen, Mr. Savill. Und dann das Gro?segel. Aber lebhaft!«Er sah, wie die Matrosen hastig den Kommandos folgten und die wild flatternden Bramsegel gebandigt wurden. Er spurte das Schiff unter dem zusatzlichen Segeldruck erbeben, und als das Gro?segel donnernd freikam, sah er, wie sich seine Rah durchbog. Er wu?te, da? er alles aufs Spiel setzte, um die Distanz zu verringern, ehe eines der franzosischen Schiffe
niedermachen konnte.
«Signal ans Geschwader: Mehr Segel setzen!«befahl er.
Savill warf dem Master einen Blick zu und sah ihn bedenklich das Gesicht verziehen.»Aye, aye, Sir.»
Das Einzelfeuer ging weiter. Schon eine dieser schweren Kugeln konnte die Brigg entmasten oder versenken.
«Signal von
Sir!«Der Midshipman kreischte fast.»Sie ist in Schwierigkeiten!»
Inch schnappte sich ein Fernrohr und rannte die Leiter hoch zum Poopdeck, wo die Seesoldaten sich wartend auf ihre Musketen stutzten. Sein Herz krampfte sich zusammen, als der Umri? des Zweideckers sich veranderte. Er merkte nicht, wie besturzt seine Stimme klang, als er ausrief:»Ruderbruch!«Winzige Figuren riskierten auf den wild schwankenden Rahen ihr Leben, um die Segel zu reffen, damit das Schiff nicht entmastet wurde. Bei schwerem Sturm kam so etwas ofter vor. Ruderschaden oder ein gebrochenes Steuerseil — das waren normale Pannen, die sich immer beheben lie?en. Aber in welcher Frist? Die Entfernung wurde schon gro?er, und
«Es kann eine Ewigkeit dauern, bis
das repariert hat, Mr. Savill. Wenn wir nichts unternehmen, ist sie so hilflos wie
Savill schien sich zu entspannen.»Sie konnen sich auf mich verlassen, Sir.»
Inch sah ihn an.»Das habe ich nie bezweifelt. Lassen Sie nun die Kanonen laden, aber rennen Sie sie erst auf meinen Befehl hin aus. «Er wandte sich ab, als die Geschutzbedienungen aufsprangen und nach Ansetzern und Handspaken griffen.
trieb weiterhin steuerlos ab. Der Feind mu?te sich fragen, was hier vor sich ging. Eine Kriegslist oder Falle vielleicht, die dem franzosischen Admiral bestimmt zu denken gab. Inch runzelte die Stirn. Aber nicht lange.
«Wir greifen von Backbord an, Mr. Savill. «Er machte schmale Augen und starrte zwischen den vollgestopften Hangemattennetzen hindurch. Inzwischen konnte er die franzosischen Schiffe auch ohne Fernrohr erkennen. Die drei naherten sich gestaffelt, und ihre Masten und Segel, die einander uberlappten, bildeten ein gewaltiges Seeungeheuer.
Das dritte Schiff feuerte auf die Brigg.
versuchte abzudrehen, aber die letzte Wasserfontane der einschlagenden Kugel zeigte, wie knapp es gewesen war.
Inchs Bootsfuhrer kam mit dem Degen seines Kommandanten geeilt. Inch sah sich die Waffe an.»Nein, den neuen. «Er dachte an Bolitho, der in seiner besten Uniform an Deck gestanden hatte, wahrend das Schiff im Donner der Breitseiten erzitterte. Bolitho hatte gewu?t, da? er damit auffiel, ein gutes Ziel abgab. Andererseits war es entscheidend, da? seine Manner ihn bis zum Ende sahen. Wann war das gewesen? Es schien eine Ewigkeit her zu sein.
Inch lie? sich von seinem Bootsfuhrer den besten Degen anlegen, den er zur Trauung mit Hannah getragen hatte. Nur der Gedanke an sie tat ihm weh. Aber er verbannte ihn und schrie:»Die nehmen wir mit auf den Grund, was, Jungs?»
Wie er erwartet hatte, brachen sie in Hochrufe aus.
Die Silhouetten der angreifenden Schiffe veranderten sich, als ihre Kommandanten die Segelflache verringerten und sich auf den Kampf vorbereiteten. Der Dreidecker bot einen prachtvollen, furchterregenden Anblick, als er plotzlich seine Stuckpforten offnete und die schwarzen Rohre seiner Kanonen bleckte.
Inch sah schweigend hinuber. Ihm war, als stunde sein Herz bereits still. Das Schiff, mit mindestens neunzig Kanonen bestuckt, hatte eine helle Galionsfigur unterm Burg-spriet, und als Inch sein Teleskop ansetzte, sah er, da? sie einen Leoparden im Sprung darstellte. Das war Jobert, kein Zweifel.
«Backbord-Stuckpforten offnen, Mr. Savill, und ausrennen.»
Noch war Zeit zur Flucht. Sein Herz verhartete sich.»Boote aussetzen, Mr. Savill.»
Es war immer ein boses Zeichen, wenn man die Boote aussetzte und treiben lie?, bis sie von den Siegern wieder geborgen wurden. Aber an Bord vergro?erten sie nur die Gefahr, die von umherfliegenden Splittern ausging, wenn feindliche Geschosse einschlugen. Inch begann zwischen den Achterdeckgeschutzen auf- und abzugehen, das Kinn gesenkt. Die Degenscheide klatschte gegen seinen Schenkel. Wozu Boote? Fur ihn und seine Manner wurde es kein Uberleben geben.
Bolitho spurte die Sonne hei? auf den Schultern, noch verstarkt vom dicken Glas der Heckfenster, als die
Warum hatte er Belinda von dem Tribunal hier geschrieben? Weil sie es zu erfahren verdiente? Oder hatte er sich ihr anvertraut, weil er sie brauchte? Seufzend stand er auf und lie? die Feder neben dem Brief liegen.
Er starrte sich im Spiegel an. Das rechte Auge war fast normal, aber das linke machte ihm schon bei der geringsten Anstrengung Beschwerden. Und er war noch immer nicht ganz sicher auf den Beinen. Selbst hier im Hafen mu?te er jeden Schritt mit Bedacht tun.
Er horte, wie Ozzard nebenan seinen besten Rock abburstete. Es klopfte leise, und da der Posten schwieg, wu?te Bolitho, da? es Allday war.
Auch er trug seine beste blaue Jacke mit den Goldknopfen. Seine Nanking-Hose sah frisch gewaschen aus, und seine Schnallenschuhe hatten einem Kapitan Ehre gemacht.
Allday musterte ihn grimmig.»Ihre Barkasse liegt langsseits, Sir.»
«Komme gleich. Ich mochte nicht zu fruh eintreffen. «Er sah, wie Allday einen Blick auf den unfertigen Brief warf.»Furs nachste Postschiff.»
Allday schien zerstreut.»Ich hore, da? der Geleitzug heute und morgen seine Ladung loscht. Dann segelt er weiter nach England.»
Bolitho sah ihn an.»Was hast du sonst noch erfahren?«Allday war eine bessere Nachrichtenquelle als jedes Signal.
«Zwei Schiffe haben Gold vom Sultan in der Turkei an Bord, oder wo der sonst regiert.»
Die Schatze des Sultans wurden in England mehr als willkommen sein. Dahinter schien Nelson zu stecken, dem der Sultan nach der Seeschlacht bei Abukir manche Gunst erwiesen hatte.
Ozzard trat ein und hielt ihm den Rock hin. Bolitho schaute in den Spiegel und beruhrte den goldenen Abukir-Orden, den er um den Hals trug.
Allday schob das Kinn vor.»Machen Sie sich seinetwegen keinen Kummer, Sir. Ich sorge mich nur um Sie. Sie haben so viel fur Konig und Vaterland getan, und jetzt wollen Sie auf der
«Sei doch nicht lacherlich, Mann!«sagte Bolitho.»Du wei?t ja gar nicht, was du da redest!»
Allday holte langsam Luft; seine Brustverletzung machte ihm manchmal Beschwerden, wenn er sich aufregte.»Doch, Sir. Und das wissen Sie auch. Aber ich stehe zu Ihnen, ganz gleich, was passiert.»
Bolitho fuhr herum, entsetzt uber den Kummer in All-days Stimme.»Das wei? ich, alter Freund. Deine Treue bedeutet mir mehr als…«Er lie? den Satz unvollendet, denn Alldays schlichtes Vertrauen bestatigte ihn in seinem Entschlu?. Es war, als hatte sein Bootsfuhrer schon die ganze Zeit gewu?t, was er plante.
Bolitho nahm die rasche Fahrt zur
Argonaute
Aus der Ferne horte Bolitho es viermal glasen. Punkt zehn Uhr, und nun erschien Herrick.
Bolitho stand mit den anderen auf, als die Ausschu?mitglieder zu ihren Platzen gingen. Herrick in der Mitte wirkte ernst und beherrscht. Es dauerte eine Weile, bis Sir Marcus Laforey, dem sein Diener einen Gichthocker unter dem verbundenen Fu? zurechtruckte, es sich am Ende des Tisches bequem gemacht hatte. Weiter zum Ausschu? gehorten Mr. Pullen von der Admiralitat, der noch immer Schwarz trug und streng dreinblickte, zwei Kapitane, die Bolitho nicht kannte, und schlie?lich Sir Hedworth Jerram, Laforeys Flaggkapitan. Er war gro? und mager und hatte eine lange Nase, die zu seinem hochmutigen Benehmen pa?te. Als er sich nun erhob, rumpfte er sie, als habe er gerade etwas Ansto?iges erblickt.