Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander 2 стр.


Es hatte auch Freiwillige gegeben, meistens Manner aus Cornwall, die Bolithos Namen und Ruf kannten, doch waren viele darunter, die ihn nie im Leben personlich gesehen hatten.

Im Grunde war er mit der

Euryalus

Das Sonnenlicht stach durch die gro?en Heckfenster und warf zahllose Reflexe uber die Tafelung und die dunklen Mobel. Der grauhaarige Sekretar des Admirals war damit beschaftigt, allerlei Papiere durchzusehen und sie in einem langen Metallbehalter zu verstauen. Er machte Miene aufzustehen, aber Bolitho schuttelte nur den Kopf und schritt langsam zur anderen Seite der Kajute. Er horte, wie sich der Admiral in seiner Schlafkammer nebenan bewegte, und konnte sich vorstellen, was ihm wahrend dieser letzten Stunden an Bord seines Flaggschiffes durch den Kopf ging.

Am Schott hing ein Spiegel; Bolitho blieb einen Moment stehen, prufte sein Aussehen und zog sich den Rock zurecht wie vor der Musterung durch einen kritischen Vorgesetzten.

Er konnte sich immer noch nicht an die neue Uniform-Mode gewohnen, an die schweren Goldepauletten, die seinen Rang als Kapitan hoherer Dienstalterstufe bezeichneten. Es kam ihm vollig verkehrt vor, da? in einem Land, welches sich im schwersten Krieg seiner Geschichte befand, neue Rangabzeichen entworfen und hergestellt wurden. Letzten Endes diente dergleichen doch nur dem personlichen Schmuckbedurfnis; diese Leute hatten sich lieber etwas Neues auf dem Gebiet der Strategie und Taktik einfallen lassen sollen, fand er.

Er strich die rebellische Haarlocke aus der Stirn, die ihm immer wieder uber das rechte Auge fiel. Unter ihr erstreckte sich bis in den Haaransatz hinein die grausame Narbe, die ihn nie vergessen lie?, da? er damals dem Tode so nahe gewesen war. Aber sein Haar war noch schwarz; nicht eine graue Strahne deutete an, da? er vierzig Jahre alt war, von denen er achtundzwanzig auf See verbracht hatte. Als er jetzt ein bi?chen lachelte, wirkte sein Mund etwas weicher und verlieh seinen gebraunten Zugen den Ausdruck jugendlicher Unbekummertheit. Er wandte sich von seinem Spiegelbild ab, wie man einen Untergebenen entla?t, mit dem man zufrieden ist.

Die Tur der Schlafkajute offnete sich, und der kleine Admiral schritt unsicher auf einen schwankenden Flecken Sonnenlicht zu.

«Wir werden in einer knappen Stunde Anker werfen, Sir«, sagte Bo-litho.»Ich habe entsprechenden Befehl gegeben, so da? Sie an Land gehen konnen, sobald es Ihnen genehm ist. «Plotzlich fielen ihm die langen Meilen auf schlechten, holperigen Stra?en ein, die Schmerzen und Unbequemlichkeiten, die der Admiral auszuhalten hatte, bis er in seinem Heim in Norfolk war.»Mein Haus steht Ihnen selbstverstandlich so lange zur Verfugung, wie Sie es wunschen, Sir.»

«Danke. «Der Admiral ruckte die Schultern in dem schweren Rock zurecht.»Im Kampf fur sein Vaterland zu fallen, ist

Der Admiral kam um den Tisch herum. Neben Bolithos hoher schlanker Gestalt wirkte er sehr alt und sehr wehrlos seinem Schicksal gegenuber. Nach einer kleinen Pause erwiderte er:»Sie schulden mir gar nichts. Ohne Ihre Loyalitat ware ich schon ein paar Wochen, nachdem ich meine Flagge hier gehi?t hatte, erledigt gewesen. «Er hob die Hand.»Nein, lassen Sie mich ausreden. Viele Flaggkapitane hatten meine Krankheit ausgenutzt, um sich personliche Vorteile zu verschaffen und vor den Hochstkommandierenden ihre Unentbehrlichkeit zu beweisen. Doch Sie haben immer nur gegen die Feinde des Vaterlandes gekampft und sich mit ganzer Kraft fur Ihre Untergebenen eingesetzt; wenn Sie auch ab und zu Ihre eigenen Interessen wahrnehmen wurden, dann hatten Sie bestimmt schon langst den Rang, den Sie verdienen. Es ist keine Schande, da? Sie sich nicht genugend um Ihren personlichen Aufstieg gekummert haben, aber es ist ein Verlust fur England. Vielleicht wird Ihr neuer Admiral ebenso wie ich zu schatzen wissen, was Sie fur ein Mann sind, und wird besser als ich imstande sein, Ihre. «Ein Hustenanfall unterbrach seine Rede; er pre?te das blutige Taschentuch vor den Mund, bis der Krampf voruber war.»Sorgen Sie dafur«, sagte er muhsam,»da? mein Sekretar und mein Steward rechtzeitig an Land gehen. Ich komme gleich an Deck. «Er wandte den Kopf ab.»Aber jetzt mochte ich ein Weilchen allein sein.»

Stumm und nachdenklich ging Bolitho wieder hinauf an Deck. Der Himmel war jetzt klar und hellblau, die See vor der nachsten Landzunge blinkte und glitzerte. Dieses Wetter, dachte er, wurde es dem Admiral nur noch schwerer machen, von Bord zu gehen.

Er uberschaute das Oberdeck in seiner ganzen Lange, sah die Matrosen an den Brassen, die Toppsgasten, die schon auf die Rahen ausgeschwarmt waren und sich schwarz vom klaren Himmel abhoben. Die

Stille hing uber dem Schiff, nur vom Klatschen des Wassers gegen die Luvseite, vom taktma?igen Quietschen der Takelage, vom Flustern der Segel hoch oben unterbrochen. Der weitaus gro?te Teil der

Besatzung wurde nicht an Land gehen durfen, das wu?ten die Manner ganz genau. Und doch war es wie ein Nachhausekommen; jeder Seemann empfand das so, selbst wenn er es sich nicht erklaren konnte.

Bolitho lie? sich von einem Midshipman ein Teleskop geben und studierte die Kustenlinie. Er verspurte das bekannte Ziehen im Herzen dabei. Ob wohl seine Haushalterin und Ferguson, sein Verwalter, wu?ten, da? er kam, und ob sie jetzt das langsame Naherkommen des Dreideckers beobachteten?

«Also schon, Mr. Keverne, Sie konnen halsen.»

Der Erste, der ihn genau beobachtet hatte, hob die Sprechtrompete, und die kurze Spanne Frieden war vorbei.

«An die Leebrassen! Klar zur Halse!»

Nackte Fu?e schurrten uber das Deck, und die Luft erzitterte unter dem Quietschen der Blocke und dem Schnarren der Fallen.

Wenn man diese gut gedrillten Matrosen sah, konnte man sie sich kaum noch als jenen buntscheckigen Haufen vorstellen, der damals an Bord gekommen war. Selbst die Unteroffiziere fanden wenig Grund zum Schimpfen, als die Manner auf ihre Stationen flitzten; damals, als das Schiff in Dienst gestellt worden war, hatte es so viele Fluche und Prugel gegeben, da? von irgendwelcher Ordnung kaum die Rede sein konnte. Eine gute Mannschaft, fand Bolitho, wie sie sich ein Kapitan nur wunschen konnte.

«Marsschoten los!»

Wieselschnell legten die Manner auf den Rahen aus, und er sah ihnen mit einer Art Neid zu. Da oben zu arbeiten, manchmal zweihundert Fu? uber Deck, hatte ihm in seiner Kadettenzeit jedesmal Ubelkeit verursacht, und jedesmal war er verlegen und wutend daruber gewesen.

«Hol an die Geitaue!«Keverne war schon ganz heiser; vielleicht machte es ihn nervos, da? ihm die ganze Stadt bei diesem Manover zusah.

Langsam, aber zielbewu?t glitt die

Die Radspeichen knarrten, und das Schiff schwang widerstrebend in den Wind. Schon verschwand, wie von einer einzigen Kraft bewegt, die Leinwand von den Rahen.

«La? fallen Anker!»

Laut platschend fiel der Anker neben dem Bug ins Wasser, und wie ein Seufzen ging es durch Schiffsrumpf und Takelage, als beide zum erstenmal seit Monaten am straffgespannten Ankertau zur Ruhe kamen.

«Sehr schon, Mr. Keverne. Sie konnen mein Boot klarmachen und dann Kutter und Jolle aussetzen lassen.»

Bolitho wandte sich ab — auf Keverne konnte er sich durchaus verlassen. Er war ein guter Erster; allerdings wu?te Bolitho weniger von ihm als von irgendeinem seiner fruheren Offiziere. Das war zum Teil seine eigene Schuld, zum Teil lag es aber auch an der zusatzlichen Arbeit, die ihm die Krankheit des Admirals verursacht hatte. Vielleicht war es auch ganz gut so fur sie beide, dachte Bolitho. Die zusatzliche Verantwortung, die Notwendigkeit, sich immer intensiver mit der strategischen und taktischen Fuhrung nicht eines, sondern mehrerer Schiffe zu befassen, hatten ihn so in Anspruch genommen, da? ihm nicht viel Zeit zum Nachgrubeln uber den Tod seiner Frau geblieben war. Auf der anderen Seite mu?te Keverne, da Bolitho mit den Angelegenheiten des Admirals beschaftigt war, mehr Verantwortung ubernehmen, was ihm sehr zustatten kommen wurde, wenn er einst sein eigenes Schiff hatte.

Keverne war au?erordentlich tuchtig; er hatte nur einen Fehler: wahrend der Reise hatte er mehrfach kurze Ausbruche von Jahzorn gehabt. Er war Ende Zwanzig, gro?, schlank und sehnig, tiefbrunett und auf eine beinahe zigeunerhafte Art gutaussehend. Mit seinen dunklen, blitzenden Augen und au?erordentlich wei?en Zahnen mu?te er Gluck bei Frauen haben, dachte Bolitho.

Doch als der Admiral, den Hut in der Hand und mit seinen blassen Augen in die Sonne blinzelnd, an Deck kam, dachte Bolitho nicht mehr an Keverne. Sekundenlang sah er zu, wie die Kommandantengig gefiert wurde. Blocke und Taljen quietschten, und Tebbutt, der Bootsmann mit den machtigen Oberarmen, blaffte seine Befehle vom Steuerbord-Decksgang hinunter.

Bolitho beobachtete den Admiral genau: fur diesen zahlte jede dieser letzten Sekunden, er speicherte gewi? die kurzen Bilder der Bordroutine in seinem Gedachtnis wie einen Schatz.

Jetzt erklang eine wohlbekannte Stimme aus nachster Nahe; Bolitho fuhr herum: da stand Allday, sein Bootsfuhrer, und sah ihn gelassen an.

«Das war's, Captain«, grinste er und blickte dann zu dem Admiral hinuber.»Soll ich Sir Charles jetzt an Land bringen?»

Bolitho antwortete nicht gleich. Wie oft hatte er es einfach selbstverstandlich gefunden, da? Allday da war. Er kannte ihn durch und durch, seine Treue, seine Unbezahlbarkeit. Er konnte sich ein Leben ohne Allday nur sehr schwer vorstellen. Jetzt war er nicht mehr der ranke Toppmatrose von damals, den vor so vielen Jahren ein Pre?kommando an Bord seiner geliebten Fregatte

gebracht hatte. Er war breiter, untersetzter geworden. Sein dichtes Haar hatte graue Strahnen bekommen, und sein gemutliches, gebrauntes Gesicht war durchgearbeitet wie altes Schiffsholz. Aber im Grunde war er der gleiche geblieben, und das erfullte Bolitho unvermittelt mit Freude und Dankbarkeit.

«Ich frage ihn gleich, Allday.»

«Wachboot kommt, Sir«, unterbrach Keverne.

Bolitho fuhr herum und spahte uber das glitzernde Wasser: da kam ein armierter Kutter schnell und zielstrebig auf den vor Anker liege n-den Dreidecker zu. Jetzt erst fiel es Bolitho auf, da? au?er dem Kutter kein einziges Boot den Hafen verlassen hatte. Ein plotzliches Angstgefuhl uberkam ihn. Was stimmte da nicht? Irgendein furchtbares Fieber im Hafen? Es war bestimmt nicht so, da? man die

Euryalus

«Was ist los?«fragte der Admiral irritiert.

«Irgendwelche Formalitaten, Sir Charles«, antwortete Bolitho. Und zu Keverne:»Lassen Sie bitte antreten zum Seitepfeifen.»

Hauptmann Giffard von der Marine-Infanterie zog seinen Degen, marschierte gewichtig zur Fallreepspforte und musterte seine Manner, die in dichtgeschlossenen, scharlachroten Reihen angetreten waren, um den ersten Besucher an Bord vorschriftsma?ig zu empfangen. Auch mehrere Bootsmannsmaaten und Schiffsjungen waren mit angetreten. Bolitho ging die Achterdeckstreppe hinunter und trat zu Kever-ne und dem Offizier der Wache.

Die Segel des Kutters wurden eingeholt, der Buggast schlug seinen Haken in die Rusten, die Bootsmannsmaatenpfeifen trillerten ihren Salut, der einarmige Kapitan kletterte unbeholfen durch die Fallreepspforte und luftete seinen Hut zum Achterdeck hin, wo der Admiral stand und gleichmutig, ohne sichtbares Interesse, die Szene beobachtete. Vielleicht fuhlte er sich schon gar nicht mehr dazugehorig, dachte Bolitho.

«Captain James Rook, Sir. «Der Besucher setzte den Hut wieder auf und blickte sich rasch um. Er hatte die Lebensmitte schon weit uberschritten; wahrscheinlich hatte man ihn reaktiviert, um einen jungeren Mann zu ersetzen.»Ich bin Befehlshaber der Hafenwache und der Pre?kommandos, Sir. «Unter Bolithos gelassenen grauen Augen wurde er etwas unsicher.»Habe ich die Ehre, mit Sir Charles Thelwalls Flaggkapitan zu sprechen?»

«Der bin ich.»

Bolitho blickte an ihm vorbei in den Kutter. Im Bug war ein Drehgeschutz montiert, und au?er der Normalbesatzung waren noch einige bewaffnete Matrosen an Bord.

«Erwarten Sie einen Angriff?»

Rook gab keine direkte Antwort.»Ich habe eine Depesche fur Ihren Admiral. «Er rausperte sich, als wu?te er genau, da? ihn alle gespannt beobachteten.»Vielleicht gehen wir nach achtern, Sir?»

«Gewi?.»

Bolitho war uber Gebuhr irritiert durch die wichtigtuerische und ausweichende Art des Mannes. Schlie?lich hatten sie ihre Order, und was ihnen dieser Kapitan auch erzahlen konnte, hatte bestimmt Zeit gehabt, bis der Admiral an Land war.

Am oberen Ende der Leiter drehte er sich scharf um.»Sir Charles befindet sich nicht wohl. Ist diese Sache denn so eilig?»

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