Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander 3 стр.


Herrick offnete die Tur.»Ich rufe ihn herein, Sir. «Er sah sich nicht um.

Bolitho setzte sich auf die Bank vor den Heckfenstern und beobachtete ein Fischerboot, das unter dem uberhangenden Heck des Zweideckers durchfuhr. Mit ausdruckslosem Gesicht blickte der Fischer zu ihm empor. Wahrscheinlich stand er im Sold des spanischen Kommandeurs druben in Algeciras, notierte die Namen der Schiffe und sammelte Bruchstucke von Informationen, aus denen sich etwas machen lie?.

Die Tur ging auf; Adam Pascoe, den Hut vorschriftsma?ig unterm Arm, stand in der Kajute.

Bolitho erhob sich und schritt auf ihn zu; fast verspurte er selbst Schmerz, als er sah, da? der junge Mann den Arm etwas von den Rippen abhielt. Noch in der Leutnantsuniform sah Adam wie der schmachtige Junge aus, als der er zum erstenmal zu Bolitho an Bord gekommen war.

«Willkommen an Bord, Sir«, sagte er.

Bolitho verga? die Last seiner neuen Verantwortung, seinen unseligen Zusammensto? mit Herrick — alles au?er diesem Jungen, der ihm so lieb geworden war wie ein Sohn.

Er umarmte ihn und sagte:»Du hast Arger gehabt, Adam. Tut mir leid, da? es meinetwegen war.»

Pascoe sah ihn ernsthaft an.»Ich hatte ihn schon nicht getotet, Onkel.»

Bolitho trat zuruck und lachelte melancholisch.»Nein, Adam, aber vielleicht er dich. Achtzehn Jahre — das ist der Anfang, noch nicht das Ende.»

Achselzuckend strich sich Pascoe das schwarze Haar aus der Stirn.»Der Kommandant hat mir genugend Extradienst dafur aufgebrummt. Was macht deine Verwundung, Onkel?»

«Vergessen. «Bolitho fuhrte ihn zu einem Stuhl.»Deine auch -

eh?»

Sie lachelten sich wie Verschworer an, und Bolitho schenkte zwei Glaser Rotwein ein. Er bemerkte, da? Pascoes Haar nach der neuen Mode geschnitten war, ohne den Zopf im Nacken, wie ihn die meisten Seeoffiziere trugen. Wie mochte die Marine wohl erst aussehen, wenn sein Neffe eines Tages den Kommodorestander hi?te?

Pascoe nippte am Wein.»Es hei?t, Nelson hatte den Befehl uber dieses Geschwader gekriegt, wenn er nicht den Arm verloren hatte.»

«Moglich«, lachelte Bolitho. In der Flotte gab es wenig Geheimnisse.

Nachdenklich entgegnete Pascoe:»Eine gro?e Ehre fur dich, Onkel, aber.«»Aber was?»

«Auch eine gro?e Verantwortung.»

Herrick erschien wieder in der Tur.»Darf ich fragen, Sir, wann die Kommandanten zum Essen an Bord kommen sollen?«Er blickte von einem zum anderen und war seltsam geruhrt. Ungefahr zwanzig Jahre Altersunterschied, und doch sahen sie wie Bruder aus.

«Das uberlasse ich Ihnen«, antwortete Bolitho.

Als Herrick gegangen war, fragte Adam unverblumt:»Stimmt etwas nicht zwischen dir und Kapitan Herrick, Onkel?»

Bolitho legte ihm die Hand auf den Arm.»Nichts kann unsere Freundschaft truben, Adam.»

«Das freut mich«, sagte Pascoe erleichtert.

Bolitho griff nach der Karaffe.»Und jetzt erzahl mir, was du inzwischen gemacht hast.»

II Ein bescheidener Anfang

Ruhelos die ihm noch ungewohnten Mobelstucke betastend, wanderte Bolitho in der Kajute umher. Um ihn und uber ihm knarrten und stohnten die siebzehnhundert Tonnen Planken und Spieren, Kanonen und Menschen unter dem Druck des auffrischenden Nordwestwindes.

Widerstrebend versagte er es sich, mit einem Blick aus dem Fenster zu kontrollieren, wie weit die anderen Schiffe des Geschwaders mit den Vorbereitungen zum Ankerlichten waren. Er horte ab und zu einen Ruf, dem das Trappeln nackter Fu?e folgte — Matrosen rannten hierhin und dorthin, um im letzten Augenblick noch etwas in Ordnung zu bringen. Er konnte sich vorstellen, da? sich Herrick ebenso uber jede Verzogerung argerte. Dennoch blieb ihm nichts weiter ubrig, als ihn auf seinem Achterdeck in Ruhe zu lassen.

Als Kommandant war Bolitho mit Schiffen aller Art und unter den verschiedensten Bedingungen ankeraufgegangen. Von der flinken Schaluppe bis zum turmhohen Dreidecker

Fur Herrick mu?te es ebenso schlimm sein, wenn nicht noch schlimmer. Wenn der Kommandant auf dem Achterdeck stand, hoch uber dem ganzen Getriebe, vor jeder Kritik durch seine Autoritat und seine glanzenden Epauletten geschutzt, mochte ein unbeteiligter Zuschauer irrtumlicherweise glauben, er stunde uber allen menschlichen Angsten und Gefuhlen.

So war es Bolitho als Midshipman vorgekommen, auch noch als jungem Leutnant: Ein Kommandant mu?te ein gottahnliches Wesen sein. Er lebte unerreichbar in seiner Heck-Kajute, und vor seinem Stirnrunzeln zitterte jeder gewohnliche Offizier oder Matrose.

Aber jetzt wu?te Bolitho es besser, genau wie Herrick. Je gro?er die Verantwortung, um so gro?er zwar die Ehre. Aber wenn etwas schiefging, dann fiel man um so tiefer, je hoher man stand.

Allday kam herein, sich die gro?en Hande reibend. Auf seinem blauen Jackett glanzten Tropfen von Spruhwasser, und die Erregung leuchtete ihm aus den Augen. Bolitho spurte es auch selbst:

Endlich lie?en sie das Land hinter sich — wie ein Jager, der aufbricht, sich mit dem Unbekannten zu messen, weil er mu?, der aber nie wei?, ob es nicht das letzte Mal ist.

«Die Mannschaft arbeitet ganz gut, Sir«, grinste der Bootsfuhrer.»Ich war eben oben und habe Ihre Gig kontrolliert. Ganz nette Brise aus Nordwest. Gro?artig werden wir aussehen, wenn das Geschwader erst vom Felsen klarkommt.»

Nervos fuhr Bolitho zusammen und horchte mit schiefem Kopf: ein Rasseln oben an Deck, etwas schleifte uber die Planken, und eine grobe Stimme brullte:»Beleg die Leine da, du Saukerl!»

Er bi? sich auf die Lippen. Da ging doch alles mogliche schief!

Allday musterte ihn nachdenklich.»Captain Herrick kommt schon klar, Sir.»

«Wei? ich. «Bolitho nickte, als wolle er seine Uberzeugung besiegeln.»Das wei? ich doch.«»Auf ihn konnen Sie sich verlassen.»

Allday nahm den Degen von der Schottwand und wartete darauf, da? Bolitho die Arme hob, damit er ihm das Koppel umschnallen konnte.»Immer noch der alte«, sagte er leise und beruhrte den abgewetzten Griff.»Wir sind schon einige Meilen zusammen gesegelt.»

«Aye«, stimmte Bolitho ernst zu und lie? die Finger uber die Parierstange gleiten.»Ich glaube, der macht's noch langer als wir beide.»

Allday grinste ubers ganze Gesicht.»So ist's schon besser, Sir! Jetzt reden Sie wieder, wie es sich fur einen Flaggoffizier gehort.»

Lautlos ging die Tur auf, und Herrick, Hut unterm Arm, trat ein.»Geschwader klar zum Ankerlichten, Sir. «Er sprach ganz gelassen.»Alle Anker sind kurzstag gehievt.»

«Danke, Captain Herrick«, antwortete Bolitho in dienstlichem Ton.»Ich komme gleich an Deck.»

Herrick eilte wieder hinaus; man horte ihn die Leiter zur Kam-panje uber der Achterkajute hinaufsteigen. Er mu?te den Schiffsverkehr in der Stra?e von Gibraltar in Betracht ziehen, der jedoch Gott sei Dank sparlich war; auch die Windstarke und die nahen Untiefen. Herrick mu?te sich auch daruber klar sein, da? er an diesem Vormittag noch von anderen Augen als von Bolithos beobachtet wurde. Die Kommandanten, die am Vorabend beim Dinner so gelost und kameradschaftlich getan hatten, wurden seine Seemannschaft, den Ausbildungsstand der

Lysander

«Ja, ich sehe ihn.»

Allday musterte Bolitho ernst und eingehend.»Der gehort Ihnen von rechtswegen, Sir. Mancher, der ihn dieser Tage sieht, mochte ihn runterholen, wenn er konnte. Aber solange er weht, werden sie Ihnen gehorchen. Also machen Sie sich keine Sorgen, uberlassen Sie die anderen. Sie haben Besseres zu tun.»

Bolitho sah Allday uberrascht an.»Admiral Beauchamp hat mir etwa dasselbe gesagt, wenn auch nicht mit den gleichen Worten. «Er schlug Allday auf den Arm.»Danke.»

Als er unter der Kampanje heraustrat und am gro?en Doppelrad vorbeikam, war er sich durchaus daruber klar, da? ihn alle in Sichtweite genau beobachteten. Drau?en, vom Achterdeck aus, wo der Wind Gischtfetzen uber Netze und Laufbrucken wehte, sah er, da? sich die Matrosen bereits an den Brassen und Fallen drangten; dahinter standen die Marine-Infanteristen in ihren scharlachroten Rocken, um die Matrosen zu unterstutzen, wenn es so weit war.

«Achterdeck — Achtung!»

Das war Gilchrist, der Erste Offizier, Herricks rechte Hand. Lang und durr, die Stirn standig in Falten, sah er aus wie ein mi?gelaunter Schulmeister. Hinter ihm standen einige Leutnants, der Mids-hipman der Wache und allerlei namenloses Schiffsvolk.

Bolitho tippte gru?end an seinen Hut, was dem Achterdeck im allgemeinen galt, und verglich, eigentlich gegen seine Absicht, das, was er sah, mit dem, was ihm als Kommandant selbst vertraut und lieb geworden war. Er hatte sich so schnell wie moglich Gesicht und Namen jedes einzelnen Offiziers eingepragt und sich diesen Ersten Offizier besonders genau angesehen. Er warf einen raschen Blick auf Herricks untersetzte Gestalt an der Reling — ob auch er wohl jetzt Vergleiche anstellte?

Dicht neben sich horte er eine rauhe Stimme:»Wunderschoner Tag, Sir, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.»

Bolitho fuhr herum und sah einen machtigen, rotgesichtigen Mann von, wie ihm schien, dreifacher Raumbeanspruchung, nicht so sehr in der Hohe wie in der Breite. Die dicken Beine gespreizt, um eine plotzliche Bo abzufangen, stand er da und starrte Bolitho aus schwerlidrigen, melancholischen Augen mit unverhohlener Neugier an.»Mein Name ist Grubb, Sir. Ich bin der Master.«[5]

«Danke, Mr. Grubb«, lachelte Bolitho. Das hatte er sich denken konnen. Uber Ben Grubb, den Master der

Diesem machtigen, unordentlich gekleideten Mann war das schon zuzutrauen, fand Bolitho. Eine merkwurdige Mischung. So wie das Gesicht war der ganze Mann: offenbar von schweren Sturmen gezeichnet; und ein schwerer Trinker war er auch, das sah man ihm an. Von jetzt an wurde Grubb einer der wichtigsten Manner im Geschwader sein.

Grubb zog eine apfelgro?e Taschenuhr, sah nach der Zeit und sagte:»Ungefahr jetzt, wurde ich meinen, Sir.»

Bolitho nickte und drehte sich nach Herrick um. Pascoe stand mit einem Midshipman und den Signalgasten in der Nahe, ein Deckoffizier kritzelte etwas auf seine Tafel.

«Also bitte, Captain. Wir wollen auslaufen.»

Absichtlich langsam schritt Bolitho uber das unaufgeklarte Deck und versuchte, nicht auf die vielen Blocke und Taljen hinunterzu-blicken, an denen die Achterdeckwache seit Morgengrauen gearbeitet hatte. Das ware ein schoner Anblick fur die Crew der

Und dann ertonte Pascoes vor verhaltener Erregung zitternde Stimme:»Achterdeck — klar zum Manover!»

Gilchrist rannte polternd uber die Planken, und selbst noch durch die Sprechtrompete klang seine Stimme mi?billigend:»Mr. Yeo! Mehr Leute ans Gangspill! Verdammte Bummelei!»

Bolitho wandte sich nicht um. Yeo war der Bootsmann, er wurde ihn schon noch kennenlernen. Druben rollte die kleine

Der Midshipman starrte ihn perplex an.»Saxby, Sir.»

Auf den Decksgangen der

«Sir?«Herrick hatte anscheinend nicht aufgepa?t.

«Setzen Sie Dringlichkeitssignal, bitte!«Es war ihm unangenehm, aber hier stand mehr auf dem Spiel als privates Gefuhl.

Er horte laute Befehle, die verwischten Rufe der Toppsgasten, die sich auf den Fu?pferden der vibrierenden Rahen hinausarbeiteten.

Und dann wurde das alte Signal mit einem Ruck niedergeholt, und vom Vorschiff kam der Ruf:»Anker ist los!»

Schwer legte sich die

Eins nach dem anderen, wie machtige Tiere, gingen die drei Linienschiffe vor den Wind; weiter drau?en setzten die Fregatte

Ein» Starter«, der kurze Tampen eines Maaten, klatschte auf einen nackten Rucken, und der Mann schrie auf. Hoch uber Deck wetteiferten die Toppsgasten miteinander, um die anderen Schiffe des Geschwaders zu ubertreffen.»Setzen Sie die Breitfock, Mr. Gilchrist!«befahl Herrick.»Und sagen Sie diesem Bootsmannsmaaten, er soll sparsamer mit seinem Tampen umgehen!»

Bolitho ging auf die andere Seite, wo soeben die

«Die

Nach einer knappen Stunde war das Geschwader klar von den Ansteuerungstonnen, und die drei Linienschiffe boten unter etwas reduzierter Leinwand einen stolzen Anblick, als sie von Land we g-strebten. In Lee kreuzten Buzzard und Harebell hastig unter vollen Segeln, deren bleiche Pyramiden bereits im Dunst verschwammen, um ihre Stationen weit vor dem Geschwader einzunehmen.

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