Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander 2 стр.


«Gewi?, Thomas. Adam Pascoe ist zwar mein Neffe, aber jetzt vor allem einer Ihrer Offiziere.»

Herrick sprach nun wieder etwas weniger formlich.»Tut mir leid, da? ich Ihnen schon in der ersten Stunde an Bord Arger bereiten mu?, Sir. Um alles in der Welt hatte ich das lieber vermieden.»

Bolitho lachelte ernst.»Ich wei?. Dumm von mir, mich da einmischen zu wollen. Ich war schlie?lich selbst Flaggkapitan und habe mich oft geargert, wenn mein Vorgesetzter mir dazwischenredete.»

Herrick wollte das Thema wechseln; er sah sich in der geraumigen Kajute um.

«Hoffentlich entspricht alles Ihren Wunschen, Sir. Ihr Steward macht gerade das Dinner zurecht, und ich habe ein paar Matrosen abgestellt, Ihre Kisten wegzustauen.»

«Danke. Ich bin durchaus zufrieden. «Er hielt inne: da war er wieder, der dienstliche Ton zwischen Vorgesetztem und Untergebenem. Sonst hatten sie immer alles miteinander geteilt, hatten sich verstanden.

«Gehen wir bald in See, Sir?«fragte Herrick unvermittelt.»Aye, Thomas. Morgen vormittag, wenn der Wind gunstig ist. «Er zog die Uhr und lie? den Deckel aufschnappen.»Ich wurde gerne meine Offiziere…«Er zuckte zusammen: Selbst das war jetzt anders.»Ich mochte die Kommandanten des Geschwaders sprechen, so bald es geht. Vom hiesigen Gouverneur habe ich noch Depeschen bekommen, und wenn ich sie gelesen habe, werde ich dem Geschwader mitteilen, um was es geht. «Er lachelte.»Machen Sie kein so bekummertes Gesicht, Thomas, fur mich ist es ebenso schwer wie fur Sie.»

Eine Sekunde lang blitzte die alte Warme in Herricks Augen auf; die Kameradschaft, das Vertrauen, die jetzt so leicht zu zerstoren waren.»Ich komme mir vor«, entgegnete er,»wie ein alter Fu? in einem neuen Schuh. «Jetzt lachelte er ebenfalls.»Aber ich lasse Sie bestimmt nicht im Stich.»

Er wandte sich um und ging hinaus; nach einer diskreten Pause schleppten Allday und zwei Matrosen eine gro?e Kiste herein. Allday blickte sich rasch in der Kajute um — anscheinend gefiel sie ihm.

Langsam wich Bolithos Spannung. Allday blieb immer der gleiche, Gott sei Dank. Selbst das blaue Jackett mit den gro?en vergoldeten Knopfen, die neue Nankinghose und die Schnallenschuhe, die Bolitho ihm gekauft hatte, um seinen neuen Status als Bootsfuhrer des Kommodore zu unterstreichen, vermochten nicht, seine kraftvolle, rauhe Personlichkeit zu verbergen.

Bolitho schnallte den Degen ab und reichte ihn Allday.

«Na, Allday, was halten Sie von der

Allday erriet Bolithos Gedanken und grinste betreten.»Entschuldigung, Sir. «Bose starrte er die beiden Matrosen an, die noch mit einer Kiste in Handen dastanden.»Aber ich kann warten. Es wird nicht mehr lange dauern, dann hei?t es sowieso >Sir Richard

Alle Kommandanten auf Abruf an Bord des Flaggschiffs!»

Immer noch hatte er Herricks besorgtes Gesicht vor Augen. Sie waren fast gleich an Jahren, und doch kam ihm Herrick sehr gealtert vor; sein braunes Haar war hier und da grau bereift. Bolitho fiel es schwer, etwas anderes in ihm zu sehen als seinen besten Freund. Aber er mu?te in ihm den Kommandanten sehen, den Flaggkapitan eines neuen Geschwaders, das noch nie als selbstandiger Verband zusammengewirkt hatte. Eine schwere Aufgabe fur jeden, auch fur einen Thomas Herrick… Bolitho versuchte, die plotzlich aufsteigenden Zweifel zuruckzudrangen. Herrick war von bescheidener

Herkunft, Sohn eines Schreibers; doch gerade seine unbedingte Ehrenhaftigkeit, die ihn zu einem Mann machte, auf den unter allen Umstanden Verla? war, konnte ihm hinderlich sein, wenn es galt, Entscheidungen von gro?erer Tragweite zu treffen. Herrick war ein Mann, der jeden rechtma?igen Befehl ohne Fragen und ohne Rucksicht auf personliches Risiko ausfuhren wurde. Aber war er der Mann, in einer Seeschlacht den Oberbefehl zu ubernehmen, wenn der Kommodore ausfiel?

Merkwurdig: die vorigen beiden Ranghochsten auf der

Mit einem argerlichen Seufzer begann er, die Depesche zu lesen.

Gru?end nickte Bolitho den funf Offizieren zu, die den Tisch in der Kajute umstanden.»Bitte nehmen Sie Platz, Gentlemen.»

Wahrend sie ihre Stuhle heranruckten, beobachtete er ihre Gesichter — freudige, angeregte, neugierige. Es war schlie?lich ein besonderer Moment; vermutlich empfanden sie ebenso, wenn auch aus unterschiedlichen Grunden.

Farquhar hatte sich nicht verandert, war geschmeidig, elegant und so selbstbewu?t geblieben, wie er schon als Midshipman gewesen war. Jetzt war er zweiunddrei?ig und planma?iger Fregattenkapitan; vor Ehrgeiz leuchteten seine Augen fast so wie die blanken goldenen Epauletten.

Francis Inch konnte kaum das Strahlen auf seinem diensteifrigen Pferdegesicht verbergen. Die Schaluppe war unentbehrlich fur die Rekognoszierung und als Vorhut des Geschwaders, und als ihr Kommandant war Inch ein hochwichtiger Mann.

Raymond Javal, der Kommandant der Fregatte, sah eher einem Franzosen ahnlich als einem britischen Marineoffizier. Er war tiefbrunett und hatte starkes, fettiges Haar; sein Gesicht war so schmal, da? es von den tiefliegenden Augen ganz und gar beherrscht wurde.

Mit einem kurzen Lacheln begru?te Bolitho auch Kapitan George Probyn von der

Trojan auf die gleiche Weise verlassen, namlich als Prisenkommandant auf einem gekaperten Blockadebrecher, den er zum nachsten alliierten Hafen segeln sollte. Im Gegensatz zu Bolitho, der auf diese Art zu seinem ersten selbstandigen Kommando gekommen war, hatte Probyn das Pech gehabt, von einem amerikanischen Freibeuter geschnappt zu werden; er hatte den gro?ten Teil des Krieges in Gefangenschaft verbracht, bis er schlie?lich gegen einen franzosischen Offizier ausgetauscht worden war. Diese in der wichtigsten Phase seiner Laufbahn verlorenen Jahre waren Probyn offenbar teuer zu stehen gekommen. Er wirkte unsicher und hatte eine merkwurdige Art, schnelle, verstohlene Blicke auf seine Kameraden zu werfen und dann wieder auf seine verschlungenen Hande hinunterzusehen.

«Alle vollzahlig, Sir«, meldete Herrick

Bolitho blickte auf den Tisch nieder. Im Geiste las er wieder seine Segelorder:

Alle Kopfe wandten sich Inch zu, der unbekummert dazwischenrief:»Wir werden's ihnen schon zeigen, Sir! Genau wie damals!«Und er grinste die anderen vergnugt an.

Bolitho mu?te lacheln. Schon, da? Inch, wenn er auch keine Ahnung von den Fakten hatte, immer noch wie fruher war. Und sein munterer Kommentar hatte wenigstens die Distanz zwischen ihm und den Geschwaderoffizieren etwas gemindert.

«Danke, Commander Inch. Ihr Optimismus macht Ihnen Ehre.»

Errotend vor Freude verbeugte sich Inch.

«Dennoch — wir haben keine verla?lichen Nachrichten daruber, in welche Richtung die Franzosen vorsto?en werden. Das Gros unserer Flotte operiert vom Tejo aus, um einen Keil zwischen die Franzosen und ihre spanischen Verbundeten zu treiben. Einerseits konnte der Feind Portugal angreifen, wegen unserer dortigen Prasenz, oder er konnte auch nochmals eine Invasion Irlands versuchen. «Bolitho konnte seine Erbitterung nicht verbergen.»So wie im vorigen Jahr, als in unserer Flotte Zustande herrschten, die zu den gro?en Meutereien bei Spithead und in der Themseflotte fuhrten.«[4]

Farquhar sah auf seine Manschetten nieder:»Sie hatten tausend von diesen Teufeln hangen sollen, nicht blo? 'ne Handvoll!»

Bolitho warf ihm einen kalten Blick zu.»Wenn man vorher etwas mehr an die berechtigten Bedurfnisse der Matrosen gedacht hatte, dann waren vielleicht uberhaupt keine Strafen notig gewesen!»

Farquhar lachelte unbekummert.»Verstehe, was Sie meinen,

Sir.»

Bolitho blickte auf seine durcheinandergeratenen Papiere nieder, um sich nichts anmerken zu lassen. Er hatte gar nicht auf Farquhars Scharfmacherei eingehen sollen.

«Unsere Aufgabe ist zunachst«, fuhr er fort,»zu erkunden, wie die Vorbereitungen der Franzosen im Golfe du Lyon vorangehen. Und zwar in Toulon, Marseille und anderen Hafen, in denen wir

Feindtatigkeit beobachten konnen. «Er blickte jedem einzelnen ins Gesicht.»Unsere Flotte ist weit auseinandergezogen. Auf keinen Fall darf der Feind eine Moglichkeit erhalten, sie so zu zerstreuen, da? er sie Schiff um Schiff vernichten kann. Andererseits ware es sinnlos, eine gro?e Flotte am einen Ende des Ozeans zu stationieren, wahrend der Feind sich am anderen aufhalt. Aufspuren, stellen, in ein Gefecht verwickeln — anders geht es nicht.»

«Mein Schiff ist unsere einzige Fregatte, Sir«, warf Javal duster dazwischen.

«Ist das eine Feststellung oder eine Beschwerde?»

Javal zuckte die Achseln.»Ein chronisches Ubel, Sir.»

Probyn sah erst ihn und dann Farquhar auf seine schnelle, verstohlene Art an.»Ein gro?es Risiko. Und wenn wir auf uberlegene Verbande sto?en, haben wir keine Unterstutzung.»

«Aber zumindest wissen wir dann, wo sie sind, mein lieber George«, erwiderte Farquhar kuhl.

«Die Lage ist ernst«, mahnte Herrick.

«Offenbar«, erwiderte Farquhar mit blitzenden Augen.»Also wollen wir sie auch ernsthaft angehen.»

«Eins ist jedenfalls sicher«, sagte Bolitho, und aller Augen wandten sich ihm wieder zu,»wir mussen gut abgestimmt operieren. Wie Sie uber den Sinn dieser Befehle denken, ist mir gleich, wir mussen sie jedenfalls in Taten umsetzen. Und sie so ausfuhren, da? die Flotte und das Land den gro?tmoglichen Nutzen davon haben.»

«Der Ansicht bin ich auch, Sir«, nickte Farquhar.

Die anderen blieben stumm.

«Nun gehen Sie bitte wieder an Bord Ihrer Schiffe und unterrichten Sie Ihre Leute uber unsere Aufgabe. Und heute abend bitte ich Sie, bei mir zu speisen.»

Im Aufstehen uberlegten bereits alle, wie sie seine Worte ihren Untergebenen beibringen konnten. Wie Bolitho wurde jeder von ihnen, mit Ausnahme von Inch, erst einmal an Bord allein sein wollen, um sich auf das einzustellen, was auf ihn zukam. Aber viel Zeit blieb ihnen nicht. Er mu?te jeden einzelnen besser kennenlernen; wenn die

«Das ging ja ganz gut«, sagte der Flaggkapitan mit einem kleinen Seufzer. Dann sah er den Schrank und stie? einen leisen Pfiff aus.»Das ist aber ein wunderschones Stuck!»

«Ein Geschenk«, lachelte Bolitho,»und oft nutzlicher als viele andere Geschenke, Thomas.»

Herrick sah sich den Schrank genau an.»Ihr Neffe ist drau?en, Sir«, sagte er dann.»Ich habe die Geschichte bereinigt. Er macht Extradienst, damit er nicht wieder auf dumme Gedanken kommt. Aber ich dachte, Sie wurden ihn sprechen wollen. «Bewundernd strich Herrick uber das polierte Holz.»Von wem haben Sie dieses schone Stuck, wenn ich fragen darf?»

«Von Mrs. Pareja«, antwortete Bolitho.»Sie werden sich noch an sie erinnern.»

Erstaunt sah er, wie ein Schleier uber Herricks Augen fiel.»Jawohl, Sir«, erwiderte er knapp.»Sehr gut sogar.«»Was ist denn, Mann?»

Herrick sah ihm offen ins Gesicht.»Jedesmal, wenn ein Schiff aus England kam, gab es Gerede — Klatsch, wenn Sie wollen. Zum Beispiel daruber, da? Sie mit dieser Dame in London eine Affare hatten.»

Verblufft starrte Bolitho ihn an.»Mein Gott, Thomas, das sieht Ihnen aber gar nicht ahnlich.»

Doch Herrick gab nicht auf.»Das war namlich der Grund, weshalb Ihr Neffe mit dem anderen Leutnant die Waffen kreuzte. Einen Ehrenhandel nennt man das wohl.»

Bolitho sah zur Seite. Und er hatte gedacht, es hatte etwas mit Adam Pascoes Herkunft zu tun gehabt, mit seinem toten Vater, dem Verrater und Renegaten.

«Danke, da? Sie es mir gesagt haben.»

«Einer mu?te es ja tun, Sir. «Herricks blaue Augen blickten beschworend.»Sie haben so viel fur uns alle getan; ich will nicht, da? wegen einer.»

«Ich habe Ihnen dafur gedankt, da? Sie es mir gesagt haben, Thomas. Nicht fur Ihre Meinung uber die Dame.»

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