Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos - Kent Alexander 5 стр.


III Um hohen Einsatz

Bolitho lehnte sich in seinem Stuhl zuruck, als ein wei?er Handschuh den erst halb geleerten Teller fortri? und schnellstens durch einen anderen ersetzte. Er wu?te nicht mehr, wie viele Gange ihm schon angeboten oder wie oft die geschliffenen Pokale nachgefullt worden waren.

Die Luft vibrierte vom Stimmengewirr der Anwesenden: schatzungsweise vierzig Offiziere, Beamten mit Damen und das kleine Kontingent aus der Offiziersmesse der

Die lange Tafel wurde durch hunderte von Kerzen erhellt. Am au?eren Rand wogten die Schatten der vielen Diener und Lakaien mit dem standigen Nachschub von Speisen und Wein hin und her.

Man mu?te Bedienstete aus mehreren Hausern zusammengezogen haben, dachte Bolitho, und aus dem gelegentlich wutenden Unterton des Butlers konnte er entnehmen, da? es zwischen Kuche und Tafel Reibereien gegeben hatte.

Er sa? rechts von Catherine. Im Wirbel von Konversation und Gelachter wurde er sich ihrer Nahe sehr bewu?t, obwohl sie uber ihre eigenen Gefuhle in seiner Gegenwart wenig verriet. Am anderen Ende der Tafel sa? ihr Gatte, Viscount Somervell, schlurfte seinen Wein und lauschte sichtlich gelangweilt dem mit schwerer Zunge redenden Kommodore Glassport. Gelegentlich fixierte er uber die Lange der Tafel hinweg, alles andere ausschlie?end, seine Frau und Bolitho. War es Interesse oder Wachsamkeit? Schwer zu sagen. Wenn sich die Flugelturen von Zeit zu Zeit fur eine Prozession schwitzender Diener schwungvoll offneten, flackerten die Kerzen in der verraucherten Atmosphare. Bolitho mu?te an Haven denken und stellte sich vor, wie er in der Kajute uber seine mogliche Zukunft brutete. Er wurde bald mehr Anteilnahme zeigen, wenn er erst erfuhr, was man von ihm erwartete.

Die Frau drehte sich um und richtete das Wort direkt an ihn.»Sie sind sehr still, Sir Richard.»

Er hielt ihrem Blick stand und fuhlte, wie seine Abwehr nachgab. Sie war ebenso attraktiv, sogar noch schoner, als er sie in Erinnerung hatte. Die Sonne hatte ihrem Nacken und den Schultern eine zarte Rote verliehen, und er bemerkte den leisen Pulsschlag an ihrem Hals.

Eine ihrer Hande lag wie verloren neben einem geschlossenen Facher. Er hatte sie gern beruhrt, um sich selbst zu beruhigen oder seine eigene Dummheit zu enthullen. Bin ich so dunkelhaft, dachte er, bilde ich mir wirklich ein, sie konnte sich nach so langer Zeit wieder zu mir hingezogen fuhlen?

Stattdessen sagte er nur:»Es mussen sieben Jahre her sein.»

Ihr Gesicht blieb unbewegt. Wer sie beide beobachtete, hatte annehmen konnen, sie unterhielten sich uber England oder das Wetter.

«Sieben Jahre und einen Monat, um genau zu sein.»

Bolitho blickte auf, weil der Viscount uber etwas lachte, das Glassport gesagt hatte.

«Und dann hast du ihn geheiratet. War er dir so wichtig?«Es horte sich wie ein bitterer Vorwurf an. Ihre Finger bewegten sich unruhig.

«Du tauschst dich, Richard«, gab sie hastig zuruck,»es war nicht so. «Allein schon der Klang seines Namens aus ihrem Mund ri? alte Wunden auf.»Ich brauchte Sicherheit, so wie du es brauchst, geliebt zu werden.»

Trotz, Schmerz, beides stand in ihren dunklen Augen. Bolitho wagte kaum zu atmen, als die Unterhaltung um sie herum vorubergehend verstummte. Er glaubte, da? der Erste Leutnant sie beobachtete, da? ein Oberst mit halb erhobenem Glas innehielt, als lausche er ihren Worten. Fur ihn war es wie eine Verschworung.

«Liebe?»

Sie nickte langsam, ihre Augen lie?en nicht von ihm ab.»Du brauchst sie wie die Wuste den Regen.»

Er wollte sich ihrem Blick entziehen, aber sie schien ihn zu hypnotisieren, als sie im gleichen Ton gelassen fortfuhr:»Ich habe dich damals gewollt, aber am Ende beinahe geha?t. Beinahe. Ich habe wahrend all der Jahre dein Leben und deine Laufbahn verfolgt — zwei ganz verschiedene Dinge. Ich hatte alles hingenommen, was du mir geboten hattest, denn du warst der einzige Mann, den ich liebte, ohne nach Ehe und Sicherheit zu fragen.»

Sie spielte leicht mit dem Facher.»Stattdessen nahmst du eine andere. Eine, von der du glaubtest, sie ware ein vollwertiger Ersatz fur. «Das hatte gesessen.»Ich wu?te es!»

Bolitho erwiderte schwach:»Ich habe oft an dich gedacht.»

Sie lachelte, was sie nur trauriger aussehen lie?.»Wirklich?»

Er wandte den Kopf, um sie besser sehen zu konnen. Andere mochten meinen, er blicke sie direkt an, aber sein linkes Auge wurde durch den flackernden Glanz beeintrachtigt.

«Deine letzte Schlacht — wir horten vor einem Monat davon«, sagte sie.

«Wu?test du, da? ich herkommen wurde?«Sie verneinte.»Er erzahlt mir wenig von seinen Regierungsgeschaften. «Mit einem vertraulichen Lacheln schaute sie zum anderen Ende der Tafel. Bolitho fragte sich, weshalb dieses Einvernehmen mit ihrem Gatten ihm so weh tat, als sie sich wieder an ihn wandte.»Deine Wunden, sind sie. «Er fuhr zusammen.»Ich half dir einmal, erinnerst du dich nicht?»

Bolitho senkte die Lider. Es zog ihm wie ein Alptraum durch den Kopf: seine damalige Verwundung, der Ruckfall in das Fieber, das ihn fast umbrachte. Ihre bleiche Nacktheit, als sie die Kleider fallen gelassen und sich an seinen keuchenden, zitternden Korper gepre?t hatte, wahrend sie unhorbare Worte flusterte und ihn an ihre Brust nahm, um seine Qualen zu lindern.

«Ich werde es nie vergessen.»

Sie beobachtete ihn still. Ihre Blicke wanderten uber seinen geneigten Kopf und seine baumelnde Haarstrahne, uber seine ernsten, sonnenverbrannten Gesichtszuge und die Lider, die seine Augen verbargen, so da? er nicht den Schmerz und die Sehnsucht in ihrem Blick sehen konnte.

Nebenan erlauterte Major Sebright Adams von den Seesoldaten der Hyperion seine Erlebnisse vor Kopenhagen und die blutigen Folgen der Schlacht. Parris, der Erste Leutnant, horte ihm auf einen Ellenbogen gestutzt scheinbar zu, neigte sich aber uber die junge Frau eines Hafenbeamten. Sein Arm druckte gegen ihre Schulter, doch sie machte keinen Versuch, ihn abzuschutteln. Auch die anderen Offiziere schienen sich augenblicklich frei von jeder Verantwortung zu fuhlen.

Bolitho spurte mehr denn je seine plotzliche Isolierung. Es drangte ihn, Kate seine Gedanken und Angste mitzuteilen, gleichzeitig verabscheute er seine Schwache.

So sagte er nur:»Es war ein harter Kampf. Wir verloren viele gute Manner.»

«Und du, Richard? Konntest du wirklich noch mehr verlieren als das, was du schon aufgegeben hattest?»

Er erwiderte heftig:»La? gut sein, Catherine, es ist vorbei!«Und scharfer:»Es mu? vorbei sein!»

Eine Seitentur ging auf, und mehrere Lakaien schwarmten aus, aber diesmal ohne neue Speisen. Es wurde Zeit fur die Damen, sich zuruckzuziehen und die Herren bei Portwein und Brandy allein zu lassen. Bolitho dachte an Allday, der mit seiner Crew in der Barkasse auf ihn warten wurde. Jeder Unteroffizier hatte dafur genugt, aber er kannte Allday. Dieser ware jetzt in seinem Element gewesen. Bolitho wu?te keinen, der imstande war, seinen Bootssteurer unter den Tisch zu trinken.

Somervells Stimme drang durch die angeheiterten Reihen, er hatte keine Schwierigkeiten, sich verstandlich zu machen.

«Ich horte, da? Sie Commander Price besucht haben, Sir Richard?»

Bolitho fuhlte, da? die Frau an seiner Seite den Atem anhielt, als ob sie in der beilaufigen Frage eine Falle wittere. War ihre Schuld so offenbar?

Glassport murmelte:»Der ist nicht mehr lange Commander, mochte ich wetten. «Einige Gaste lachten unterdruckt.

Ein schwarzer Lakai betrat den Salon, streifte Somervell mit einem fluchtigen Blick, eilte zu Bolithos Stuhl und prasentierte ihm auf silbernem Tablett ein Kuvert. Bolitho nahm es und hoffte im stillen, da? ihn sein Auge jetzt nicht im Stich lassen moge.

Glassport hub wieder an zu lamentieren.»Meine einzige Fregatte, bei Gott! Ich mochte wirklich wissen.»

Somervell unterbrach ihn unsanft.»Was gibt es, Sir Richard? Betrifft es uns?»

Bolitho faltete das Papier zusammen und schaute den Schwarzen an. Dessen Gesicht zeigte Mitgefuhl, als ob er Bescheid wu?te.

«Kommodore Glassport, das Schauspiel bleibt Ihnen erspart, einen tapferen Offizier in Schmach und Schande untergehen zu sehen. «Seine Worte waren klar und hart. Obwohl nur an einen Mann gerichtet, ergriffen sie die ganze Tafel, der es den Atem verschlug.»Commander Price ist tot, er hat sich erhangt. «Bolitho konnte sich nicht versagen hinzuzufugen:»Sind Sie nun zufrieden?»

Mit einem Ruck erhob sich Somervell.»Ich denke, dies ist der richtige Augenblick fur die Damen, sich zuruckzuziehen. «Es war keine Geste der Hoflichkeit, eher schon ein Befehl.

Bolitho sah Catherine an. In ihren Augen las er das Verlangen, sich mit ihm auszusprechen. Statt dessen sagte sie nur:»Wir sehen uns wieder. «Und als er sich aus einer schnellen Verbeugung aufrichtete:»Bald.»

Mit raschelnder Seide tauchte sie in den Schatten.

Bolitho setzte sich wieder. Man hatte ihm ein frisches Glas gebracht. Prices Tod war nicht seine Schuld, nicht einmal die des gedankenlosen Glassport. Was hatte er machen sollen?

Es konnte jedem von ihnen zusto?en. Insgeheim verglich er den jungen Adam mit dem armen Teufel Price, wie er allein vor dem grimmigen Kriegsgericht sa? und die Spitze des Degens auf dem grunen Tisch gegen sich gerichtet sah.

Merkwurdig, da? die Nachricht vom Selbstmord Prices aus St. John's unmittelbar zur

gelangt war. Haven mu?te sie gelesen und erwogen haben, bevor er sie ihm nachsandte. Wahrscheinlich durch einen Fahnrich, der sie wiederum einem Lakaien ubergab. Es hatte Haven nicht geschadet, wenn er sie personlich uberbracht hatte.

Uberrascht merkte Bolitho, da? die anderen bereits aufgestanden waren und ihm ihre Glaser entgegenhielten. Glassport rief heiser:»Auf unseren Vizeadmiral, Sir Richard Bolitho! Moge er uns neue Siege bringen!»

Selbst sein betrachtlicher Rausch vermochte nicht die Beschamung in seiner Stimme zu verbergen.

Bolitho stand ebenfalls auf und verbeugte sich dankend. Er bemerkte, da? die wei?gekleidete Gestalt am anderen Ende der Tafel ihr Glas nicht anruhrte, und fuhlte sein Blut zornig aufwallen. Wie in dem Augenblick, da die Toppsegel des Feindes dessen Angriffsabsicht enthullten, oder wie bei einem Duell im Morgengrauen. Dann dachte er an ihre Augen und an ihr letztes Wort: bald!

Er griff zum Glas. So sei es denn, dachte er.

Die sechs Tage nach Ankunft der

in English Harbour waren hektisch und arbeitsreich, zumindest fur Bolitho.

Jeden Morgen, nachdem das Wachboot die Depeschen oder Briefe vom Land abgeliefert hatte, kletterte Bolitho in seine Barkasse und widmete sich mit einem verwirrten Leutnant an seiner Seite den Angelegenheiten der ihm unterstehenden Schiffe und Seeleute. Auf den ersten Blick war es keine beeindruckende Streitkraft. Selbst wenn man die drei kleinen Schiffe mit einbezog, die zur Zeit als Aufklarer unterwegs waren, schien die Flottille fur die vorliegenden Aufgaben einfach ungeeignet. Bolitho wu?te, da? die in seiner Stahlkassette eingeschlossenen und sehr allgemein gehaltenen Befehle Ihrer Lordschaften alle Risiken, alle Verantwortung seinem Urteil uberlie?en.

Das Gros des Antigua-Geschwaders, aus sechs Linienschiffen bestehend, war Berichten zufolge weit im Nordwesten bei den Bahamas verstreut. Wahrscheinlich sondierten sie dort feindliche Streitkrafte oder demonstrierten Macht, um eventuelle Blockadebrecher abzuschrecken. Bolitho kannte ihren Admiral, Sir Peter Folliot, einen ruhigen, wurdevollen Offizier, dem seine schlechte Gesundheit zu schaffen machte. Das waren nicht gerade die besten Voraussetzungen fur einen Angriff gegen die Franzosen oder deren spanische Verbundete.

Am sechsten Morgen, wahrend Bolitho uber das kaum gekrauselte Wasser zum letzten der ihm unterstellten Schiffe gerudert wurde, uberdachte er die Ergebnisse seiner Besichtigungen. Abgesehen von der

Er dachte an Somervell und dessen immer noch ausstehenden

Gegenbesuch auf der

Lie? er ihn absichtlich warten, um ihn an seinen Rang zu erinnern, oder stand er Bolithos Planen gleichgultig gegenuber?

Die Riemen tauchten ein und aus. Die Augen der Ruderer mieden seinen Blick, wenn er sie ansah. Uber den geschrubbten Duchten lag Alldays Schatten. So glitten sie an den verankerten Schiffen vorbei. Antigua war zwar britischer Besitz, doch gab es viele Handler und Kustenschiffer, die bereit waren, fur ihre eigene freie Passage den Feind mit Informationen zu beliefern, ohne wirklich Spione zu sein.

Auf dem nahen Abhang, nur durch eine Brustwehr und eine schlaffe Flagge kenntlich, war eine Batterie schwerer Geschutze stationiert. Zur Verteidigung — gut und schon, aber man gewann Kriege, indem man angriff. Bolitho sah den Staub der Kustenstra?e aufsteigen, als dort eine Kutsche fuhr, und dachte wieder an Catherine. Sie war ihm kaum aus dem Sinn gekommen, und er hatte hart arbeiten mussen, um seine Gefuhle im Zaum zu halten.

Vielleicht hatte sie Somervell alles erzahlt, was zwischen ihnen gewesen war? Oder er hatte es ihr entlockt? Letzteres verwarf er sofort. Dafur war Catherine zu stark. Er entsann sich ihres fruheren Ehemannes, der zweimal so alt gewesen war wie sie, aber erstaunlichen Mut bewiesen hatte, als er Bolithos Leuten half, ein Handelsschiff gegen Korsaren zu verteidigen. Damals hatte Catherine ihn geha?t. Ihre Gefuhle fureinander waren aus jenem Ha? gewachsen wie Stahl in der Esse einer Schmiede. Er wu?te immer noch nicht genau, was ihnen damals zugesto?en war oder wohin ihre Liebe hatte fuhren konnen. So aber hatten sie nur einen kurzen Hohepunkt in London erlebt, nach ihrer zufalligen Begegnung vor der Admiralitat, als Bolitho gerade zum Kommodore eines eigenen Geschwaders ernannt worden war.

Das war vor sieben Jahren und einem Monat. Catherine hatte es nicht vergessen. Es erregte ihn, da? sie es fertig gebracht hatte, sein Leben und seine Karriere zu verfolgen, ihrer Meinung nach zwei ganz verschiedene Dinge.

Allday flusterte:»Sie sind am Fallreep angetreten, Sir Richard.»

Bolitho setzte den Hut auf. Vor ihnen lag die Bombarde, Seiner Britannischen Majestat Morserschiff

Thor

verlie?? Das war schon fast unheimlich. Allday beobachtete ihn und sagte leise:»Wie die alte

Auf den von ihm bisher besuchten Schiffen schien man von seinem Anbordkommen uberrascht zu sein, aber bis auf einen waren alle Kommandanten vor kurzem noch Leutnants gewesen. Beim Kommandanten der Thor dagegen war keinerlei Nervositat zu spuren, als Bolitho den Hut zog.

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