Er hatte seine Stimme gedampft, wu?te aber, da? der Schaden angerichtet war. Stepkyne hatte Unrecht gehabt, gegen Inch zu opponieren, und erst recht damit, dessen Handlungen zu kritisieren.
Bolitho wu?te aber auch, da? Stepkynes Arger gerechtfertigt war. Inch hatte jeden Mann erst uberprufen mussen, ehe er ihm seinen Platz zuteilte; ganz besonders die neuen und unerfahrenen Leute.
Mehr als jedem anderen gab er aber sich selbst die Schuld, weil er zulie?, da? Inch weiter sein Erster Offizier blieb.
Er beruhrte kurz seinen Hut und lie? sich durch die Schanzpforte hinab, und nachdem er einige Sekunden gewartet hatte, sprang er in das stampfende Boot.
Als das Boot ablegte, blickte Bolitho nicht zuruck. Das alles wurde auf ihn warten, bis er zuruckkam, inzwischen mu?te er sich aber entscheiden, welche Ma?nahmen er ergreifen sollte.
Kapitan Amelius Winstanley stand bereit, um Bolitho an der Schanzpforte der
«Ein Mann nach meinem Herzen, Bolitho!«Er grinste, wahrend Bolitho sich bemuhte, seinen verrutschten Hut und seinen Sabel geradezurucken.»Auch ich hab's nie fertiggebracht, mich mit dem Bootsmannsstuhl an Bord eines fremden Schiffes hieven zu lassen.»
Bolitho war wieder zu Atem gekommen und versuchte, die Rinnsale zu ignorieren, die ihm uber Brust und Beine liefen. Die Uberfahrt zum Flaggschiff war rauh gewesen, das letzte Stuck allerdings am schlimmsten. Wahrend die noch aufragende Bordwand der
Winstanley geleitete ihn zum Achterdeck. Offenbar war er bemuht, seine drohnende Stimme zu dampfen. Er war ein Riese von Mann, gelenkig und au?erlich wenig anziehend, machte aber schon im ersten Augenblick den Eindruck eines sehr fahigen Seemannes. Sein Gesicht war von unzahligen Reisen gegerbt und verwittert, doch die zahllosen Krahenfu?e, die seine kleinen, blinzelnden Augen umrahmten, lie?en auch seinen gut entwickelten, gesunden Humor erkennen.
Der Kommandant eines Flaggschiffs, auch wenn es nur das eines gewohnlichen Kommodore war, brauchte das alles und mehr, dachte Bolitho grimmig, als er sich die Leiter hinaufzwangte und den Schutz der Kampanje erreichte.
Winstanley sagte mit rauher Stimme:»Ich habe mir Ihr Schiff durchs Glas angesehen. Hat sich machtig verandert, seit ich es das letztemal sah. Sieht aus wie neu. «Er blickte zu dem breiten Stander des Kommodore hinauf, der im Wind steif an der Mastspitze stand.»Die
Hyperion
Er offnete die Tur, und Bolitho folgte ihm in die Kajute. Er hatte seinen Hut unter den Arm geklemmt und war sich der nassen Fu?spuren bewu?t, die er auf dem dicken, hellen Teppich hinterlie?, als er auf den mit Papieren dichtbedeckten Schreibtisch zuging, der auf der einen Seite bei den Heckfenstern stand.
Der Kommodore sa? bequem in einem hochlehnigen Sessel, anscheinend unberuhrt von dem langsamen, Ubelkeit erregenden Schwanken um ihn herum. Er war unvorstellbar breit, doch als er langsam aufstand, empfand Bolitho einen gewissen Schock, denn er entdeckte, da? Pelham-Martin ungewohnlich klein und stehend kaum gro?er als im Sitzen war. Seine gesamte Korpermasse schien sich in die Breite zu erstrecken, wie bei Tomlin, dem Bootsmann der
aber da endete auch schon jede Ahnlichkeit. Er hatte ein rundes, auffallend blasses Gesicht, und sein blondes Haar war nach der neuesten Mode kurz geschnitten. Das mochte bei den jungeren Offizieren der Marine angemessen sein, doch es lie? den Kopf des Kommodore uber seinem breiten, massigen Korper noch kleiner erscheinen.
«Willkommen, Kapitan. «Seine Stimme klang weich, sogar sanft.»Sie mussen schnelle Fahrt gemacht haben. «Seine Blicke musterten ruhig Bolithos durchna?te Erscheinung, aber er machte keine Bemerkung daruber. Dann deutete er auf einige Sessel und einen schwankenden, silbernen Weinbehalter.»Einen Drink vielleicht?»
Hinter seinen massigen Schultern deutete Winstanley ein Kopfschutteln an, und Bolitho erwiderte:»Nein danke, Sir. Im Augenblick nicht.»
Er bemerkte Winstanleys Erleichterung und sah, da? PelhamMartin lachelte. Er war Winstanley fur seine Warnung dankbar, doch gleichzeitig reizte es ihn, da? der Kommodore ihn aus unerfindlichen Grunden einem privaten Test unterworfen hatte.
«Nun, ich nehme an, da? Sie alle verfugbaren Berichte gelesen haben, Bolitho. Unsere Pflicht ist es, hier alle Zufahrten zur Giron-de-Mundung zu uberwachen und alle einlaufenden oder ausfahrenden Schiffe anzuhalten. Ich habe der
«Die Franzosen werden fruher auslaufen, Sir«, horte er sich sagen.
Das Lacheln um Pelham-Martins kleinen Mund blieb.»So, meinen Sie? Woher haben Sie Ihre Informationen?«Er beugte sich etwas vor.»Hat der Admiral mir etwas vorenthalten?»
Bolitho lachelte.»Nein, Sir. Aber ich habe alle verfugbaren Berichte gelesen und bin der Ansicht, da? die Franzosen bald ausbrechen mussen, wenn sie ihrer Sache dienen wollen.»
Pelham-Martin nickte langsam.»Das ist ein Meisterstuck der Selbsttauschung, Bolitho. «Er deutete mit einer Hand auf die Heckfenster, durch das von Salz fleckige Glas konnte Bolitho das nachste Schiff erkennen, uber dessen Bug sich Spruhwasser ergo?, das dennoch den Eindruck unuberwindlicher Starke machte.
Der Kommodore fugte ruhig hinzu:»Diese Schiffe werden jede derartige Torheit verhindern. «Er schien ungeduldig zu werden und zog unter einigen in Leder gebundenen Buchern eine Karte hervor.»Wir stehen hier. «Er deutete mit einem rosa Finger auf die Karte.»Und ich habe die beiden Fregatten
und
Ithuriel, eingesetzt, um jeden Versuch der Franzosen zu beobachten und zu melden, Bordeaux nach Norden zu verlassen.»
Bolitho blickte auf.»Und die Schaluppen, Sir?«Wieder ein angedeutetes Kopfschutteln von Kapitan Winstanley, aber Bolithos Arger uber Pelham-Martins unbekummertes Beiseiteschieben seiner Gedanken lie? ihn jede Vorsicht vergessen.
«Die Schaluppen?«Pelham-Martin nickte ernst.»Sie haben Ihre Berichte in der Tat gelesen, Bolitho. «Das Lacheln verschwand.»Ich habe sie nach Vigo geschickt, um — nun — um zusatzliche Vorrate zu holen.»
Bolitho blickte beiseite. Das war unglaublich! Vigo an der Nordwestkuste Spaniens lag uber vierhundert Meilen entfernt. Von der Gironde-Mundung noch weiter entfernt als selbst Plymouth!
Die Hand des Kommodore begann, einen lautlosen Wirbel auf der Tischkante zu schlagen. Wie zwei glatte rosa Krabben. Er fragte ruhig:»Sie scheinen das zu mi?billigen?»
Bolithos Stimme blieb beherrscht.»Die Fregatte
Ithuriel
Sir.»
Kapitan Winstanley regte sich in seinem Sessel.»Was Captain Bolitho sagen will, ist.»
Pelham-Martin hob eine Hand.»Ich wei?, was er sagen will, Winstanley! Fur ihn ist Blockadedienst nichts, meine Gute, nein, er will geradewegs auf die Kuste lossegeln, um irgendein erbarmliches Schiff aufzubringen. Wegen des Prisengeldes, zweifellos.»
«Nein, Sir!«Bolitho packte die Armlehnen seines Sessels. Er hatte einen schlechten Anfang gemacht. Seine Sorgen wegen Inch und Stepkyne, sein beinahe erfolgter Sturz ins Wasser unter den Augen des Geschwaders hatten seine normale Zuruckhaltung im Umgang mit Vorgesetzten beeintrachtigt.»Aber ich glaube, so lange wir nicht genau wissen, gegen wen und was sich unsere Blockade richtet, konnen wir niemals Schritte gegen irgendeine List unternehmen, zu der die Franzosen greifen.»
Der Kommodore fixierte ihn.»Meine Befehle lauten, in diesem Gebiet zu kreuzen und es zu uberwachen. Und genau das tue ich. Also wirklich, Bolitho, ich wei? nicht, was Ihnen an Bord des Flaggschiffs von Vizeadmiral Cavendish gesagt wurde, aber ich kann Ihnen versichern, da? wir uns der Aufgabe, die uns hier anvertraut wurde, wohl bewu?t sind.»
«Ich war nicht an Bord des Flaggschiffs, Sir. «Bolitho bemerkte das kurze Aufflackern der Uberraschung in den Augen des Kommodore, ehe der Vorhang wieder fiel. Ruhig fugte er hinzu:»Meine
Befehle wurden mir an Bord geschickt. «Das war eine Luge, aber nur eine halbe.
Doch die Wirkung zeigte sich augenblicklich, und sie war mehr als uberraschend. Pelham-Martin zog eine goldene Uhr aus der Tasche seiner eng anliegenden Weste und sagte:»Tun Sie mir den Gefallen und gehen Sie an Deck, Winstanley. Vergewissern Sie sich, da? alle meine Depeschen zur
Bolitho spurte den Brandy auf seinen Lippen brennen. Es schien, da? die Erinnerung an seinen Bruder, die Schande fur den Namen seiner Familie, niemals in Vergessenheit geraten sollte. Jetzt benutzte Pelham-Martin sie zum Vergleich mit einer dummen Fehde, welche die Feigheit seines eigenen Bruders ausgelost hatte. Oder was es sonst gewesen sein mochte, was den Oberst veranla?t hatte, sich zu ergeben, ohne erst die Schiffe zu warnen, die gekommen waren, um ihn und seine Soldaten zu retten.
Der Kommodore nickte ernst.»Selbstverstandlich hat mein Bruder sein Land nicht im Stich gelassen, aber das Endergebnis war das gleiche. Er versuchte, seine Leute vor einem sinnlosen Tod zu bewahren. «Er seufzte tief auf.»Aber die Geschichte urteilt nur uber Ergebnisse, nicht uber Absichten.»
Bolitho erwiderte nuchtern:»Ich bin sicher, da? weder der Vizeadmiral noch Sie deswegen den Einsatz der Flotte gefahrden wurden.»
«Ganz richtig. «Pelham-Martin lachelte wieder.»Aber als sein
Untergebener mu? ich doppelt vorsichtig sein, verstehen Sie?«Sein Ton wurde harter.»Und deshalb befolge ich meine Befehle, sonst nichts. «Er machte eine Pause, ehe er hinzufugte:»Und das werden auch Sie tun.»
Das Gesprach war zu Ende, doch als Bolitho aufstand, sagte Pelham-Martin leichthin:»Auf jeden Fall wird dieser langweilige Dienst Ihnen reichlich Gelegenheit geben, Ihre Leute zu drillen, damit sie in Form kommen. «Er schuttelte den Kopf.»Die Seemannschaft war, um es hoflich zu sagen, wirklich sehr kummerlich.»
Bolitho verlie? die Kabine und atmete drau?en sehr langsam aus. So sollte es also werden: nach au?en hin alles vollkommen in Ordnung, aber sobald es um Initiative und Feindberuhrung ging, sollten ihnen die Hande fest gebunden sein.
Auf dem Achterdeck empfing ihn Winstanley mit einem erleichterten Lacheln.»Es tut mir leid wegen der Warnung, Bolitho. Ich hatte es Ihnen fruher sagen sollen. Der Kommodore hat es gern, wenn seine Offiziere einen in der Krone haben, ehe er seine Gesprache mit ihnen beginnt. Eine ha?liche Gewohnheit, die mehr als einem eine schnelle Heimreise eingebracht hat. «Er grinste.»Mir naturlich nicht. Er braucht einen alten Fuchs, der ihm sein Schiff fuhrt. «Er packte Bolithos Arm.»Genau wie er Sie noch brauchen wird, ehe wir hier fertig sind, mein Freund.»
Bolitho lachelte.»Leider brauche ich nicht erst etwas zu trinken, um ihn zu reizen.»
Winstanley folgte ihm zur Achterdecksreling, und gemeinsam blickten sie zur
hinuber, die in der steilen Dunung stark rollte.
Winstanley sagte:»Ich stimme mit Ihnen in allem uberein, was Sie uber die Fregatten gesagt haben. Ich habe ihm meine Ansicht wiederholt dargelegt, aber er glaubt immer noch, da? die wirkliche Bedrohung aus dem Suden kommt. «Er schuttelte den Kopf.»Wenn er sich irrt, wird er es mit mehr zu tun bekommen als nur einem wutenden Admiral. «Grimmig fugte er hinzu:»Und das gilt auch fur uns.»
Der Wind hatte wahrend der Unterredung nachgelassen, und Bo-litho hatte kaum Schwierigkeiten, in sein Boot zu steigen. Wahrend der Ruckfahrt zu seinem Schiff dachte Bolitho uber jedes Wort nach, da? Pelham-Martin gesagt hatte, und auch uber das, was er nicht ausgesprochen hatte.
Als er durch die Schanzpforte kletterte, fand er Inch vor, der auf ihn wartete; uberrascht stellte er fest, da? seine Uberlegungen uber die Strategie des Kommodore das kleine Drama zwischen Inch und Stepkyne aus seinen Gedanken vollig verdrangt hatte.
Knapp sagte er:»Lassen Sie das Boot einsetzen, und machen Sie das Schiff klar zur Fahrtaufnahme, Mr. Inch. «Er schnallte seinen Sabel ab und reichte ihn Petch, seinem Diener. Gedampft fugte er hinzu:»Ich wurde Ihnen empfehlen, auf dem Oberdeck selbst die Runde zu machen, wenn Sie dazu Zeit haben. «Er hielt Inchs Blick fest.»Es ist besser, sich gleich zu uberzeugen, als sich spater zu entschuldigen.»