Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander 8 стр.


Als er schlie?lich die Saling erreichte, fand er dort einen ergrauten, bezopften Seemann, der bereits zur Seite ruckte, um ihm Platz zum Sitzen zu machen. Bolitho nickte dankbar, mu?te aber erst wieder zu Atem kommen. Einige Augenblicke lehnte er sich an die zitternde Stenge, wahrend er nach dem umgehangten Teleskop tastete und versuchte, nicht zu dem weit unter ihm liegenden Deck hinunterzusehen.

Er horte Midshipman Gascoigne rufen:»Sie hat Erkennungssignal gehi?t, Sir!«Inch mu?te etwas gesagt haben, denn Sekunden spater entfaltete sich das vorbereitete Bestatigungssignal als helles Rechteck an der Marsrah des Hauptmasts.

Bolitho stellte sein Glas ein und sah die schlanke Fregatte in seinem Blickfeld tanzen. Spruhwasser stieg wie ein Vorhang uber ihren Bug auf. Er verga? seine Angste, als er sich an seine Dienstzeit auf Fregatten erinnerte: immer in Fahrt, mit dem Schwung und der Spannung, die sich auf einem Schiff dieses Typs ubertrug. Er empfand Mitgefuhl mit dem Kommandanten auf einsamem Wachdienst: Tag fur Tag hin und her patrouillieren, ohne da? man etwas vorweisen konnte. Unter diesen Umstanden war es auf einem Linienschiff schon schlimm genug, aber im ranken Rumpf einer Fregatte mu?te es ein einziger Alptraum sein.

Er ri? den Blick von dem anderen Schiff los und richtete ihn auf die im wachsenden Dunkel verschwindende Landzunge im Norden der Flu?mundung. Ein paar helle Flecken, wahrscheinlich Unterkunfte der Kustenwache. So dicht unter Land schienen sie sich in der Stromung zu bewegen und die See stillzustehen. Bolitho setzte das Glas ab und wischte sich mit dem Armel uber die Augen.

Er horte Inchs Stimme, die der Wind herauftrug:»Captain, Sir! Die

Er dachte auch an die beengten Verhaltnisse auf der Fregatte. Sie war nur eine von vielen, wettererprobt und auf sich selbst angewiesen, aber unentbehrlich, wenn der Feind in seinen Hafen eingeschlossen bleiben sollte. Bolitho schluckte schwer und griff nach einer Pardune. Eine weitere lange Kletterpartie wagte er nicht, nicht einmal abwarts. Also schwang er sich vor den verblufften Augen des Ausgucks von der Saling und legte mit angehaltenem Atem den Weg zum Achterdeck auf eine schnellere, wenn auch weniger wurdevolle Weise zuruck. Keuchend erreichte er das Deck, war sich der grinsenden Seeleute ringsum bewu?t, aber auch des Schmerzes in seinem Bein, wo ihm das dicke Stag bei der raschen Abfahrt die Haut versengt hatte.

Steif sagte er:»Ehe das Licht vollig schwindet, will ich der

«Ithuriel,

Es wurde banal klingen, wenn er ihm ein gutes neues Jahr wunschte, dachte Bolitho, aber es war besser als nichts.

Stepkyne sagte:»Sie haben sie gut in Schu? gehalten, trotz des verdammten Wetters.»

Bolitho nahm Gascoignes gro?es Signalteleskop und hob es uber die Netze. Die Fregatte lag jetzt in Hohe des Achterdecks der

und er konnte die gedrangten Gestalten auf dem Achterdeck unter dem zerfetzten Rest der Nationalflagge sehen. Er blinzelte ein paar Mal hastig, um klarer sehen zu konnen, aber… Er irrte sich! Er mu?te sich irren. Seine Stimme klang immer noch gefa?t, als er kurz befahl:»Setzen Sie folgendes Signal, Mr. Gascoigne:

>Hermes

Niemand au?erte etwas. Die unmittelbar neben Bolitho Stehenden wandten sogar die Augen von ihm ab, als ob sie nicht Zeugen dieses Wahnsinns werden wollten.

Gascoigne meldete leise:»Sie hat bestatigt, Sir.»

«Legen Sie das Schiff auf Backbordbug, Mr. Gossett«, befahl Bolitho, ohne den Steuermann anzusehen.»Wir drehen nach Westen ab. «Als dann die Pfeifen schrillten und die Matrosen zu den Brassen liefen, erklarte er schroff:»Die

Ithuriel

Phalarope,

Bohrend fragte Bolitho:»Warum geben die Franzosen sich solche Muhe, uns zu tauschen? Sie haben eine gute Fregatte erobert. Warum wollen sie das geheimhalten?»

Gossett sagte:»Mir scheint, sie haben was zu verheimlichen.»

Bolitho lachelte bose.»Genau das glaube ich, Mr. Gossett. «Er blickte zu dem flatternden Wimpel hinauf. «Wir haben keine Zeit, das Geschwader zu informieren, selbst wenn wir es finden konnten. «Seine Stimme klang harter.»Sobald es ganz dunkel ist, wenden wir und versuchen, wieder eine Position im Norden der Flu?mundung zu gewinnen. Ich habe keinen Zweifel, da? der Kommandant der Fregatte, wer das auch ist, uber Nacht vor Anker gehen wird. Er wird wissen, da? viele Tage, vielleicht sogar Wochen, vergehen werden, ehe wieder ein Schiff von unserem Geschwader hier erscheint.»

Er versuchte, die Erbitterung in seiner Stimme zu unterdrucken. Wenn Pelham-Martin seine drei Fregatten und moglichst auch die

Schaluppen in einem engen Bogen und in Sichtweite voneinander um das zu uberwachende Gebiet konzentriert hatte, ware es nie dazu gekommen. Im gleichen nuchternen Ton fuhr er fort:»Wir werden so nahe an das Ufer heranlaufen, wie es uns moglich ist. Sobald sich das erste Tageslicht zeigt, will ich den Wind im Ruk-ken haben. «Er warf einen kalten Blick auf die nachsten Kanonen.»Diesmal werde ich als erster reden, und zwar nachdrucklich.»

Als sich die Wolkenbanke auf den Horizont legten und das Meer in vollige Dunkelheit hullten, schritt Bolitho immer noch auf dem Achterdeck hin und her. Er war vom Spruhwasser bis auf die Haut durchna?t, spurte aber nichts davon. Er hatte die Fregatte wieder vor Augen, empfand die Arroganz ihres Kommandanten, als er auf die Signale des Zweideckers antwortete. Es war um Haaresbreite gegangen. Wenige Minuten spater hatten sich die beiden Schiffe getrennt. Dann hatte die

dem Kommodore gemeldet, da? es nichts Ungewohnliches zu berichten gab, und Pelham-Martin ware nur allzu bereit gewesen, diese Meldung zu akzeptieren.

Und die Fregatte? Er blieb unvermittelt stehen, und der Ruderganger blinzelte beunruhigt im Licht der Kompa?lampe, als Bolitho durch ihn hindurchstarrte. Sie konnte ihren Vorgesetzten melden, da? die Englander getauscht worden waren. Er runzelte die Stirn. Aber in welcher Absicht? Er nahm sein ruheloses Hin und Her wieder auf, war vollig von seinen Gedanken in Anspruch genommen und von der Frage, was das alles fur ihn und sein Schiff bedeuten konnte.

Selbst mit einer schlecht gezielten Breitseite hatte die

die Fregatte entmasten konnen, als sie an ihr vorbeilief. Angenommen, sie befand sich nicht mehr auf ihrer Position, wenn die Morgendammerung kam? Pelham-Martin bekam dann nicht einmal die Befriedigung zu wissen, da? ein feindliches Schiff vernichtet worden war, wenn er in seinem Bericht an Cavendish den Verlust der

Lassen Sie mich bitte eine halbe Stunde vor Beginn der Morgenwache wecken.»

Als er in die Dunkelheit der Hutte trat, horte er eine Stimme bewundernd murmeln:»Der hat vielleicht Nerven! Hat so einen verdammten Froschfresser im Visier und krummt ihm kein Haar. «Darauf Gossetts tiefer Ba?:»Halt deine verdammte Klappe! Du kannst sie noch weit genug aufrei?en, wenn die Kanonen donnern. »

Bolitho trat in seine Kajute und schlug die Tur hinter sich zu. Ein paar Augenblicke blieb er vollig ruhig stehen, die Schulter gegen die Schottwand gestutzt, wahrend er mit leeren Blicken auf die schwankenden Lampen starrte.

Gossett wu?te Bescheid. Weniger als ein Viertel der Besatzung hatte schon einmal den Fu? an Bord eines Schiffes gesetzt, ehe sie auf die

kamen, gar nicht davon zu reden, da? sie je das Grauen einer feindlichen Breitseite erlebt hatten.

Er pre?te die Augen zu und versuchte, sich von seinen Zweifeln freizumachen. Es gab gar keine Wahl; schon seit dem Augenblick nicht mehr, als er das kaltblutige Tauschungsmanover des franzosischen Kommandanten durchschaut hatte.

Beinahe hatte es geklappt, und das war das schlimmste. Trotz seiner gro?en Erfahrung und seiner Ausbildung hatte er nur das gesehen, was man von ihm erwartete. Der Kommandant der Fregatte hatte zwar darauf gesetzt, aber auch die Folgen eines Fehlschlags mu?ten ihm bewu?t gewesen sein. Jede Minute mu?te ihm wie eine Stunde erschienen sein, als die

mit zwei Meilen Abstand an ihm vorbeigelaufen war.

Aber was die Franzosen auch verbergen wollten, es mu?te ihnen das Risiko wert sein. Zu seiner Uberraschung gab ihm diese Erkenntnis Sicherheit, und als etwas spater Petch mit Kaffee in die Kajute kam, fand er Bolitho mit entspanntem Gesicht fest schlafend auf der Bank unter dem Heckfenster ausgestreckt.

Petch war eine schlichte Seele, und als er seinen Kumpanen erzahlte, ihr Kommandant sei seiner Sache so sicher, da? er ihn bald fest schlafend angetroffen habe, fand seine Geschichte manche Ausschmuckung.

Allday horte sie und hatte nichts dazu zu sagen. Er kannte Bo-litho besser als jeder andere und vermutete, da? der Captain ganz wie er selbst an jene andere Begegnung vor vielen Jahren gedacht hatte, als ein ahnliches Tauschungsmanover ihn um ein Haar Leben und Schiff gekostet hatte.

Allday prufte im gedampften Licht einer abgeschirmten Laterne sein schweres Entermesser. Wenn es zu einem Gefecht kommen sollte, brauchte die unerfahrene Besatzung der

mehr als Selbstvertrauen. Eine ganze Menge mehr.

IV Ein Schandname

«Captain, Sir!»

Bolitho schlug die Augen auf und starrte ein paar Sekunden lang in Inchs besorgtes Gesicht. Er hatte getraumt. Von einem grunen Feld und einem endlosen, von bluhenden Hecken gesaumten Weg, und uber diesen Weg kam ihm Cheney entgegen, um ihn zu begru?en. Er war ihr entgegengelaufen, genau wie sie ihm, aber sie schienen einander nicht naherzukommen.

«Was ist?«Er sah, wie Inch nervos zuruckzuckte, und fugte hinzu:»Entschuldigung. Wird es schon Zeit?»

Inch nickte, das Gesicht im Halbschatten.»Von der Kuste kommt Nebel auf, Sir. Er ist nicht sehr dicht, aber Mr. Gossett sagt, er konne die endgultige Annaherung erschweren. «Er sprang beiseite, als Bolitho die Beine zu Boden schwang und nach seinem Uniformrock griff.

Bolithos Kopf war jetzt klar.»Wie ist unsere Position?«Inch zogerte.»Wir sind zehn Meilen nordnordwestlich von der Halbinsel, Sir.»

«Ich bin bereit. «Bolitho warf einen letzten Blick rundum durch die Kajute und loschte die Lampe.

Auf dem Achterdeck war es noch dunkel; erst als Bolitho nach oben blickte, erkannte er die Dichte des Nebels. Er trieb recht schnell davon, so da? die Segel noch gut zogen, doch oberhalb der Gro?rah konnte er nichts mehr erkennen, ganz so, als ob eine Riesenhand die ubrigen Segel und die Maststengen weggesabelt hatte.

Aus dem Dunkel meldete Stepkyne:»Kombusenfeuer geloscht,

Sir.»

Auf allen Seiten herrschte nervose Spannung, aber Bolitho zwang sich, nicht auf die anderen zu achten, als er zum Kompa? ging.

«Fallen Sie zwei Strich ab auf Kurs Sudost!«Er hob die Hand.»Und machen Sie sowenig Gerausch wie moglich.»

Er ging nach Luv hinuber und sah zum nachsten Segel auf. Zu argerlich, da? wir nicht Segel kurzen konnen, dachte er. Die

glitt sehr langsam an der feindlichen Kuste entlang, und im ersten Tageslicht mochte ein wachsamer Posten die Bramsegel des Schiffes wahrnehmen und Alarm schlagen, ehe Bolitho das letzte Stuck zuruckgelegt und sich in die gunstigste Position gebracht hatte, um die Fregatte zu stellen. Wenn er genugend Geschwindigkeit und Manovrierfahigkeit erhalten wollte, um die Fregatte zu uberraschen, ehe sie ihm ihr Heck zeigen konnte, mu?te er wachsam bleiben.

Er kam zu einem Entschlu?.»Alle Mann auf Station, Mr. Inch. Aber ohne Pfeifen oder Larm. Geben Sie den Befehl mundlich weiter, und dann: Klarschiff zum Gefecht.»

Durch diese Vorsichtsma?nahme wurde die Aufgabe, das abgedunkelte Schiff gefechtsbereit zu machen, zu einer noch schwereren Nervenprobe. Schatten glitten hin und her, wahrend von den Decks gedampftes Poltern und Schlagen heraufklang, als die Zwischenwande entfernt, die Geschutze von ihren Zurringen gelost wurden und die Offiziere mit scharfem Flustern ihre Leute zusammentrieben und antreten lie?en. Und wahrend der ganzen Zeit glitt die

wie ein Geisterschiff durch langgestreckte Nebelschwaden, die Segel na? von Gischt und Spruhwasser, mit knarrender Takelage, als der Rumpf in die starke Stromung geriet und die Manner im Ausguck die Augen anstrengten, um die Dunkelheit zu durchdringen.

Bolitho griff in die Netze und sah den Nebel wie eine milchige Flussigkeit durch die Gro?wanten streichen, ehe der nachste Windsto? ihn hob und auf die offene See hinaustrieb. Hinter sich horte er Hauptmann Dawson zu seinen Marinesoldaten sprechen, gelegentlich klirrte Stahl oder klapperte ein Ausrustungsstuck, wenn sie in dem befohlenen, engen Karree auf dem Achterdeck gegeneinander-stie?en. Im Nebel wirkten ihre Uniformen schwarz, wahrend die wei?en, gekreuzten Brustriemen uberraschend deutlich zu erkennen waren.

Inch erschien keuchend und schwitzend.»Schiff klar zum Gefecht, Sir.»

Bolitho grunzte. Wie wurde er sich blamieren, wenn die See bei Tagesanbruch leer vor ihnen lag! Jedes Vertrauen, da? er bei der kaum ausgebildeten Mannschaft hatte gewinnen konnen, war wieder verloren, wenn es sich herumsprach, da? der Kommandant sich vor seinem eigenen Schatten gefurchtet hatte.

Bei jeder anderen Gelegenheit hatte er gewartet. Erfahrene Leute konnten laden und ausrennen, wieder laden und weiter feuern, wenn alles um sie herum in einem Inferno ohrenbetaubender Explosionen und schreiender Menschen unterging; wenn es sein mu?te, schafften sie das auch bei volliger Dunkelheit. Jetzt dachte er an diese Leute, die, hinter geschlossene Stuckpforten geduckt, mit gespitzten Ohren auf jedes Gerausch lauschten, mit klopfenden Herzen und dankbar fur die Dunkelheit, die ihre Furcht vor den Kameraden verbarg. Bei ihnen ware das Risiko zu gro? gewesen. Da er sich nun einmal hatte entscheiden mussen, war es ihm lieber, da? seine Leute hinter seinem Rucken uber ihn lachten, als da? sie seiner Eitelkeit wegen starben.

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