Er blickte kurz zum Indienfahrer hinuber und lachelte. Ein schones Schiff, gewi?, und in jeder Hinsicht vollkommen — aber es mu?te vor einem Schiff des Konigs die Flagge dippen. Auch vor seiner
Er horte Stimmen in seinem Rucken und wandte sich um. An der Heckreling standen Don Puigserver und Raymond im Gesprach. Vermutlich waren sie genauso gespannt darauf wie er, was sie in Madras erwartete. Puigserver trug den Galarock eines Leutnants, den Mrs. Raymonds Zofe auseinandergetrennt und geandert hatte, und zwar mit bereitwilliger Unterstutzung durch den Segelmacher der
«Das bin ich auch, Ma'am. «Er deutete zum Bug.»Nun werden Sie bald die Gerausche und Geruche einer kleinen Fregatte hinter sich lassen konnen. Zweifellos wird eine englische Lady hier drau?en wie eine Konigin behandelt.»
«Vielleicht. «Sie wandte den Kopf, um nach ihrem Mann zu sehen.»Hoffentlich werden Sie mich besuchen, wenn Sie an Land kommen. Auch Sie sind schlie?lich ein Konig hier an Bord, nicht wahr?«Ein fluchtiges Lachen.»In mancher Hinsicht tut es mir leid, das Schiff zu verlassen.»
Bolitho betrachtete sie nachdenklich und dachte an seine Ruckkehr an Bord nach der Affare mit den Kanus: vollig ausgepumpt, fast im Stehen schlafend, der Kampfeswille war in totale Erschopfung umgeschlagen und sein Hirn so abgestumpft, da? er sich nicht einmal uber seine Errettung aus unmittelbarer Todesgefahr freuen konnte. Mrs. Raymond hatte ihn zu einem Sessel gefuhrt, ihrer Zofe ein paar knappe Befehle zugerufen, auch dem daruber hochst schockierten Noddall und sogar Allday, als hatte sie das Kommando ubernommen. Sie wollte den Schiffsarzt holen lassen, aber Bolitho hatte das kurz abgelehnt:»Ich bin nicht verwundet! Die Kugel hat blo? meine Uhr getroffen — Schweinerei, verdammte!«Da hatte sie mit lautem Lachen den Kopf zuruckgeworfen. Diese unerwartete Reaktion hatte ihn geargert; aber dann hatte sie, au?erstande, ihr Lachen zu unterdrucken, seine Hand ergriffen, und da hatte er zu seiner eigenen Uberraschung mitlachen mussen. Vielleicht hatte gerade das mehr als alles andere dazu beigetragen, da? er sich wieder fing und die nervose Spannung verlor, die er bis zu diesem Moment gewaltsam verborgen hatte.
Etwas davon mu?te jetzt noch auf seinem Gesicht zu lesen sein, denn sie fragte leise:»Darf ich's wissen?»
Er lachelte verlegen.»Woran ich denke? Ich dachte nur an meine Uhr.»
Er sah, da? ihre Lippen wieder zu zucken begannen. Warum hatte er eigentlich nie bemerkt, wie zart ihr Kinn und ihr Hals geformt waren? Erst jetzt fiel es ihm auf, da es zu spat war. Er fuhlte, da? er rot wurde. Wieso eigentlich?
Sie nickte.»Es war grausam von mir, so zu lachen. Aber Sie machten ein so wutendes Gesicht, wahrend jeder andere zunachst einmal dankbar gewesen ware.»
Da rief Herrick:»Klar zum Ankern, Sir«, und sie wandte den Kopf ab.
«Machen Sie weiter, Mr. Herrick!«sagte Bolitho.
«Aye, Sir«, antwortete Herrick, aber seine Augen hafteten an der Frau. Dann begab er sich eilig zur Reling und kommandierte:»An die Leebrassen!»
Leicht und elegant drehte die
Puigserver deutete auf eine kleine Prozession von Booten, die sich bereits dem Schiff naherte.»Jetzt beginnt die Zeit der Zeremonien,
Der arme Rojart hatte daran seine Freude gehabt.»
Er war jetzt ein ganz anderer Mann, mit stahlhartem Blick, tatendurstig seine Plane schmiedend. Hinter ihm beobachtete Raymond die naher kommenden Boote mit eher nervoser Spannung.
Der Anker war gesteckt, alle Segel sauber gerefft; reges Leben herrschte auf den Decks der
«Vielleicht sehen wir uns an Land, Mrs. Raymond«, sagte er ernst. Die anderen horten zu; er spurte ihre verstohlenen Blicke, ihr Interesse.»Es war keine leichte Reise fur Sie, und ich wurde Ihnen gern danken fur Ihre — ah — «, er zogerte, denn schon wieder begannen ihre Lippen vor unterdrucktem Lachen zu zittern — ,»Ihre Nachsicht.»
Ebenso ernsthaft erwiderte sie:»Und ich darf Ihnen meinerseits danken fur Ihre — Kameradschaft.»
Bolitho setzte zu einer Verneigung an, doch sie streckte ihm die Hand hin und sagte:»Bis zum nachsten Mal also, Captain.»
Er nahm ihre Hand und fuhrte sie an die Lippen. Dabei spurte er einen ganz leichten Druck ihrer Finger, und als er ihr ins Gesicht sah, merkte er, da? es kein Zufall war.
Dann war alles vorbei. Die Herren vom Empfangskomitee des Gouverneurs umringten ihn, und er mu?te seine Depeschen dem Kommandanten des Regierungsbootes ubergeben. Dann loste sich eine Barkasse mit grellbuntem Sonnendach aus dem dunklen Schatten der
Die Gig der
Am Kai wartete eine offene Kutsche, um sie zum Gouverneurspalast zu bringen; wahrend der ganzen langen Fahrt wechselten sie kaum ein Wort. Die grellen Farben, die wimmelnden, schwatzenden Menschen, uberhaupt die Fremdartigkeit der Stadt nahmen ihre Aufmerksamkeit voll in Anspruch. Bolitho fand die Menschen au?erordentlich interessant, schon wegen der unterschiedlichen Hautfarben: vom hellen Braun, nicht dunkler als die Sonnenbraune des jungen Keen, bis zum Tiefschwarz wie dem der Krieger, die er in Afrika gesehen hatte. Manner mit Turbanen und langen, flie?enden Gewandern, Rinder und herrenlose Ziegen, alles drangte sich durch die gewundenen Stra?en, zwischen den mit Tuchern verhangenen Laden und Bazaren — ein endloses Panorama von Bewegung und Larm.
Die Residenz des Gouverneurs glich mehr einer Festung als einem Haus und hatte Schie?scharten in den Mauern, die von indischen Soldaten wohlbewacht wurden. Diese Gardisten waren besonders eindrucksvoll. Zu Turban und Bart trugen sie die wohlbekannten roten Rocke der britischen Infanterie und weite blaue Pumphosen mit hohen wei?en Gamaschen.
Herrick de utete auf die Fahne, die schlaff, fast reglos an ihrem hohen Mast hing, und murmelte:»Das wenigstens ist ein Stuck Heimat.»
Trat man aber durch das Tor in den kuhlen Schatten des Hauses, so war man wieder in einer anderen Welt. Die riesigen Torflugel schlossen den Larm der Stra?e aus, und uberall spurte man eine seltsame Atmosphare, eine Mischung aus Wachsamkeit und Eleganz: prachtige Teppiche, schwere Messingornamente, blo?armige Diener, so lautlos wie Geister, und gekachelte Gange, die labyrinthartig in alle Richtungen fuhrten.
Der Adjutant sagte geschmeidig:»Seine Exzellenz wird Sie sofort empfangen, Captain. «Und mit einem wenig begeisterten Blick auf die anderen:»Allein.»
«Mr. Keen bleibt hier fur den Fall, da? ich eine Nachricht zum Schiff senden mu?«, sagte Bolitho zu Herrick.»Und Sie konnen Ihre Zeit nutzen, wie es Ihnen beliebt. «Er trat etwas naher heran, damit der Adjutant das folgende nicht verstand.»Und sehen Sie sich ein bi?chen nach zusatzlichen Leuten um — vergessen Sie das nicht!»
Herrick grinste erleichtert, moglicherweise weil er jetzt nicht mehr auf dumme Fragen zu antworten brauchte, mit denen ihn seit dem Festmachen alle moglichen Besucher uberfallen und in Atem gehalten hatten. Ein britisches Kriegsschiff schien weit mehr Interesse zu erregen als die standig ein- und auslaufenden Handelsschiffe. Es war ein Bindeglied zur Heimat, eine Andeutung von dem, was diese Menschen hinter sich gelassen hatten, als sie auszogen, um ein Weltreich aufzubauen.
«Viel Gluck, Sir«, sagte Herrick.»Das hier ist ein gewaltiger Unterschied zu Rochester. «Damit ging er.
Der Adjutant sah ihm nach und warf dann einen uninteressierten Blick auf Keen.»Wenn Sie wunschen«, sagte er,»kann ich diesen jungen Herrn in die Offiziersmesse bringen lassen.»
Bolitho lachelte.»Hier wird er sich bestimmt viel wohler fuhlen.»
Gelassen erwiderte Keen den starren Blick des Adjutanten und sagte:»Davon bin ich uberzeugt, Sir. «Und er konnte sich nicht enthalten, hinzuzufugen:»Mein Vater wird sich freuen zu erfahren, wie gastfreundlich man hier ist, wenn ich ihm nachstens schreibe.»
Bolitho erganzte, schon im Weggehen:»Seinem Vater gehort ein erklecklicher Teil dieser Handelsniederlassung.»
Der Adjutant sagte nichts weiter, sondern eilte schweigend durch den prachtigen Korridor voran. Er offnete Doppelturen und verkundete mit aller Wurde, derer er noch fahig war:»Captain Richard Bolitho von Seiner Majestat Schiff
«Willkommen, Bolitho. «Die Winkel des schmalen Mundes hoben sich nur so wenig, als schmerze ihn schon diese winzige Anstrengung.
Doch dann bemerkte Bolitho, da? Strangs Haltung keineswegs Geringschatzung ausdruckte, denn als er naher kam, sah er, da? der Gouverneur aufgestanden und nicht, wie er zunachst gedacht hatte, in seinem Sessel sitzen geblieben war.
«Besten Dank, Sir.»
Bolitho versuchte, seine Uberraschung oder, was schlimmer war, sein Mitleid zu verbergen. Bis zum Gurtel war Sir Montagu ein normal gebauter, wenn auch schmachtiger Mann. Aber seine Beine waren zwergenhaft kurz, und seine schmalen Hande schienen bis zu den Knien zu hangen.
Im gleichen knappen Ton fuhr Strang fort:»Bitte nehmen Sie Platz. Ich habe Ihnen einiges zu sagen, bevor wir zu den anderen gehen. «Er musterte ihn von oben bis unten und sprach dann weiter:»Ich habe Ihren Bericht gelesen und auch die Berichte gewisser Augenzeugen. Die
Strang trat wieder an seinen Schreibtisch und setzte sich. Wahrscheinlich, dachte Bolitho, benahm er sich immer so, wenn jemand kam, den er noch nicht kannte. Er wollte es hinter sich bringen und dem Besucher Verlegenheit ersparen. Bolitho hatte gehort, da? Strang schon seit vielen Jahren als Reprasentant der Regierung und Ratgeber in Handels- und Eingeborenenangelegenheiten in Indien stationiert war. Ein sehr bedeutender Mann. Kein Wunder, da? er lieber hier drau?en auf hohem Posten sa?, als da? er sich in London der standigen Demutigung taktloser Blicke aussetzte.
«Also, Bolitho, zur Sache«, begann Sir Montagu gemessen.»Ich habe lange auf Depeschen warten mussen, ohne zu wissen, ob meine ursprunglichen Vorschlage angenommen wurden. Der Verlust der
Bolitho pre?te die Hande zusammen und versuchte, sich von Strangs Betrachtungen nicht ablenken zu lassen. Also lief sein Auftrag weiter, die
Weit drau?en horte Bolitho ein Hornsignal; es klang seltsam melancholisch. Strang bemerkte seinen Gesichtsausdruck und sagte:»Wir haben wahrend des Krieges viel durchgemacht. Hyder Ali, der Herrscher von Mysore, der die Briten grimmig ha?t, bekam reichlich Unterstutzung durch die Franzosen. Ohne unsere Kriegsflotte wurde heute das Lilienbanner und nicht der Union Jack hier wehen, furchte ich. «Nuchterner fuhr er fort:»Aber das hat mit Ihrer Aufgabe nichts zu tun. Je eher wir in der Pendang Bay einen britischen Gouverneur einsetzen konnen, um so besser. Seit Kriegsende herrscht in der dortigen spanischen Garnison, die vorwiegend aus eingeborenen Soldaten besteht, ein einziges Chaos. Fieber und Aufsassigkeit machen einen geordneten Dienstbetrieb unmoglich. Es uberrascht mich nicht, da? der Konig von Spanien diesen Stutzpunkt loswerden will. «Seine Stimme wurde entschlossen.»Doch unter unserem Schutz wird er gedeihen. Der eingeborene Herrscher ist ziemlich harmlos, sonst hatte er die spanische Besatzung gar nicht erst am Leben gelassen. Aber weiter westlich liegt ein gro?es Gebiet, kaum erforscht, von dem aus ein anderer, weniger freundlicher Furst namens Muljadi standig Raubzuge unternimmt. Er mu? im Zaum gehalten werden, wenn wir unsere Einflu?sphare ausdehnen wollen, verstehen Sie?»
Nachdenklich nickte Bolitho.»Jawohl, Sir. Sie tragen gro?e Verantwortung.»
«Gewi?. Der Wind zaust immer den Wipfel des Baumes am meisten, Bolitho.»
«Ich bin mir noch nicht klar, was ich dabei tun soll, Sir. Meiner Meinung nach konnte eine neue Garnison mit frischen Soldaten dort mehr ausrichten als ich.»