Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander 21 стр.


Conway zupfte an seiner Weste; die Sonne brannte ihm auf Schultern und Nacken, aber er achtete nicht darauf.»Das war sehr freundlich von Ihnen.»

Er blickte auf seine Hande und legte sie dann auf den Rucken.»Konnen wir unter Deck gehen?»

In der Kajute schritt er ruhelos auf und ab, fa?te die Mobel an, spahte in die Ecken und sagte nichts. Schlie?lich erblickte er die holzernen Kanonenattrappen und sagte bissig:»Das war fur dieses Frauenzimmer, wie?»

«Jawohl, Sir. Ich werde dafur sorgen, da? sie stehenbleiben, bis Sie sich an Ihrem neuen Standort eingerichtet haben. «Er hatte» Residenz «sagen wollen, aber das andere Wort war ihm herausgerutscht.

Conways Miene blieb ausdruckslos.»Nein, im Gegenteil. Lassen Sie die Geschutze wieder montieren. Mit mir brauchen Sie keine Umstande zu machen. Das Schiff mu? gefechtsbereit sein, und ein paar fehlende Geschutze konnten sehr viel bedeuten. «Er gab keine weiteren Erklarungen, sondern fragte im gleichen bissigen Ton weiter:»Dieses Frauenzimmer, Mrs. Raymond, wie hat sie denn die drei Monate in einem Schiff der funften Klasse ausgehalten, eh?»

«Besser als ich dachte.»

«Hm. «Conway blickte Bolitho lange und grimmig an; sein eigenes Gesicht blieb im Schatten.»Seien Sie vorsichtig mit ihr. Sie ist nur drei Jahre alter als Sie, aber der Erfahrungsabstand ist unerme?lich gro?er.»

Hastig wechselte Bolitho das Thema.»Darf ich fragen, Sir, wann die Segelorder zu erwarten ist?»

«Morgen wahrscheinlich, aber ich kann es Ihnen schon jetzt sagen: Ankerlichten am Tag nach Befehlsempfang. Keine Verzogerung und moglichst schnelle Fahrt. Wir werden auf der Reise Begleitung haben.»

«Sir?«Bolitho war uberzeugt, da? Conways Gedanken ganz woanders weilten, obwohl seiner Rede nichts dergleichen anzumerken war.

«Eine Brigg«, erwiderte Conway.»Don Puigserver hat sie zum eigenen Gebrauch gechartert. Unter anderem auf meine Veranlassung hin. Fur mich ist der Krieg noch nicht lange genug vorbei, als da? ich einen Spanier als Freund betrachten konnte.»

«Verstehe, Sir.»

«Sie verstehen gar nichts. Aber das spielt auch keine Rolle. «Conway trat an die Heckfenster und starrte auf die Kustenlinie und auf die zahllosen winzigen Fahrzeuge hinaus, die wie geschaftige Wasserkafer hin- und herschossen.»Ich mochte an Bord bleiben, Bolitho.»

«Bis zum Ankerlichten, Sir?«Bolitho sah sich in der Kajute um. Wie eng es hier war, verglichen mit dem Palast an Land.

«Ja. «Conway wandte sich vom Fenster ab.»Haben Sie was dagegen?«Eine Sekunde klang seine Stimme wie fruher.

«Nein, Sir«, lachelte Bolitho.»Ich habe die ganze Zeit auf die Gelegenheit gewartet, den Wein zu probieren, den ich in London gekauft habe, und… »

«London?«Conway seufzte bitter.»Verdammte Stadt! Seit funf Jahren habe ich keinen Fu? mehr dorthin gesetzt. Die Pest uber London und seine Gemeinheit!»

«Vielleicht hat es sich seitdem geandert… »

«Die Menschen andern sich nicht, Bolitho. «Conway tippte auf seine Brust.»Nicht hier drin. Gerade Sie mu?ten das doch wissen. Als ich horte, wer das Schiff kommandiert, mit dem ich die Uberfahrt machten sollte, da wu?te ich sofort, Sie wurden noch so sein wie damals. Vielleicht sind Sie nicht mehr so vergnugt und vertrauensselig, aber geandert haben Sie sich im Grunde nicht.»

Schweigend beobachtete Bolitho, wie Conways Gesichtsausdruck mehrmals wechselte; vielleicht erinnerte er sich jedesmal an etwas Bestimmtes.»Die

will

«Wer ist dieser Kerl?»

«Mein Bootsfuhrer, Sir. «Bolitho mu?te lacheln, weil Allday ein so schockiertes Gesicht machte.»Ach so.»

«Mr. Herrick la?t respektvoll fragen, Sir«, meldete Allday,»ob Sie an Deck kommen konnen, um den Kapitan der

Bolitho entschuldigte sich bei Conway und ging mit Allday hinaus.»»Kerl «hat er gesagt, Captain?«murmelte Allday.»Bi?chen grob, finde ich.»

Bolitho lachte.»Wenn er Sie erst besser kennt, nennt er Sie bestimmt beim Vornamen.»

Allday warf ihm einen mi?trauischen Blick zu und grinste dann.»Sicher, Captain. «Dann senkte er die Stimme:»Es wurde eine Nachricht fur Sie abgegeben. Hier. «Er hielt Bolitho eine Visitenkarte hin. Sie sah in seiner breiten Hand ganz winzig aus.

«Um acht Uhr. Bitte?«hatte sie auf die Ruckseite geschrieben.

Bolitho blickte von der Karte in Alldays maskengleiches Gesicht.»Wer hat Ihnen das gegeben?»

«Ein Diener, Captain. «Seine Lider zuckten nicht einmal.»Die Lady wei?, da? sie mir vertrauen kann.»

Bolitho wandte sich ab, um seinen Gesichtsausdruck zu verbergen.»Danke.»

Allday blickte ihm nach, wie er raschen Schritts zum Achterdeck hinaufging.»Wird ihm guttun. «Dann sah er, wie der wachhabende Marineinfanterist ihn verwundert anstarrte.»Was hast du denn zu glotzen?«blaffte er ihn an. Dann grinste er nochmals.»He, du Kerl?»

IX Geschenk von zarter Hand

Eine Stunde vor Ablosung der Morgenwache kam Bolitho an Deck, um diese friedlichste Zeit des Tages zu genie?en. Das Hemd offen bis zum Gurtel, ging er zur Luvseite und studierte genau jedes Segel; dann erst trat er zum Kompa? und kontrollierte den Kurs. Madras lag seit zwolf Tagen hinter ihnen; aber der Wind, der sich so vielversprechend angelassen hatte, war zu einer sanften Brise abgeflaut, so da? es unwahrscheinlich wurde, da? sie mehr als vier Knoten machen konnten, selbst wenn sie jeden Fetzen Tuch setzten.

Fowlar kritzelte gerade etwas auf die Tafel neben dem Rad, richtete sich aber auf, als Bolitho kam, beruhrte gru?end die Stirn und meldete:»Kurs Sudost, Sir. Voll und bei.»

Bolitho nickte, beschattete seine Augen und studierte aufs neue die Segel. Der Wind, soweit von Wind die Rede sein konnte, kam aus Sudwesten, und die Rahen der

Anscheinend dachte Fowlar, er musse au?er der blo?en Kursmeldung etwas mehr sagen.»Wir konnten noch vor

Sonnenuntergang bessere Fahrt machen, Sir. Mr. Mudge denkt, der Wind wird auffrischen, wenn wir erst in die Stra?e von Malakka kommen.»

«Ah — ja. «Bolitho versuchte, sich zu konzentrieren. Vom Deck der Rosalind aus mu?te die Undine unter vollen Segeln einen gro?artigen Anblick bieten. Aber diesmal war ihm das ein karger Trost. Er wollte mehr Fahrt machen, um seine eigentliche Aufgabe in Angriff zu nehmen. Dieses Dahinschleichen mochte fur einen Poeten oder Maler sehr idyllisch sein, aber es lie? ihm zuviel Zeit fur andere Gedanken.

Davy kam eilig herbei.»Entschuldigen Sie, Sir, ich habe Sie nicht an Deck kommen sehen«, sagte er mit besorgt gerunzelter Stirn und machte eine Handbewegung zum Gro?mast hin.»Ich mu?te mich mit der Beschwerde eines Soldaten befassen. Nichts von Bedeutung«, setzte er beflissen hinzu.

«Sie sind Offizier der Wache, Mr. Davy. Allmahlich konnten Sie wissen, da? ich mich nicht in Ihren Dienst mische, blo? um mich wichtig zu machen. «Er lachelte.»Schoner Tag heute, nicht wahr?»

«Jawohl, Sir. «Davy folgte mit den Augen Bolithos prufendem Blick. Das Meer war sehr blau, und au?er der niedrigen Brigg gab es kein Fleckchen, weder Land noch ein anderes Schiff, das die Leere, diese unendliche Weite unterbrach.

Beilaufig fragte Davy:»Stimmt es, Sir, da? solche Missionen manchmal zur standigen Verwendung im Kolonialdienst fuhren,

Sir?»

Bolitho nickte.»Bei Konteradmiral Conway ist das der Fall. «Er blickte nachdenklich in Davys gebrauntes Gesicht. Der Leutnant hatte irgendwelche Sorgen. So etwas sah man ihm immer gleich an, genau wie damals, als nicht er, sondern Soames das Kommando bei dem Uberfall auf die Sklavenjager bekam.

«Ich dachte…«, setzte Davy zogernd an.»Ich bin selbstverstandlich mit dem Dienst bei der Koniglichen Marine durchaus zufrieden. Er ist genau das, was ich will. Als erster meiner Familie bin ich zur See gegangen. Mein Vater war Kaufmann in der City und hielt nichts vom Dienst. Er wollte mich durchaus nicht zur See gehen lassen.»

Dieses Herumreden, dachte Bolitho, erwiderte aber ermunternd:»Bei Mr. Herrick war es auch so: der erste Seemann in der Familie.»

«Ja. «Jetzt kam Soames den Niedergang herauf, gahnte und sah nach der Uhr. Davy machte ein verzweifeltes Gesicht.»Also — das ist nicht ganz das, was ich meinte, Sir.»

Bolitho wandte sich um und sah ihn voll an.»Mr. Davy, ich ware Ihnen verbunden, wenn Sie endlich zur Sache kamen. In einer Stunde ist es so hei? wie im Backofen, und ich wurde meinen Spaziergang gern noch vor dem Fruhstuck machen, nicht erst nach dem Dinner.»

Davy bi? sich auf die Lippen.»Entschuldigung, Sir! Ich will es erklaren. «Dann schlug er die Augen nieder.»Darf ich von Ihrem Bruder sprechen, Sir?»

Bolitho erstarrte.»Von meinem

Bolitho wartete ab. Er wurde diese Sache mit Hugh eben nicht los. Jetzt riskierte schon sein Zweiter Leutnant einen Anpfiff, blo? um seine Neugier zu befriedigen. Aber er irrte sich in Davys Fall.

«Es war wegen Spielschulden, habe ich gehort?«fragte Davy leise und mit so klaglich flehendem Gesicht, da? Bolitho seine Verbitterung verga? und fragte:»Ist

«Jawohl, Sir. Wie ein rechter Narr versuchte ich in London, meine Verluste zuruckzugewinnen. Jetzt, da mein Vater tot ist, bin ich verantwortlich fur das Wohl meiner Mutter und fur unseren Grundbesitz. «Verlegen blickte Davy zur Seite.»In Kriegszeiten hatte ich mit schnellerer Beforderung und entsprechenden Prisengeldern rechnen konnen, Sir.»

«Genauso schnell hatten Sie den Tod finden konnen. «Doch er fragte freundlich weiter:»Wollen Sie mir verraten, wieviel Schulden Sie haben?»

«Zwanzigtausend, Sir.»

Bolitho fuhr sich durchs Haar.»Das ist ungefahr so viel, wie die

Davy beeilte sich; er wu?te, da? Soames darauf wartete, ihn abzulosen.»Sehen Sie, Sir, ich dachte, da? ich auf so einer Reise wie dieser eine neue Stellung finden konnte.»

«Verstehe. Aber wir haben einen Schutzauftrag. Es geht nicht um Entdeckungen oder einen spanischen Goldschatz. «Er nickte Soames zu und sagte dann:»Aber ich werde Ihre Angelegenheit im Auge behalten.»

Wahrend die beiden Leutnants sich uber den Kompa? beugten, nahm Bolitho seinen Spaziergang an Deck wieder auf. Eben gingen Keen und Armitage den Backborddecksgang entlang; er schickte ein stilles Gebet zum Himmel, die beiden Midshipmen mochten vor Davys Schicksal bewahrt bleiben, oder auch vor dem seines Bruders Hugh.

Bei Keen lagen die Familienverhaltnisse ahnlich wie bei Davy. Auch er hatte einen reichen Vater und reiche Verwandte, die nicht im Dienst des Konigs zu Geld und Gut gekommen waren, sondern durch Handel und Gewerbe. Als Davys Vater starb, war sein Sohn vollig ungewappnet gegen die Versuchungen gewesen, die ihm sein Erbe ermoglichte. Keen andererseits war zur See geschickt worden, eben weil sein Vater reich war und gro?en Einflu? hatte. Herrick hatte Bolitho einmal erzahlt, da? Keen selber ihm das wahrend einer Nachtwache im Indischen Ozean anvertraut hatte.»Um einen Mann aus ihm zu machen. «Keen schien das ziemlich komisch zu finden, wie Herrick berichtete. Doch nach Bolithos Meinung mu?te der alte Keen ein sehr bemerkenswerter Herr sein. Es gab nicht viele, die das Leben und die heilen Knochen ihres Sohnes aus einem solchen Grund aufs Spiel setzten.

Er sah Noddall mit einer Kanne hei?en Wassers ubers Geschutzdeck hasten. Also war Conway aufgestanden und wartete aufs Rasieren. Es war uberraschend, wie wenig im normalen Bordalltag von Conways Anwesenheit zu spuren war. Aber er hatte es selbst so gewollt. Was nicht hie?, da? er sich nicht fur das Schiff interessierte, ganz im Gegenteil. Jedesmal, wenn ein anderes Schiff gesichtet oder wenn zum Reffen oder Segelsetzen gepfiffen wurde, war Conway da und pa?te auf. Einmal, als sie einen halben Tag in einer Flaute lagen, hatten die Matrosen ein Netz ausgebracht, um vielleicht etwas frischen Fisch zu besorgen. Sie fingen nur ein paar Flundern und ein paar plattkopfige Fische, die Mudge sachverstandig als» Seefuchse «bezeichnete; aber Conway hatte so viel Spa? daran gehabt, als hatten sie einen Wal gefangen.

Es war, als ob er jede Stunde bewu?t auslebte wie ein Gefangener, der sein Urteil erwartete. Kein erfreulicher Anblick. Bolitho war knapp achtundzwanzig Jahre alt; aber als Fregattenkapitan mit zwei selbstandigen Kommandos hinter sich hatte er gelernt, das Urteil der Marine zu akzeptieren, wenn er auch manchmal anderer Meinung war.

Eines Abends beim Dinner hatte er erfahren, was mit Conway geschehen war. Es war zwei Tage nach Madras gewesen, und Bolitho hatte Noddall befohlen, ein paar Flaschen vom besten Wein zu bringen, weil er Conway etwas Besonderes bieten wollte. Es war ein Madeira, der teuerste, den er jemals im Leben gekauft hatte. Conway schien das kaum zu merken. Er hatte ihn hinuntergegossen wie Apfelwein, ohne einen Ton dazu zu sagen. Aber er hatte sich schwer betrunken. Nicht langsam oder weil er nicht aufgepa?t hatte; auch nicht, weil er zeigen wollte, was er vertragen konnte. Sondern ganz bewu?t wie jemand, der zu oft allein war und die Wirklichkeit moglichst schnell vergessen wollte.

Es war vor zwei Jahren in eben diesen Gewassern passiert, als Suffren, der franzosische Admiral, den Hafen Trincomali auf Ceylon eingenommen und dabei Englands Macht in Indien fast gebrochen hatte. Conway hatte seine Geschichte erzahlt, als sei Bolitho gar nicht da. Als wolle er sich blo? vergewissern, da? er sich noch an alles erinnerte.

Conway war damals Kommandant eines Kustengeschwaders gewesen und hatte die Aufgabe, Versorgungsschiffe und militarische Geleitzuge zu schutzen. Eine Schaluppe hatte die Nachricht gebracht, da? ein franzosisches Geschwader vor der ceylonesischen Kuste eingetroffen war, und ohne Zogern war er ausgelaufen, um die feindlichen Schiffe anzugreifen und sie so lange unter Feuer zu nehmen, bis die Hauptmacht eintraf, um sie zu vernichten.

Aber Conway wu?te nicht, da? ihn eine andere Schaluppe uberall suchte, mit neuen Befehlen fur die Verteidigung von Trincomali. Conway erreichte das Gebiet, wo die Franzosen gesichtet worden waren — aber sie waren schon weg. Er horte von Fischern, da? sie eben dorthin gesegelt waren, wo er herkam; und mit einer Nervositat, die sich Bolitho nur zu gut vorstellen konnte, war er mit seinen Schiffen auf Gegenkurs gegangen. Er fand die Franzosen und konnte gerade noch ihre Nachhut in ein kurzes, unbefriedigendes Gefecht verwickeln, doch verloren seine Schiffe in dieser Nacht die Verbindung zueinander. Als sich sein kleines Geschwader beim Morgengrauen wieder sammelte, waren die Versorgungsschiffe, die er hatte schutzen sollen, gekapert oder vernichtet; und als er Signalverbindung mit der Schaluppe des Admirals bekam, hatte sie abermals neue Befehle fur ihn: Trincomali war erobert worden.

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