Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander 3 стр.


Herrick brullte:»Unter Deck mit dieser Schlampe! Oder ich lasse sie uber Bord schmei?en!«Er sah, wie der Midshipman vor Staunen uber dieses Schauspiel die Augen aufri?, und sagte grob:»Mr. Penn, verschwinden Sie gefalligst!»

Soames grinste, was selten vorkam.»Verletzt das Ihre Gefuhle, Mr. Herrick?»

Der zuckte die Schultern.»Ich wei?, es ist Brauch, den Matrosen im Hafen Weiber und Schnaps zu gestatten. «Er mu?te an seine Schwester denken, die an ihren verdammten Rollstuhl gefesselt war. Was hatte er darum gegeben, wenn sie so hatte laufen konnen wie diese Hafenhure von Portsmouth.»Aber es ekelt mich jedesmal an.»

Soames seufzte.»Sonst wurde die Halfte dieser Bande desertieren, ob sie unterschrieben haben oder nicht. Wenn der Rum knapp wird, ist es mit der Anziehungskraft von Madras schnell vorbei.»

«Um auf Ihre Frage von vorhin zuruckzukommen«, sagte Herrick.»Matrosen, die auf solche Weise an Bord kommen, machen eine Menge boses Blut. Ein fauler Apfel kann das ganze Fa? verderben.»

Soames sah ihn starr an.»Mir scheint, auf diesem Schiff sind die meisten Apfel jetzt schon faul. Die Freiwilligen laufen wahrscheinlich nur ihren Glaubigern davon — oder vielleicht sogar dem Henker. Und welche sind dabei, die wollen blo? sehen, was sie stehlen konnen, wenn sie erst einmal ein paar Meilen von der Obrigkeit entfernt sind.»

«Captain Bolitho ist Obrigkeit genug, Mr. Soames«, entgegnete Herrick.

«Ach so, Sie sind ja schon mit ihm gefahren. Da gab's doch eine Meuterei?»

«Nicht seinetwegen«, erwiderte Herrick mit argerlichem Blick.»Seien Sie so gut und sorgen Sie dafur, da? die neuen Leute Essen und Arbeitskleidung fassen. «Er erkannte Widerstreben im Blick des Zweiten und fuhr fort:»Das ist auch ein Punkt, den der Captain so haben will. Ich kann Ihnen nur raten, sich auf seine Wunsche einzustellen. Dann werden Sie ein leichteres Leben haben.»

Soames ging, und Herrick entspannte sich etwas. In Zukunft durfte er sich nicht so leicht uber Soames argern. Aber jede

Kritik an Bolitho, offen oder versteckt, ging ihm unter die Haut. Bolitho war das Sinnbild fur alles, was Herrick einmal sein wollte. Da? er den einen oder anderen von Bolithos verborgenen Fehlern kannte, vertiefte nur seine Loyalitat. Nachdenklich schuttelte er den Kopf. Es war sogar mehr als Loyalitat.

Er spahte uber die Finknetze zum Land hinuber, auf die regennassen, bleiern glitzernden Mauern der Festung. Jenseits von Portsmouth Point war in dem Dreckwetter kaum noch etwas vom Land zu sehen. Gut, da? es endlich losging. Dann kam zu seinem regularen Sold noch die Seezulage, und die wurde eine Hilfe fur seine Angehorigen sein. In Westindien hatten sie unter Bolitho gutes Prisengeld verdient, und mit seinem Anteil hatte er ein paar Anschaffungen gemacht, die ihnen das Leben etwas erleichterten, bis er zuruckkehrte. Aber wann wurde das sein? In zwei Jahren? Besser, man dachte gar nicht daruber nach.

Gekrummt kam ein Schiffsjunge durch den Regen zum unbemannten Steuerrad gerannt, drehte die Sanduhr um und wartete darauf, da? Herrick glaste. Es war Zeit, die diensttuende Wache unter Deck zu schicken. Herrick verzog das Gesicht. In der Offiziersmesse wurde es auch nicht viel gemutlicher sein als im Mannschaftslogis. Soames wurde stumm vor sich hin bruten. Davy wurde ihn mit irgendwelchen scharfzungigen Redensarten anzuzapfen versuchen. Giles Bellairs, der Hauptmann der Seesoldaten, wurde inzwischen schon leicht angetrunken sein, denn er wu?te, da? sein bulliger Sergeant mit der kleinen Abteilung ganz gut allein fertig wurde. Triphook wurde vermutlich in Berechnungen uber die Dienstkleidung der Neuen vertieft sein. Typisch fur den Zahlmeister: Er konnte die bevorstehende Reise Meile fur Meile in Salzfleisch, Speck, eisenhartem Schiffszwieback, Zitronensaft gegen Skorbut, Bier und Schnaps (zur Aufbesserung des Trinkwassers, das bald genug von allerlei Lebewesen wimmeln wurde) und all den tausend Kleinigkeiten, fur die er verantwortlich war, in aller Seelenruhe vorausplanen. Aber eine Garnitur Dienstkleidung fur Manner, die noch eigene Fetzen auf dem Leib trugen, das war zu viel fur seine Wertbegriffe. Doch er wurde es schon noch lernen, wenn Bolitho das Schiff erst einmal zum Leben erweckt hatte. Rufe kamen von Land her, und Midshipman Penn piepste angstlich:»Pardon, Sir, aber ich furchte, der Schiffsarzt ist in Schwierigkeiten.»

Herrick runzelte die Stirn, Der Schiffsarzt hie? Charles Whitmarsh: ein Mann von Kultur, aber mit Problemen. Nach Herricks Erfahrungen waren die meisten Schiffsarzte blo?e Schlachter. Wer sonst wurde zur See gehen und sich nach einer Seeschlacht mit blutigen, zerfetzten, schreienden, sterbenden Mannern befassen wollen? In Friedenszeiten mochte das anders sein. Aber Whitmarsh war leider ein Saufer. Dort unten in dem dumpelnden Dingi bemuhten sich der Bootsmannsmaat und zwei Matrosen, dem Arzt einen doppelten Palstek umzulegen, damit er besser an Bord kam. Er war ein gro?er, kraftiger Mann, fast so gro? wie Soames, und sein Gesicht gluhte in dem grauen Licht so rot wie die Uniform eines Seesoldaten.

«Lassen Sie ein Frachtnetz abfieren, Mr. Penn«, befahl Herrick unwillig.»Nicht sehr gentlemanlike, aber das Gestrampel da unten ist auch nicht gerade vornehm.»

Schlie?lich war Whitmarsh auf dem Geschutzdeck gelandet, mit wirren Haaren und dem strahlenden Grinsen des Betrunkenen. Einer seiner Sanitatsgasten und zwei Seesoldaten schalten ihn aus dem Netz und schafften ihn unter Deck. Jetzt wurde er in seinem kleinen Lazarett ein paar Stunden schlafen und dann wieder von vorn mit Trinken anfangen.

«Ist er krank, Sir?«fragte Penn angstlich.

Herrick sah den Knaben ernsthaft an.»Ein bi?chen blau, mein Junge. Aber einen Arm oder ein Bein abschneiden, das konnte er wohl noch. «Er tippte Penn auf die Schulter.»Gehen Sie unter Deck. Ihre Ablosung mu? gleich kommen.»

Er blickte hinter dem Davoneilenden her und mu?te wieder grinsen. Nur schwer konnte er sich vorstellen, da? er selbst einmal wie Penn gewesen war: unsicher, angstlich und voll knabenhafter Illusionen, die eine nach der anderen durch das, was er sah und horte, verloren gingen.

Da rief ein Seesoldat:»Wachtboot legt im Bootshafen ab,

Sir!»

«Schon«, nickte Herrick. Das hie?: Order fur die

Mehr brauchte Thomas Herrick nicht zu wissen.

II Anker auf!

Richard Bolitho stand im Windschutz der Steinmauer des Bootshafens und spahte durch den eiskalten Regen. Es war Nachmittag, aber der Himmel hing so voll niedriger Wolken, da? man glauben konnte, es sei schon Abend.

Er war mude und steif von der langen Fahrt in der Postkutsche, bei der er sich zu allem anderen noch uber seine beiden Reisegefahrten geargert hatte: Kaufleute aus der Londoner City. Bei jedem Pferdewechsel oder auch sonst in einem der zahlreichen Wirtshauser an der Chaussee nach Portsmouth hatten sie sich eine Erfrischung genehmigt und waren dabei immer lauter und vergnugter geworden. Sie wollten mit einem Postschiff nach Frankreich, um dort neue Geschaftsverbindungen anzuknupfen und, wenn sie Gluck hatten, ihre Handelsbeziehungen ein gutes Stuck zu erweitern. Fur Bolitho war das immer noch schwer zu verstehen. Noch vor einem Jahr war der Armelkanal die einzige Barriere zwischen seinem Land und dem Feind gewesen: der letzte Festungsgraben, wie eine Zeitung es ausgedruckt hatte. Manner vom Schlage seiner beiden Mitpassagiere schienen das inzwischen vergessen zu haben. Fur sie war der Kanal nur noch ein argerliches Hindernis, das ihre Geschaftsreisen unbequemer und zeitraubender machte.

Er kroch tiefer in seinen Bootsmantel. Plotzlich konnte er es kaum noch erwarten, an Bord zu kommen. Der Mantel war neu und stammte von einem guten Londoner Schneider. Der Freund von Konteradmiral Winslade war mit ihm in der Werkstatt gewesen und hatte dabei so viel Takt entwickelt, da? sich Bolitho wenigstens nicht ganz ahnungslos vorkam. Er war so unsicher in diesen Dingen. Und doch mu?te er lacheln, als er an die Zeit in London dachte. Er wurde sich nie an London gewohnen konnen. Es war zu gro?, zu hektisch. Niemand hatte Zeit und Luft zum Atmen. Kein Wunder, da? die Leute in den gro?en Hausern um den St. James Square alle paar Stunden ihre Dienstboten hinausschicken mu?ten, um frisches Stroh auf die Stra?e zu breiten. Das Knarren und Rumpeln der Wagen konnte wahrhaftig Tote erwecken. Das Haus seiner Gastgeber war wunderschon gewesen, und sie selbst waren reizende Leute, auch wenn sie sich manchmal uber seine Fragen milde amusiert hatten. Noch jetzt wurde er aus ihren seltsamen Lebensformen nicht ganz klug. Es genugte anscheinend nicht, in einem so vornehmen, modernen Haus mit prachtigen Treppen und riesigen Kronleuchtern zu wohnen. Um zu den wirklich feinen Leuten zu zahlen, mu?te man an der richtigen Seite des Platzes wohnen, der Ostseite, wie Winslades Freunde.

Bolitho hatte allerlei einflu?reiche Leute kennengelernt; seine Gastgeber hatten bei ihren Diners dafur gesorgt. Er hatte in dieser Hinsicht genugend Erfahrungen gesammelt, um genau zu wissen, da? er ohne ihre Hilfe nie mit solchen Menschen zusammengekommen ware. An Bord seines Schiffes kam ein Kapitan gleich nach dem lieben Gott, aber in der Londoner Gesellschaft war er ein ganz kleines Licht.

Doch das alles lag jetzt hinter ihm. Er war wieder zu Hause. Seine Segelorder wartete schon auf ihn, nur der genaue Zeitpunkt des Ankerlichtens war noch unbestimmt.

Er spahte nochmals um die Mauer. Der Wind schlug ihm ins Gesicht wie eine Peitsche. Der Signalturm hatte die

Er blickte zum

Als Bolitho wahrend des amerikanischen Unabhangigkeitskrieges sein erstes Kommando als Kapitan der Schaluppe

innehatte, war wenig Zeit gewesen, sich mit den Luxusgutern dieser Erde vertraut zu machen. Aber in London, mit dem Rest seiner Prisengelder in der Tasche, hatte er das nachgeholt: neue Hemden, bequemes Schuhwerk. Dazu der weite, lange Bootsmantel, der auch dem heftigsten Regen widerstehen wurde. Das war bestimmt zum Teil Winslades Verdienst. Sein Gastgeber hatte gelegentlich erwahnt, da? Bolithos Mission mit der

Regierungen verhandelte. Da ware zum Beispiel, meinte er beilaufig, die Frage des Weines.

Miteinander waren sie in einen niedrigen, holzgetafelten Laden in der St. James' Street getreten, der vollig anders aussah, als Bolitho sich das gedacht hatte. Die Ladentur trug als Symbol eine Kaffeemuhle, und daruber stand in Goldschrift der Firmenname: Pickering & Clarke. Der Laden wirkte gemutlich, sogar intim, und hatte sich ebensogut in Falmouth befinden konnen.

Hoffentlich war der Wein bereits an Bord. Wenn nicht, wurde er wahrscheinlich ohne ihn absegeln mussen, aber mit einem gro?en Loch in seiner Geldborse. Es mu?te ein fremdartiges und aufregendes Erlebnis sein, allein in der Kajute zu sitzen und diesen wundervollen Madeira zu probieren. Das wurde ihm London ins Gedachtnis zuruckrufen, die feinen Hauser, die schlagfertigen, witzigen Gesprache und die Frauen, die einen so merkwurdig anschauten. Ein paarmal war ihm das letztere direkt unangenehm gewesen. Sie hatte ihn an die Zeit in New York wahrend des Krieges erinnert, diese Dreistigkeit in den Gesichtern, die selbstbewu?te Arroganz, die ihnen zur zweiten Natur geworden zu sein schien.

Ein Eckensteher rief ihn an:»Da kommt Ihr Boot, Kapt'n! Ich helfe mit Ihrem Gepack!«Er fa?te an den Hut und rannte zum Gasthaus, um die Hausdiener zu benachrichtigen, wobei er sich vermutlich uberlegte, wieviel Trinkgeld von einem Fregattenkapitan zu erwarten war.

Bolitho druckte sich den Hut fest in die Stirn und trat in den Wind hinaus. Es war die Barkasse der

Das war Midshipman Valentin Keen, ein junger Mann, dessen Kommandierung auf die

«Meine Kisten sind da druben, Mr. Keen.»

Reglos stand Allday in der Achterplicht; sein blauer Rock und seine wei?e Hose flatterten im Wind, und nur mit Muhe gelang es ihm, ein dienstlich starres Gesicht zu behalten.

Die Beziehung zwischen ihnen beiden war seltsam. Allday war als gepre?ter Matrose an Bord der

gekommen. Als sie bei Kriegsende stillgelegt wurde, blieb Allday bei ihm in Falmouth: als Diener, Leibwachter und Freund, auf den er sich verlassen konnte. Jetzt, als Kapitansbootsmann, wurde er standig um ihn und manchmal der einzige Kontakt zu jener anderen Welt jenseits des Kajutschotts sein. Allday war sein Leben lang Seemann gewesen; nur kurze Zeit lebte er als Schafer in Cornwall, und ausgerechnet da hatte Bolithos Pre?kommando ihn geschnappt: ein seltsamer Anfang. Bolitho mu?te an Mark Stockdale, Alldays Vorganger, denken: einen ehemaligen Faustkampfer, der wegen seiner beschadigten Stimmbander kaum richtig sprechen konnte. Er war in der Seeschlacht bei den Saintes gefallen, als er Bolitho den Rucken deckte. Armer Stockdale… Bolitho hatte nicht einmal gesehen, wie er starb.

Allday kletterte an Land.»Alles klar, Captain. Ein feines Abendbrot wartet in der Kajute. «Er schnauzte einen Matrosen an:»Schnapp dir die Kiste da, du Idiot, oder ich fre? deine

Leber!»

Grinsend nickte der Matrose. Bolitho war beruhigt. Alldays bemerkenswerte personliche Ausstrahlung schien sich bereits durchgesetzt zu haben. Er konnte fluchen und prugeln wie ein Wilder, wenn es notig war. Aber Bolitho hatte gelegentlich zugesehen, wie er Verwundete versorgte, und kannte auch seine andere Seite. Kein Wunder, da? die Madchen auf den Farmen rund um Falmouth ihn vermi?ten. Aber nach Bolithos Meinung war es besser fur Allday, zur See zu fahren. In letzter Zeit war zu viel uber seine Amouren geredet worden. Endlich war das Boot beladen, die Bedienten und der Eckensteher hatten ihr

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