Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander 5 стр.


Herrick warf ein:»Es wird nicht ganz leicht sein, sich daran zu gewohnen. Aber wenn man wieder auf See ist, noch dazu mit einem Schiff wie der

Herrick beugte sich vor.»Sie haben sich gewi? eine feine Sorte aus London schicken lassen, Sir.»

Bolitho schuttelte den Kopf.»Die Marke werden wir uns fur andere Gelegenheiten aufheben. «Er nahm eine Karaffe von ihrem Stander.»Der hier pa?t besser zu uns. «In behaglichem Schweigen tranken sie ihren Rotwein. Bolitho uberlegte sich, wie merkwurdig es war, da? man so ruhig zusammensa?, obwohl die Reise, die sie vor sich hatten, so gro?e Anforderungen an alle stellte. Aber es war sinnlos, jetzt an Deck herumzulaufen oder im Proviant- und Rumvorrat herumzustobern. Die

Die drei Fahnriche schienen guter Durchschnitt zu sein. Penn, der jungste, war drei Tage nach seinem zwolften Geburtstag an Bord gekommen. Keen und Armitage waren beide siebzehn; aber wahrend der erste die gleiche elegante Sorglosigkeit wie Leutnant Davy an den Tag legte, schien sich Armitage standig scheu umzublicken: ein Muttersohnchen. Und vier Tage, nachdem er sich in brandneuer Uniform mit blankgeputztem Dolch zum Dienst gemeldet hatte, war doch tatsachlich seine Mutter nach Portsmouth gekommen, um ihn zu besuchen. Ihr Mann hatte betrachtlichen Einflu?; und sie fuhr in einer wunderschonen Kutsche auf der Werft vor, wie eine Herzogin auf Staatsvisite. Bolitho hatte sie kurz begru?t und ihr gestattet, sich mit ihrem Sohn in der Abgeschlossenheit der Offiziersmesse zu unterhalten. Hatte sie das Logis gesehen, in dem ihr Kind wahrend seiner Dienstzeit leben mu?te, ware sie wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen. Schlie?lich hatte er Herrick schicken mussen, um den Umarmungen und Schluchzern der Mama unter dem Vorwand, Armitage wurde dienstlich gebraucht, ein Ende zu bereiten. Dienstlich! Der Junge konnte kaum einen Schritt an Bord tun, ohne uber einen Block oder Ringbolzen zu stolpern und lang hinzufallen.

Giles Bellairs, der stets wohlgelaunte Hauptmann der Seesoldaten, glich mehr einer Karikatur als einem Offizier aus Fleisch und Blut. Unglaublich stramm, mit immer steif nach hinten gedruckten Schultern, sah er aus, als sei ihm die Uniform wie buntes Wachs um die Glieder gegossen. Er sprach in kurzen, abgehackten Satzen, und nur von der Jagd oder vom Exerzieren. Seine Seesoldaten waren sein Lebensinhalt, doch horte man nur selten ein Kommando von ihm. Sein bulliger Sergeant namens Coaker hatte die Abteilung fest im Griff; und Bellairs begnugte sich mit einem gelegentlichen:»Weitermachen, Sa'rnt Coaker!«oder:»Sa'rnt Coaker, der Kerl steht ja die wie'n Sack Lumpen!«Er gehorte zu den wenigen Menschen in Bolithos Bekanntschaft, die total betrunken sein konnten, ohne da? sich in ihrem au?eren Erscheinungsbild auch nur das geringste anderte.

Triphook, der Zahlmeister, schien sehr tuchtig zu sein, wenn auch recht geizig mit den Rationen. Er hatte viel Muhe auf die Uberprufung verwandt, ob die unteren Lagen der vom Proviantamt gelieferten Fasser nicht etwa verfaultes Fleisch enthielten, was man sonst erst viel spater auf hoher See entdeckt hatte. Solche Sorgfalt war bei einem Zahlmeister an sich schon selten.

Aber der Schiffsarzt! Der war jetzt zwei Wochen an Bord. Hatte Bolitho ihn austauschen konnen, so hatte er es bestimmt getan. Whitmarsh war ein Trinker der schlimmsten Sorte. Nuchtern war er ruhig und sogar liebenswurdig. Aber betrunken, und das kam oft vor, schien er in Fetzen zu gehen wie ein murbes Segel in einer Fallbo. Whitmarsh mu?te lernen, sich vernunftig zu benehmen, dachte Bolitho mit zusammengebissenen Zahnen.

Oben horte man Fu?getrappel, und Herrick meinte:»Heute wird sich der eine oder andere im Mannschaftslogis uberlegen, ob er recht daran getan hat, anzumustern. «Er lachte.»Na, jetzt ist es auf alle Falle zu spat.»

Bolitho starrte achteraus auf das schwarze, wirbelnde Wasser und lauschte auf den Ebbstrom, der das Ruder knarren lie?.»Aye. Es ist ein weiter Schritt vom Land auf die See. Viel weiter, als es sich die meisten Leute vorstellen. «Er setzte sein

Weinglas auf das Regal zuruck.»Ich glaube, ich gehe jetzt schlafen. Morgen ist ein langer Tag.»

Herrick nickte.»Dann also gute Nacht, Sir. «Er wu?te aber genau, da? Bolitho noch stundenlang aufbleiben wurde, rastlos planend, nach den letzten Fehlern suchend, nach Irrtumern in Wach- und Dienstplanen. Und Bolitho ahnte, da? Herrick das wu?te.

Die Tur fiel hinter dem Leutnant zu, Bolitho schritt zum Heckfenster und stutzte die Hande auf das mittlere Fensterbrett. Er spurte unter seinen Handflachen das Erzittern des Holzes, das Arbeiten aller Verbindungen, das Klappern und Schlagen der Taljen und Blocke.

Wurde jemand dem Schiff nachschauen? Aber wen interessierte das schon? Die

Er schlurfte in seine Pantry, und Bolitho blickte ihm lachelnd nach. Wie versunken der Mann in seine eigene kleine Welt war — er schien kaum bemerkt zu haben, da? das Schiff einen neuen Kapitan besa?.

Bolitho warf sich den neuen Mantel um die Schultern und verlie? die Kajute. Auf dem stockdunklen Achterdeck tastete er sich zur Heckreling und starrte zum Land hinuber: zahllose Lichter in unsichtbaren Hausern. Er drehte sich um und blickte zum Vorschiff; der Wind wehte ihm die Haare ins Gesicht, es war so kalt, da? er den Atem anhielt. Bla?goldene Lichtreflexe glitten uber das straffgespannte Tauwerk: im Vorschiff blinkte die kleine Laterne der Ankerwache.

Es war ein entschieden angenehmes Gefuhl: sie brauchten hier keine Wachtposten an jedem Fallreep gegen heimtuckische Uberraschungsangriffe oder den Versuch einer Massendesertion. Auch keine Netze, um feindliche Enterer abzuhalten. Er legte die Hand auf einen der Achterdeck-Sechspfunder: kalt wie nasses Eis. Aber wie lange noch? Der Steuermannsmaat der Wache strich vorbei und machte einen Bogen, als er seinen Kapitan an der Reling stehen sah.

«Alles wohlauf, Sir«, meldete er.»Danke.»

Bolitho wu?te nicht, wie der Mann hie?, noch nicht. In den nachsten hundert Tagen wurde er von seinen Leuten mehr als nur die Namen erfahren. Und umgekehrt sie von ihm.

Mit einem Seufzer ging er wieder in seine Kajute. Die Wangen prickelten ihm vor Kalte. Noddall war nicht zu sehen, aber die Koje war bereit, und daneben stand ein Becher mit einem hei?en Trunk. Eine Minute, nachdem er den Kopf aufs Kissen gelegt hatte, war er eingeschlafen.

Der nachste Tag stieg so grau auf wie der vorige; doch der Regen hatte in der Nacht aufgehort, und der Wind kam stetig aus Sudost.

Der ganze Vormittag verging mit pausenloser Arbeit. Die Deckoffiziere kontrollierten immer wieder die Namenslisten, machten sich mit den Gesichtern vertraut und sorgten dafur, da? erfahrene Seeleute zwischen die unausgebildeten plaziert wurden. Bolitho diktierte seinem Schreiber, einem vertrockneten Mann namens Pope, den Abschlu?bericht und unterschrieb, damit er mit dem letzten Boot noch an Land gelangte. Er fand Zeit, mit seinen Offizieren zu sprechen, den Stuckmeister Mr. Tapril in seiner Pulverkammer aufzusuchen und mit ihm die Verlagerung gewisser Geschutzteile und sonstigen Zubehors ins Vorschiff zu besprechen, um die Trimmung des Schiffes zu verbessern, bis der entsprechende Gewichtsanteil an Proviant aufgebraucht und damit ein Ausgleich geschaffen war.

Er war gerade dabei, seinen Galaanzug mit der Seeuniform, einem alten Rock mit ausgebleichten Tressen und glanzlosen Knopfen, zu vertauschen; da kam Herrick in die Kajute und meldete, er habe funfzehn neue Leute von den Gefangnishulken mitgebracht.

«Wie war es?»

«Die Holle, Sir«, seufzte Herrick.»Ich hatte dreimal soviel bringen konnen, eine komplette Besatzung, wenn ich auch ihre Frauen und Kinder hatte mitnehmen wollen.»

Bolitho antwortete nicht gleich, weil er gerade mit dem Anlegen seiner Halsbinde beschaftigt war.»Frauen?«fragte er dann.»In den Gefangnishulken?»

«Aye, Sir. «Ein Schauder uberlief Herrick.»Ich hoffe zu Gott, da? ich so etwas nie wieder zu sehen kriege.»

«Na schon. Lassen Sie sie die Musterrolle unterzeichnen, aber geben Sie ihnen vorlaufig noch keine Arbeit. Die sind wahrscheinlich zu schlapp, um auch nur einen Belegnagel zu halten, nachdem sie so lange unter Deck wie Vieh zusammengepfercht waren.»

Ein Midshipman erschien in der offenen Tur.»Mr. Davy meldet mit allem Respekt, Sir, da? der Anker kurzstag ist. «Neugierig und aufmerksam lie? er die Augen in der Kajute schweifen.

«Danke«, lachelte Bolitho.»Nachstesmal bleiben Sie ein bi?chen langer und sehen sich hier richtig um.»

Der Junge verschwand, und Bolitho blickte Herrick an.»Na, Thomas?»

Herrick nickte zufrieden.»Aye, Sir, ich bin soweit. Wir haben ja lange genug warten mussen.»

Sie stiegen miteinander zum Achterdeck hinauf. Wahrend Herrick mit seinem Sprachrohr an die Reling des Vorschiffes trat, blieb Bolitho achtern in einiger Entfernung von den anderen, die sich eifrig an ihre Stationen begaben.

Klickend drehte sich das Gangspill — immer langsamer, bis die Rucken der Manner fast waagerecht gebeugt waren, um den schweren Anker klarzubekommen.

Bolitho warf einen Blick auf die ungefuge Gestalt des Steuermanns neben dem doppelten Steuerrad. Er hatte vier Rudergasten eingeteilt — anscheinend wollte er kein Risiko eingehen, weder mit dem Ruder noch mit der Seemannschaft seines neuen Kapitans.

«Bringen Sie das Schiff in Fahrt. «Er sah, wie Herrick sein Megaphon hob.»Sobald wir aus dem kustengebundenen Schiffsverkehr drau?en sind, gehen wir auf Backbordbug und nehmen Kurs Westsudwest.»

Der alte Mudge nickte gewichtig, das linke Auge hinter der vorspringenden Nase verborgen.

«Aye, aye, Sir.»

Herrick brullte:»Klar bei Ankerspill!«Er beschattete die Augen mit der Hand, um den Wimpel im Masttopp besser sehen zu konnen.»Vorsegel los!»

Beim Flappen und Rauschen der fallenden Leinwand blickten sich einige der Neuen verwirrt um. Ein Deckoffizier gab einem ein Ende in die Hand und schnauzte:»Hol dicht, du Esel! Steh nicht da und glotze wie ein Frauenzimmer!»

Ein Bootsmannsmaat sa? rittlings auf dem Bugspriet und signalisierte durch Armzeichen, wie die Ankertrosse sich immer mehr spannte und ihr Winkel unter der vergoldeten Gallionsfigur immer stumpfer wurde.

«Aufentern! Marssegel los!»

Bolithos Spannung loste sich etwas, als die leichtfu?igen Toppsgasten zu beiden Seiten in den Wanten emporkletterten. Es hatte keinen Zweck, beim erstenmal auf besondere Eile zu drangen. Die kritischen Beobachter an Land mochten denken, was sie wollten. Er hatte keine Lust zu riskieren, da? ihm das Schiff abtrieb.

«An die Brassen!»

Herrick hing halb uber der Reling und schwenkte das Sprachrohr im Halbkreis wie ein Kutscher seine Donnerbuchse bei einem Raububerfall.»Fix da! Mr. Shellabeer, scheuchen Sie diese verdammten Faulpelze gefalligst!»

Shellabeer war der Bootsmann: wortkarg und tiefbrunett, sah er eher wie ein Spanier als wie ein Mann aus Devon aus.

Bolitho lehnte sich, die Hande in den Huften, etwas zuruck und beobachtete die Manner, die mit affenartiger Geschicklichkeit auf den schwankenden Rahen ausschwarmten. Die schwindelnde Hohe schien ihnen uberhaupt nichts auszumachen, aber ihm wurde fast ubel bei diesem Anblick.

Eines nach dem anderen losten sich die machtigen Segel und schlugen an die Masten, wahrend die Matrosen sich auf den Rahen festhielten, untereinander und mit ihren Kameraden auf den anderen beiden Masten Zurufe tauschend.

«Anker ist klar, Sir!»

Noch unsicher wie ein von seinen Ketten befreiter Gefangener, taumelte die Fregatte durch die tiefen Wellentaler; die Manner an den Brassen kampften verzweifelt, um die machtigen Rahen herumzuholen und den Wind zu fangen. Manche fielen dabei hin und wurden uber die glatten Planken geschleift.

«Hol dicht bei Leebrassen!«Herrick war schon fast heiser.

Bolitho bi? die Zahne aufeinander und zwang sich, reglos zu bleiben, wahrend die

Mit donnerndem Krachen sprang der Wind voll und stetig in die Segel, das Deck neigte sich und blieb gekrangt, die Rudergasten warfen sich in die Speichen.

Bolitho zwang sich dazu, mit aller Gelassenheit von Midshipman Keen ein Fernrohr entgegenzunehmen, richtete es achteraus und beherrschte seine Mimik eisern, obwohl er vor Aufregung und Erleichterung beinahe zitterte. Das Segelsetzen klappte noch sehr schlecht; die Plazierung der wenigen erfahrenen Matrosen war noch sehr verbesserungswurdig; aber sie waren klar von der Kuste!

Am Portsmouth Point standen tatsachlich ein paar Menschen und beobachteten, wie die

Heiser meldete der Steuermann:»Westsudwest liegt an, Sir!»

Bolitho wandte sich um und sah gerade noch, wie der Alte mit widerwilliger Anerkennung nickte.

«Danke, Mr. Mudge. Wir werden gleich noch Fock- und Gro?segel setzen.»

Er ging zum Vorschiff, wo Herrick noch an der Reling stand, schrag vorgeneigt, um die Krangung auszugleichen. Das Durcheinander war erst zum Teil beseitigt; die Manner stolperten uber das noch herumliegende Tauwerk wie Uberlebende einer Schlacht.

Herrick blickte ihn melancholisch an.»Es war furchtbar, Sir!»

«Ganz meine Meinung, Mr. Herrick. «Er konnte sich ein Lacheln nicht verkneifen.»Aber es wird schon besser werden, wie?»

Am spaten Nachmittag war die Undine klar von der Insel Wight und schon ein ganzes Stuck im Armelkanal.

Abends konnte man von Land aus nur noch ihre gerefften Royalsegel sehen, und wenig spater waren auch die verschwunden.

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