Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander 5 стр.


Bolitho wollte zur Leeseite hinuber, wie ublich, wenn der Kommandant an Deck erschien, aber Pears Stimme rief ihn zuruck.

«Bleiben Sie, Mr. Bolitho. «Pears kampfte sich zur Luvreling, den Hut tief in die Augen gezogen.»Sie haben da mit dem Ersten Offizier einen verwegenen Plan ausgebrutet!»

«Sir, ich.»

«Verruckt. «Pears beobachtete das steife Gro?segel.»Aber mit einem Kornchen, einem winzigen Kornchen Wert.»

Bolitho starrte ihn an.»Besten Dank, Sir!»

Pears ignorierte ihn und sagte zu Cairns:»Die beiden Kutter mussen genugen. Ich mochte, da? Sie jeden Mann selbst auswahlen. Sie wissen, welche Leute wir fur diese Aufgabe brauchen.»

Dann blickte er Cairns ins Gesicht und sagte beinahe sanft:»Aber Sie gehen nicht mit!»

Als Cairns protestieren wollte, fugte Pears hinzu:»Ich kann Sie nicht entbehren. Ich konnte morgen umkommen, und wenn auch Sie ausfallen, was sollte dann aus der

Stellen Sie den Namen dieses Mannes fest.

Es wurde fruh dunkel, die tiefhangende Wolkendecke und der Spruhregen trugen das Ihrige dazu bei.

Cairns erwartete Bolitho, als dieser von der Wache kam, und sagte:»Ich habe ein paar gute Leute fur dich ausgewahlt, Dick. Der Zweite Offizier ubernimmt das Kommando, unterstutzt von Frowd, dem fahigsten unserer Steuermannsmaaten, dazu Midshipman Lib-by. Zu deiner Unterstutzung gehen Mr. Quinn und Midshipman Couzens mit.»

Bolitho begegnete seinem ruhigen Blick. Au?er Sparke, Frowd und bis zu einem gewissen Grade ihm selbst, waren alle anderen halbe Kinder und nicht geeignet fur ein solches Unternehmen. Er bezweifelte, da? der nervose Quinn oder der willige Couzens jemals das Abfeuern eines Schusses erlebt hatten, au?er vielleicht bei der Entenjagd.

Er sagte jedoch:»Danke, Sir«, womit er dieselbe Haltung zeigte wie Cairns sie gegenuber dem Kommandanten an den Tag gelegt hatte.

Cairns fa?te ihn am Arm.»Sieh zu, da? du etwas Trockenes zum Anziehen findest. «Dann, wahrend er sich seiner Kabine zuwandte, fugte er hinzu:»Du hast naturlich auch den Unhold Stockdale in deinem Kutter. Ich hatte nie den Mut aufgebracht, ihn davon abzuhalten!»

Bolitho durchquerte die Messe und betrat seine eigene, kleine Kabine. Dort zog er sich nackt aus und frottierte sich die feuchten, kalten Gliedma?en, bis er so etwas wie Warme verspurte.

Dann sa? er auf dem Rand seiner schwankenden Koje und lauschte auf die Gerausche des gro?en Schiffes, das Achzen beim Uberholen, das Beben beim Aufprall eines Brechers, das anschlie?ende Prasseln der uber Deck peitschenden Gischt.

Morgen um diese Zeit war er vielleicht auf dem Weg in sein Unheil, wenn nicht sogar schon tot. Er frostelte und frottierte sich heftig die Bauchmuskeln, um die plotzlich aufkommende Verzagtheit zu uberwinden.

Aber wenigstens wurde er etwas unternehmen, und das war besser als diese ewige Untatigkeit. Er zog sich ein sauberes Hemd uber den Kopf und langte nach seiner Hose.

Er war kaum damit fertig, als er schon das naherkommende Geschrei horte:

Moglicherweise wurde es uberhaupt zu nichts kommen, wie schon so oft wahrend dieses Einsatzes. Gro?e Vorbereitungen, und dann die Enttauschung.

Bolitho wu?te, da? es ein beinahe unmogliches Unterfangen war, das andere Schiff zu finden und zu kapern. Gleichzeitig wu?te er aber auch, da? er sich betrogen vorkommen wurde, falls es abgeblasen werden sollte.

Er kehrte in die Messe zuruck und stellte fest, da? die meisten Offiziere schon in die Koje gegangen waren — verstandlich nach diesem sturmischen und arbeitsreichen Tag. Lediglich der Arzt und der Hauptmann d'Esterre spielten im Licht einer einzelnen Lampe Karten, wahrend unter den uberfluteten Heckfenstern Leutnant Quinn sa? und auf den vibrierenden Ruderkopf starrte.

Im schwankenden Lampenschein sah er noch junger aus als sonst.

Bolitho setzte sich neben ihn und schuttelte den Kopf, als Logan, der Messejunge, mit einem Weinkrug auftauchte.

«Fuhlst du dich nicht wohl, James?»

Quinn blickte ihn uberrascht an.»Doch, danke, Sir.»

Bolitho lachelte.»Richard oder Dick, wenn dir das lieber ist. «Er beobachtete des anderen Verzweiflung.»Dies ist nicht das Fahnrichslogis, wie du wei?t.»

Quinn warf einen raschen Blick auf die Kartenspieler, auf den wachsenden Stapel von Munzen neben dem scharlachroten Armel d'Esterres und den dahinschwindenden seines Gegenubers.

Dann sagte er ruhig:»Sie haben so etwas schon fruher gemacht, Sir — ich meine, Dick!»

Bolitho nickte.»Ein paarmal.»

Er wollte nicht Quinns Vertrauen durch eine Unterbrechung riskieren, nun, da dieser zu sprechen begann.

«Ich… Ich dachte, es wurde an Bord sein, wenn es dazu kame. «Er machte eine hilflose Armbewegung, die die Messe und die angrenzenden Kabinen umfa?te.»All seine Freunde wei? man in der Nahe. Ich glaube, hier konnte ich es zum erstenmal, das Kampfen.»

Bolitho sagte:»Ich wei?. Das Schiff ist unsere Heimat. Es hilft.»

Quinn rang die Hande.»Meine Familie ist im Lederhandel in der City von London. Mein Vater wollte nicht, da? ich zur Marine ging. «Sein Kinn hob sich ein wenig.»Aber ich war entschlossen. Ich hatte oft genug ein Kriegsschiff den Flu? herunterfahren und in See stechen sehen. Ich wu?te, was ich wollte.»

Bolitho konnte den Schock nachempfinden, den Quinn erlitten haben mu?te, als er zum ersten Mal der rauhen Wirklichkeit an Bord eines Kriegsschiffes begegnete, mit all der harten Disziplin und dem Gefuhl, da? man als neuer Fahnrich an Bord der einzige ist, der vollig nutzlos zu sein scheint und von nichts eine Ahnung hat.

Bolitho war damit aufgewachsen. Die dunklen Portrats an den Treppenhauswanden seines Elternhauses in Cornwall waren eine standige Erinnerung an alle, die vor ihm diesen Weg gegangen waren. Jetzt setzten er und sein Bruder Hugh die Tradition fort. Hugh fuhr auf einer Fregatte, wahrscheinlich im Mittelmeer, wahrend er hier im Begriff war, sich einzuschiffen fur ein Unternehmen, wie es oft in den Kneipen von Falmouth geschildert wurde, wenn die Seeleute ihr Garn sponnen.

Er sagte:»Es wird alles klargehen, James. Mr. Sparke fuhrt uns.»

Zum ersten Mal sah er Quinn lacheln, als dieser sagte:»Ich mu? zugeben, vor dem habe ich mehr Angst als vorm Feind!»

Bolitho lachte und fragte sich, wieso Quinns Angst ihm selbst irgendwie Mut einflo?te.

«Geh jetzt in die Koje und versuch zu schlafen. Sag Mackenzie, du mochtest ein Glas Brandy, George Probyns Allheilmittel.»

Quinn stand auf und ware beinahe gefallen, als das Schiff mit einem Ruck uberholte.

«Nein, ich mu? noch einen Brief schreiben.»

Als er wegging, verlie? d'Esterre den Tisch, steckte seinen Gewinn ein und gesellte sich zu Bolitho an den Heckfenstern.

Der Arzt wollte ihm folgen, aber d'Esterre sagte:»Schlu?, Robert. Dein stumperhaftes Spiel wurde auf die Dauer mein eigenes Konnen beeinflussen und abstumpfen. «Er lachelte.»Hebe dich hinweg zu deinen Flaschen und Pillen!»

Der Arzt antwortete nicht mit seinem sonstigen Lacheln, sondern ging still von dannen, mit den Handen nach einem Halt suchend.

D'Esterre deutete auf Quinns Kabine.»Ist er aufgeregt?»

«Ein bi?chen.»

Der Marineinfanterist zerrte an seinem engen Halstuch.»Ich wunschte bei Gott, ich konnte mitkommen. Wenn ich meine Jungs nicht bald in einen Kampf fuhre, werden sie rostig wie alte Nagel!»

Bolitho gahnte herzhaft.»Ich bin fur Schlafengehen. «Er schuttelte den Kopf, als d'Esterre uber die Karten strich.»Ich wurde ohnehin nicht mit dir spielen. Du hast den Trick raus, wie man gewinnt.»

Als er mit hinter dem Kopf verschrankten Handen in der Koje lag, lauschte Bolitho auf die Gerausche des Schiffes und identifizierte jedes einzelne, wie es sich in das gro?e Ganze einfugte.

Die Leute der Freiwache lagen unten in ihren Hangematten wie Erbsen in den Schoten; bei den gegen die See dichtgeschlossenen Stuckpforten und dem aus den Bilgen aufsteigenden Gestank war die Luft entsetzlich. Alles triefte vor Nasse, von den Decksbalken tropfte es, dazu kam das eintonige Rasseln der Pumpen, wenn die

Weiter vorn im Fahnrichslogis war alles ruhig, wenn auch vielleicht ein gelegentlicher Lichtschimmer verriet, da? einer der jungen Leute verzweifelt an einem schwierigen navigatorischen Problem arbeitete, dessen Losung er am Morgen Bunce vorlegen sollte.

Ihre eigene Welt: Seeleute und Seesoldaten, Anstreicher und Kalfaterer, Seiler und Segelmacher, Klempner und Toppsgasten, Geschutzfuhrer und Zimmerleute — eine Mischung, wie man sie sonst in einer ganzen Stadt antraf.

Und achtern, zweifellos noch an seinem gro?en Schreibtisch sitzend, der eine, der uber sie alle herrschte: der Kommandant.

Bolitho blickte in der Dunkelheit nach oben, wo ein Deck hoher, ziemlich genau uber ihm, Pears jetzt wohl sa?, den aufmerksamen Foley in seiner Nahe, ein Glas Wein neben sich. So wurde er jetzt noch einmal die Ereignisse des Tages sowie das fur morgen geplante Unternehmen uberdenken.

Das war der Unterschied, dachte Bolitho. Wir gehorchen und fuhren die Befehle aus, so gut wir konnen. Aber er mu? sie geben, und Lob oder Tadel ruhen immer auf seinen Schultern.

Dann rollte er sich auf die Seite und vergrub das Gesicht in dem muffigen Kissen. Es hatte doch manches fur sich, noch ein Leutnant zu sein.

III Die

Gegen Mittag — der Spruhregen war genauso heftig wie an den Vortagen, die See ein grenzenloses, schmutziges Grau — erschollen die ublichen Pfeifsignale:

«Alle Mann nach achtern zur Bestrafung!«Das Auspeitschen eines Mannes war bei der straffen Disziplin an Bord nicht gerade selten und rief in normalen Zeiten wenig Erregung hervor. Die privaten Prugel, die beispielsweise im Falle von Kameradendiebstahl verabfolgt wurden, konnten erheblich schlimmer ausfallen.

Aber heute war es anders. Nach all den Wochen und Monaten vergeblichen Wartens, nachdem man im Hafen unter karglichen Bedingungen wie auf einem Gefangenenschiff gelebt oder in fruchtloser Mission vor den Kusten patrouilliert hatte, versprach man sich hiervon ein wenig Abwechslung.

Das Wetter trug nicht gerade zur Aufmunterung bei. Wahrend Bolitho sich zu den anderen Offizieren gesellte und die Marineinfanteristen in zwei leuchtend roten Reihen aufmarschierten, eilte die Besatzung nach achtern. Sie mu?ten die Augen zusammenkneifen gegen den boigen Wind, der ihnen Gischt und Regen ins Gesicht peitschte. Ein truber, ungluckseliger Auftakt, dachte Bolitho.

Der Delinquent kam uber die Backbordtreppe, flankiert von Pa-get, dem dunkelhautigen Wachtmeister, und Tolcher, dem Bootsmann. Paget war ein schmallippiger, grimmiger Mann. Neben ihm und dem vierschrotigen Bootsmann nahm sich der Gefangene direkt harmlos aus.

Bolitho betrachtete ihn, einen jungen Schweden namens Carls-son. Er hatte ein gutgeschnittenes, schmales Gesicht und langes, flachsblondes Haar. Wie verwundert blickte er um sich, als habe er das Schiff noch nie gesehen. Nach Bolithos Meinung war er typisch fur die gemischte Besatzung der

Bolitho ha?te die Auspeitschungen, obwohl sie zum Seemannsdasein gehorten. Es gab schlie?lich keine Alternative fur einen Kommandanten, um die Disziplin aufrechtzuerhalten, wenn er weitab von hoheren Vorgesetzten oder anderen Schiffen operierte.

Die Grating, ein Lattenrost, wurde neben dem Fallreep aufgestellt, und ein muskuloser Bootsmannsmaat namens Balleine stand wartend daneben, einen Flanellbeutel an seiner Seite.

Cairns uberquerte die Schanze, als der Kommandant an Deck erschien.

«Mannschaft versammelt, Sir. «Sein Gesicht war ausdruckslos.»Danke.»

Pears blickte auf den Kompa? und ging dann schwerfallig nach vorn zur Schanzreling. Schweigen senkte sich uber die Menge, die sich auf Deck, ja sogar in den Wanten drangte.

Bolitho betrachtete die Gruppe der Midshipmen neben den alteren Deckoffizieren. Ihm selbst war einmal schlecht geworden, als er in seiner Fahnrichszeit einer Auspeitschung hatte beiwohnen mussen.

Er dachte an Carlsson. Man hatte ihn auf Wache schlafend gefunden, nach einem langen Tag des Kampfes gegen Wind und storrisches Segeltuch.

Bei anderen Offizieren ware es vielleicht glimpflicher abgelaufen, aber Sparke kannte kein Mitgefuhl. Bolitho uberlegte, ob er wohl jetzt daruber nachdachte. Weil es doch etwas wie einen Pesthauch ausgerechnet uber diesen Tag senkte, an dem er den Bootsangriff fuhren sollte. Bolitho musterte Sparkes Gesicht, aber es zeigte nichts anderes als den ublichen Ausdruck verkniffener Strenge.

Pears nickte.»Ausziehen!«Dann nahm er den Hut ab und klemmte ihn unter den Arm, wahrend die anderen Offiziere seinem Beispiel folgten.

Bolitho blickte nach Backbord zum Horizont, als erwarte er, dort die Segel ihres getreuen Schattens auftauchen zu sehen. Im Laufe der Nacht hatte der Schoner dichter aufgeschlossen und war jetzt schon vom Unterwant aus sichtbar, jedoch noch nicht von Deck. In der einfachen Denkweise eines Seemannes mu?te das die Bestrafung noch harter erscheinen lassen — ein Yankeeschiff kreuzte hier herum, wie es ihm gefiel, und einer der eigenen Leute wurde ausgepeitscht!

Der Kommandant schlug die Kriegsartikel auf und verlas die entsprechenden Paragraphen mit einer Stimme, die sich in nichts von seinem normalen Tonfall unterschied. Er schlo? mit den Worten:». soll bestraft werden gema? den Vorschriften des Gesetzes fur einen solchen Fall auf See. «Dann setzte er den Hut wieder auf und fugte hinzu:»Zwei Dutzend Hiebe.»

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