Froschzauber - Busby Cecilia 5 стр.


Sekunden, bevor ein leckerer Hecht-Snack aus ihm wurde, entdeckte Max zu seiner Linken einen tiefen Spalt in der Mauer. Er schwenkte ab, hinein in die dunkle Enge, und strampelte wie verruckt mit den Beinen, um so tief wie moglich in den Spalt zu dringen. Sollte auch hier ein Flusskrebs wohnen, dachte Max, wurde der entweder Platz machen oder Max wurde ihm die Augen auskratzen.

Kaum waren seine Hinterbeine im Spalt verschwunden, krachte der Hecht mit dem Kopf gegen die Mauer. Knirschend kratzten seine Zahne uber die Ziegel – der Hecht wollte den Spalt aufbrechen. Max schluckte und presste sich so tief in den Spalt, wie er konnte. Eine Zeit lang schwamm der Hecht vor der Mauer auf und ab, witterte und wunderte sich, wohin dieses lastige kleine Wesen verschwunden war. Doch schlie?lich wurde ihm langweilig und er glitt auf der Suche nach leichterer Beute davon.

Puh!

Max sah sich um. Dieser Spalt war wirklich sehr tief. Er schien sich in der Mauer fortzusetzen. Max schwamm tiefer hinein, bis ihm ein gro?er eckiger Stein den Weg versperrte. Uber den wurde er klettern mussen. An einer Kante zog Max sich hoch und sah eine Lucke, die noch tiefer in die dicke Mauer hineinfuhrte. Wie es aussah, wurde er von hier bis in die Burg kriechen konnen.

Langsam und vorsichtig arbeitete Max sich durch die Mauerspalten. Mancherorts waren die Ziegel so eng gesetzt, dass ihm beinahe die Augen aus dem Schadel sprangen, wenn er sich hindurchquetschte. Dann wieder schienen die dunklen Spalten sagenhaft tief zu sein und rochen, als wurde etwas Grauenhaftes in ihnen leben. In diesem Fall hupfte Max, so schnell er konnte, weiter.

Nach und nach gewann er an Hohe. Bald war er deutlich uber dem Burggraben und hatte das Gefuhl, schon seit einer Ewigkeit zu klettern. Er hatte mal jemanden sagen horen, die Burgmauern seien dick genug, um ganze Raume in ihnen zu verstecken. Jetzt wollte er das glauben.

Es war hei? zwischen den Steinen und das Atmen fiel ihm schwer. Max spurte das Gewicht Hunderter Ziegel uber sich. Unwillkurlich stellte er sich vor, was fur ein platter Frosch er wohl ware, sollte einer dieser Ziegel ins Rutschen geraten.

Schlie?lich war die Dunkelheit, die ihn umgab, nicht mehr ganz so undurchdringlich. Dann farbte sich die Umgebung grau, und bald darauf entdeckte Max helle Flecken zwischen den Ritzen. Max zwangte sich durch einen besonders engen Spalt, und ihm wurde klar, dass er sich jetzt hinter der letzten Ziegelreihe befand. Die Mauersteine waren hier eckiger als die ubrigen. Besturzt erkannte Max, dass sie auch viel sorgfaltiger gemauert waren – es wurde schwer werden, in den Raum dahinter zu gelangen.

Max suchte die Wand nach einem breiteren Spalt ab, oben, unten, links und rechts. Zu seiner gro?en Erleichterung entdeckte er einen Streifen Licht. Die Ecke eines Ziegels war abgebrochen! Max kletterte hindurch und schielte vorsichtig in das dahinterliegende Zimmer.

Es war ein mittelgro?er Raum, quadratisch und recht gro?zugig mobliert – das Quartier eines Ritters vermutlich. An den Wanden hingen Gobelins und auf dem Fu?boden lag ein reich verzierter, kostbarer Teppich. Durch zwei gro?e Fenster fiel Licht. Es schien niemand da zu sein. Ein paar Minuten lang wartete Max auf Gerausche, dann zwangte er sich vorsichtig aus der Mauer und fiel – plumps – auf den Teppich. Er seufzte erleichtert. Er hatte es geschafft! Er war dem Burggraben und dem Hecht entkommen. Er war wieder in der Burg – jetzt musste er blo? noch Olivia finden und sich in einen Jungen zuruckverwandeln.

Schnell sah sich Max nach einem Ausgang um. In der einen Zimmerecke entdeckte er eine kleine uberwolbte Nische, hinter der sich vermutlich die Toilette befand. Die wurde ihn nirgendwohin fuhren, au?er ein stinkendes Rohr hinab und zuruck in den Burggraben …

Der Torbogen auf der anderen Seite sah vielversprechender aus. Doch als Max darauf zuhupfte, horte er Stimmen drau?en auf dem Gang, und auf einmal offnete sich eine Tur. Mit einem Satz war Max zuruck an der Wand und verbarg sich im Schatten eines Wandteppichs.

Sir Richard Hogsbottom versuchte sich beliebt zu machen, so gut er konnte. Und das konnte er wirklich gut, galt er in Camelot doch als der ubelste Speichellecker aller Zeiten. Sein pausbackiges rotes Gesicht glanzte regelrecht vor Anstrengung, so sehr war er bemuht, der Lady an seiner Seite zu schmeicheln. Sogar seine Kleider hingen kriecherisch von seinem massigen Korper.

»Mylady!«, sagte er, wahrend er die Dame mit einem, wie er hoffte, gewinnenden und Vertrauen erweckenden Lacheln in den Raum schob (wobei er in Wirklichkeit aussah, als hatte er gerade einen Stiefel verschluckt). »Gestattet mir, Euch in meinem nichtswurdigen Kammerlein willkommen zu hei?en. Vergebt mir, dass ich es nicht vermag, Euch Speis und Trank anzubieten, die Eurer wurdig waren, aber vielleicht ware ein wenig –«

Seine Begleiterin gebot ihm mit einer knappen Geste zu schweigen. Sie war eine gro?e, schlanke Frau mit langem schwarzem Haar und blasser Haut. Sie war schon, doch sah sie wie eine Marmorstatue aus, ohne echtes Leben oder Warme in ihrem Ausdruck. Ihre Augen waren so blassblau, dass sie beinahe farblos wirkten. Reglos verharrte sie in der Mitte des Raums und wandte den Kopf hin und her. Die Stirn in konzentrierte Falten gelegt, schien sie die Luft im Raum beinahe zu schmecken.

»Magie«, sagte sie, wahrend ihre blassblauen Blicke uber die kostbaren Gobelins und den reich verzierten Teppich zu ihren Fu?en schweiften. »Es ist etwas Magisches in diesem Zimmer.« Ihre Stimme war so weich wie Honig, tief und seidig, und doch lie? sie Max erschaudern. Er presste sich enger an die Wand, als ihr Blick uber sein Versteck streifte. »Irgendetwas … War die Tur verschlossen, wahrend Ihr weg wart, Sir Richard?«

»Wieso, ja, naturlich, Mylady, vollig verschlossen«, protestierte Sir Richard mit angstlichem Blick. »Aber vielleicht … Ihr wisst, Merlin arbeitet Tag und Nacht, damit dem Prinzen nichts zusto?t … Womoglich hat sich ein kleiner Prufzauber durch den Turspalt geschlichen?«

»Hmmh …«, machte die Lady nachdenklich. Dann lachte sie, und ihr Lachen klang wie das Klirren von Eiszapfen, die auf hart gefrorenem Boden zerbrechen. »Naturlich – Merlin schnuffelt in der Burg herum, um herauszufinden, was vor sich geht. Er wird einen Schock kriegen, wenn er erfahrt, dass der Schutzbann durchbrochen und der Prinz verschwunden ist! Ha! Er wird im Staube vor mir kriechen mussen und um Hilfe betteln und dann …« Sie dampfte ihre Stimme, doch Max, der gleich neben ihr unter dem Wandteppich kauerte, konnte horen, was sie mit einem kalten, grausamen Flustern nur noch zu sich selbst sagte: »

»Ich mach das nicht, Adrian. Auf gar keinen Fall, es ist zu gefahrlich! Merlin ist jetzt auf der Hut und er kommt uns ganz bestimmt auf die Schliche. Ganz bestimmt!«

»Sei nicht so ein Feigling, Jakob!«, zischte der andere Junge. »Es hat keinen Alarm gegeben, die Wachen wissen von nichts. In der ganzen Aufregung um das Festival wird sich kein Mensch um zwei junge Knappen scheren, die ein bisschen ausreiten wollen.«

»Und was, wenn das Balg aufwacht und zu schreien anfangt?«

»Ich hab’s dir doch schon erklart«, sagte Adrian genervt. »Ich habe ihn verzaubert. Er kann sich nicht mehr ruhren, geschweige denn schreien. Komm schon, Jakob! Beim Zehennagel des Druiden! Wir wickeln ihn in ein Laken, binden ihn aufs Pferd und dann reiten wir aus der Burg. Wenn einer fragt, sagen wir einfach, dass wir Proviant in eines der Lager bringen. Los jetzt, mach schon!« Adrian wollte Jakob mit sich ziehen, aber dessen Pausbacken sahen immer noch ziemlich blass aus, und er weigerte sich, weiterzugehen.

»Und was ist mit dem Schutzbann?«, fragte er starrsinnig.

»Das habe ich dir auch schon erklart!«, sagte Adrian verzweifelt. »Sie hat sich darum gekummert. Das ist kein Problem.«

»Du meinst Lady –«

»Schhh! Denk nicht einmal daran, ihren Namen auszusprechen! Was sie mit Verratern macht, willst du gar nicht wissen!«

Jakob sah aus, als wollte er protestieren, aber ein paar Augenblicke spater zuckte er mit den Schultern. »Okay. Wenn du meinst. Aber ich habe gehort, dass Merlin Leute in Mistkafer verwandeln kann, und ich habe keine Lust, fur den Rest meines Lebens mit sechs Beinen in einem Haufen Pferdemist herumzukrabbeln.«

Die beiden Jungen liefen durch den Gang in Richtung der Pferdestalle. Kaum waren sie verschwunden, winkte Adolphus mit einer seiner Klauen. Olivia schlich an der Wand entlang, bis sie den Drachen erreichte. Sie trug ein Paar von Max’ Beinlingen und eine dunkle Tunika. Mit ihrem dunklen Haar und dem Dreck, den sie sich ins Gesicht gerieben hatte, war sie im Halbdunkel des Korridors kaum zu erkennen.

»Hab ich’s dir doch gesagt, Adolphus«, wisperte sie aufgeregt. »Ich wusste, dass die beiden etwas damit zu tun haben!«

»Sollen wir ihnen weiter folgen?« Adolphus hupfte auf dem Balken auf und ab. »Ich kann wieder ganz, ganz leise sein. Ich kann herausfinden, wohin sie gehen.«

»Ich wei? nicht …«, sagte Olivia nachdenklich – aber da war es schon zu spat. Adolphus hatte seine Schwingen ausgebreitet und war mit einem blaugrunen Schimmern verschwunden. Es blieb ihr nichts anderes ubrig, als ihm zu folgen.

Als sie den Gang erreichten, war niemand mehr zu sehen. Adolphus flog aufgeregt im Kreis. »Wo stecken sie? Wir mussen sie einholen! Wo sind sie hin?« Er war ganz aufgelost.

»Adolphus!«, zischte Olivia. »Warte! Komm zuruck! Ich glaube, es ist besser, wir suchen Merlin!«

»Ja, das ware wahrscheinlich besser«, knurrte eine nur allzu vertraute Stimme und Adrian trat aus dem Dunkel eines Turrahmens hinter ihr. »Aber ich schatze, dazu kommt es jetzt nicht mehr. Fur uns ware das namlich nicht gut, wisst ihr?«

»Adrian!«, stohnte Olivia. »Oh, Mistkugel!«

»Mistkugel, in der Tat, allerliebste Olivia«, sagte Adrian und drehte ihr einen Arm auf den Rucken. Jakob tauchte aus dem Halbdunkel auf und packte den anderen. »Mir kommt es so vor, als hatte ich dich heute schon einmal aus dem Weg geschafft … Wei?t du, wenn du hier rumschnuffeln willst und deine Nase in Dinge steckst, die dich nichts angehen, solltest du das nicht mit einem schwachkopfigen Drachen tun, der lauter als eine ganze Herde Greife ist. Wir hatten euch auch noch drei Lander weiter gehort.«

Er drehte sich um und warf eine Handvoll von etwas auf Adolphus, der mit angsterfullten Flugelschlagen uber ihren Kopfen herumflatterte.

Der Drache fiel zu Boden wie ein Stein.

Entfuhrt!

Sir Richard Hogsbottom rieb sich vor Freude seine dicken Hande. Lady Morgana le Fay, die machtigste Zauberin des Landes und Halbschwester des Konigs, war sein Gast. Sie trank seinen teuersten Wein und behandelte ihn wie ihresgleichen. Fast jedenfalls. Denn wahrend sie in dem gro?en, mit Schnitzwerk verzierten Eichenstuhl sa?, musste er stehen. Und wahrend sie sagte, was er tun sollte, sagte er blo?: »Ja, Mylady« oder »Nein, Mylady«. Und doch – sie befanden sich in demselben Raum! Und er war bei dem Komplott dabei! Er war Lady Morganas vertrauter Mitverschworer. Teil ihres Plans, Konig Artus zu sturzen!

Sir Richard lachelte in sich hinein. Es hatte ihn gewundert, wie sehr sie ihren Halbbruder hasste, wie innig sie sich wunschte, seinen Platz einzunehmen und Konigin zu werden. Doch jetzt kannte er die Wahrheit. Und wenn sein Sohn Adrian erst seinen Teil getan hatte, wurde er, Sir Richard, der Gunstling der neuen Konigin sein. Reich, beruhmt. Und wenn er wollte, konnte er diesen schrecklichen Sir Bertram Pendragon an den Zehennageln von der Burgmauer baumeln lassen, warum nicht? Und ganz bestimmt wurde er gro?ere und teurer moblierte Zimmer zugewiesen bekommen, wenn er in Camelot bliebe. Dies hier war winzig und irgendwie roch es auch ziemlich nach Froschtumpel hier drinnen …

»Sir Richard!« Lady Morganas Stimme weckte ihn aus seinen Tagtraumen.

»Aber ja, Mylady, aber ja, unbedingt. Ganz meine Meinung«, stotterte er, ohne genau zu wissen, wovon die Rede war.

»Ich habe gefragt, wann Ihr Euren Sohn zuruckerwartet«, sagte Lady Morgana kuhl.

»Oh, ah, ja, Verzeihung, gewiss – nun, also, jeden Augenblick, Verehrteste. Er sollte gleich hier eintreffen. Adrian ist ein guter Junge, sehr schlau – und selbst schon ein kleiner Fachmann in Sachen Magie, wisst Ihr. Hat zweimal in Folge den Zauberer-Nachwuchs-Wettbewerb gewonnen!«

Max – versteckt unter dem Wandteppichsaum – schaumte vor Wut.

Adrian Hogsbottom! Es war nicht Adrians magisches Talent, es war dessen Talent zum Lugen und Betrugen gewesen, das ihm zum Sieg verholfen hatte. Noch einmal wurde das bestimmt nicht passieren. Vorausgesetzt naturlich, dass es Max gelange, rechtzeitig vor dem Wettbewerb zu turmen und Olivia aufzutreiben. Was durch Sir Richards und Lady Morganas Auftauchen arg erschwert worden war. Und was in diesem Augenblick noch arger erschwert wurde.

Sir Richards Lobeshymnen auf seinen Sohn wurden durch ein lautes Klopfen unterbrochen. Beinahe im selben Augenblick flog die Tur auf. Auf der Schwelle erschien ein mit einer strampelnden, um sich tretenden Olivia kampfender Adrian. Dahinter wurde Jakob sichtbar, der unter dem Gewicht eines leblosen, kleinen, blaugrunen Drachens stohnte.

»Adrian!«, platzte Sir Richard heraus. »Was zur Holle ist los? Was macht die hier?«

Olivia versuchte, etwas zu sagen, aber Adrian hatte sie mit einem Tuch geknebelt und mehr als »Mmmpff … Mmmpff!« brachte sie nicht heraus.

Adrian stie? sie brutal in den Raum und Olivia fiel der Lange nach hin, genau vor Lady Morganas Fu?e. Die Zauberin sah auf Olivia hinab wie auf eine besonders schleimige Schnecke.

»Das ist die Schwester dieses Schwachlings Pendragon«, spuckte Adrian aus. »Hat uns mit ihrem strohkopfigen Hausdrachen nachspioniert. Sie hat mich und Jakob uber den Prinzen reden horen. Dass wir ihn in den Wald bringen wollen … Wir mussen uns die beiden ein fur alle Mal vom Hals schaffen.«

»Oh, ah, also, das ist vielleicht ein bisschen zu viel des Guten. Wenn wir stattdessen, also, ah – Mylady?«

Mit einem Ausdruck des Entsetzens in seinem Gesicht sah Sir Richard Lady Morgana an. Damit, dass jemand wahrend dieser Unternehmung verletzt wurde, hatte er eigentlich nicht gerechnet. Gedemutigt – das ja. An den Rand eines Krieges getrieben – in Ordnung. Entthront und in den Kerker geworfen, wahrend alle anderen feierten und es sich gut gehen lie?en – das war zu erwarten gewesen. Aber sich jemanden gleich vom Hals schaffen? Echte korperliche Gewalt? Fur so etwas war er nun wirklich nicht geschaffen …

»Noch nicht«, sagte Lady Morgana bestimmt. »Als zusatzliche Geisel konnte sie uns nutzen. Und wenn nicht, konnen wir uns spater immer noch um sie kummern. Wir bleiben bei unserem Plan. Lasst das Madchen und den Drachen hier und schlie?t die Tur ab. Die gehen nirgendwohin.« Sie lachte, und Olivia lief, als sie dieses Lachen horte, ein Schauer uber den Rucken.

»Kommt, Sir Richard – es ist Zeit, den Jungen beim ›Packen‹ zu helfen.« Lady Morgana rauschte aus dem Raum. Adrian an ihrer Seite – mit Sir Richard, der plotzlich weiche Knie hatte, im Schlepptau. Jakob lie? Adolphus auf den Boden plumpsen und folgte ihnen.

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