Der frevle Hagen legte über die Schenkel hin
Eine lichte Waffe, aus deren Knaufe schien
Mit hellem Glanz ein Jaspis, grüner als das Gras.
Wohl kannte sie Kriemhilde, dass Siegfried einst sie besaß. (1833)Als sie das Schwert erkannte, das schuf ihr große Not.
Von Gold war sein Gefäße, die Scheideborte rot.
Sie gedachte ihres Leides; zu weinen hub sie an:
Gewiss, das hatte darum der kühne Hagen getan. (1834)Volker der Schnelle zog näher an die Bank
Einen starken Fiedelbogen, mächtig und lang,
Gleich einem Schwerte, scharf dazu und breit.
So saßen unerschrocken die beiden Recken kühn im Streit. (1835)Die beiden kühnen Degen däuchten sich so hehr,
Dass sie von dem Sitze gedachten nimmermehr
Vor jemand aufzustehn. Ihnen schritt da vor den Fuß
Die edle Königstochter und bot unfreundlichen Gruß. (1836)Sie sprach: "Nun sagt mir Hagen, "hat nach mir gesandt:
Man ladete drei Degen her in dieses Land,
Die heißen meine Herren, ich steh in ihrem Lehn:
Bei keiner Hofreise pfleg ich daheim zu bestehn." (1837)Sie sprach: "Nun sagt mir ferner, was tatet ihr das,
Dass ihr es verdientet, dass ich euch trage Hass?
Ihr erschlugt Siegfrieden, meinen lieben Mann,
Den ich bins an mein Ende nicht genug beweinen kann." (1838)"Wozu der Rede weiter?", sprach er, "es ist genug:
Ich bin halt der Hagen, der Siegfrieden schlug,
Den behenden Degen: Wie schwer er das entgalt,
Dass die Frau Kriemhilde die schöne Brunhilde schalt! (1839)Ich will es auch nicht leugnen, reiche Königin,
Dass ich an allem Übel und Schaden schuldig bin:
Nun räch es, wer da wolle, es sei Weib oder Mann.
Ich müsst es wahrlich lügen, ich hab euch Leides viel getan." (1840)Sie sprach: "Da hört ihr Recken, wie er mir eingesteht
Mein Leid und seine Tücke; wie's ihm deshalb ergeht,
Frag ich nun nicht weiter, ihr in Etzels Bann."
Die übermütgen Degen blickten all einander an. (1841)Wär da der Streit erhoben, so hätte man gesehn,
Wie man den zwei Gesellen müss Ehre zugestehn;
Das hatten sie in Stürmen nicht selten dargetan.
Wes jene sich vermaßen, das ging aus Furcht nun nicht an. (1842)Da sprach der Recken einer: "Was seht ihr mich an?
Was ich zuvor gelobte, das wird nun nicht getan.
Ich verlier um niemands Gabe das Leben und den Leib:
Uns will wohl hier verleiten dem König Etzel sein Weib." (1843)Da sprach dazu ein andrer: "So steht auch mir der Mut.
Gäbe sie mir Türme von rotem Golde gut,
Diesen Fiedelspieler wollt ich nicht bestehn,
Der schnellen Blicken wegen, die ich an ihm hab ersehn. (1844)Auch kenn ich diesen Hagen seit seinen jungen Tagen;
Man mag mir von dem Recken große Dinge sagen.
In zweiundzwanzig Stürmen hab ich ihn gesehn;
Da ist wohl mancher Fraue Herzeleid durch ihn geschehn. (1845)Er und der von Spanien traten manchen Pfad,
Da sie hier bei Etzeln taten manche Tat
Dem König zu Liebe. Des ist viel geschehn:
Drum mag man Hagen billig große Ehre zugestehn. (1846)Damals war der Recke an Jahren noch ein Kind:
Da waren schon die Knaben wie jetzo Greise sind.
Nun kam er zu Verstande und ist ein grimmer Mann;
Auch trägt er Balmungen, den er übel gewann." (1847)Damit wars entschieden, niemand suchte Streit;
Das war der Königstochter im Herzen bitter leid,
Die Helden gingen wieder: Wohl scheuten sie den Tod
Von den zweien Degen; das tat ihnen wahrlich Not. (1848)"Nun haben wir gesehen," sprach der Fiedelmann,
"Dass wir hier Feinde finden wie uns ward kund getan.
Nun lasst uns zu den Königen hin zu Hofe gehn,
So darf unsre Herren mit Streit wohl niemand bestehn." (1849)Wie man so manche Dinge aus Zagheit oft verlässt,
Wo doch Freund beim Freunde mutig steht und fest!
Und ist er wohl bei Sinnen, dass er nicht also tut,
So nimmt die Ehre mancher vor Schaden weislich in Hut. (1850)"Wohlan, ich will euch folgen," sprach Hagen dagegen.
Da gingen hin die beiden, wo sie die zieren Degen
Noch harrend des Empfanges auf dem Hofe sahn.
Volker der kühne hub da laut zu rufen an. (1851)Er sprach zu seinen Herren: "Wie lange wollt ihr stehn
Und euch drängen lassen? Ihr sollt zu Hofe gehn
Und von dem König hören wie der gesonnen sei."
Da sah man sich gesellen die Helden kühn und tadelfrei. (1852)Dietrich von Berne nahm da an die Hand
Gunther den reichen von Burgondenland:
Irnfried nahm Gernoten, diesen kühnen Mann;
Da ging mit Rüdigeren Geiselher zu Hof heran. (1853)Wie sich bei diesem Zuge paarte jeglicher,
Volker und Hagen, die schieden sich nicht mehr
Als noch in einem Kampfe bis an ihren Tod.
Das brachte edeln Frauen Tränen noch und große Not. (1854)Da gingen mit den Königen an den Hof heran
Ihres edeln Ingesindes kühne tausend Mann;
Darüber sechzig Recken: Die waren mitgekommen;
Die hatt aus seinem Lande der kühne Hagen genommen. (1855)Hawart und Iring, zwei Degen ausersehn,
Die sah man bei den Königen gesellt nach Hofe gehn:
Dankwart und Wolfhart, ein wackerlicher Degen,
Die sah man großer Tugend vor den Übrigen pflegen. (1856)Als der Vogt vom Rheine in den Pallas ging,
Herr Etzel der reiche das länger nicht verhing:
Er sprang von seinem Sitze, als er ihm kommen sah.
Ein Gruß, ein so recht schöner, nie mehr von Königen geschah. (1857)"Willkommen mir, Herr Gunther und Herr Gerenot
Und euer Bruder Geiselher, die ich hieher entbot
Mit Gruß und treuem Dienste von Wormes überrhein,
Und all das Heergesinde, das soll mir willkommen sein. (1858)Lasst euch auch Willkommen, ihr beiden Recken, sagen,
Volker der kühne und der Degen Hagen,
Für mich und für die Königin hier in diesem Land;
Sie hat euch manchen Boten hin zum Rheine gesandt." (1859)Da sprach von Tronje Hagen: "Das haben wir vernommen:
Wär ich mit meinen Herren zu den Heunen nicht gekommen,
So wär ich euch zu Ehren geritten in das Land."
Da nahm der edle König die lieben Gäste bei der Hand. (1860)Er führte sie zum Sitze bin wo er selber saß.
Da schenkte man den Gästen, fleißig tat man das,
In weiten goldnen Schalen Met, Morass und Wein,
Und hieß die fremden Degen höchlich willkommen sein. (1861)Da sprach der König Etzel: "Fürwahr ich muss gestehn,
Mir konnt auf dieser Erde nicht Lieberes geschehn,
Als durch euch, ihr Recken, dass ihr hierher gekommen.
Damit ist auch der Königin ihre Hohe Trauer benommen. (1862)Mich nahm es immer Wunder, was ich euch wohl getan.
Da ich der edeln Gäste so manche doch gewann,
Dass ihr nie zu reiten geruhtet in mein Land;
Nun ich euch gesehen, ist mirs zu Freuden gewandt." (1863)Da versetzte Rüdiger, ein Ritter hochgemut:
"Ihr sollt sie gern empfahen, ihre Treue, die ist gut.
Wohl mögen hoher Ehren meiner Fraue Brüder pflegen:
Sie bringen euch zu Hause manchen waidlichen Degen." (1864)Am Sonnenwende-Abend waren sie gekommen
An Etzels Hof, des reichen. Noch selten ward vernommen
Von so hohem Gruße, womit er sie empfing.
Nun war es Zeit zum Essen: Der Fürst zu Tisch mit ihnen ging (1865)Ein Wirt bei seinen Gästen sich nie so hold betrug.
Zu trinken und zu essen gab man ihnen genug;
Was sie nur wünschen mochten, das wurde gern gewährt.
Man hatte von den Helden viel große Wunder gehört. (1866)* Der reiche Etzel hatte an ein Gebäude weit
Viel Fleiß und Müh gewendet und Kosten nicht gescheut:
Man sah Pallas und Türme, Gemächer ohne Zahl
IN einer weiten Veste und einen herrlichen Saal. (1867)* Den hatt er bauen lassen lang, hoch und weit,
Weil ihn so viel der Recken besuchten jederzeit
Auch ander Ingesinde, zwölf reiche Könge hehr,
Und viel der werten Degen hatt er zu allen Zeiten mehr (1868)* Als sie gewann ein König, davon ich noch vernahm.
Er lebte so mit Freunden und Mannen ohne Gram:
Turnei und Ritterspiele hatte der König gut
Durch manchen schnellen Degen; drum stand wohl hoch ihm der Mut. (1869)
(1905)
Nun ist euch zur Genüge die Märe wohl bekannt:
Drum traget statt der Rosen die Waffen an der Hand;
Statt wohl gesteinter Hüte die lichten Helme gut,
Da wir so wohl erkennen der argen Kriemhilde Mut. (1906)
Wir müssen heute streiten, das will ich euch sagen.
Statt seidner Hemden sollt ihr Halsbergen tragen;
Statt der reichen Mäntel die guten Schilde breit,
Wenn jemand mit euch zürnet, dass ihr in der Wehr seid. (1907)
Meine leiben Herren, ihr Freunde wie mein Bann,
Geht nun zu dem Münster williglich heran
Und klaget Gott dem reichen eure Sorg und Not;
Denn wisset unbezweifelt, es naht uns allen der Tod. (1908)