Untot - Руссо Джон 4 стр.


Der Neuankömmling hatte einen Blaumann an und trug eine metallene Butterbrotdose bei sich, die er auf die Theke knallte. Lautstark bestellte er einen doppelten

Seagram's 7

und eine Flasche

Budweiser.

Der Mann kippte schnell den Whiskey hinunter und verlangte einen neuen. Dann schaute er mit blutunterlaufenen Augen auf den flimmernden Bildschirm über der Theke. Er rülpste und nuschelte Kommentare zu Passagen der Nachrichten, die ihm auf schiefe Weise amüsant erschienen - oder er schaute direkt zu McClellan, als erwarte er, daß der Sheriff ebenfalls zustimmend rülpsen und nuscheln würde. Als sein Rülpsen und Nuscheln keine Antwort erhielt, begann der Betrunkene vor sich hin zu brabbeln; und als auch auf das Gebrabbel keine Antwort kam, fing er an, laute Kommentare von sich zu geben.

Die beiden Polizisten schwiegen. McClellan bemühte sich, sein Gesicht zu Greene gewandt zu halten, weil er hoffte, daß der Betrunkene den Hinweis verstehen und ihn in Ruhe lassen würde. Doch der Blick des Sheriffs schoß zu dem Fernseher, als er seine eigene Stimme hörte. Es war ein Interview, das er an der Unfallstelle gegeben hatte.

»Sie sagen es, Sheriff«, bemerkte der Betrunkene, der sich schnell genug umgedreht hatte, um McClellans Blick aufzufangen, als dieser zum Fernseher schaute. »Ja, ja«, seufzte McClellan.

Greene lächelte seinem Vorgesetzten mitfühlend zu. Er wußte, daß das Allerletzte, wonach McClellan jetzt der Sinn stand, eine Unterhaltung über die Ereignisse des Tages war. Der Betrunkene redete mit schwerer Zunge weiter. »Sheriff, ich meine, die Leute haben recht. Diese verdammten Bolzen in die Schädel rammen. Zur Sicherheit. Sie wissen schon, was ich meine?«

McClellan ließ sich von dem Barhocker gleiten, zog seine Brieftasche und knallte ein paar Geldscheine auf die Theke. »Kommen Sie, Greene, wir gehen.«

Der Wirt zählte das Geld, und der Betrunkene rief hinter den beiden Gesetzesvertretern her: »Es ist schon mal passiert, es kann wieder passieren! Sie haben es doch erlebt, Sheriff! Sie haben's mit Ihren eigenen Augen gesehen!« McClellan und Greene traten in die kalte Nacht hinaus und gingen schnell weiter. Beide hatten das Bedürfnis, die Kneipe so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Die Nacht war sehr klar, der schwarze Himmel von unzähligen Sternen übersät. Der Verkehr rollte an den beiden Polizisten vorbei in stetigem Strom die Straße entlang, die an einem kleinen Park vorbeiführte.

»Lassen Sie uns zusehen, daß wir von hier wegkommen«, drängte McClellan und beschleunigte seine Schritte. »Können Sie mich zu Hause absetzen? Meine Frau hat den Wagen.« Sie überquerten die Fahrbahn und steuerten auf den Streifenwagen zu, den sie am äußeren Ende des Parks abgestellt hatten. Als sie sich dem Wagen näherten, blieb Greene plötzlich stehen und streckte seinen Arm aus, um McClellan aufzuhalten. »Haben Sie das gehört?« flüsterte er und starrte in die Richtung einer etwa fünfundzwanzig Meter entfernten Baumgruppe.

Beide blieben stehen und lauschten. Sie hörten Rascheln im Laub und etwas, das wie ein Handgemenge klang - dann den Schrei einer Frau. Sie zogen ihre Dienstpistolen und rannten los. Sie hasteten in den finsteren Park und sahen drei Gestalten, die miteinander rangen. Zwei von ihnen hoben sich als Silhouetten vor dem Sternenhimmel ab, und als sie die beiden Polizisten auf sich zurennen sahen, richteten sie sich auf, um zu fliehen. Die zwei Männer hatten eine Frau überfallen. Die Unterbrechung hatte es ihr ermöglicht, sich aufzurappeln, doch einer der Männer stieß sie zu Boden, während er zu fliehen versuchte. »Halt! Polizei!« brüllte Greene. McClellan feuerte einen Warnschuß in die Luft. Greene schaute auf den efeubewachsenen Boden, um beim Laufen nicht zu stolpern, und sah die eine der dunklen Gestalten nicht, die in dem Augenblick, als McClellan den

Schuß abgab, hinter ein Gebüsch tauchte. Greene blinzelte, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, und rannte mit gezogenem Revolver weiter.

Die Frau lag noch immer am Boden, erschöpft und unter Schmerzen, doch es war ihr gelungen, den Knöchel eines ihrer Angreifer zu fassen, und mit der Stärke, die man in Extremsituationen entwickeln kann, klammerte sie sich daran fest. Der Mann balancierte auf einem Bein und strampelte und trat mit dem anderen um sich, in der Hoffnung, sich aus dem Griff der Frau zu befreien. Schließlich schnellte er einen kräftigen Tritt mit seinem schweren Stiefelabsatz gegen den Kiefer der Frau. Mit einem lauten Schnappgeräusch brach der Frau das Genick, und sie ließ ihn los.

Greene erreichte den Mann genau in diesem Moment, sprang ihn an, und beide gingen schwer zu Boden. Der Mann befreite sich aus Greenes Griff, kam auf die Füße, und Greene folgte ihm. Plötzlich krachte ein Schuß aus dem Gebüsch, Greene taumelte, stolperte ein paar Schritte vorwärts und stürzte zu Boden.

McClellan schoß auf der Stelle und traf den Mann im Gebüsch voll in die Brust, so daß er wie eine Ente im Schießstand nach hinten kippte.

Der andere Angreifer flüchtete aus dem Park zur Straße. McClellan drehte sich bedächtig um, folgte dem Fliehenden mit dem Lauf seiner Pistole und zielte sorgfältig. Der Mann hatte die Straße erreicht, sprang durch den herrschenden Verkehr, und die Fahrer bremsten mit quietschenden Reifen bei dem Versuch, ihm auszuweichen. McClellan drückte auf den Auslöser und der Flüchtige wurde getroffen, zuckte und wurde mit dem Kopf voran über die Haube eines auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkten Autos geschleudert.

McClellan trat neben Greene, kniete sich hin und tastete seine Brust ab. Seine Hand war voller Blut. Er legte zwei Finger auf Greenes Handgelenk, doch er konnte keinen Puls fühlen.

Greene war tot. McClellan wischte sich die Hand im Gras sauber.

Dann untersuchte er die Frau. Sie war ebenfalls tot. Sie hatte das Genick gebrochen, und ihr Kopf war grotesk zur Seite geknickt. Ihre Kleider waren zerschlissen, und sie hatte Prellungen im Gesicht, an den Schultern und den Schenkeln. Vergewaltigung verursachte McClellan Übelkeit. Was vermutlich als Geplänkel angefangen hatte, war so zu Ende gegangen. McClellan hatte es nur allzuoft erlebt. Mit schußbereiter Pistole näherte sich McClellan dem geparkten Wagen, auf dessen Motorhaube der Mann lag, den er erschossen hatte. Sein Sturz mit dem Kopf voran war von der Windschutzscheibe aufgefangen worden, sein Kopf hatte ein spinnwebeförmiges Muster in die Scheibe geschlagen. McClellan öffnete die Wagentür, die törichterweise von dem Besitzer nicht verschlossen worden war, und schaute durch die gesplitterte Windschutzscheibe in die weit aufgerissenen Augen des Toten. Waren es eine Geldbörse oder ein erzwungener Geschlechtsakt wert, auf diese Weise zu sterben? Und der Tod der beiden Männer konnte den Verlust von Greene nie wieder wettmachen. Noch vier Tote an einem vom Tod gezeichneten Tag, dachte McClellan. Ihm blieb nichts anderes übrig, als Greenes Familie in Kenntnis zu setzen und das Leichenhaus zu benachrichtigen.

Der Sheriff blieb am Ort, dirigierte den Verkehr und hielt Neugierige fern, bis die Polizeistreife und der Leichenwagen eintrafen. Dann ging er nach Hause ins Bett, erschöpft, aber mit dem Wissen, daß er nicht würde schlafen können.

Mehrere Stunden nach Mitternacht wurden zwei Tote in das Kreisleichenhaus gebracht. Sie wurden aus einem Leichenwagen geladen und auf fahrbare Bahren gelegt, eingewickelt in grüne Krankenhauslaken. Zwei Männer aus dem Amt des

Leichenbeschauers standen herum und warteten, daß der Leiter des Leichenhauses und sein Assistent die nötigen Formulare zur Unterschrift fertig ausfüllten. »Sind das die beiden aus dem Park?« fragte der Leiter. Während seines Nachtdienstes war er immer froh über Gesellschaft.

»Das sind sie«, bestätigte der eine der beiden Männer knapper, als dem Leiter lieb war.

»Und was ist mit dem Adjutanten Greene und der Frau?« versuchte der Leiter die Unterhaltung forzusetzen. »Im Beerdigungsinstitut ONeil.«

Der Leichenhausleiter, der gerade die Formulare unterschreiben wollte, hob seinen Schreibstift und blickte auf. »Es ist wirklich ein Jammer um diesen Greene.« »Ja«, entgegnete der eine der beiden aus dem Amt des Leichenbeschauers ungeduldig.

Der Leichenhausleiter war schließlich mit den Formularen fertig. Er kratzte sich am Kopf und betrachtete die verhüllten Leichen. »Wir haben kaum noch Platz wegen der Busladung von heute nachmittag«, klagte er.

»Ich bin sicher, Sie kriegen die auch noch unter«, entgegnete der Leichenwagenfahrer. Er und sein Kollege stiegen in ihr Fahrzeug und fuhren davon.

Der Leichenhausleiter und sein Assistent schauten dem Leichenwagen nach, dann wandten sie sich den eingewik-kelten Gestalten auf den Bahren zu. »Na, dann wollen wir denen mal eine kostenlose Fahrt gönnen«, sagte der Assistent ohne eine Spur von Humor.

Sie schoben die Bahren in das Leichenhaus und in einen weitläufigen, kalten, sterilen Saal mit Reihen von lakenbedeckten Tischen, auf denen die Opfer des Busunglücks aufgebahrt lagen. Sie schoben die neue Lieferung in eine Ecke und wandten sich zum Gehen. Sie bemerkten nicht, daß der Arm eines der locker zugedeckten Toten des nachmittäglichen

Unfalls unter dem Laken herausglitt und nach unten baumelte. Die Finger zuckten kaum wahrnehmbar. Der Leichenhausleiter und sein Assistent gingen in ihr Büro zurück, und der Leiter erklärte, der andere sei diesmal an der Reihe, Kaffee zu machen. Ein kleines Radio war eingeschaltet und auf eine Talkshow, welche die ganze Nacht dauerte, eingestellt. Jemand rief an und sagte, daß die Autoritäten damals vor zehn Jahren, als die Toten wieder zum Leben erwacht waren, eine größere Anstrengung hätten machen müssen, um die genauen Ursachen herauszufinden, statt alles zu unterdrücken, sobald die Sache unter Kontrolle zu sein schien. Der Anrufer meinte, daß es sich um eine Art Sporen oder so etwas gehandelt haben könnte. Er fügte hinzu, daß, falls es etwas gab, das in der Lage war, Tote wieder lebendig zu machen oder zumindest den vollständigen, endgültigen Tod zu verhindern, seien es nun Sporen oder andere Auslöser der Seuche, diese untersucht und eventuell als Medikament hätten eingesetzt werden können. Vielleicht hätte sogar die Möglichkeit bestanden, sie dazu zu benützen, die allgemeine Lebenserwartung zu vergrößern.

Der Talkshowmaster hüstelte nervös und erklärte, daß die Sporen oder die Strahlung oder was immer vor zehn Jahren den Terror ausgelöst hätte, vermutlich vom Planeten Venus stammten und daß die Wissenschaft heute der Ansicht sei, auf Venus gebe es kein Leben. Und wenn es dort kein Leben gab, fuhr er fort, wie konnte der Planet dann über eine Substanz -oder Kraft - verfügen, die ewiges Leben schenkte? Der Anrufer erwiderte, daß er keine Ahnung habe, aber daß es unbedingt untersucht werden müsse.

Der Leichenhausleiter stand auf und suchte nach einem Sender mit Musik.

In O'Neils Beerdigungsinstitut rollte Mr. O'Neil einen Sarg in die Kapelle. O'Neil war ein adretter, schlanker, konservativ gekleideter, munter dreinblickender Mann Mitte Fünfzig. Die meisten Leute, die ihn fern von seinem Arbeitsgebiet trafen, hätten ihn für einen Bankangestellten oder einen Buchhalter gehalten. Nachdem er den Sarg an die Stelle gerückt hatte, wo er ihn haben wollte, klappte er den Deckel auf und betrachtete die einbalsamierte Leiche des Adjutanten Greene, angetan mit einem steifen, schwarzen Anzug mit einer roten Nelke am Revers.

O'Neil trat einen Schritt zurück, zufrieden mit seinem Werk. Dann bückte er sich, um ein Blumenarrangement auf die linke Seite des Sargs zu rücken. Er beschloß, die Kniebank und das übrige Zubehör später zu installieren. Er wollte für Greene besonders gute Arbeit leisten, da er mit seiner Familie seit längerer Zeit bekannt war. Er hatte schnell und effizient die Nacht hindurch gearbeitet, um Greene fertig zu machen und der Familie so eine lange, schmerzvolle Totenwache zu ersparen, bis der Mann beerdigt werden konnte. Es war noch ein paar Stunden bis zur Morgendämmerung. O'Neil beugte sich über den Blumenständer und konnte das leise Zittern in Greenes Gesicht nicht sehen, ein Zucken der Kiefermuskeln, begleitet von einem ganz andeutungsweisen Flattern der Augenlider. Und wenn es O'Neil aufgefallen wäre, hätte er es als Reflex absterbender Nerven oder als seine eigene Einbildung abgetan.

Ein lautes Krachen aus dem Erdgeschoß brach die Stille in der Kapelle. O'Neil fuhr erschreckt herum und rannte vor sich hin murmelnd zur Treppe. Er eilte hinunter, durchquerte einen Abstellraum, wo Stühle, Särge, Blumenkörbe, Ständer, Kisten mit Beerdigungsfahnen, Kerzen - das ganze Lager, über das ein Beerdigungsinstitut verfügt - in ordentlichen Reihen darauf warteten, verkauft oder von den Kunden benutzt zu werden. O'Neil hastete in das Laboratorium, wo die Leichen hergerichtet wurden, und sah in dem grellen Licht eine schwarzweiße Katze, die auf der Leiche der jungen Frau aus dem Park stand. Ein Laken bedeckte die reglose Gestalt bis zum Kinn. Die Scherben einer zerbrochenen Flasche lagen neben der Leiche auf der Marmorplatte, und die letzten Tropfen rannen auf den Boden.

Es schien O'Neil offensichtlich, was geschehen war, und er brüllte das Tier wütend an: »Du Sauviech! Mach, daß du wegkommst!«

Er scheuchte die Katze hinaus, wischte die Flüssigkeit auf und griff nach einem Handtuch. Seine Bewegungen waren langsam und kontrolliert. Es war spät und er war sehr müde. Aber er hatte einen langen Tag vor sich, der mit einer Beerdigung am Morgen beginnen würde, und er wollte noch vor Tagesanbruch mit dem Herrichten der Leiche fertig werden. Während er sich die Hände abtrocknete, ging er zu seinem Arbeitstisch, wo sich sein Arbeitsmaterial ordentlich ausgebreitet befand: Skalpells, Nadeln, Tuben, Flaschen, Make-up. Am Rand des Tisches lag außerdem ein halbgegessenes Sandwich auf einem zerknitterten Einwickelpapier. O'Neil hatte in Gegenwart von Greenes Leiche nicht essen mögen, obwohl er eigentlich nichts dabei fand. Irgendwann während der langen Nacht war er hungrig geworden und hatte das Sandwich mit nach unten genommen. Als er den Rest seines Imbiß entdeckte, wickelte er ihn ein und warf ihn in den Mülleimer. Er wischte die Krümel mit der Hand zusammen und tat sie ebenfalls in den Müll. Dann schaltete er das Radio ein, fand einen Sender mit leichter Musik und drehte die Lautstärke leiser.

In dem Geschoß über ihm hatte der Adjutant Greene die Augen weit aufgerissen. Er lag reglos in seinem Sarg und starrte an die Zimmerdecke.

In einer anderen Kapelle des Beerdigungsinstituts war eine weitere Leiche aufgebahrt. Der Sarg beherbergte die Überreste eines schwarzen Mittfünfzigers. Auch er hatte die Augen geöffnet.

O'Neil stand mit dem Rücken zu der mit einem Laken zugedeckten Leiche an seinem Arbeitstisch und mischte mit sicherer Hand Flüssigkeiten zusammen. Die leise Musik tat seiner Müdigkeit gut. Er summte die Melodie vor sich hin. Mit dem Flakon in der Hand drehte er sich zu der auf der Marmorplatte aufgebahrten Leiche um. Das stille Untergeschoß hallte wider von dem entsetzten Aufschrei des Mannes. Er wich in eine Ecke zurück, stieß mit dem Ellbogen Flaschen und Gerätschaften zu Boden, und der Flakon, den er in der Hand gehalten hatte, zersprang laut klirrend am Boden.

Die tote Frau hatte die Schultern von der Steinplatte gehoben, und während sie sich weiter aufrichtete, rutschte das Laken von ihren Brüsten. Sie hob den Kopf, ihr Haar streifte über die kalte Marmorplatte, sie hatte die Augen weit aufgerissen. Schließlich saß sie aufrecht und drehte den Kopf. Ihr Blick fiel auf O'Neil. Der Mann sah entgeistert und mit vor Schreck geöffnetem Mund zu. Kein Laut drang aus seiner Kehle. Schlaksig, fast wie eine Frau, die verschlafen aus dem Bett steigt, schob sie sich von dem Tisch, setzte ihre nackten Füße auf den Boden und ging mit schleppenden Schritten auf O'Neil zu.

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