Die Sklavenkarawane - Karl May 10 стр.


»Sollen wir die Krämer auch töten?« fragte einer.

»Ja.«

»Das könnte mir beinahe leid thun. Diese Leute sind nützliche Menschen und Anhänger des Propheten, während der Fremde ein Giaur ist, dessen Seele der Teufel fressen möge!«

»Hat die Sonne dir das Gehirn versengt, daß du von Mitleid redest? Sollen wir die Unvorsichtigkeit begehen, acht Zeugen leben zu lassen? Der Fremde steht im Schutze seines Unsul, welcher, wenn er seinen Tod erführe, so lange nach Rache schreien würde, bis man uns ergriffen und getötet hätte.«

»Aber wir würden den Dschelabi doch nicht sagen, wer wir sind!«

»Auch hier reicht dein Verstand nicht aus. Wie nun, wenn sich einer unter ihnen befindet, der einen von uns kennt?«

»Diesen einen könnten wir stumm machen.«

»So müssen wir sie eben alle umbringen, denn mich würden sie selbst in dem Falle erkennen, daß sie mich noch nie gesehen haben. Allah ist, als er meiner Seele den Körper gab, verschwenderischer als sonst gewesen, wofür ich ihm nicht dankbar bin, denn es ist meist sehr verdrießlich, eine Gestalt zu besitzen, welche jedem auffallen muß. Man weiß, daß ich ein Sklavenjäger bin. Das ist schon genug, seit die Franken, über welche die Verdammnis kommen möge, in Chartum es durchgesetzt haben, daß der Sklavenhandel verboten wurde. Nun sitzt selbst hier in Faschodah ein Mudir, welcher kein Sklavenschiff passieren läßt, so daß wir stets ausladen und den langen und beschwerlichen Landweg einschlagen müssen. Dieser Mudir hat sein Auge ganz besonders auf mich gerichtet. Falle ich ihm in die Hände und es befindet sich nur ein einziger Sklave bei mir, so bin ich verloren. Soll er nun auch noch erfahren, daß ich, wenn Allah mir die Gelegenheit sendet, meine Leute in eine Gum verwandle, so ist das Ende meines Lebens nahe, was der Prophet verhindern möge, denn ich habe Lust, den Preis von noch Tausenden von Negern mit euch zu teilen. Diese acht Dschelabi würden, sobald sie mich sähen, augenblicklich wissen, daß ich Abu el Mot bin, und es morgen dem Mudir verraten. Dieser wieder weiß, in welchem Gebiete ich nach Schwarzen jage; ebenso weiß er ungefähr, wenn ich mit meinen Sklaventransporten durch sein Gebiet muß, und so würde er mir mit doppelter Sorgsamkeit auflauern. Ist es schon jetzt schwer, ihm zu entgehen, so würde es nachher unmöglich sein. Nein, die Dschelabi müssen sterben! Wenn du Mitleid mit ihnen hast, so kannst du heimkehren und Durrha essen. Ich brauche keinen Mann, dessen Herz von Wolle ist anstatt von Eisen.«

Dabei zog er sein Messer und spielte in so bedeutungsvoller Weise mit demselben, daß der andre einsah, er werde nicht weit kommen, wenn es ihm einfallen sollte, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Darum antwortete er in begütigendem Tone:

»Hast du mich jemals weinen sehen, wenn mein Messer oder meine Kugel einen Menschen getroffen hatte? Warum soll ich jetzt auf einmal ein Weib geworden sein, da mir einmal ein milder Gedanke kommt? Ich werde der erste von euch sein, welcher sein Messer in das Herz eines dieser Dschelabi senkt.«

»Das hoffe ich auch, damit du die Zweifel zerstreust, zu denen du mir soeben Veranlassung gegeben hast! Ein Sklavenjäger muß ermorden können, ohne mit der Wimper zu zucken. Kann er das nicht, so taugt er nichts für dieses Geschäft. Morgen früh werden die Geier auf den Gerippen von neun Menschen sitzen und sich so dick angefressen haben, daß sie nicht davonfliegen können. Wir aber werden unsre Beute nach Kaka bringen und uns derselben erfreuen.«

»Nach Kaka? So müssen wir nach Nordost gegen den Nil, also zurück. Warum nicht nach Faschodah?«

»Das liegt zwar näher und ist auch ein besserer Handelsplatz; auch kann ich mich getrost dort sehen lassen, wenn ich keine Sklaven bei mir habe; aber ich würde dort keinen Käufer für die Sachen finden, welche wir diesem Giaur abnehmen werden. In Kaka aber habe ich meinen Agenten, welcher die Sammlung gern nach Chartum bringen wird, um sie für mich zu verwerten.«

»Wird man dort nicht Verdacht fassen?«

»Nein, denn der Agent wird so klug sein, den Leuten ein Märchen zu erzählen, welches sie glauben müssen. Dort gibt es Personen, welche den Wert einer solchen Sammlung kennen und einen guten Preis zahlen werden. Wir können sie auf anderm Wege unmöglich an den Mann bringen. Und daß sie viel wert ist, kann man daraus schließen, daß der Christ seine Heimat verlassen hat und sich so großen und vielen Gefahren aussetzt, um diese Pflanzen und Tiere zu holen. Wir werden bald einen zweiten, ähnlichen Fang machen. Der letzte Bote, der mir aus der Seriba Omm et Timsah gesandt wurde, teilte mir mit, daß dort zwei Weiße, ein junger und ein alter, eingetroffen sind, welche Gewächse suchen, um sie zwischen Papierblätter zu legen, und Käfer, Schlangen und allerlei Gewürm fangen, welches sie in Flaschen stecken. Beide haben schwarze Diener bei sich, viele Waffen und Tauschartikel und große, schwere Ballen Zeug, welches, wie ihr wißt, dort die Stelle des Geldes vertritt. Diese Europäer drängen sich mit großer Frechheit in unser Sklavengebiet. Wir dürfen das nicht dulden und werden sie also, sobald wir hinkommen, in die Hölle senden, ihre Sachen aber behalten. Diese Menschen glauben an Isa Ben Marryam, welcher gelehrt hat, daß es keine Sklaven geben dürfe, da auch die Schwarzen Allahs Kinder seien. Wenn wir sie nicht töten, wird diese Lehre überhand nehmen und unsern Handel zu nichte machen. Ich dulde keinen Christen im Bereiche meines Jagdgebietes, am allerwenigsten aber christliche Priester, welche die Schwarzen gegen uns aufwiegeln, indem sie denselben die alberne Lehre von der Liebe bringen. Darum werden diese beiden Weißen sterben wie der Giaur, der jetzt dort am Brunnen lagert.«

»Meinst du nicht, daß er sich verteidigen wird?«

»Nein, denn wir werden ihm keine Zeit dazu lassen. Unser Überfall wird so plötzlich geschehen, daß er gar keine Zeit finden wird, sich seiner Waffen zu bedienen. Wenn der Schech uns nachher aufsucht, wie verabredet worden ist, so werden wir von ihm erfahren, wo der Giaur liegt und wo die Dschelabi schlafen. Wir schleichen uns hinan und werden sie wohl gar im Schlafe töten, so daß sie zur Hölle fahren, ohne vorher zu erwachen. Vielleicht sind die Gewehre noch gar nicht wieder geladen, welche sie vorhin abgeschossen haben, um die Löwen abzuschrecken.«

»Allah l Allah! In welcher Gefahr haben wir da auch uns befunden! Wie leicht konnte der Verderber der Herden auch zu uns kommen!«

»Nein. Er hat seine Wohnung im Osten des Brunnens und ist wieder dorthin zurück. Schliche er sich in unsrer Nähe herum, so würden die Kamele ihn durch ihre Angst verraten. Vorher waren sie unruhig; aber seit die Schüsse gefallen sind, haben sie keine Furcht mehr gezeigt. Der Vater des dicken Kopfes ist also fort. Laßt uns nun nicht mehr sprechen, sondern lieber aufpassen. Der Schech könnte eher kommen, als wir ihn erwarten, und wir müssen dafür sorgen, daß er uns nicht verfehlt.«

Aus diesen Worten war zu schließen, daß die Unterhaltung nun zu Ende sei. Darum hielt Schwarz es für geraten, sich zurückzuziehen. Er kroch so leise und vorsichtig davon, wie er gekommen war. In der Entfernung, in welcher er nicht mehr gesehen werden konnte, erhob er sich aus der kriechenden Stellung, da er nun getrost wieder aufrecht gehen konnte. Erst als er den Felsen erreichte, mußte er wieder vorsichtig verfahren, da die Homr nicht wissen durften, daß er fort gewesen war.

Es gelang ihm, seinen Platz von ihnen unbemerkt zu erreichen. Die Dschelabi hatten Sorge um ihn gehabt, da seine Abwesenheit eine ziemlich lange gewesen war. Er erzählte ihnen, was er gehört hatte und fragte sie, ob ihnen dieser Abu el Mot vielleicht bekannt sei. Sie alle kannten diesen Mann, ohne ihn aber jemals gesehen zu haben. Sie hatten gehört, daß er der eifrigste und unbarmherzigste Sklavenjäger sei, doch wo er sein Jagdgebiet habe, wußten sie nicht.

»Er scheint seine Raubzüge von einer Seriba, welche Omm et Timsah heißt, aus zu unternehmen,« sagte der Deutsche. »Ist euch diese nicht bekannt?«

»Nein,« antwortete der Vater der elf Haare. »Ich kenne alle Seriben bis jenseits des Dinka-Landes, aber von einer dieses Namens habe ich noch nie gehört. Doch muß uns das einstweilen gleichgültig sein. Wir müssen an unsre Verteidigung denken. Wir müssen überlegen, wie wir uns am besten wehren können.«

»Da gibt es nicht viel zu überlegen. Die Hauptsache ist, daß der Feind uns nun nicht mehr überraschen kann. Wir wissen, wo er sich befindet.«

»Aber nicht, wann er kommen wird.«

»O doch. Der Schech will die Gum aufsuchen. Er hat also mit Abu el Mot den Überfall schon längst geplant. Es ist da drüben hell, und wir können also leicht sehen, wenn er sich entfernt. Er wird den Räubern sagen, wo und wie wir lagern, und dann werden sie kommen.«

»Wir schießen sie nieder?«

»Nein. Sie sind zwölf Personen und wir nur neun; aber da wir nun sie überraschen und nicht sie uns, so sind wir ihnen überlegen. Wir bleiben natürlich nicht hier liegen, sondern erwarten sie am Beginn der Büsche, zwischen welchen wir uns verstecken können. Sind sie an uns heran, so springen wir auf. Jeder nimmt seinen Mann und schlägt ihn nieder. Ein tüchtiger Hieb auf den Kopf genügt dazu; aber die Kerls müssen so getroffen sein, daß sie gleich zusammenbrechen. Mit den übrigen drei werden wir dann schnell fertig. Fliehen sie, so lassen wir sie laufen; wehren sie sich, nun, so können wir ihr Leben freilich nicht schonen. Die ersteren werden hoffentlich nicht tot sein. Wir nehmen sie gefangen und liefern sie in Faschodah an den Mudir ab.«

»Und was geschieht mit den Homr?«

»Das wird sich ganz nach ihrem Verhalten richten. Ich vermute, daß sie sich nicht direkt an dem Angriffe beteiligen werden; sie dürften das vielmehr der Gum überlassen, welche übrigens, wie ich aus dem Dialekte der Leute vermute, auch aus Homr besteht. Meine bisherigen Begleiter werden beabsichtigen, so lange dort an ihrem Feuer zu bleiben, bis wir getötet worden sind. Sie kommen also bei dem Kampfe zunächst nicht in Betracht. Die Hauptsache ist, daß jeder von uns seinen Mann richtig trifft.«

»Darin soll es bei mir nicht fehlen. Ich kehre meinen Elefantenmörder um und bearbeite den Kerl so, wie ich vorhin die Frau des Löwen erschlagen habe.«

»Und ich,« sagte Hadschi Ali, »habe hier den halben Schaft meines zerbrochenen Spießes. Das gibt eine Keule, mit welcher ich zuschlagen kann. Allah sei demjenigen gnädig, der sie auf den Kopf bekommt!«

In ähnlicher Weise äußerten sich auch die andern. Sie waren damit einverstanden, daß die Feinde nicht getötet werden sollten. Sie dachten an die Genugthuung, die ihnen würde, wenn sie morgen mit ihren Gefangenen in Faschodah einziehen. Wer von ihnen keine zum Zuschlagen passende Waffe besaß, der suchte sich unter den Gepäckstücken einen geeigneten Gegenstand aus.

Die Homr waren überzeugt, daß der Deutsche und die Dschelabi schliefen. Diese hatten nur leise gesprochen, und wäre je ein Wort etwas lauter gewesen, so hätte es doch nicht leicht gehört werden können, da die Kamele und Esel sich noch immer nicht ganz beruhigt hatten. Besonders die letzteren standen keinen Augenblick ruhig, weil die Kadaver der beiden Raubtiere sich in ihrer Nähe befanden. Die Kamele schnaubten ängstlich, mußten aber ruhig liegen, da ihnen die Füße gefesselt waren.

In Erwartung des Kommenden verging allen die Zeit sehr langsam. Endlich erhob sich drüben der Schech.

»Jetzt geht er!« flüsterte Ali.

»Nein,« antwortete der Ungar ebenso leise. »Er kommt erst hierher, um nachzusehen, ob wir wirklich schlafen. Er wird so thun, als ob er sich um die Kamele bekümmern wolle. Regen wir uns nicht!«

Der Schech kam wirklich langsam herbei. Er trat zu den Kamelen, als ob er nach ihnen habe sehen wollen, und blieb da eine kleine Weile stehen. Er lauschte nach den Dschelabi herüber. Als keiner derselben sich bewegte, sagte er, zu ihnen gewendet:

»Die Dschimahl fürchten sich noch immer. Wollen wir nicht die Leichen des Löwen und seiner Sultana fortschaffen?«

Er fragte das natürlich nur, um zu erfahren, ob die Dschelabi fest schliefen. Als er keine Antwort bekam, trat er leise näher und bückte sich zu ihnen nieder. Um ganz sicher zu sein, berührte er den Arm des Deutschen. Als auch darauf nichts erfolgte, war er seiner Sache sicher und schlich weiter, um den Felsen wie vorhin Schwarz.

Dieser richtete sich nach einiger Zeit auf und kroch ihm nach. Er sah ihn in westlicher Richtung davonschreiten und dann im Dunkel der Nacht verschwinden. Zu den Dschemali[Dschelabi] zurückgekehrt, forderte er diese auf:

»Jetzt ist es Zeit. Kommt mit fort, aber leise, damit die Homr es nicht hören!«

Er führte sie bis dahin, wo das Dickicht zu Ende war und sich in einzelne Büsche auflöste. Es war vorauszusehen, daß die Angreifenden da vorüberkommen würden. Jeder steckte sich hinter einen Busch.

Sie warteten wohl eine halbe Stunde und noch länger. Dann hörten sie leise Schritte, und zugleich erkannten sie die Gestalten, welche, eine hinter der andern, langsam herbeikamen. Als sie sich so weit genähert hatten, daß man die einzelnen Personen unterscheiden konnte, sah Schwarz den Schech als Führer an der Spitze. Die lange, schmale Gestalt Abu el Mots schwankte, sich herüber- und hinüberwiegend, am Ende des kleinen Zuges. Sie blieben an der Felswand stehen. Wäre es hier so hell gewesen wie draußen außer dem Bereiche des Schattens, den der Fels warf, so hätten sie die unmittelbar neben ihnen hinter den Büschen kauernden Dschelabi sehen müssen, denn die Sträucher waren nicht dicht und breit genug, einen Mann vollständig zu verbergen.

Schwarz befand sich dem verlassenen Lagerplatze am nächsten. Die Feinde waren nicht bis zu ihm herangekommen. Der Ungar, der am entgegengesetzten Ende kauerte, hatte sie gerade vor sich. Er hörte, daß der Schech sagte:

»So! Bis hieher habe ich euch geführt. Gleich um die Ecke rechts liegen sie im tiefen Schlafe; sie werden sterben ohne zu erwachen. Ich gehe jetzt zu meinen Männern, um ihnen zu sagen, daß der Augenblick gekommen ist.« Er entfernte sich, indem er einige Schritte zurückging, und verschwand an der Westseite des Felsens, an dessen Ostseite die Lagerstelle sich befand.

»Nun vorwärts!« gebot die Grabesstimme Abu el Mots. »Allah möge euern Messern sichern Stoß verleihen!«

Schwarz wollte natürlich warten, bis sie ihn erreicht hatten; aber der kleine Slowak fühlte sich von solcher Kampfeslust ergriffen, daß er den vorteilhaftesten Augenblick nicht erwartete.

»Rauwidschu schnell, drauf!« rief er aus, indem er aufsprang. Sein Gewehr umkehrend, holte er aus und führte nach dem Nächststehenden einen so gewaltigen Kolbenhieb, daß der Getroffene sofort zusammenbrach und aber auch er selbst niederstürzte.

Die andern brachen auch hervor. Schwarz als der Entfernteste hatte wohl acht oder neun Schritte zurückzulegen, um an die Feinde zu kommen. Er hatte es auf Abu el Mot abgesehen gehabt, welche Absicht aber nun nicht auszuführen war.

Die Männer der Gum waren so erschrocken, daß sie sich für den ersten Augenblick nicht von der Stelle bewegten. Sie wären verloren gewesen, wenn der überhitzige Ungar nur noch drei oder vier Minuten gewartet hätte. So aber fanden sie Zeit, sich einigermaßen zu fassen, doch nicht hinreichend genug, ihre Waffen zu gebrauchen. Einige von ihnen empfingen die ihnen zugedachten Hiebe; andern gelang es, dieselben von sich abzuwehren.

Schwarz hatte die angegebene Entfernung springend zurückgelegt. Er schlug einen Araber mit dem Gewehrkolben nieder und im nächsten Augenblicke einen zweiten. Zornige Flüche er schallten.

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