Die Sklavenkarawane - Karl May 11 стр.


Schwarz hatte die angegebene Entfernung springend zurückgelegt. Er schlug einen Araber mit dem Gewehrkolben nieder und im nächsten Augenblicke einen zweiten. Zornige Flüche er schallten.

»Wer sind diese Teufel?« schrie Abu el Mot. »Drauf auf sie!«

»Rettet euch!« schrie ein andrer. »Wir sind vom Schech verraten!«

Er drängte zurück. Eben wollte Schwarz den dritten niederschlagen, um dann an den Anführer zu kommen. Zu gleicher Zeit holte der »Vater des Gelächters« gegen einen andern aus, welcher an Schwarz vorüberfloh. Er drang hinter diesem drein, glaubte, ihn mit dem Hiebe noch zu erreichen, erhielt aber dabei von einem weiteren Flüchtling einen Stoß und schlug dem Deutschen mit seinem halben Lanzenschaft so gegen das Ohr und die Schläfe, daß Schwarz zur Seite taumelte und fast ohne Besinnung niederfiel.

»Allah!« schrie der erschrockene Kleine. »Habe ich dich ermordet, Effendi?«

»Beinahe!« antwortete der Gefragte, indem er sich langsam und nur schwer erhob. »Laßt sie fliehen! Wir dürfen wegen den Homr nicht von hier fort!«

Es funkelte ihm vor den Augen, doch sah er die Leute der Gum fliehen. Er legte an und sandte ihnen zwei Kugeln nach. Dann konnte er nicht widerstehen. Es brauste ihm wie eine Brandung um die Ohren. Er lehnte sich an den Felsen und schloß die Augen.

Kein Dschelabi folgte den Fliehenden. Aber der Ungar rief, als er die Schüsse des Deutschen hörte:

»So ists recht! Gebt ihnen eure Kugeln! Die meinige sollen sie auch haben.«

Er erhob seinen schweren Katil elfil und zielte auf den Flüchtling. Sein Schuß krachte, und der Mann stürzte nieder.

Die Dschelabi standen bei Schwarz, laut klagend über ihn.

»Was ist geschehen?« fragte der Slowak.

»Ich habe den Effendi erschlagen!« jammerte der »Vater des Gelächters«, indem er aus Verzweiflung das lustigste Gesicht der Welt machte.

»Bist du toll?«

»Nein. Ich wurde gestoßen.«

»Dummkopf! Du hast vor lauter Völkern und Dörfern, welche unter deinem Schädel stecken, nicht gesehen, wohin du schlugst! Effendi, Effendi, bist du tot?«

»Nein,« antwortete Schwarz, indem er die ihn überkommene Ohnmacht mit Anstrengung von sich abschüttelte und sein Gewehr, welches ihm entfallen war, aufhob.

»Allah sei Dank! Dieser Vater der hintern Löwenhälfte ist mit Blindheit geschlagen gewesen, und wir müssen «

»Still!« gebot ihm der Deutsche. »Wir haben mehr zu thun. Ich sehe vier Teilnehmer der Gum hier liegen. Das ist weniger als ich dachte. Bindet sie! Wahrscheinlich sind sie nur betäubt.«

Er trat zur Felsenecke, von welcher aus er das Feuer sehen konnte. An demselben standen die Homr, welche nicht wußten, was sie denken sollten. Er nahm an, daß sie dort bleiben würden, bis sie von irgend einer Seite Aufklärung erhielten. Darum fuhr er fort:

»Bleibt hier! Vielleicht kann ich ein Kamel oder mehrere erbeuten.«

Er rannte fort, in der Richtung, in welcher die Araber geflohen waren. Er wußte, wo sie gelagert hatten. Auch ihre Kamele waren gefesselt gewesen, und da diese Tiere nicht schnell zum Aufstehen zu bringen sind, so mußten die Flüchtigen dort jedenfalls länger verweilen, als ihnen lieb war, da sie doch anzunehmen hatten, daß man sie verfolgen werde.

Sein zweites Gewehr hatte er über dem Rücken hängen; das erste lud er im Laufen. Dabei kam er an der Stelle vorüber, wo der von der Kugel des Slowaken Getroffene lag. Dieser regte sich nicht.

Hatte er vorhin, als er vorsichtig sein mußte, über eine Viertelstunde gebraucht, um an die Gum zu kommen, so ging es jetzt schneller. In weniger als zwei Minuten war er der Stelle nahe. Er sah die Gruppe der Männer, welche sich um die Kamele bemühten. Da blieb er stehen und schoß ein-, zweimal auf sie. Jeder von ihnen hatte vor allen Dingen sein eigenes Tier von den Fesseln befreit. Das sollte gerade auch mit den fünf übrigen Kamelen geschehen, als die beiden Schüsse krachten, von denen einer der Araber verwundet wurde.

»Fort!« schrie Abu el Mot, der sich unter den Entkommenen befand. »Laßt die Bestien liegen, denn die Schejatin sind hinter uns her!«

Und als Schwarz nun auch die beiden Schüsse seines andern Gewehres abgab, war kein Halten mehr. Die um fünf Menschen und Tiere verringerte Gum flog davon, in die Nacht hinein.

Schwarz näherte sich vorsichtig den Tieren, da leicht ein Feind hinter denselben sich versteckt haben konnte. Er überzeugte sich jedoch bald, daß dies nicht der Fall war. Die fünf Sättel lagen daneben, ebenso mehrere Kirban und Dattelsäcke.

Da nicht anzunehmen war, daß die Gum zurückkehren werde, so ließ der Deutsche die Tiere samt diesen Gegenständen liegen und eilte dem Felsen wieder zu. Die Folgen des Hiebes, den er kurz zuvor erhalten hatte, waren überwunden und sein Kopf wieder leicht und frei wie vorher.

Die Dschelabi standen bei den vier Gefesselten, welche sich noch nicht regten.

»Sind noch Stricke, Riemen oder Schnüre vorhanden?« fragte Schwarz.

»Genug, Herr,« antwortete der Slowak. »Ein Dschelabi hat deren stets in seinen Taschen.«

»So binden wir jetzt auch die Homr.«

»Wenn sie es sich gefallen lassen!«

»Versuchen wir es.«

Er ging wieder an die Ecke. Die Homr standen noch immer wartend am Feuer. Sie hatten die Schüsse und das Geschrei gehört und sagten sich, daß der Überfall nicht in der gewünschten und auch erwarteten Weise verlaufen sei; aber wie die Angelegenheit stand, das vermochten sie sich nicht zu sagen, da sie nicht hatten sehen können, was geschehen war. Nur das war ihnen gewiß, daß der Deutsche und die Dschelabi nicht geschlafen, sondern sich verteidigt hatten. Wer aber war da Sieger geblieben? Die Klugheit riet ihnen, sich entfernt zu halten und das Kommende abzuwarten.

Sie konnten nicht bis zur zweiten Lagerstätte, wo das Feuer nicht mehr brannte, sehen, doch war alle ihre Aufmerksamkeit nach dieser Gegend gerichtet. Da sahen sie den verhaßten Deutschen von dort herkommen. Er hatte seine Gewehre zurückgelassen. Seine Absicht war, sich zunächst des Schechs zu bemächtigen.

»Habt ihr das Schießen gehört?« fragte er in hastiger Weise.

»Ja,« antwortete der Schech. »Wer ist es gewesen, und was hat es gegeben?«

»Weiß ich es? Ich erwachte von dem Lärm und sah, daß die Dschelabi nicht mehr da waren. Ich suchte nach ihnen und hörte Schüsse im Osten von hier. Ihr seid wach gewesen und müßt also besser als ich wissen, was sich ereignet hat.«

»Nichts wissen wir, gar nichts, Effendi! Wir glaubten die Schüsse kämen aus euren Gewehren und es sei abermals ein Löwe erschienen.«

»Dann müßte er die Dschelabi mit Haut und Haar verschlungen haben, da sie vom Lagerplatze verschwunden sind. Nein, es muß etwas andres gegeben haben. Willst du nicht einmal mit mir nachsehen?«

»Ja, sogleich, ich komme mit.«

Es war gegen alle seine Wünsche, den Deutschen noch am Leben zu sehen. Wo waren die Dschelabi, und wo waren die Männer der Gum? Er brannte vor Begierde, es zu erfahren; darum ging er so bereitwillig auf den Vorschlag des Gelehrten ein.

Die beiden entfernten sich nach der erstgenannten Felsenecke hin. Als sie um dieselbe bogen, erblickte der Schech die Dschelabi, und es entfuhr ihm die unvorsichtige Frage.

»Da sind sie ja! Wo aber ist die Gum?«

»Die Gum?« antwortete Schwarz. »Du gibst also zu, von ihr zu wissen! Für so aufrichtig habe ich dich nicht gehalten.«

»Die Gum Effendi die Gum ist ist ist ich habe « stotterte er.

»Schon gut! Bindet ihn!«

Indem er diesen Befehl gab, faßte er ihn mit beiden Händen am Halse und drückte ihm die Kehle so zusammen, daß der Homr keinen Laut ausstoßen konnte. Es wurden demselben sofort Riemen um die Hände und Füße gebunden, worauf man ihn auf die Erde legte.

»Die Gum Effendi die Gum ist ist ist ich habe « stotterte er.

»Schon gut! Bindet ihn!«

Indem er diesen Befehl gab, faßte er ihn mit beiden Händen am Halse und drückte ihm die Kehle so zusammen, daß der Homr keinen Laut ausstoßen konnte. Es wurden demselben sofort Riemen um die Hände und Füße gebunden, worauf man ihn auf die Erde legte.

Jetzt rief Schwarz den erwartungsvoll am Feuer stehenden Homr zu:

»Suef el Abalik soll schnell hierher zum Schech kommen!«

Er kannte die Namen sämtlicher Homr und war überzeugt, daß der Genannte dem Rufe folgen werde. Damit derselbe nicht durch den Schech gewarnt werden könne, kniete der kleine Slowak bei dem letzteren nieder, setzte ihm die Spitze seines Messers auf die Brust und drohte:

»Gieb einen Laut von dir, so ersteche ich dich!«

Der Bedrohte wagte kaum zu atmen, und zwar nicht infolge dieser Drohung allein, sondern weit mehr noch vor Schreck über die Behandlung, welche ihm so unerwartet widerfahren war.

Suef kam. Mit ihm wurde kein überflüssiges Wort gewechselt, sondern Schwarz nahm ihn gleich, als er um die Ecke bog, bei der Gurgel. Er wurde zu Boden geworfen und gebunden. Ebenso erging es einem dritten, den Schwarz noch herbeirief.

Nun befanden sich nur noch drei Homr am Feuer, deren schnelle Überwältigung nicht schwierig war. Zwei Dschelabi blieben bei den Gefangenen. Mit den übrigen sechs ging Schwarz nach dem Feuer, wo je zwei von ihnen, ohne ein Wort zu sagen, einen Homr ergriffen. Dieselben waren so überrascht, daß sie fast gar nicht an Gegenwehr dachten. Einige zornige Fragen ihrerseits und einige kräftige Hiebe, welche sie vor die Köpfe erhielten, dann schlangen sich die Fesseln auch um ihre Arme und Beine.

Man ließ sie am Feuer liegen und schaffte dann die übrigen Homr nebst den vier Gumleuten herbei. Diese letzteren lebten, doch thaten sie, als ob sie noch betäubt seien; aber man sah, daß sie zuweilen die Augen ein wenig öffneten, um die Männer zu betrachten, denen sie in die Hände gefallen waren.

Nun schickte Schwarz drei Dschelabi ab, um den Verwundeten oder vielleicht auch Toten zu holen, welcher von der Kugel des Slowaken getroffen wurde. Als sie ihn daher brachten, zeigte es sich, daß er schwer verwundet war. Die Kugel hatte ihm den rechten Oberschenkelknochen zerschmettert, und Schwarz machte sich daran, das Bein so gut, wie die Umstände es erlaubten, zu verbinden.

Das alles geschah, ohne daß mehr als das Allernotwendigste gesprochen wurde. Die Gefangenen zumal zogen es vor, gar kein Wort hören zu lassen, wohl zumeist aus dem Grunde, weil der Schech sich schweigend verhielt.

Indem Schwarz das Lager in der Obhut der übrigen hinterließ, begab er sich nun mit vier Krämern nach dem Lagerplatze der Gum, um die Kamele und die bei denselben liegenden Gegenstände herbeizuholen. Als dies geschehen war, wurde einer der Dschelabi als Wache ausgestellt. Dies geschah, weil anzunehmen war, daß Abu el Mot sich wohl nicht allzu weit entfernt haben werde; er konnte wohl gar auf den Gedanken kommen, bezüglich seiner überwältigten Gefährten einen Befreiungsversuch zu unternehmen.

Als so alles Nötige geschehen war, setzten sich die Sieger um die Besiegten, und nun glaubte der Schech die Zeit sei gekommen, endlich ein Wort der Aufklärung zu verlangen.

»Allah ist unerforschlich; ihn darf kein Mensch fragen,« sagte er. »Von euch aber möchte ich erfahren, weshalb ihr mich und meine Leute überfallen und gebunden habt!«

»Das weißt du ebenso genau wie wir,« antwortete Schwarz.

»Nichts weiß ich, gar nichts!«

»Es geschieht euch viel weniger, als uns geschehen sollte. Wir sollten überfallen und getötet werden; ihr aber seid nur überfallen und gefesselt worden.«

»Wer hat euch töten wollen?«

»Die Gum, von welcher du selbst gesprochen hast.«

»Ich weiß nichts von ihr!«

»Lüge nicht! Mein Tod war längst beschlossen. Warum kamst du an unser Lager und hast meinen Arm ergriffen, um dich zu überzeugen, ob ich schlief? Wozu hattest du dann die Gum aufgesucht und die Männer derselben hierher geführt?«

»Allah akbar Gott ist groß!« war alles, was der Schech darauf antwortete. Er wußte nun, daß man ihn überführen könne. Dennoch versuchte er, sich aufs Leugnen zu verlegen, indem er in fingiertem Zorne ausrief:

»Wer hat mich verleumdet? Wir sind deine Beschützer gewesen und müssen Dank erwarten. Anstatt dessen schlägst du uns in Banden und redest uns Übles nach. Wir sind freie Beni Arab. Wer hat euch Gewalt über uns gegeben? Und wer hat dich zum Richter über uns gesetzt? Ich fordere, daß du uns unverweilt die Freiheit wiedergibst!«

»Das kann ich nicht, eben weil nicht ich dein Richter bin. Dein Schicksal steht nicht in unsern Händen, sondern in der Hand des Mudir von Faschodah, dem wir dich morgen oder vielmehr heute übergeben werden.«

»Allah kerihm Gott ist gnädig!« rief der Schech erschrocken. »Der Mudir ist aber unser Feind.«

»Er wird alle Veranlassung dazu haben, da er der Feind jedes Ungerechten ist. Seiner Hand wirst du nicht entgehen, selbst wenn du eure heilige Fathha und eure Sure Jesin betest. Macht ja keinen Versuch, euch zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen; er würde euch nichts nützen! Es werden weder Drohungen noch Bitten mich abhalten, euch dem Mudir zu überantworten. Er wird unsre Anklage und eure Verteidigung hören und dann sein Urteil sprechen.«

»Bedenkt, daß ihr der Rache des ganzen Stammes Homr verfallt!«

»Ich verachte den Stamm, dessen Schech sich feig verkriecht, wenn der Löwe brüllt, während arme Dschelabi den Mut haben, den Herrn des Donners zu töten.«

»So fürchte wenigstens Abu el Mot, den Gewaltigen!«

»Wie soll ich ihn fürchten, der vor mir davongelaufen ist! Er hat vor lauter Angst sogar vergessen, seine Kamele mitzunehmen. Gib dir keine Mühe!«

Der Schech gab sich noch weitere Mühe, Schwarz zu bewegen, die Gefangenen freizugeben, doch vergeblich. Er wendete sich endlich mit einem grimmigen Fluche ab. Keiner der andern hatte ein Wort gesprochen. Sie sahen die feste Entschlossenheit des Deutschen und fügten sich mit verhaltener Wut in ihre Lage. Jedenfalls hegten sie die Hoffnung, daß Abu el Mot kommen werde, sie zu befreien.

Diese Erwartung schien berechtigt zu sein, denn die ausgestellte Wache kam nach einiger Zeit herbei, um zu melden, daß sie eine Hyäne gesehen habe, welche aber vielleicht ein Mensch gewesen sei. Schwarz machte sich sogleich auf, dem Manne mit dem »Vater der elf Haare« zu folgen. Er führte sie an die betreffende Stelle, an welcher aber nichts mehr zu sehen war.

Schwarz entschloß sich, mit dem Ungar den Felsen in weitem Kreise zu umgehen. Indem sie das thaten, erblickten sie, als sie eine Strecke gegangen waren, wirklich eine tierartige Gestalt, welche sich zwischen ihnen und dem Felsen befand. Sie hatte ihre Aufmerksamkeit wahrscheinlich ganz auf den letzteren gerichtet und sah die beiden nicht, welche hinter ihr standen.

»Soll ich diese neugierige Dibb erschießen?« fragte Stephan, indem er das Gewehr erhob.

»Nein, denn es scheint auch mir, daß es ein Mensch ist, der auf Händen und Füßen geht, um einen etwaigen Wächter zu täuschen. Kriechen wir auf die Gestalt zu! Sie bewegt sich langsam nach der Ruine hin. Vielleicht blickt sie sich nicht um, bis wir nahe genug sind, sie zu ergreifen. Wäre es eine Hyäne, so würde sie uns schon gewittert haben.«

Sie legten sich auf die Erde, und da sie sich schneller als die geheimnisvolle Gestalt bewegten, so kamen sie ihr rasch näher. Es war ein Mensch, jedenfalls zu der Gum gehörig, welcher den lichten Haïk abgelegt hatte. Er ahnte keine Gefahr hinter sich und achtete nur auf den Felsen, den er zu gewinnen trachtete.

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