Die Juweleninsel - Karl May 15 стр.


»Ich gehe mit, denn ich habe Ferien, weil unser Hauslehrer verreist ist; nicht wahr, Mutter?«

»Ich weiß nicht, ob es der Herr General erlauben wird.«

»Op der? Natürlich erlaupt er es; das versteht sich ja ganz von selper!«

»Ja, Papa erlaubt es,« stimmte Magda bei. »Ich fahre auch mit.«

»Du? Wer pist denn Du, Du kleines Mamsellchen?«

»Ich bin die Tochter von meinem Papa, dem General.«

»Vom Herrn General? Alle Wetter, da pist Du ja ein ganz vornehmes Fräulein. Na, das wird meine Parpara pei der Ehre jucken, wenn eine Paronesse mitkommt. Macht Euch fertig, Ihr kleines Volk; wenn wir uns peeilen, kommen wir noch mit dem Nachtzuge fort!«

»Nein, so schnell geht das nicht,« lachte die Wirthschafterin. »Heut bleiben Sie natürlich hier bei uns. Sie werden mir sehr viel von Ihrem Bruder zu erzählen haben.«

»Von Palduin? Da werde ich nicht viel erzählen können, denn ich hape lange Jahre selpst nicht viel von ihm erfahren.«

»Aber jetzt wissen Sie doch von ihm.«

»Allerdings. Er hat mir auch von Ihnen erzählt; aper daß er einen Jungen hat, das weiß er nicht. Er hat Sie sehr liep gehapt und pis heute noch nicht vergessen; aper er redet nicht gern davon. Der Kauffahrer, auf welchem er damals gewesen ist, verunglückte in der Südsee, und Palduin hat auf einem Wilfischfänger Aufnahme gefunden, auf dem er drei volle Jahre gewesen ist. Er konnte also nicht zurück, und als er wiederkehrte, hörte er, daß Sie einen Mann genommen hatten und fortgezogen waren.«

»Ich wurde gezwungen.«

»Davon hörte er nichts.. Er ging sofort wieder in See und ist pis vor kurzer Zeit in der Fremde gepliepen. jetzt ist er wieder fort, und zwar auf dem perühmten »Tiger,« der früher ein Seeräuperschiff gewesen ist und das peste Fahrzeug in allen Meeren sein soll.«

»Wenn kommt er wieder?«

»Das weiß ich nicht, da er mir noch nicht geschriepen hat; aper wenn sein Prief kommt, werde ich es erfahren, und da wird auch der Ort genannt sein, wohin wir das Schreipen zu richten hapen, wenn wir ihn penachrichtigen wollen. Er hat versprochen, mich sofort zu pesuchen, sopald er zurückkehrt, und dann wird er seinen Freund, den Hochpootsmann Karavey mitpringen. Rathen Sie einmal, wer das ist!«

»Der Bruder von Zarba, der Zigeunerkönigin.«

»Wahrhaftig, Sie wissen es! Kennen Sie denn diese verteufelte Zarpa auch?«

»Ja.«

»Wo hapen Sie dieselpe kennen gelernt?«

»Hier. Sie war einmal auf Schloß Helbigsdorf.«

»Ah! Was wollte sie denn hier?«

»Sie wollte mir sagen, daß Ihr Bruder noch am Leben ist.«

»Ah! Sie ist allwissend. Was kein Mensch sonst erfährt, das weiß sie Alles. Wie hat sie Ihnen denn gefallen?«

»Gut, sehr gut.«

»Mir auch. Ich hape sie zuerst für eine Hexe gehalten, die dem Teufel ihre Seele verschriepen hat; später aber hape ich eingesehen, daß sie ein ganz ordentliches und tüchtiges Frauenzimmer ist, vor der man alle möglichen Sorten von Respekt hapen muß. Ich pin pegierig, op ich sie noch einmal zu sehen pekommen werde. Es sollte mich freuen.«

»Das kann sogleich geschehen!« ertönte eine Stimme hinter dem Kamin hervor.

Thomas drehte sich um und erblickte diejenige, von der er soeben gesprochen hatte. Er fuhr zurück und schlug die Hände zusammen.

»Da ist sie; wahrhaftig, da ist sie, wie sie leipt und lept! Das schlechte Weipsen hat sich versteckt, weil sie mich pelauschen wollte. Wo kommst Du denn her, Zarpa?«

»Ich komme von überall.«

»So, nun weiß ich es ganz genau! Und wo willst Du hin?«

»Ueberall.«

»Das ist noch pestimmter und eingehender gesprochen! Hast Du einen Prief von Deinem Pruder Karavey erhalten?«

»Nein. Der »Tiger« ist wahrscheinlich nach Amerika hinüber. Da kann noch keine Nachricht von ihm gekommen sein.«

»Sein Prief kann Dich doch auch gar nicht treffen, wenn Du von Ueperall kommst und nach Ueperall gehst!«

»Es ist dafür gesorgt, daß ich Alles bekomme, was ich zu bekommen habe.«

»Heut pleipst Du hier?«

»Ja.«

»Das ist gut! Da können wir schön peisammen sitzen und erzählen, was wir auf dem Herzen hapen. Hier, Madarne Hartig, hapen Sie meinen Hut und meinen Regenschirm. Hepen Sie mir die Sachen auf; aper nehmen Sie pesonders den Regenschirm in Acht; er ist ein Erpstück von meiner Parpara ihrer Großmutter, und diese rothen Paraplues mit plaugelper Kante sind jetzt eine seltene Rarität geworden.«

»Wir bleiben nicht hier, sondern gehen hinauf in mein Zimmer,« meinte die Wirthschafterin. »Da ist es gemüthlicher als im Salon. Wir nehmen dort das Abendbrod, und später weise ich Ihnen dann Ihre Zimmer an.«

Sie gingen nach einem Seitenflügel des Herrenhauses, wo Frau Hartig ihre Wohnung hatte, und waren eben daran es sich bequem zu machen, als der Verwalter erschien.

»Frau Hartig, kommen Sie schnell herüber!«

»Weshalb?«

»Es ist Besuch hier.«

»Für mich?«

»Nein, für den Herrn General. Drei vornehme Herren, weiche sich auf der Reise befinden und mit Seiner Excellenz sprechen wollten.«

»Sapperlot!« fluchte Thomas Schubert. »Nun verlieren wir unsere Frau Hartig, denn nun wird sie um diese vornehmen Leute herumzuspringen hapen!«

»Sorgen Sie sich nicht. Sie sind mir lieber als alle vornehmen Herren, welche kommen, um den Herrn General zu besuchen. Ich werde möglichst kurz mit ihnen sein. Im Nothfalle kann ich sie ja dem Herrn Verwalter übergeben. Nicht?«

»Ja wohl,« antwortete dieser, der froh war eine Gelegenheit zu finden, welche ihm gestattete seinen Fehler wieder gut zu machen. »Ich werde Ihnen gern behilflich sein, so daß Sie sich ausschließlich Ihren Freunden widmen können.«

Er führte die Wirthschafterin in das Empfangszimmer, wo Raumburg mit seinen zwei Gefährten auf sie warteten.

»Ihre Dienerin, meine Herren! Wer gibt mir die Ehre ?«

Raumburg ergriff das Wort:

»Mein Name ist von Hellmann; ich bin Oberstlieutenant bei den Husaren und ein Freund des Generals von Helbig. Diese beiden Herren sind Verwandte von mir hier der Herr Präsident und hier der Herr Kanzleirath von Hellmann. Wir sind auf einem Ausfluge begriffen, kamen in diese Gegend und beschlossen, unsern Freund zu besuchen. Leider ist er nicht anwesend, wie wir hören?«

»Er befindet sich in der Residenz.«

»Aber die drei gnädigen Fräulein Schwestern?«

»Sind zu Besuch in die Nachbarschaft.«

Die Wirthschafterin antwortete so kurz, weil diese drei Herren etwas an sich zu haben schienen, was ihr nicht gefiel. Was es eigentlich war, das konnte sie sich nicht sagen; aber sie fühlte, daß sie kein Vertrauen zu diesen Männern haben könnte.

»Das ist wirklich unangenehm,« fuhr Raumburg fort. »Wollen Sie uns nicht wenigstens den Herrschaften bei deren Rückkehr empfehlen?«

»Gewiß! Es wird ihnen sicher sehr leid thun, daß es ihnen nicht vergönnt war Sie zu empfangen.«

»So erlauben Sie uns, bevor wir gehen, eine Erkundigung. Es ist bereits spät, und wir sind zu ermüdet, als daß wir unsere Fußtour noch sehr weit fortsetzen möchten. Gibt es hier im Dorfe einen Gasthof, in welchem man findet, was man zu beanspruchen gewöhnt ist?«

Jetzt sah sich die Wirthschafterin doch von derjenigen Seite angegriffen, auf welcher sie aus Höflichkeit an ihre Verpflichtung denken mußte.

»Einen Gasthof gibt es allerdings hier, doch werden Ihnen dort die gewohnten Bequemlichkeiten nicht geboten. Es ist jedoch meine Pflicht, Sie an Stelle des Herrn Generals darauf aufmerksam zu machen, daß Ihnen unsere Zimmer ja gern zur Verfügung stehen. Ich sprach dies nur noch nicht aus, weil ich glaubte, daß Sie Ihre Wagen in der Nähe und sich ein weiteres Ziel vorgesteckt hätten. Darf ich annehmen, daß Sie meine Bitte nicht zurückweisen?«

»Falls wir Ihnen keine Unruhe verursachen.«

»Nicht im mindesten!«

»Wohl, so nehmen wir an. Aber ich bemerke Ihnen, daß wir heut keinerlei Ansprüche machen. Wir reisen so zu sagen inkognito; verstehen Sie wohl. Ein kleines Abendbrod und ein einfaches Bette zum Ausruhen, das ist Alles, um was wir Sie ersuchen.«

»Ich werde Ihren Anordnungen gern nachkommen. Wünschen die Herren noch in Gesellschaft zu bleiben, oder soll ich Ihnen Ihre Zimmer sogleich anweisen?«

»Wir bleiben noch.«

»So erlauben Sie, Ihnen den Herrn Verwalter zu empfehlen. Es wird ihm eine Ehre sein, Ihnen zu Diensten stehen zu dürfen.«

Sie ertheilte in der Küche ihre Befehle und kehrte dann zu Thomas und Zarba zurück.

Die beiden Kinder waren in den Garten gegangen. jetzt kehrten sie wieder, und Magda meinte altklug:

»Frau Hartig, ich habe unsern Besuch gesehen.«

»Wo denn?«

»Im Garten, wo der Verwalter sie herumführt. Der Eine ist mir bekannt, doch komme ich nicht sogleich auf seinen Namen. Ich muß ihn bei Papa gesehen haben. Er ist ein Offizier.«

»Das stimmt auch. Ich will Dir den Namen sagen: Es ist der Oberstlieutenant von Hellmann, mein Kind. Die andern Herren sind Verwandte von ihm.«

»Von Hellmann? Nein. Dieser Herr muß anders heißen. Den Herrn Oberstlieutenant von Hellmann kenne ich sehr genau. Er ist ein kleiner hagerer Herr mit einem sehr gewaltigen Barte im ganzen Gesichte. Nein. Es kommt mir vor, als ob der Herr im Garten etwas viel Höheres gewesen sei, nicht blos Oberstlieutenant. Er muß General oder so etwas sein.«

»Du irrst Dich, mein Kind. Siehe ihn Dir noch einmal genau an. Da kommen sie eben über den Hof.«

»Ich sehe es ja, es ist der Oberstlieutenant von Hellmann nicht!«

Auch Thomas war aufgestanden und an das Fenster getreten. Er fuhr erschrocken einige Schritte zurück.

»Alle Teufel! Nein, das ist der Hellmann nicht. Das ist hm, es ist doch wahrhaftig gar kein Irrthum möglich!«

»Wer ist es denn?« frug die Wirthschafterin.

»Hm, und drei sind es auch; das stimmt!«

»So sagen Sie aber doch, wer es ist!« bat sie.

Sie war bei dem Tone, welchen Thomas hatte, wirklich ängstlich geworden.

»Zarpa!« rief dieser. »Komme einmal herüper an das Fenster und siehe Dir den grauen Kerl an, der soepen in den Stall guckt!«

Sie folgte seiner Aufforderung.

»Raumburg!« meinte sie überrascht.

»Ja, Prinz Raumpurg, den ich damals mit gefangen hape!«

»Mein Gott, ist das möglich!« rief die erschrockene Wirthschafterin. »Er soll aus dem Gefängnisse entsprungen sein.«

»Das ist er auch, meine liepe Frau Hartig, und diese peiden andern Vagapunden mit ihm. Sie werden verfolgt und können nicht gut in einem Gasthofe pleipen; darum sind sie zu Ihnen gekommen.«

»Was thun wir?«

»Natürlich unsere Pflicht. Wir fangen sie.«

»Aber wie? Sie sind ja höchst gefährlich und werden sich zur Wehre stellen.«

Thomas warf ihr einen sehr überlegenen Blick zu.

»Hapen Sie keine Angst. Der Thomas Schupert wird mit solchen Hallunken ganz alleine fertig!«

»Sie gegen Drei!«

»Nöthigenfalls. Aper eine solche Anstrengung ist ja gar nicht einmal nothwendig. Hapen Sie den Schlingels schon ihre Zimmer und Schlafstupen angewiesen?«

»Noch nicht. Das werde ich erst dann thun, wenn sie gegessen haben.«

»Gut. Dann suchen Sie es so einzurichten, daß sie sich nicht zu Hilfe kommen können.«

»Ich werde weit auseinander liegende Zimmer wählen.«

»Ja. Und wenn sie dort sind, dann spiele ich den Hausknecht oder den Zimmerkellner und nehme sie pei dieser Gelegenheit gefangen.«

Magda war bei dem Gehörten natürlich sehr erschrocken und hatte sich ängstlich in die Ecke des Sophas geschmiegt. Kurt aber hatte aufmerksam zugehört und schlich sich jetzt zur Thüre hinaus nach seinem Stübchen. Dort hatte er seine beiden Pistolen, welche er beim Schießunterrichte zu gebrauchen pflegte. Er lud sie und steckte sie zu sich. Dann ging er in den Hof hinunter. Auf der Treppe begegnete ihm der Verwalter mit den beiden einstigen Irrenärzten. Raumburg war zurückgeblieben, um den Pferdestall einer Besichtigung zu unterwerfen. Kurt trat zu ihm.

»Wie gefallen Ihnen unsere Ponnys?« frug er treuherzig.

»Sie sind ausgezeichnet, mein Knabe,« antwortete Raumburg.

»Und der Rapphengst da?«

»Ein sehr edles Pferd. Ich kenne es. Der Herr General pflegt es zu reiten, wenn es gilt, ungewöhnliche Anstrengungen auszuhalten.«

»Ja, es wird auch höchst aufmerksam gepflegt. Sind Sie auch ein Freund von guten Hunden, Herr Oberstlieutenant?«

»Natürlich!«

»Hat Ihnen der Verwalter unsern Hundezwinger gezeigt?«

»Nein.«

»Bitte, den müssen Sie sehen. Wollen Sie mitkommen?«

»Gern.«

Kurt führte ihn zu einer Thür, hinter welcher bei ihrer Annäherung ein freudiges Gewinsel zu hören war.

»Nur still da drin. Ich komme!«

Er öffnete und war augenblicklich von einer Menge von Thieren umringt und umsprungen, von denen jedes einzelne ein Muster seiner Rasse war. Der Prinz von Raumburg fühlte sein Interesse steigen und trat tiefer in den Stall.

»Bitte, nicht zu weit hinter, Herr Oberstlieutenant. Das ist gefährlich! Da hinten liegt einer, der ist schlimmer als ein Tiger.«

»Ah, ein Wolfshund!«

»Das wäre weiter nichts; aber ein sibirischer. Wollen Sie ihn genau sehen?«

»Wenn es ohne Gefahr möglich ist.«

»So treten Sie an die Seite.«

Kurt ging nach dem hintersten Winkel.

»Wjuga, steh auf!«

Auf diesen Ruf erhob sich langsam ein mächtiges weißzottlges Geschöpf, welches einem Eisbären bei weitem ähnlicher sah als einem Hunde. Kurt kettete ihn los und führte ihn bis vor an die Thür. Raumburg stand im Innem des Stalles.

»Sehen Sie, Herr Oberstlieutenant, diese Fänge! Ein Kampf mit ihm ist unmöglich. Ich brauche gar nichts zu sagen, sondern nur mit der Zunge zu schnalzen und mit dem Finger auf Sie zu zeigen, so liegen Sie an der Erde. Wollen Sie dann wenigstens Ihr Leben retten, so dürfen Sie sich nicht im mindesten bewegen und nur ganz leise sprechen. Das erste überlaute Wort würde Ihnen das Leben kosten; er würde Sie zerfleischen.«

»Das traue ich ihm allerdings zu.«

»Nicht wahr! Ich werde es Ihnen zeigen. Passen Sie auf, jetzt schnalze ich mit der Zunge. Sehen Sie, da steht er schon vor Ihnen, weil Sie der Einzige sind, auf den sich dieses Zeichen beziehen kann. Erhebe ich den Finger, so liegen Sie augenblicklich an der Erde. Soll ich?«

»Das wollte ich mir allerdings verbitten,« antwortete Raumburg.

Das Gebahren des Knaben kam ihm nicht ganz geheuer vor.

»Und dennoch werde ich es thun, sobald Sie von jetzt an lauter sprechen als ich es wünsche!«

Raumburg sah ihn mehr erschrocken als überrascht an.

»Warum? Ich befehle die Unterbrechung dieses gefährfichen Scherzes!«

»Es ist kein Scherz, sondern es ist mein Ernst. Ich gebe Ihnen nochmals meine Versicherung, daß Sie beim ersten überlauten Worte niedergerissen werden.«

»Aber warum?«

»Weil ich Sie dahin senden werde, wohin Sie gehören.«

»Ah! Wohin?«

»Zurück in das Zuchthaus, Herr von Raumburg.«

»Alle Teu !«

Das Wort blieb ihm in der Kehle stecken. Sein Ton war ein zorniger gewesen, und sofort fletschte der Eishund die fürchterlichen Zähne und machte Miene sich auf ihn zu stürzen.

»Sehen Sie, mein Herr, daß Wjuga nicht mit sich spassen läßt? Sie sind unser Gefangener. Ich werde jetzt die Thüre verschließen und Sie unter der Obhut meiner Hunde lassen. Da sind Sie sicher. Wenn ich zurückkomme, so stehen Sie entweder noch genau so wie jetzt, oder Ihr Körper liegt in Stücken hier am Boden.«

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