Am Stillen Ozean - Karl May 3 стр.


»Das versteht sich! Keiner von uns ist imstande, ein solches Boot zu regieren, und «

»Ah, Charley, ist das nicht etwas zu viel behauptet? Sollte ich, Kapitän Roberts aus New-York, es nicht fertig bringen, ein solches Ding zu führen, da jedermann weiß, daß ich ganz der Kerl bin, selbst das stärkste Orlogschiff zu kommandieren?«

»Könnt Ihr einen Ochsen erschießen, Kaptn?«

»Welche Frage! Natürlich erschieße ich ihn trotz allem, was ich vorhin sagte, als Ihr mit Eurem Wildpret kamt; vorausgesetzt nämlich, daß die Verhältnisse so sind, daß mir das Viehzeug nicht zu Leibe kann und ich so lange schießen darf, bis es tot ist!«

»Schön! Aber könnt Ihr auch eine Schwalbe schießen?«

»Bei allen Winden, nein; das ist ja rein menschenunmöglich, Charley. Ihr seid ein feiner Schütze, wie Ihr schon oft bewiesen habt, aber eine Schwalbe, nein, die holt auch Ihr nicht aus der Luft herab!«

»Ich habe es aber doch gethan, und zwar nicht nur einmal; ich habe sogar da drüben in der nordamerikanischen Prairie fünfzehnjährige Indianerbuben gekannt, welche das fertig brachten.«

»Ahoi, Charley, ist das nicht eine wilde Ente oder gar eine Seeschlange?«

»Nein, es ist die Wahrheit! Doch dieser Vergleich hat den Zweck, Euch zu beweisen, daß das Große oft leichter ist, als das scheinbar Kleine. Ihr versteht es ganz wacker, einen Dreimaster zu befehligen; doch wagt Euch einmal nur mit Eurem Langboote, welches Euch doch geläufig ist, hinaus auf die offene See, so werdet Ihr finden, daß zwischen beiden ein gewaltiger Unterschied ist. Ich habe mit dem gebrechlichen indianischen Rinden-Kanoe den Missouri und Red River, mit dem Haut-Kanoe der Brasilianer den Orinoco und Marannon und mit dem fürchterlichen Katamorin der Ostinder den Indus und Ganges befahren, anderer Fahrzeuge, bei denen das Leben an jedem Ruderschlage hing, gar nicht zu gedenken, aber ich sage Euch offen, Kaptn, daß ich es mir nicht getraue, mit diesem Boote hier eine Entdeckungsreise unter den Pomatu-Inseln zu wagen. Es darf das geringste am Ausleger geschehen, so kentert das Boot, und dann ist man in neunundneunzig von hundert Fällen verloren, da die See hier von Haien wimmelt.«

»Alle Wetter, das ist wahr! Der Hai ist der miserabelste Kerl, den ich kenne, und wer zwischen sein Zähne kommt, dessen Zeit ist ohne Gnade und Barmherzigkeit abgelaufen. Aber ein Schiff müssen wir suchen, das werdet Ihr doch zugeben, Charley!«

»Natürlich! Aber nicht hier zwischen den Pomatu-Inseln, die wir ja gar nicht kennen und wohin sich doch wohl selten ein größeres Fahrzeug verlaufen wird. Der Ehri hier wird nach Tahiti segeln. Gebt ihm einen zuverlässigen Mann mit, der uns ein Schiff holt, so ist uns ja geholfen!«

»Hm, das klingt ganz gut! Wie lange wird der Bursche zubringen, ehe er Tahiti erreicht?«

Ich wandte mich an Potomba:

»Wie lange fährst du nach Papetee?«

»Wenn ihr mir einen Mann mitgebt, der ein guter Ruderer ist, so brauche ich zwei Tage,« antwortete er.

Ich verdolmetschte diese Worte dem Kapitän.

»Hört, Charley, wie heißt der Bursche?«

»Potomba.«

»Das glaube ich nicht; er wird wohl Münchhausen heißen. In zwei Tagen von hier nach Papetee; der Mensch lügt ja, wie gedruckt! Ich rechne fünf volle Tage, und dann müßte man schon ein scharf auf den Kiel gebautes Schiff mit Schoonertakelage haben. Zwei Tage, das ist Humbug, das ist unmöglich!«

»Seht Euch dieses Boot und diesen Mann an, Kapitän! Er sieht nicht wie ein Aufschneider aus, und ich bin sehr geneigt, zu glauben, daß man mit einem so langen, schmalen Wogenschneider unter dem Südostpassat fünfzehn bis sechzehn englische Meilen in der Stunde zurückzulegen vermag.«

»Denkt Ihr wirklich? Hm, dann muß ich schon glauben, daß es möglich ist. Ein Kunststück ist es aber doch! Hm, ja; seht die vierzehn Segel da draußen! Es sind noch keine zehn Minuten, seit sie hier wendeten, und ich möchte wetten, daß sie bereits über zwei Meilen zurückgelegt haben. Ihr könnt recht haben, Charley, und nun ist es mir auch einleuchtend, was ich bisher nicht geglaubt habe, nämlich daß sich sogar ein gut ausgerüstetes Kriegsschiff mit wohldressierter Mannschaft vor eine Flottille malayischer Prawen sehr in acht zu nehmen hat. Doch seht, da kommt der Maat! Er macht ein sehr vergnügtes Gesicht, daß es ihm gelungen ist, die Kerls dort in die Flucht zu schlagen.«

Wirklich nahte der Steuermann mit einer so selbstgefälligen und triumphierenden Miene, als habe er eine große Seeschlacht gewonnen.

»Nun, Sir, wie habe ich meine Sache gemacht?« fragte er mich.

»Schlecht, sehr schlecht, Maat!«

»Wa-wa-wa-waaas?« fragte er ganz erstaunt. »Sie haben uns ja kein Haar gekrümmt und sind, als sie mich und diese da erblickten, davongesegelt, als sei ihnen der Klabautermann[3] auf den Fersen!«

»Aber ich wollte sie doch eben nicht davonsegeln lassen, sondern sie sollten in der Bucht eingeschlossen werden! Ihr kamt viel zu früh. Sie hatten die Einfahrt noch gar nicht bewerkstelligt, und es war weder von unserer Seite ein Schuß gefallen, noch hattet Ihr von mir oder dem Kaptn das verabredete Zeichen erhalten. Ich will Euch nicht tadeln, Maat, denn Ihr habt nur den Fehler begangen, daß Ihr ein wenig zu sehr tapfer waret, und vielleicht ist es besser, daß sie heil davongekommen sind; aber denkt Euch, daß wir vierzehn Boote bekommen hätten, wenn mein Plan gelungen wäre!«

Der ehrliche Maate guckte mich mit offenem Munde an und schlug sich dann mit der Hand an die Stirn.

»Wißt Ihr, was ich bin, Sir?«

»Nun! Doch wohl ein wackerer See und Steuermann!«

»Nein, ein Esel bin ich, ein Esel mit so langen Ohren, daß man aus jedem einen Dreimaster bauen könnte! Wir hatten sie beinahe im Sacke, und ich habe sie davongejagt. Man glaubt gar nicht, was so ein alter Seebär für gewaltige Dummheiten begehen kann!«

»Das ist eine edle Selbsterkenntnis, um deretwillen Ihr ganz bedeutend in meiner Achtung steigt, Maat! Aber, wollen wir nicht zum Lager gehen? Wir können ja einen Posten hier lassen für den Fall, daß es den Entkommenen einfallen sollte, zurückzukehren.«

»Ihr habt wieder recht, Charley!« nickte der Kapitän. »Wir haben ein sehr berühmtes Treffen gewonnen, und da will ich meine Anerkennung dadurch aussprechen, daß ich die Erlaubnis gebe, einen Grog zu brauen, der so steif ist, wie das Bugspriet einer niederländischen Kohlenbarke!«

Dieser Armeebefehl wurde mit allgemeinem Jubel aufgenommen; die Leute nahmen sich beim Arme, und im Paradeschritte ging es paarweise nach dem Lagerplatze zurück.

Während der Grog gebraut wurde, unterhielt ich mich mit Potomba. Es zeigte sich wirklich, daß er in Indien gewesen war; auch die meisten Inselgruppen des australischen Archipels hatte er befahren, und er war in seinen Aussprüchen so klar und bescheiden, daß ich ihn bereits in kurzer Zeit lieb gewann.

»Jetzt, Charley, mag der Mann gewählt werden, der mit Eurem Fürsten nach Tahiti fahren soll,« meinte der Kapitän. »Ich muß natürlich hier bleiben, aber der Maat könnte die Sache übernehmen. Was meint Ihr?«

»Ich habe in solchen Dingen nichts zu sagen, denn Ihr seid der Kapitän, aber ich billige Eure Wahl; der Steuermann ist eine Charge und wird mehr Gehör finden als ein Matrose, wenn Ihr einen solchen schicken wolltet.«

»Ich?« fragte der Maat. »Wo denkt Ihr hin, Kaptn! Ein braver Steuermann darf sein Schiff und, wenn dieses wrack gegangen ist, seine Leute nicht verlassen!«

»Wenn der Kapitän fehlt und er also an dessen Stelle getreten ist,« entgegnete Roberts. »Jetzt aber bin ich noch da, und Ihr könnt also getrost nach Tahiti gehen, ohne Euch etwas zu schulden kommen zu lassen, was gegen Eure Pflichten wäre. Uebrigens wißt Ihr ja, daß nur mein Befehl Geltung hat. Wen ich sende, der muß gehorchen!«

»Wollt Ihr mir wirklich zumuten, Kaptn, mich einem Schwimmholze anzuvertrauen, wie das Boot dieses Mannes ist? Uebrigens kann ich ja nicht ein einziges Wort mit ihm sprechen, und wie leicht ist es, daß ich mit Leuten zusammenkomme, deren Sprache ich nicht verstehe!«

»Hm, das ist wahr! Charley, wie ist es? Ich möchte Euch gern bei mir behalten; aber Ihr seid der einzige, der malayisch und sogar den Dialekt der Gesellschaftsinseln versteht. Möchtet Ihr mit dem Manne gehen?«

»Wenn Ihr es wollt, so thue ich es, Kaptn!«

»Schön; so bitte ich Euch darum! Doch, alle Wetter, was ist denn das?« fragte er plötzlich, mit der Hand nach dem Binnenwasser deutend, welches sich beinahe bis an unsere Füße zog.

»Ein Hai, wahrhaftig ein Hai, der zwischen den Klippen Eingang gefunden hat!« rief der Maat. »Schnell zu den Harpunen, ihr Mannen!«

Auf der Oberfläche des Wassers zeigte sich die Rückenflosse des Fisches, den unsere Anwesenheit herbeigelockt haben mußte. Der Anblick eines Haies bringt jeden Seemann in die größte Aufregung; er kennt keinen größeren Feind als dieses gefräßige Ungeheuer und sucht es zu töten, selbst wenn er sich vor ihm sicher weiß und der Tod desselben ihm nichts als nur die Befriedigung gewährt, ihn tot zu wissen.

Die Leute waren alle aufgesprungen und griffen nach allen möglichen Waffen. Auch ich langte nach meiner Büchse, um zu versuchen, ob eine Kugel hinreichend sei, das Tier zu erlegen. Da legte Potomba die Hand auf meinen Arm und bat:

»Schieß nicht, Sahib; Potomba ist ein Herr aller Haie und wird auch diesem befehlen, zu sterben!«

Er warf die Tebuta und die Marra ab, so daß er nur den Lendenschurz trug, faßte sein Messer und schnellte sich weit vom Ufer hinaus in das Wasser, welches zischend über ihm zusammenschlug.

Ein allgemeiner Schrei des Entsetzens ließ sich hören.

»Was thut der Mensch?« rief der Kapitän. »Er ist verloren!«

»Seht die Flosse!« schrie der Bootsmann, der mit einer Harpune hart am Wasser stand. »Der Hai hat ihn bemerkt und hält auf ihn zu. In zwei Sekunden hat er ihn verschlungen!«

Auch ich war erschrocken, blieb aber äußerlich ruhig.

»Was wird es nun mit Eurer Fahrt nach Tahiti, Charley?« fragte der Kapitän. »Der Bursche da kommt natürlich nicht wieder aus dem Wasser!«

»Wollen es abwarten, Kaptn! Ich habe in Westindien Taucher gekannt, welche sich nicht fürchteten, bloß mit einem Messer bewaffnet, den Haifisch im Wasser anzugreifen. Der Fisch muß sich, um zuzuschnappen, auf den Rücken legen; das giebt dem kühnen Schwimmer Zeit, ihm das Messer in den Leib zu stoßen und, sich mit einem kräftigen Stoße fortschnellend, den Bauch des Tieres aufzuschlitzen. Da seht, Kaptn, der Kampf beginnt!«

Das Wasser schlug an der Stelle, wo sich der Fisch befand, einen schäumenden Strudel; dann tauchte in einiger Entfernung davon erst der Kopf und dann der Oberleib Potombas empor. Er schwang das Messer hoch in der Luft und stieß einen lauten Siegesruf aus.

»Bei allen Kreuz und Braamsegeln, er hat das Viehzeug wahrhaftig getötet!« rief der Kapitän. »Seht, Charley, dort schwimmt das Ungeheuer auf dem Wasser. Der Leib ist ihm aufgeschlitzt vom Kopfe bis zum Schwanze!«

Die umstehenden Mannen erhoben ein Freudengeschrei, welches nicht geeigneter sein konnte, dem Sieger ihre Anerkennung zu beweisen. Er stieg an das Land und trat, ohne das Lob der Leute, welche ihn umringen wollten, zu beachten, auf mich zu.

»Der Hai ist tot, Sahib!« meldete er einfach und ruhig.

»Ich wußte es schon, als du in das Wasser sprangst,« erwiderte ich, ihm meine Hand entgegenstreckend.

Er erfaßte sie, und ich sah es ihm an, daß diese Anerkennung ihn mehr freute, als das laute und ihm unverständliche Lob der andern.

»So hast du schon vorher geglaubt, daß Potomba einen starken Arm und ein mutiges Herz besitzt?«

»Ich sah es gleich, als du landetest. Du hast dich vor vierzehn Feinden nicht gefürchtet; ich habe dich lieb, Potomba!«

»Und ich bin dein Freund, Sahib! Sage diesen Yanki hier, daß ich keinen von ihnen in mein Boot nehmen werde, um ihn nach Papetee zu bringen. Du allein sollst mit Potomba fahren!«

»Ich habe es ihnen bereits gesagt. Wann segeln wir ab?«

»Wann du es befiehlst.«

»So mache dich bald fertig; ich bin schon jetzt bereit. Wir müssen einen Umweg machen, um die Flottille deiner Feinde zu vermeiden, nicht?«

»Ja, Sahib. Hier hätte ich sie nicht gefürchtet, denn sie wären gefallen, ehe sie das Land betraten; auf der offenen See aber würden sie uns umringen, und wir wären verloren. Wollt Ihr den Fisch haben, Sahib?«

»Ja.«

»So gieb mir eine Schnur!«

Sie wurde gebracht. Er band sie an das Gefieder seines Pfeiles, legte sie sorgfältig entrollt zur Erde und schoß ab. Der Pfeil bohrte sich tief in den Leib des Haies, welcher nun herbeigezogen wurde. Während dies geschah, legte der Ehri die abgeworfenen Kleidungsstücke wieder an.

»Bist du fertig, Sahib? Potomba ist bereit, dich nach Tahiti zu bringen, und lieber wird er sterben, als daß er dir ein Leid geschehen läßt!«

Pareyma

Zwischen den bereits von mir angegebenen Längen und Breitengraden liegt jene Inselgruppe, welche im Jahre 1606 von Quiros entdeckt und von dem berühmten Cook, der sie 1769 zuerst gründlich erforschte, zu Ehren der königlichen Gesellschaft der Wissenschaft zu London »Gesellschaftsinseln« genannt wurde.

Sie zerfallen in zwei Abteilungen: die Windwards und die Leewardsgruppe, welche durch eine breite Straße getrennt werden. Zu der ersteren gehören Tahiti oder Otaheiti, welches die bedeutendste Insel des Archipels ist, Maitea, auch Osnabruc genannt, und Eumeo oder Moörea. Die Leewardsinseln sind Huahine, Raiatea, Taha, Borabora und Maurua oder Maupiti.

Diese ganze Inselgruppe ist vulkanischen Ursprungs, doch arbeiten die kleinen, fast mikroskopischen »Baumeister des Meeres«, die Pflanzentiere der Polypen, unausgesetzt an deren Vergrößerung, umgeben jede einzelne Insel mit scharfen, spitzen Korallenringen, an die sich neues Land ansetzen kann, und machen dadurch die Schiffahrt auf den Wasserstraßen, welche die Eilande trennen, zu einer sehr gefährlichen.

Der Gesamtflächenraum der Gesellschaftsinseln beträgt ungefähr vierunddreißig Quadratmeilen; das Land hat viele schöne Häfen, welche aber wegen der Korallenbarrieren und der dadurch entstehenden Brandung nur sehr schwer zugänglich sind. Der Boden der Inseln ist durchgehends reich und fruchtbar. Die Gebirge sind mit dichten Waldungen bedeckt und die Küstenebenen durch Bäche wohl bewässert, so daß die Vegetation eine außerordentlich üppige genannt werden muß und eine Fülle von Zucker und Bambusrohr, Brotfruchtbäumen, Palmen, Bananen, Pisang, Platanen, Bataten, Getreide, Yams und Arumswurzeln und anderen südländischen Gewächsen erzeugt.

Die Bewohner sind malayischpolynesischen Ursprunges, dunkel kupferfarbig (die Frauen meist etwa heller), gut und kräftig gebaut, gesellig, gastfrei und gutmütig. Sie leben in Monogamie, halten ihre Weiber in ziemlicher Eingezogenheit und lieben Musik, Tanz, Fechten und Wettfahrten auf ihren schnellen Booten leidenschaftlich.

Ursprünglich hingen sie einer polytheistischen Religionsform an, bei deren Ausübung selbst Menschenopfer nichts Ungewöhnliches waren. Ihre Priester, welche zugleich Aerzte und Wahrsager waren, übten einen ungemeinen Einfluß auf sie aus, dem allerdings schon zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts die von den Engländern hier gegründeten Missionen entgegen arbeiteten. Später sandte das katholische Frankreich seine Sendboten herüber, die unter Mühen und Beschwerden mit den Vorurteilen rangen, welche der Götzendienst dem sonst hochbegabten Menschenschlage eingeimpft hatte.

Назад Дальше