»Was denn sonst?«
Landola schritt einige Male im Zimmer auf und ab, dann blieb er vor Cortejo stehen und sagte:
»Wie man es nimmt, es ist schwer, aber auch leicht. Schwierig ist es, aber auf die leichte Achsel muß man es nehmen.« »Was soll das heißen?« »Es ist ein leichtes Gewissen dazu erforderlich.« »Ah! Ihr meint « »Ich meine, daß man hinübergehen muß, um das zu tun, was man früher unterlassen hat.« »Sie aus dem Weg räumen?« »Ja.« »Hm. Etwa sie weder auf eine wüste Insel schaffen?« »Alle Teufel! Diesmal sicherlich nicht.« »Also sie wirklich töten?« »Unbedingt.« »Wer soll das übernehmen?« »Ich.« »Ihr? Das will überlegt sein.« »Wieso?« »Ich sehe mich gezwungen, in dieser Angelegenheit sehr vorsichtig zu handeln.« »Ich auch.« »Ich werde nur dann einen Handel abschließen, wenn ich überzeugt bin, nicht betrogen zu werden.« »Ich ebenso.« »Ihr gebt zu, daß jetzt davon die Rede ist, eine Unterlassungssünde von Euch wiedergutzumachen.« »Es mag so sein.« »Ihr gebt ferner zu, daß auch Euch daran liegen muß, daß diese Menschen unschädlich gemacht werden.« »Ich will auch dies für jetzt nicht in Abrede stellen.« »Und Ihr sagt, daß Ihr selbst dieses Unschädlichmachen übernehmen wollt?« »Ja.« »Nun, so werdet Ihr aus den oben angeführten zwei Gründen diese Arbeit jedenfalls unentgeltlich besorgen.« »Fällt mir nicht ein.« »Nicht? Warum nicht?« »Einfach, weil ich mir dabei etwas verdienen will.« »Ihr habt Euren Lohn bereits weg.« »Das mag sein. Allein erstens war er zu karg, und zweitens liegen die Sachen jetzt ganz anders.« »Das ist ganz allein Eure Schuld.« »Die Arbeit wird schwieriger.« »Eure Schuld.« »Die Mitwisser haben sich vermehrt.« »Eure Schuld.« »Es müssen also viel mehr Personen stumm gemacht werden.« »Allein Eure Schuld.« »Vielleicht muß man sogar Juarez zum Schweigen bringen.« »Eure Schuld.« »Geht zum Satan mit diesem Eure Schuld! Es versteht sich ganz von selbst, daß es eine Riesenaufgabe ist, nach Mexiko zu gehen und so viele Personen umzubringen.« »Das mag sein.« »Das tut man nicht gratis.« »Na, ich will Euch einmal fragen, wieviel Ihr verlangt.« »Wieviel bietet Ihr?« »Ich biete nichts. Der Verkäufer hat zu fordern.« »Wißt Ihr noch, wieviel Ihr mir damals zahltet?« »Ja.« »Es waren hunderttausend Dollar.« »Das stimmt.« »Gebt Ihr jetzt zwei mal hunderttausend?« »Nein.« »Gut, so sind wir fertig.«
Landola drehte sich um und machte Miene, die Stube zu verlassen.
»Oho!« meinte Cortejo. »So rechnen wir nicht!«
Da wandte sich der Kapitän wieder zurück und fragte: »Wieso?« »Ihr seid verpflichtet, Euren Fehler wiedergutzumachen.« »Wollt Ihr mich etwa dazu zwingen?« »Nein. Wir haben beide alle Veranlassung, uns nicht zu reizen, aber wir dürfen auch nicht unverständig sein.« »Nun wohl. Warum seid denn Ihr da unverständig?«
Cortejo tat, als ob er ihn nicht verstehe, und fragte:
»Unverständig? Ich? Inwiefern denn?« »Insofern, als Ihr mir nichts geben wollt.« »Wer hat Euch denn dies gesagt?« »Ich sehe es ja.« »Pah! Ich bin zu einer Gratifikation bereit, aber zwei mal hunderttausend Dollar sind mir denn doch zu viel.« »Nun, wieviel bietet Ihr?« »Fünfzigtausend.« »Unsinn!« »Mehr kann ich nicht geben.« »Wie? Ihr könnt nicht? Seid Ihr so arm? Ich denke, daß Euch die reiche Grafschaft Rodriganda gehört.« »Das ist richtig. Ihr versteht mich falsch. Wenn ich sage, daß ich nicht mehr als fünfzigtausend geben kann, so meine ich nicht, daß ich arm bin, sondern daß ich überhaupt nicht mehr geben mag.« »Warum?« »Weil Ihr die Arbeit nicht allein machen werdet, könnt Ihr auch nicht den vollen Lohn erhalten.« »Ah! Wer soll sich denn noch mit beteiligen?« fragte Landola sehr erstaunt. »Ich«, antwortete Cortejo. »Ihr?« rief Landola noch erstaunter als vorher. »Ihr wollt die Arbeit mit tun? Wie habe ich das zu verstehen?« »Nun, sehr einfach. Ihr geht nach Mexiko, nicht wahr?« Ja.« »Ich gehe mit.«
Landola trat einen Schritt zurück und fragte, beinahe betroffen:
»Ihr?«
Cortejo nickte.
»Ihr wollt mitgehen?« »Ja.« »Nach Mexiko?« »Ja doch!« »Das ist unmöglich! Das kann ich gar nicht glauben!« »Warum nicht?« »Ihr könnt hier ja nicht abkommen. Man braucht Euch zu nötig.« »Wer sagt Euch das?« »Ich denke es mir.« »Nun, so will ich Euch eines anderen und Besseren belehren. Don Alfonzo wird mir gern einen Urlaub geben, wenn es sich darum handelt, ihm seine Besitzungen zu erhalten.« »Aber was wollt Ihr in Mexiko?«
Cortejo machte ein sehr eigentümliches Gesicht.
»Zunächst liegt mir daran, meinen lieber Bruder Pablo einmal zu besuchen«, sagte er. »Warum jetzt?« »Sodann«, fuhr Cortejo unbeirrt fort, »möchte ich meine liebe Nichte Josefa einmal kennenlernen.« »Aber warum soll dies gerade jetzt sein?« »Weil es mir so paßt! Ihr habt mich betrogen. Pablo hat mich betrogen. Glaubt Ihr, daß ich mich abermals betrügen lasse?« »Ah! So meint Ihr es?« »Ja, so und nicht anders.« »Ihr wollt uns beaufsichtigen?« »Freilich.« »Glaubt Ihr, daß Euch das Nutzen bringt?« »Versteht sich.« »Und daß wir auch diejenigen sind, die sich beaufsichtigen lassen?« »Ich habe nicht gesagt, daß ich nur beaufsichtigen will. Ich werde selbst mitarbeiten.« »Das gibt der Sache allerdings eine kleine Wendung«, versetzte Landola nachdenklich. »Das meine ich auch. Übrigens werdet Ihr später sehen, daß Ihr ohne Hilfe nicht auskommen könntet.« »Hm! Ich sehe allerdings ein, daß es wirklich besser ist, wenn Ihr selbst mit dabei seid.« »Also endlich?« »Aber wie die Sachen stehen, gilt es, keine Zeit zu verlieren.« »Das versteht sich von selbst. Wir reisen bei nächster Gelegenheit ab. Ich werde mich sofort erkundigen, was für Schiffe im Hafen liegen.« »Ich weiß das bereits. Es wurde mir denn doch zu schwül.« »Ihr habt Euch erkundigt?« »Ja, aber es paßt verteufelt schlecht nach Mexiko.« »Wieso?« »Es gibt kein Schiff dorthin. Ein einziger Dampfer liegt da, der übermorgen in See sticht, aber er geht nach Rio de Janeiro.« »Das ist ja gut.« »Wieso?« »Wenn wir an Bord kommen, entgeht Ihr hier den Augen der Polizei, und in Rio finden wir allemal Gelegenheit nach Mexiko.« »Das mag sein. Aber wie an Bord kommen? Man kennt mein Signalement, besonders hier in Barcelona.« »Nichts leichter als das. Wißt Ihr, was eine Perücke ist?« »Eine Kopfbedeckung für Kahlköpfige«, lachte Landola. »Und wißt Ihr, was ein falscher Bart ist?« »Eine Gesichtsbedeckung für Spitzbuben.« »Und wißt Ihr, was man unter colle de face versteht?« »Ah, das ist jener berühmte französische Gesichtskleister, mit dessen Hilfe sich eine alte Frau in ein junges Mädchen verwandeln kann. Man füllte damit sogar die tiefsten Falten aus.« »Und wißt Ihr, was ein falscher Paß ist?« »Eine Erfindung des Teufels, zum Besten seines Familienzirkels.« »Nun gut, das alles werde ich Euch verschaffen.« »Eine Perücke?« »Ja.« »Die mir paßt?« »Ja. Meine Auswahl ist groß genug.« »Auch in falschen Bärten?« »Ja.« »Und Gesichtsschmiere?« »Habe ich topfweise.« »Und falsche Pässe?« »Ein ganzes Ries.« »Señor Cortejo, man sieht wirklich, daß Ihr ein Spitzbube seid!« »Danke! Ich werde alle diese Sachen auch für mich brauchen.« »Ihr wollt Euch auch verkleiden?« »Natürlich!« »Aber warum?« »Könnt Ihr das nicht begreifen? Wir treffen da drüben jedenfalls Sternau und andere Bekannte, die nicht wissen dürfen, wer wir sind.« »So hat es mit der Verkleidung Zeit, bis wir drüben sind?« »O nein. Wir haben vielleicht gar keine Gelegenheit, Namen, Gestalt und Pässe zu wechseln. Wir können doch kein Schiff, kein Haus, keinen Ort anders verlassen, als wie wir da angekommen sind.« »Das würde allerdings Verdacht erwecken.« »So hört! Ich reise als Don Antonio Veridante, Advokat und Bevollmächtigter des Grafen Alfonzo de Rodriganda.« »Donnerwetter! Ich begreife.« »Ich habe die Verhältnisse der mexikanischen Besitzungen dieses Herrn zu inspizieren.« »Natürlich!« »Und bin mit ausreichenden Vollmachten versehen.« »Die Ihr Euch selbst ausstellt.« »Auch der Paß macht keine Schwierigkeiten. Ferner nehme ich Legitimationen auf meinen echten Namen mit, um für alle Fälle gerüstet zu sein.« »Ihr seid sehr umsichtig.« »Natürlich brauche ich einen Sekretario.« »Wo werdet Ihr ihn finden?« »Ich habe ihn bereits.« »Ah, so ist der Plan schon längst fertig?« »Nein, er wird im Gegenteil eben erst entworfen.« »Sapperment! Der Sekretär oder Schreiber soll wohl ich sein?« »Natürlich!« »Auf diese Standeserhöhung kann ich mir viel einbilden.« »Ihr habt recht. Ein Sekretario ist jedenfalls mehr wert als ein Spitzbube, wie Ihr Euch vorhin genannt habt.« »Aber dieser Sekretario kann auch einer sein.« »Möglich.« »Und sein Herr, der Advokat, ein noch größerer.« »Nehmt Euch in acht, sonst lasse ich Euch hier sitzen, und Ihr mögt sehen, wie Ihr mit der Polizei fertig werdet. Habt Ihr noch etwas zu fragen?« »Nein. Es genügt mir, zu wissen, wann und wo wir uns treffen.« »Getraut Ihr Euch, am Tag die Stadt zu verlassen?« »Nein, zumal ich einiges Gepäck bei mir habe.« »So bin ich gezwungen, bis zur Dunkelheit hierzubleiben. Sobald sie eingetreten ist, begebt Ihr Euch bis zum Anfang des ersten Wäldchens an der Straße nach Manresa. Kommt eine Kutsche, so pfeift Ihr den Anfang der Marseillaise, woran ich Euch erkennen werde. Ich will in den Hafen, um mich zu erkundigen. Adieu!« »Adieu!«
Die beiden Söhne des Verbrechens gingen auseinander.
»Verdammt!« murmelte Landola, als er sich allein befand. »Sind diese Kreaturen glücklich entkommen. Welch eine Unvorsichtigkeit, mich während dieser langen Zeit nicht einmal zu erkundigen. Freilich, mir kann ihre Rückkehr weniger schaden. Ich brauche mich einfach nur zu verbergen. Aber dieser Cortejo und seine Sippe, sie sind verloren, sobald es ihm nicht gelingt, der Gefahr gleich anfangs zu begegnen. Fünfzigtausend Dollar. Ah, ich habe noch nicht ja gesagt! Er soll bluten, er soll zahlen! Und dann suche ich mir irgendeinen schönen, verborgenen Erdenwinkel, wo ich meine Reichtümer in Freude und Ruhe genießen kann.«
Cortejo fand den Dampfer, den Landola meinte. Die Falltür war herabgelassen; er stieg an Bord und traf den Kapitän auf Deck.
»Sie gehen nach Rio?« fragte er ihn. »Ja«, antwortete der Seemann. »Sie nehmen Passagiere auf?« »Nur anständige.« »Ich heiße Cortejo «
Der Kapitän verbeugte sich.
»Bin Verwalter sämtlicher Besitzungen des Grafen Alfonzo de Rodriganda.«
Zweite, noch tiefere Verneigung des Kapitäns.
»Wir haben große, sehr weitläufige Güter drüben in Mexiko. Der Stand der Dinge nötigt uns, einen Bevollmächtigten hinüberzusenden, der unsere Interessen zu wahren hat Wollen Sie diesen Mann an Bord nehmen?« »Mit Vergnügen. Wie heißt er?« »Don Antonio Veridante.« »Hat er zahlreiche Bedienung bei sich?« »Einen einzigen Sekretario.« »Junge Leute?« »Nein, sondern ältere Herren, still und zurückgezogen. Sie werden Ihre Schiffsordnung nicht im mindesten stören.« »Das ist mir lieb. Beköstigen sich die Señores selbst?« »Nein.« »So werde ich für das Nötige sorgen müssen. Aber mein Schiff ist kein Passagierschiff, ich habe also auch keine festen Preise. Ich richte mich ganz nach den Ansprüchen, die man macht. Wieviel soll gezahlt werden?« »Dieser Punkt ist der einfachste. Sorgen Sie für alles, was zwei feine Señores während einer solchen Reise brauchen. Sie werden das, was Sie verlangen, sofort bezahlen, nachdem sie an Bord gestiegen sind, vorausgesetzt, daß die Forderung nicht übertrieben ist.«
Somit war die Sache abgemacht. Cortejo wartete in einem Gasthof, bis es dunkel war, und fuhr dann nach Hause.
Als er das erwähnte Gehölz erreichte, hörte er den Anfang der Marseillaise pfeifen. Er ließ anhalten. Landola stieg ein, nachdem sein Koffer auf dem Bock Platz gefunden hatte. Dann ging die Fahrt weiter.
»Fertig mit dem Kapitän?« fragte er. »Ja.« »Wann geht es fort?« »Habe gar nicht zu fragen brauchen. Neben dem Fallreep hing die Ankündigung. Übermorgen früh mit eintretender Ebbe.« »Sie wird neun Uhr eintreten.« »So kommen wir zeitig genug, wenn wir des Nachts eintreffen.«
Dieses kurze Gespräch war das einzige, was sie bis Rodriganda führten. Dort angekommen, hütete sich Landola, in den Lichtkreis der Laternen zu treten. Es sollte niemand seine Gesichtszüge sehen eine sehr notwendige Vorsichtsmaßregel.
Cortejo führte ihn in eines der Gastzimmer und bediente ihn selbst. Dann, nachdem er ihm geraten hatte, keinen Menschen eintreten zu lassen, begab er sich zu Schwester Clarissa.
3. Kapitel
Clarissa hatte Cortejo längst erwartet.
»Mein Gott«, klagte sie, »wie vernachlässigst du mich!« »Inwiefern?« fragte er. »Du bist bereits seit einer halben Stunde angekommen.« »Ohne dich aufzusuchen! Nicht?« »Ja. Nennst du dies Aufmerksamkeit?« »Ich hatte vorher zu tun.« »Vorher? Kann etwas anderes vorgehen?« »Ja.« »Was denn zum Beispiel?« »Ein Gast.« »Ah! Du hast einen Gast?« »Ja.« »Wer ist es?« »Rate!« »Wie kann ich das raten?« »Du weißt doch, bei wem ich gewesen bin.« »Bei Landola.« »Nun?« »Was? Du hast ihn doch nicht etwa als Gast mitgebracht?« »Warum nicht?« »Den polizeilich Verfolgten.« »Gerade darum.« »Gasparino!«
Clarissa schlug die Hände zusammen. Die Handlungsweise ihres alten Geliebten war ihr unbegreiflich. Er aber meinte lächelnd:
»Es ist nicht die geringste Gefahr dabei. Ich weiß, daß man ihn hier nicht suchen wird.« »Wie lange soll er bleiben?« »Nur bis morgen nacht.« »Wohin geht er dann?« »In See.« »Hat er gestanden?« »Ja.« »Alles?« »Alles!« »Dieser Betrüger, Schurke und Verräter! Warum hat er es getan?« »Um seines eigenen Vorteils willen. Er wollte gegen mich eine Macht in den Händen haben. Übrigens hatte mein Bruder ihn gut dafür bezahlt, daß er Don Ferdinando fortschaffte.« »Also hat Pablo doch auch schlecht an dir gehandelt.« »Ja. Ich werde ihn zur Rede stellen. Es soll ihm nicht den geringsten Nutzen bringen, darauf kannst du dich verlassen.« »Was gedenkst du zu tun?«
Cortejo blickte vor sich hin und zögerte mit der Antwort. Darum fragte Clarissa:
»Jedenfalls wirst du zunächst die Zigeunerin aufsuchen?« »Fällt mir nicht ein.« »Wie? Nicht? Wirklich nicht?« fragte sie erstaunt. »Nein.« »Du sagtest das aber noch gestern, ehe du fortfuhrst!« »Das ist richtig. Aber die Umstände haben sich geändert. Ich muß die Zigeunerin noch laufenlassen.« »Aber sie ist uns ja so gefährlich!« »Es gibt Personen, die uns noch gefährlicher sind.« »Wen meinst du?« »Sternau und Konsorten.« »Die müssen drüben bekämpft werden. Persönlich kannst du gegen sie nicht vorgehen.« »Ah! Warum nicht?« »Nun einfach deshalb, weil du nicht in Mexiko bist.« »Dem kann und wird abgeholfen werden, meine Liebe.«
Clarissa erschrak.
»Wie? Höre ich recht?« rief sie, von ihrem Sitz aufspringend. »Freilich, liebes Kind«, antwortete er. »Du willst doch nicht etwa hinüber nach Mexiko?« »Gerade das will ich.« »Heilige Madonna! Gasparino, was fällt dir ein?« »Beruhige dich! Die Umstände machen es nötig!« »Du kannst hier nicht entbehrt werden.« »Drüben noch weniger!« »Deine Kanzlei deine Verwaltungsarbeiten « »Liegen in guten Händen.« »Die Beaufsichtigung « »Wird Alfonzo übernehmen.« »Er ist ja nicht hier.« »Er wird kommen. Ich werde ihm noch schreiben, und sobald er eintrifft, teilst du ihm alles mündlich mit.« »So willst du so rasch fort?« »Mit Landola, morgen in der Nacht.« »Mit diesem Mann! Kannst du dich ihm anvertrauen?« »Pah! Frage doch lieber, ob er sich mir anvertrauen kann.«
Clarissa setzte sich langsam wieder, blickte Cortejo fragend ins Gesicht und sagte dann:
»Haben diese Worte etwas zu bedeuten?«
Cortejo lächelte sehr selbstbewußt und antwortete:
»Habe ich jemals etwas gesagt, was nichts zu bedeuten hatte?« »Hm! Ich kenne dich. Ich lese aus deinen Mienen, daß du etwas vorhast. Ich habe mich da noch nie getäuscht.« »Ja«, lachte er. »Du bist eine große Menschenkennerin. Was liest du denn für Buchstaben aus meinem Gesicht?« »Keine guten, wenigstens keine freundlichen. Habe ich recht?« »Möglich!« »Hast du Neues von Landola gehört, was ich noch nicht weiß?« »Eigentlich nicht. Aber Landola hat durch Wort und Verhalten Streiflichter auf das geworfen, was wir schon wissen.« »War er nicht bereit, seine Fehler wiedergutzumachen?« »O doch.« »Verlangte er etwas dafür?« »Zwei mal hunderttausend Dollar.« »Der Unverschämte!« brauste sie auf. »Im Grunde genommen fand ich es nicht unverschämt«, meinte er. »Nicht? Da begreife ich dich doch einmal nicht.« »Es sind ungefähr ein Dutzend Menschen umzubringen.« »Was ist das weiter?« »Aber was für Menschen! Denke an jenen Sternau!« »Einer Kugel ist er doch nicht gewachsen.« »Ja, aber denke an den Überfall hier im Park! Hat er da nicht alle die Kerle glänzend geschlagen?« »Es waren Feiglinge, auch hatten sie schlecht gezielt.« »Das kann drüben ebenso passieren. Und dazu mußt du bedenken, daß alle die Personen, auf die wir es abgesehen haben, sich in dem Hauptquartier des Juarez befinden.« »Ändert das etwas?« »Natürlich. Es macht das Unternehmen zehnfach schwierig, wohl gar ganz unmöglich.« »Warum? Man geht eben ins Hauptquartier.« »Das soll Landola tun?« »Natürlich! Du hast ihm wohl gar die zwei mal hunderttausend Dollar versprochen, da du die Sache gar so gefährlich schilderst?« »Nein.« »Wieviel denn?« »Er erinnerte mich an die Summe, die ich damals für den Tod des Betreffenden gegeben hatte.« »Wieviel war das?« »Einmal hunderttausend Dollar.« »Und nun will er das Doppelte. Das ist unverschämt, zumal er uns damals betrogen hat. Was ist das Leben jener Person wert? Ich hätte ihm fünfzigtausend Dollar geboten.« »Das habe ich auch getan.« »Hat er akzeptiert?« »Wir schweiften wieder ab.« »So mußt du darauf zurückkommen. Mit einem solchen Mann kann man nicht vorsichtig genug sein. Aber weshalb mußt du denn mit? Um aufzupassen, ob er den Bart oder ein Stückchen Gesichtsfalte verliert?« »Dieses letztere werden wir allerdings gegenseitig tun. Wir werden uns stets aufmerksam zu beobachten haben.« »Wie?« fragte sie mit neuem Erstaunen. »Auch du willst dich verkleiden und unkenntlich machen?« »Ja, meine Liebe«, antwortete er lächelnd. »Aber den Grund dazu sehe ich denn doch nicht ein.« »Ich werde dich von der Notwendigkeit, es zu tun, überzeugen. Erstens soll doch kein Mensch merken, daß ich nach Mexiko bin.« »Ah! Warum nicht?« »Denke an Rheinswalden. Sind wir von dort nicht stets beobachtet worden?« »Das ist wahr. Vielleicht beobachten sie uns noch heute.« »Ich bin davon vollständig überzeugt. Sie glauben nicht an die Echtheit unseres Alfonzos. Sie haben erfahren, daß die längst Verschollenen wieder da sind. Wer weiß, was diese geschrieben haben. Ich werde sicherlich beobachtet Erfährt man in Rheinswalden, daß ich nach Mexiko gehe, wird man den Grund vermuten und die Kerle dort warnen.« »Das läßt sich allerdings begreifen.« »Ferner wissen wir nicht, wie es in Mexiko steht Mein Bruder hat meinen Namen in Mißkredit gebracht. Ich darf nicht als Cortejo auftreten.« »Auch das sehe ich ein. Die Verkleidung ist notwendig, ich brauche weiter keine Beweise zu hören. Aber was ich doch noch nicht ganz einsehe, das ist die Notwendigkeit, daß du mit über den Ozean gehen mußt.« »Was meinst du, was Don Ferdinando tun wird, wenn er in die Hauptstadt zurückgekehrt ist?« »Alle seine Besitzungen reklamieren.« »Das versteht sich von selbst. Zwar würde das nun meist meinen Bruder schädigen. Aber das Grab, das Grab!« »Ah! Es würde geöffnet« »Auch das ist noch nicht das schlimmste!« »Aber noch schlimmer kann doch nichts sein!« »Er ist damals scheintot gewesen; das heißt, er hat Starrkrampf gehabt. Hast du vielleicht einmal von Starrkrampf sprechen gehört?« »Er soll fürchterlich sein. Man soll alles hören und sehen, was um einen vorgeht.« »Nun also. Don Ferdinando ist scheintot gewesen. Unser Alfonzo war drüben. Er hat mit meinem Bruder und Josefa bei der Leiche gesprochen, der Graf hat alles gehört. Er ist vielleicht im Besitz unseres ganzen Geheimnisses.« »Madonna! Das wäre schlimm! Er muß sterben!« »Sein Tod ist eine Notwendigkeit, eine beschlossene Sache. Er würde nicht nur seine Güter zurückverlangen, sondern uns auch wegen des anderen anzeigen und bestrafen lassen. Aber das ist noch nicht alles. Dieser Sternau ist uns ebenso gefährlich.« »Er schien schon damals, als er Graf Emanuel operierte, etwas zu ahnen.« Ja. Ich habe ihn beobachtet Er hielt Alfonzo keineswegs für den echten Nachfolger von Don Emanuel.« »Auch er muß sterben!« »Auch sein Tod ist beschlossen. Und ebenso steht es mit jeder anderen Person, die zu dieser Gesellschaft gehört.« »Du meinst, daß sie alle uns gleich gefährlich sind?« Ja.« »Oh, es genügt wohl, nur die Hauptpersonen zu töten.« »Nein, keineswegs. Was diese wissen, haben die anderen alle auch erfahren, Sie sind infolgedessen ebenso gefährlich.« »Mein Gott, wie viele Personen willst du da zum Tode verurteilen, lieber Gasparino?«