Winnetou 3 - Karl May 4 стр.


Aus diesem Grunde dauerte es lange, sehr lange, ehe ich mein Pferd wieder erreichte. Es hatte mittlerweile Gesellschaft gefunden, denn neben demselben weidete die Stute Sams, welcher gemütlich hinter einem Busche lag und an einem mächtigen Stück Dürrfleisch kaute.

»Wie viele sind es, Charley?« fragte er mich.

»Wer?«

»Indsmen.«

»Wie kommt Ihr auf diese?«

»Der alte Sans-ear scheint Euch wohl auch ein Greenhorn zu sein, wie Ihr vorher ihm? Da irrt Ihr Euch aber gewaltig, hihihihi!«

Es war das halblaute, selbstbewußte Lachen, welches ich bereits einmal von ihm vernommen hatte, und das er wohl nur hören ließ, wenn er sich einem Andern überlegen wußte. Auch dies war eine Ähnlichkeit mit Sam Hawkens, welcher fast ebenso zu lachen pflegte.

»Inwiefern, Sam?«

»Muß ich Euch das erst sagen, Charley? Was hättet Ihr wohl getan, wenn Ihr hier angekommen wäret und hättet diesen Hammer da beim Pferde gefunden, nicht aber Euern Old Shatterhand?«

»Ich hätte gewartet, bis er zurückgekehrt wäre.«

»Wirklich? Das möchte ich zum Beispiel nicht gern glauben. Ihr fehltet, als ich kam; es konnte Euch etwas passiert sein, und so ging ich Euch nach.«

»Ich hätte aber auch bei einem Vorhaben sein können, welches durch Eure Gegenwart vereitelt werden konnte. Zudem denke ich, daß Old Shatterhand nichts unternimmt, ohne vorher die nötige Vorsicht anzuwenden. Wie weit seid Ihr mir nachgefolgt?«

»Erst dahin, dann dorthin, hüben und drüben, bis zu dem armen Mann, den die Indsmen ausgelöscht haben. Ich konnte rasch machen, denn ich wußte Euch vor mir; als ich dann den Toten sah, so dachte ich, daß Ihr nur auf Spähe wäret, und kehrte zurück, wo ich zum Beispiel nachher ganz ruhig auf Euch gewartet habe. Also wie viele sind es?«

»Sechzig vielleicht.«

»Schau! Also wohl die Truppe, deren Spur ich gestern schon bemerkte. Auf dem Kriegspfade?«

»Ja.«

»Kurzes Lager?«

»Sie haben abgesattelt.«

»Blitz! Da haben sie hier herum etwas vor! Habt Ihr nichts bemerkt?«

»Wie mir scheint, wollen sie die Schienen aufreißen, daß der Zug verunglückt, wenn er kommt, und ihn dann berauben.«

»Seid Ihr närrisch, Charley? Das wäre ja ein ganz außerordentlich gefährliches Ding für die Railroader samt ihren Passagieren! Woher wißt Ihr es?«

»Ich habe sie belauscht.«

»So versteht Ihr die Mundart der Ogellallahs?«

»Ja. Es war aber gar nicht nötig, denn die Pferdewache, in deren Nähe ich gelangte, sprach in deutlichen Pantomimen.«

»Das ist zuweilen trügerisch. Beschreibt mir doch einmal die Pantomimen, die Ihr gesehen habt!«

Ich tat es; der kleine Mann sprang empor, beherrschte sich aber und ließ sich wieder nieder.

»Dann habt Ihr sie richtig verstanden, und wir müssen dem Zuge Hilfe bringen. Aber wir wollen uns zum Beispiel nicht übereilen, denn solche bedeutende Dinge müssen mit Ruhe überlegt und besprochen werden. Also sechzig? Hm, ich bringe kaum noch zehn Kerben auf meine Büchse; wo schneide ich sie nachher hin?«

Ich hätte trotz der ernsten Situation beinahe laut gelacht. Das kleine Männchen hatte sechzig Indsmen vor sich und war, statt sich vor ihrer Überzahl zu fürchten, nur um den Platz für seine Kerben besorgt.

»Wie viel wollt Ihr denn niederstrecken?« fragte ich ihn.

»Das weiß ich zum Beispiel selbst noch nicht; ich denke aber, höchstens zwei oder drei, denn sie werden davonlaufen, wenn sie zwanzig oder dreißig Weiße bemerken.«

Er zog also ebenso, wie ich es bereits im Stillen gemacht hatte, den Umstand mit in Berechnung, daß wir durch das Zugpersonal und die Passagiere verstärkt werden müßten.

»Die Hauptsache ist,« bemerkte ich, »daß wir auch wirklich denjenigen Zug erraten, welchen sie überfallen wollen. Es wäre höchst verdrießlich, wenn wir die falsche Richtung einschlügen.«

»Nach ihren Pantomimen meinen sie den Mountainszug, der aus Westen kommt, und das wundert mich. Der Ostzug hat doch wohl bedeutend mehr von den Gütern oder Dingen bei sich, welche die Indsmen brauchen können, als der andere. Es wird uns da wohl nichts übrig bleiben, als uns zu teilen; der Eine geht nach Morgen und der Andere nach Abend.«

»Dazu sind wir allerdings gezwungen, wenn es uns nicht gelingt, Sicherheit zu bekommen. Ja, wenn wir wüßten, wie und wann die Züge gehen.«

»Wer soll das wissen! Ich habe all meine Lebtage noch nicht in so einem Ding gesteckt, das sie Waggon nennen, und in dem man vor Angst nicht weiß, wohin man seine Beine zu stecken hat; ich lobe mir die Prairie und meine Tony! An der Arbeit habt Ihr die Indsmen noch nicht getroffen?«

»Nein. Ich habe überhaupt nur die Pferde gesehen. Aus allem ist zu erraten, daß sie wissen, wann der Zug kommt, und, wie es scheint, werden sie vor nachts nicht an die Arbeit gehen. Es ist höchstens noch eine halbe Stunde bis zur Dämmerung, dann schleichen wir sie an, um vielleicht zu erfahren, was wir noch nicht wissen.«

»Well, so mag es sein!«

»Dann aber ist es nötig, daß sich einer von uns hier auf den Damm postiert. Es könnte ja möglich sein, daß es den Roten einfiel, sich hier auf der andem Seite heranzumachen; wenigstens denke ich, daß sie nach unserer Richtung die Schienen aufreißen werden, da sie den Angriffsplatz zwischen sich und dem Zuge herrichten müssen.«

»Ist nicht notwendig, Charley. Da seht Euch einmal die Tony an! Ich pflocke oder hobbele sie nie an; sie ist ein glorios kluges Viehzeug und hat eine Nase, auf die ich mich verlassen kann. Habt Ihr einmal ein Pferd gesehen, welches nicht schnaubt, wenn es einen Feind wittert?«

»Nein.«

»Nun seht, es gibt auch nur ein einziges, und das ist die Tony. Das Schnauben warnt zwar den Herrn des Pferdes, aber es verrät auch zweierlei, nämlich erstens, wo sich Pferd und Mann befinden, und zweitens, daß der Mann eben gewarnt worden ist. Daher habe ich es der Tony abgewöhnt, und das gescheite Viehzeug hat mich sehr verstanden. Ich lasse sie stets frei grasen, und sobald sie eine Gefahr wittert, kommt sie herbei und stößt mich mit dem Maul.«

»Und wenn sie einmal, wie zum Beispiel heute, nichts bemerkt?«

»Pshaw! Die Luft kommt gerade von den Indsmen her, und ich lasse mich von Euch auf der Stelle erschießen, wenn Tony nicht jede Rothaut auf tausend Schritte ankündigt. Übrigens haben diese Kerls Augen wie die Adler, und selbst wenn Ihr Euch der Länge nach auf den Damm legt, ist es möglich, daß sie Euch von weitem bemerken. Also bleibt nur ruhig hier, Charley!«

»Ihr habt recht, und ich will der Tony einmal ebenso vertrauen wie Ihr. Ich kenne sie noch nicht lange, aber ich habe doch beinahe schon die Überzeugung, daß man sich auf sie verlassen kann.«

Ich langte wieder eine meiner Selbstgefertigten hervor und steckte sie in Brand. Sam riß die kleinen Augen so weit wie möglich auf und tat mit dem Munde ganz dasselbe. Seine Nasenflügel erweiterten sich und sogen den Duft des Krautes begierig ein, während ein vollständiges Entzücken seine Züge verklärte. Der Westmann kommt nicht oft in die Lage, einen guten Tabak zu kosten und ist doch gewöhnlich dem Rauchen mit höchster Leidenschaft ergeben.

»O wonderful-! Charley ! Ists möglich, Ihr habt Zigarren?«

»Das versteht sich! Wohl noch ein Dutzend. Wollt Ihr eine?«

»Her damit! Ihr seid ein Kerl, von dem man einen ganzen Kürbis voll Achtung haben muß!«

Er brannte die seinige an der meinigen an, verschlang nach indianischer Gewohnheit den Rauch von einigen Zügen und blies ihn dann wieder aus dem Magen empor. Sein Angesicht zeigte dabei eine Verklärung, als sei er bis in den siebenten Himmel Mohammeds emporgestiegen.

»Hang sorrow, ist das ein Vergnügen! Soll ich raten, was es für eine Sorte ist, Charley?«

Ich langte wieder eine meiner Selbstgefertigten hervor und steckte sie in Brand. Sam riß die kleinen Augen so weit wie möglich auf und tat mit dem Munde ganz dasselbe. Seine Nasenflügel erweiterten sich und sogen den Duft des Krautes begierig ein, während ein vollständiges Entzücken seine Züge verklärte. Der Westmann kommt nicht oft in die Lage, einen guten Tabak zu kosten und ist doch gewöhnlich dem Rauchen mit höchster Leidenschaft ergeben.

»O wonderful-! Charley ! Ists möglich, Ihr habt Zigarren?«

»Das versteht sich! Wohl noch ein Dutzend. Wollt Ihr eine?«

»Her damit! Ihr seid ein Kerl, von dem man einen ganzen Kürbis voll Achtung haben muß!«

Er brannte die seinige an der meinigen an, verschlang nach indianischer Gewohnheit den Rauch von einigen Zügen und blies ihn dann wieder aus dem Magen empor. Sein Angesicht zeigte dabei eine Verklärung, als sei er bis in den siebenten Himmel Mohammeds emporgestiegen.

»Hang sorrow, ist das ein Vergnügen! Soll ich raten, was es für eine Sorte ist, Charley?«

»Ratet einmal! Seid Ihr ein Kenner?«

»Will es meinen!«

»Nun?«

»Goosefoot aus Virginien oder Maryland!«

»Nein!«

»Was! Dann irrte ich mich zum erstenmal. Es ist Goosefoot, denn diesen Geruch und diesen Geschmack kenne ich!«

»Es ist keiner!«

»Dann ist es sicher brasilianischer Legittimo!«

»Auch nicht!«

»Curassao aus Bahia?«

»Wieder nicht!«

»Nun, was denn?«

»Seht Euch die Zigarre an!«

Ich zog noch eine hervor, drehte sie auf und reichte ihm dann Deckblatt, Umblatt und Einlage hinüber.

»Seid Ihr verrückt, Charley, daß Ihr eine solche Zigarre zu Schanden macht! jeder Fallensteller gibt Euch unter Umständen, wenn er nämlich lange nicht geraucht hat, fünf bis acht Biberfelle dafür!«

»Ich werde in zwei oder drei Tagen wieder neue bekommen.«

»In drei Tagen ? Neue ? Woher denn?«

»Aus meiner Fabrik.«

»Was! Ihr habt eine Zigarrenfabrik?«

»Ja.«

»Wo denn?«

»Dort!«

Ich zeigte auf meinen Mustang.

»Charley, ich bitte Euch, macht mir nur dann einen Witz, wenn er zum Beispiel etwas taugt!«

»Es ist kein Witz, sondern Wahrheit.«

»Hm! Wenn Ihr nicht Old Shatterhand wäret, so dächte ich wirklich, daß es in Eurem Kopfe etwas zu viel oder zu wenig gibt!«

»Seht Euch erst den Tabak an!«

Er tat es mit aller Sorgfalt.

»Kenne ich nicht. Aber gut ist er, ausgezeichnet gut.«

»So will ich Euch meine Fabrik zeigen.«

Ich ging zu meinem Mustang, lockerte den Sattel und zog unter demselben ein kleines Kissen hervor, welches ich öffnete.

»Da, greift hinein!« Er zog eine Hand voll Blätter hervor.

»Charley, macht mich nicht zum Narren! Das sind ja lauter Kirschen- und Lentiskenblätter!«

»Richtig! Ein wenig wilder Hanf dabei, und das Deckblatt hier ist weiter nichts als eine Ochsenzungenart, die Ihr hier wohl Verhally nennt. Dieses Kissen ist wirklich meine Tabakfabrik. Finde ich eine Sorte von diesen Blättern, so sammle ich sie nach Bedarf, stecke sie in das Kissen und lege dasselbe unter den Sattel; es entwickelt sich Wärme; die Blätter gären da habt Ihr meine Kunst!«

»Unglaublich!«

»Aber wahr! Eine solche Zigarre ist allerdings nur ein höchst miserables Surrogat, und jeder Rippenpuffer, dessen Gaumen wie Büffelleder ist, wird höchstens einen Zug tun und sie dann wegwerfen; aber lauft einmal jahrelang in der Savanne umher und raucht dann ein solches Ding, so werden Euch die Ochsenzungenblätter wie der beste Goosefoot erscheinen. Ihr seht es ja an Eurem eigenen Beispiele!«

»Charley, Ihr steigt in meiner Achtung!«

»Verratet nur nichts davon, wenn Ihr einmal bei Leuten sitzt, die noch nicht im Westen waren! Man hält Euch sonst für einen Tungusen, Kirgisen oder Ostjäken, der seine Geschmacks- und Geruchswerkzeuge mit Teer eingerieben oder mit Pech verkleistert hat!«

»Tunguse oder Ostjäke, ist mir alles gleich, wenn nur die Zigarre schmeckt. Übrigens weiß ich gar nicht einmal, wo diese Art von Leuten zu finden ist.«

Er ließ sich durch die Enthüllung meines Fabrikationsgeheimnisses nicht im geringsten in seinem Genusse stören, sondern rauchte die Zigarre bis auf einen Stummel ab, der so winzig war, daß er ihn kaum noch zwischen den Lippen zu halten vermochte.

Mittlerweile hatte sich die Sonne gesenkt; die Dämmerung war hereingebrochen, und es begann so stark zu dunkeln, daß wir an unser Vorhaben denken konnten.

»Jetzt?« fragte Sam.

»Ja.«

»Wie denn?«

»Wir gehen miteinander bis zu den Pferden der Rothäute; dann teilen wir uns, beschleichen ihr Lager und stoßen hinter demselben wieder zusammen.«

»Gut! Und sollte etwas geschehen, was uns zur Flucht treibt, wobei wir uns verlieren können, so kommen wir von hier aus grad nach Süden am Wasser zusammen. Ein Urwald, der von den Bergen niedersteigt, streckt dort seine letzte Spitze weit in die Prairie hinein. Zwei Meilen von dieser Spitze aus, am südlichen Rande des Waldes, gibt es eine Prairiebucht, in der wir uns leicht finden können.«

»Gut! Also vorwärts!«

Es schien mir nicht wahrscheinlich, daß wir versprengt würden, doch war es klug und vorsichtig gehandelt, sich auf alle Fälle sicher zu stellen.

Wir brachen auf.

Jetzt war es bereits so dunkel, daß wir gefahrlos in aufrechter Stellung über die Bahn gehen konnten. Dann wandten wir uns links und schritten, das Messer im Falle einer feindlichen Bewegung zum Stoße bereit haltend, längs des Dammes dahin. Das Auge gewöhnt sich in der Prairie sehr bald an die Dunkelheit; wir hätten auf einige Schritte Entfernung hin jeden Indianer erkannt. An der Leiche des getöteten Weißen vorüber gelangten wir an den Platz, wo vorhin die Pferde gehalten hatten. Sie standen noch da.

»Ihr rechts und ich links!« raunte Sam und schlich von mir weg.

Ich wandte mich in einem Bogen um die Pferde herum und gelangte an einen von Gesträuch freien Platz, auf welchem die dunklen Gestalten der Indianer lagen. Sie hatten kein Feuer angezündet und verhielten sich so still, daß ich das Knistern eines Käfers in den Grasbüscheln zu hören vermochte. Etwas abseits von ihnen sah ich drei Gestalten sitzen, die Einzigen, die ein Gespräch zu führen schienen. Ich beschlich sie so vorsichtig wie möglich.

Als ich mich kaum noch sechs Schritte hinter ihrem Rücken befand, erkannte ich zu meinem Erstaunen in dem einen von ihnen einen Weißen. Was hatte dieser mit den Indsmen zu schaffen? Ein Gefangener war er nicht; das lag klar auf der Hand. Vielleicht war er einer jener Savannenklepper, welche es bald mit den Roten und bald mit den Weißen halten, je nachdem es ihre räuberischen Absichten erfordern. Er konnte allerdings auch einer jener Jäger sein, welche, von den Indianern gefangen genommen, sich ihr Leben dadurch retten, daß sie ein rotes Mädchen zur Squaw nehmen und nun fortan zu dem Stamme gehören. Dann aber wäre seine Kleidung, deren Bestandteile und Schnitt ich trotz der Dunkelheit ziemlich genau zu erkennen vermochte, eine mehr indianische gewesen.

Die beiden Anderen waren Häuptlinge, wie ich an den Rabenfedern erkannte, welche sie sich auf dem hoch aufgetürmten Schopfe befestigt hatten. Es schien also, als seien die Krieger von zwei verschiedenen Stämmen oder Dörfern zu dem beabsichtigten Unternehmen zusammengetreten.

Die Drei saßen am Rande des freien Platzes hart an einem Busche, welcher es mir ermöglichte, mich ihnen so zu nähern, daß ich vielleicht einige Worte ihres Gespräches erlauschen konnte. Ich schob mich zu ihnen hinan und lag bald in so unmittelbarer Nähe hinter ihnen, daß ich sie mit der Hand erreichen konnte.

Es schien eine Pause in ihrer Unterhaltung eingetreten zu sein. Das Schweigen währte wohl einige Minuten, dann fragte der eine Häuptling den Jäger in dem aus fremden und indianischen Worten gemischten Idiom, dessen sich der Indsman bedient, wenn er mit einem Weißen spricht:

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