Es schien eine Pause in ihrer Unterhaltung eingetreten zu sein. Das Schweigen währte wohl einige Minuten, dann fragte der eine Häuptling den Jäger in dem aus fremden und indianischen Worten gemischten Idiom, dessen sich der Indsman bedient, wenn er mit einem Weißen spricht:
»Und mein weißer Bruder weiß ganz genau, daß just mit dem nächsten Feuerroß das viele Gold kommen wird?«
»Ich weiß es,« antwortete der Gefragte.
»Wer hat es ihm gesagt?«
»Einer der Männer, welche bei dem Stalle des Feuerrosses wohnen.«
»Das Gold kommt aus dem Lande der Waikur?«
»Ja.«
»Und es soll zum Vater der Bleichgesichter gehen, der Dollars daraus machen will?«
»So ist es!«
»Der Vater der Bleichgesichter wird nicht so viel von dem Golde erhalten, daß er sich einen Half-Dollar daraus machen kann! Werden viele Männer auf dem Feuerrosse reiten?«
»Das weiß ich nicht; aber es mögen ihrer noch so viele sein, mein roter Bruder wird sie mit seinen tapfern Kriegern alle besiegen.«
»Die Krieger der Ogellallah werden viele Skalpe heimbringen, und ihre Frauen und Mädchen werden den Tanz der Freude tanzen. Werden die Reiter des Feuerrosses vieles bei sich haben, was die roten Männer brauchen können? Kleider, Waffen, Callico?«
»Das alles werden sie bei sich haben und noch viel mehr. Aber werden die roten Männer ihrem weißen Bruder auch geben, was er verlangt hat?«
»Mein weißer Bruder wird erhalten alles Gold und Silber, welches das Feuerroß mit sich führt. Wir brauchen es nicht, denn in unsern Bergen sind so viele Nuggets, als wir nur haben wollen. Ka-wo-mien, der Häuptling der Ogellallah« und dabei zeigte er mit dem Finger auf sich selbst »lernte einst ein kluges, tapferes Bleichgesicht kennen, welches sagte, das Gold sei nichts als deadly dust, geschaffen von dem bösen Geiste der Erde, um die Menschen zu Dieben und Mördern zu machen.«
»Dieses Bleichgesicht war ein großer Narr. Wie war sein Name?«
»Er war kein Narr, sondern ein sehr kluger und tapferer Krieger. Die Kinder der Ogellallah waren droben an den Wassern des Broad-fork versammelt, um sich die Skalpe einer Anzahl von Trappern zu holen, welche in ihrem Gebiete viele Biber gefangen hatten. Bei den Fallenstellern war ein weißer Mann, den sie für närrisch hielten, weil er Pflanzen und Käfer suchte und bloß gekommen war, um sich die Savanne anzusehen. Aber in seinem Kopfe wohnte die Weisheit und in seinem Arme die Stärke; seine Büchse fehlte nie, und sein Messer fürchtete sich nicht vor dem grauen Bären des Felsengebirges. Er wollte ihnen Klugheit geben gegen die roten Männer, sie aber verlachten ihn. Darum wurden sie alle getötet, und ihre Schädelhäute zieren noch heute die Wigwams der Ogellallah. Er hatte seine weißen Brüder nicht verlassen wollen und tötete viele rote Männer; aber ihrer waren so viele, daß sie ihn niederrissen, obgleich er stand wie die Eiche des Waldes, die alles zerschmettert, wenn sie fällt unter der Axt des Woodmannes. Er wurde gefangen genommen und nach den Dörfern der Ogellallah geführt. Sie töteten ihn nicht, denn er war ein mutiger Krieger, und manches Mädchen des roten Volkes wollte als Squaw mit ihm in seine Hütte gehen. Ma-ti-ru, der größte Häuptling der Ogellallah, wollte ihm das Wigwam seiner Tochter geben, oder er sollte sterben; er aber verschmähte die Blume der Prairie, raubte das Pferd des Häuptlings, stahl sich seine Waffen wieder, tötete mehrere Krieger und entkam.«
»Wie lange ist dies her?«
»Die Sonne hat seitdem vier Winter besiegt.«
»Und wie hieß er?«
»Seine Faust war wie die Tatze des Bären; er hat mit der bloßen Hand die Schädel vieler roten Männer und auch einiger Bleichgesichter zerschmettert; und daher nannten ihn die weißen Jäger Old Shatterhand.«
Es war wirklich eines meiner früheren Abenteuer, welches Ka-wo-mien erzählte. Jetzt erst erkannte ich ihn und auch den neben ihm sitzenden Ma-ti-ru, die mich einst gefangen genommen hatten. Der Erzähler hatte die Wahrheit berichtet, nur mußte ich ihm im Stillen den Vorwurf machen, daß er sich in Beziehung auf meine Person einer zu großen Ausschmückung bediente.
»Old Shatterhand? Den kenne ich!« antwortete der Weiße. »Er befand sich einst in dem Hide-spotEin gegen die Angriffe der Indianer und weißen Banden von den Jägertrupps angelegtes Versteck, in welchem sie sich und ihre Jagdbeute zu verbergen pflegen von Old Firehand, als ich dasselbe mit einigen wackeren Männern angriff, um uns ihre Ottern- und Biberfelle zu holen. Ich entkam damals mit noch zwei Mann und möchte wünschen, dem Halunken einmal zu begegnen. Er sollte sein Kapital mit reichlichen Zinsen zurück erhalten!«
Jetzt erkannte ich auch ihn. Er war der Anführer jener Bushheaders, die uns droben am Süd-Saskatschawan überfallen hatten, von uns aber so empfangen worden waren, daß nur diese Drei entkamen. Er war einer jener Prairieräuber, welche man mehr zu fürchten hat, als die wildesten Indianer, da sie die schlimmen Eigenschaften beider Rassen in doppeltem Maße in sich vereinigen.
Ma-ti-ru, der bis jetzt noch nicht gesprochen hatte, erhob seine Hand.
»Wehe ihm, wenn er wieder in die Hände der roten Männer fällt! Er würde an den Marterpfahl gebunden, und Ma-ti-ru nähme ihm jede einzelne Muskel von den Knochen. Er hat die Krieger der Ogellallah getötet, das beste Pferd des Häuptlings geraubt und das Herz der schönsten Tochter der Savanne von sich gestoßen!«
Hätten die drei Männer gewußt, daß der, gegen den sie solche Drohungen ausstießen, kaum drei Spannen weit hinter ihnen lag!
»Die roten Männer werden ihn niemals wieder sehen, denn er ist weit über das Wasser nach dem Lande gegangen, wo die Sonne wie Feuer brennt, wo der Sand größer ist als die Savanne, wo der Löwe brüllt und die Männer viele Weiber haben dürfen.«
Ich hatte an einigen Lagerfeuern gelegentlich erwähnt, daß ich nach der Sahara gehen wolle. Das war auch geschehen, und nun erfuhr ich bei meinem jetzigen Streifzug durch die Prairie zu meinem Erstaunen, daß die Kunde davon sogar schon zu den Indianern gedrungen war. Es schien mir hier mit dem Bowiekneif besser gelungen zu sein, ein bekannter Mann zu werden, als drüben in der Heimat mit der Feder.
»Er wird wiederkommen,« meinte Ma-ti-ru. »Wer den Atem der Prairie getrunken hat, dürstet nach ihr, so lange ihm der große Geist das Leben läßt!«
Darin hatte er recht. Wie der Gebirgsbewohner sich im flachen Lande bis zur Krankheit nach seinen Höhen sehnt und der Seemann nicht von dem Meere zu scheiden vermag, so tut es auch die Prairie jedem an, den sie einmal umfangen hat. Ich war wieder zurückgekehrt.
Jetzt deutete Ka-wo-mien nach den Sternen.
»Mein weißer Bruder sehe den Himmel an! Es ist Zeit, nach der Bahn des Feuerrosses zu gehen. Sind die eisernen Hände, welche meine Krieger dem weißen Diener des Rosses genommen haben, stark genug, seine Bahn zu zerreißen?«
Diese Frage sagte mir, wer der Ermordete gewesen war. Jedenfalls ein Bahnbeamter, welcher mit seinen Werkzeugen, die der Häuptling eiserne Hände nannte, die Strecke begangen hatte, um den Schienenweg zu revidieren.
»Sie sind stärker als die Hände von zwanzig roten Männern,« antwortete der Weiße.
»Und versteht es mein weißer Bruder, sie zu gebrauchen?«
»Ja. Die roten Männer mögen mir folgen! In einer Stunde wird der Zug ankommen. Doch meine Brüder mögen noch einmal bedenken, daß alles Gold und Silber mir gehört!«
»Ma-ti-ru lügt nie!« versicherte stolz der Häuptling, indem er sich erhob. »Das Gold ist dein, und alles Andere samt den Skalpen der Bleichgesichter gehört den tapfern Kriegern der Ogellallah.«
»Und ihr gebt mir Maultiere, um mein Gold zu tragen, und Männer, um mich zu beschützen auf dem Wege nach dem Canadian?«
»Und ihr gebt mir Maultiere, um mein Gold zu tragen, und Männer, um mich zu beschützen auf dem Wege nach dem Canadian?«
»Du bekommst Maultiere, und die Krieger der Ogellallah werden dich bringen bis an die Grenzen des Landes Aztlan. Und trägt das Feuerroß sehr viele Dinge, die Ka-wo-mien und Ma-ti-ru gefallen, so führen sie dich auch noch weiter bis an die große Stadt Aztlan, wo dein Sohn auf dich wartet, wie du erzähltest.«
Der Sprecher stieß einen Ruf aus, und sofort erhoben sich alle Indianer. Ich wandte mich zurück. Unweit der Stelle, an welcher ich gelegen hatte, vernahm ich ein leises Geräusch, als ob ein leichter Luftzug über die Halme ginge.
»Sam!«
Ich hatte das Wort mehr gehaucht als gesprochen, und doch richtete sich in der Entfernung von einigen Schritten die kleine Gestalt meines Gefährten halb und nur auf einen einzigen Augenblick empor.
»Charley!«
Ich kroch zu ihm hin.
»Was habt Ihr gesehen?« fragte ich ihn.
»Nicht viel; die Indsmen, grad wie Ihr.«
»Und gehört?«
»Gar nichts, kein einziges Wort. Und Ihr?«
»Sehr viel. Doch kommt! Sie brechen auf, jedenfalls nach Westen zu, und wir müssen eilen, daß wir unsere Pferde erreichen.«
Ich huschte voran, er mir nach. Wir gelangten an die Bahn und stiegen über den Damm nach der andern Seite desselben. Dort hielten wir an.
»Sam, geht zu den Pferden und reitet eine halbe Meile die Bahn entlang, wo Ihr auf mich wartet. Ich möchte die Roten doch nicht eher verlassen, als bis ich mich genau orientiert habe.«
»Kann ich das nicht auch auf mich nehmen? Ihr habt bisher so viel erspioniert, daß ich mich schämen muß, gar nichts getan zu haben.«
»Geht nicht, Sam! Mein Mustang gehorcht Euch; Euere Tony aber würde sich vielleicht von mir nicht fortbringen lassen.«
»Da habt Ihr zum Beispiel sehr recht, Charley, und deshalb will ich gehen!«
Er schritt aufrecht und schnell davon. Es wäre jetzt eine sehr überflüssige Mühe gewesen, darauf zu sehen, daß sein Fuß keine Fährte zurückließ. Er war kaum im Dunkel des Abends verschwunden, so erblickte ich, an der diesseitigen Böschung liegend, jenseits des Dammes die Indianer, welche einer hinter dem andern vorüberhuschten.
Ich folgte ihnen hüben in der Weise, daß ich immer parallel mit ihnen blieb. Nicht weit von der Stelle, wo ich den Hammer gefunden hatte, hielten sie an und bestiegen den Damm. Ich zog mich hinter die Büsche zurück und vernahm nach kurzer Zeit das Geklirr von Eisen an Eisen und dann laute Hammerschläge. Der Bushheader hatte sich an die Arbeit gemacht, mit den dem Bahnwärter abgenommenen Werkzeugen die Schienen von ihrer Unterlage zu reißen.
Nun war es Zeit. Ich verließ den Schauplatz des zu erwartenden Kampfes und eilte vorwärts. In fünf Minuten hatte ich Sam eingeholt.
»Sie arbeiten an den Schienen?« fragte er mich.
»Ja.«
»Ich habe es gehört. Wenn man das Ohr hier auf dieselben legt, vernimmt man zum Beispiel jeden Hammerschlag.«
»Jetzt vorwärts, Sam! In drei Viertelstunden kommt der Zug, und ich muß ihn erreichen, noch bevor sie seine Lichter sehen können.«
»Hört, Charley, ich gehe nicht mit!«
»Warum?«
»Verlassen wir beide den Platz, so müssen wir nachher mit einem nochmaligen Rekognoszieren eine kostbare Zeit verlieren; gehe ich aber zu den Indsmen zurück, um sie zu beobachten, so kann ich Euch bei Eurer Rückkehr sofort genau unterrichten.«
»Das ist wahr! Und Eure Tony?«
»Lasse ich hier. Sie geht nicht von der Stelle, bis ich wiederkomme.«
»Gut! Ich weiß, daß Ihr an der Sache nichts verderben werdet.«
»Ich nicht, darauf könnt Ihr Euch sehr verlassen. Also macht, daß Ihr fortkommt, Charley! Ihr werdet mich hier wiederfinden.«
Ich stieg aufs Pferd und ritt, so schnell es die Dunkelheit gestattete, dem zu erwartenden Zuge entgegen. Es war notwendig, diesen in einer solchen Entfernung von hier zu erreichen, daß die Indianer nicht bemerken konnten, daß er anhielt. Die Nacht ward allmählich lichter; die Sterne stiegen auf und warfen ihren milden Schein über die Prairie, so daß man auf einige Pferdelängen hin alles ziemlich deutlich zu erkennen vermochte. Mein Ritt nahm infolgedessen an Schnelligkeit fortwährend zu und wurde durch keine Störung unterbrochen, bis ich eine Strecke von vielleicht drei Meilen zurückgelegt hatte.
Hier hielt ich an, stieg ab, pflockte meinen Mustang an und hobbelte ihm zugleich die Vorderbeine zusammen. Der durch den Eisenbahnzug entstehende Lärm hätte ihn sonst veranlassen können, auszubrechen.
Jetzt suchte ich so viel Dürrgras wie möglich zusammen, legte Reisig auf dasselbe und fertigte mir dann eine Fackel, indem ich einige Büschel Gras auf einen Ast befestigte, den ich mir vom Busche brach. So vorbereitet, konnte ich des Zuges warten, legte meine Decke auf das Bahngeleis und setzte mich, um von Zeit zu Zeit das Ohr an die Schienen zu legen und dann wieder hinauszuforschen nach der Gegend, aus welcher der Zug kommen mußte.
Ich hatte kaum zehn Minuten gewartet, so vernahm ich ein leises, ganz leises Rollen, welches von Sekunde zu Sekunde stärker anschwoll. Dann erblickte ich in weiter Ferne einen kleinen, lichten Punkt, der mitten unter den hart über dem Horizonte stehenden Sternen auftauchte, aber kein Stern sein konnte, da er sich auffällig vergrößerte und schnell näher rückte. Der Zug nahte.
In kurzem teilte sich das Licht in zwei Punkte. Jetzt war es Zeit. Ich zündete den Asthaufen an, der sofort eine hochauflodernde Flamme gab, die bereits jetzt von dem Zuge aus bemerkt werden konnte. Das Rollen desselben nahm immer zu; schon vermochte ich den durch die beiden Lichter verursachten Lichtkeil zu bemerken, welcher vor der Maschine die Dunkelheit durchbrach. In einer Minute mußte er mich erreicht haben.
Ich brannte meine Fackel an und lief, sie um den Kopf wirbelnd, dem Zuge entgegen. Der Maschinist erkannte natürlich, daß ich ihm ein Zeichen zum Halten geben wollte; er stoppte; drei schrille Pfiffe erschallten kurz hintereinander; die Bremsen legten sich kreischend an die Räder; ein ohrzerreißendes Rauschen, Rollen, Zischen und Prasseln, und die Lokomotive hielt grad an der Stelle, wo mein Feuer am Bahndamme brannte. Der Maschinist neigte sich zu mir herab und fragte:
»Halloo, Mann, was soll Euer Zeichen bedeuten? Wollt Ihr vielleicht einsteigen?«
»Nein, Sir; ich möchte Euch grad im Gegenteil ersuchen, ab- und auszusteigen.«
»Fällt mir nicht ein!«
»Werdet es aber dennoch tun, denn da vorn sind Indianer, welche die Schienen aufgerissen haben.«
»Was sagt Ihr? Indianer? s death! Redet Ihr die Wahrheit, Mann?«
»Habe keine Gründe, das Gegenteil zu tun!«
»Was wollt Ihr?« fragte mich jetzt auch der Conductor, welcher abgestiegen und herbeigekommen war.
»Es sollen Rothäute vor uns sein,« antwortete ihm der Maschinist.
»Ists wahr? Habt Ihr sie gesehen?«
»Gesehen und belauscht. Es sind Ogellallahs.«
»Die schlimmsten, die es geben kann! Wie viel?«
»Ungefähr sechzig.«
»Zum Henker! Das ist in diesem Jahre bereits der dritte Überfall eines Zuges, den die Halunken unternehmen; aber wir werden sie heimschicken. Habe längst gewünscht, eine Gelegenheit zu finden, ihnen auf die Finger zu klopfen. Wie weit sind sie von hier?«
»Drei Meilen ungefähr.«
»Dann deckt die Lichter zu, Maschinist! Die Kerls haben scharfe Augen. Hört, Master, ich bin Euch großen Dank schuldig dafür, daß Ihr uns gewarnt habt! Ihr seid ein Prairiemann, wie ich an Eurem Habitus erkenne?«
»So etwas Ähnliches, ich habe noch einen bei mir, der die Roten beobachtet, bis wir kommen.«
»Das ist klug von Euch. Aber, gebt Raum, Ihr Leute! Die Sache ist ja gar kein Unglück, sondern verspricht uns sogar ein Vergnügen.«