»Wenn sie uns nicht vorher schon massakrieren!« bemerkte Will.
»Fällt ihnen nicht ein! Müßten doch auf Widerstand gefaßt sein. Würden zwar denken, uns überwältigen zu können, zwölf gegen drei, doch nicht ohne daß auch wir ihnen einige Kugeln oder Stiche in das Fleisch geben. Werden es also jedenfalls vorziehen, uns schwer betrunken zu machen, daß wir uns dann nicht zu wehren vermögen. Also keine Sorge, altes Greenhorn! Hast immer Angst. Sam Hawkens aber ist kein solcher Neuling wie Will Parker und weiß ganz genau, wieviel er wagen darf.«
Während dieses kurzen Gespräches thaten sie, als ob sie nach ihren Tieren sähen, die sich in der Nähe befanden, und traten dann in das Haus.
Rechts lag die Küche mit einem höchst primitiven Herd, auf welchem ein Feuer brannte; über diesem hatte die Negerin das Fleisch gebraten. Links standen zwei lange Tafeln, welche aus ungehobelten Pfählen und Brettern bestanden, daran je zwei Bänke aus demselben Materiale. Es war also für alle Anwesenden Platz zum Sitzen vorhanden. Das Weinfaß lag in der Ecke auf einem Klotze; der Ire füllte daraus zwei Krüge, aus denen getrunken wurde. Gläser gab es nicht.
Die Finders hatten sich vorgenommen, wenig zu trinken, bis ihre drei Gäste vollständig berauscht seien. Sie ließen also die Krüge fast ununterbrochen kreisen und thaten so, als ob sie tüchtig tränken, nahmen aber nur kleine Schlucke. Der Wein war aber wirklich gut; er schmeckte ihnen, und so kam es, daß ihre Schlucke immer größer wurden.
Auch der Braten war vorzüglich; man sprach ihm tüchtig zu und war mit ihm schon fast auf die Neige gelangt, als eine Unterbrechung des Mahles eintrat. Es erschien nämlich der schon erwähnte Führer der Auswanderer unter der Thür, hinter ihm der alte Schmidt und dann auch die drei andern Männer. Sie hatten ihre Gewehre bei sich, während diejenigen der Schmausenden weggelegt worden waren. Als sie die Scene kurz überblickt hatten, trat der Führer einige Schritte näher und sagte:
»Good evening, Mylords! Erlaubt ihr uns vielleicht, euch gesegnete Mahlzeit zu wünschen?«
»Warum nicht?« antwortete Buttler. »Würden euch gern einladen, mitzuthun; haben aber schon beinahe aufgegessen; Knochen, die wir euch geben könnten, gibt es nicht.«
»Thut uns leid. Also nicht mal Knochen? Da ists wohl gar Lende, was ihr euch geleistet habt?«
»Yes, eine feine Büffellende.«
»Laufen hier noch Büffel herum? Es wird wohl ein zahmes Rind gewesen sein?«
»Wohl möglich. Haben es aber als Büffellende gekauft.«
»Wo denn, wenn ich fragen darf?«
»In Rhodes Rancho im Thale von Santa Cruz, an dem wir vorübergekommen sind.«
»Das muß doch einen tüchtigen Pack gegeben haben, und wir haben keinen bei euch bemerkt, als ihr an uns vorüberrittet.«
»Weil jeder sein Stück bei sich trug, wenn Ihr nichts dagegen habt, Sir,« hohnlächelte Buttler.
»Well, Master. Wie aber kommt es denn, daß uns ein Ochse fehlt?«
»Fehlt euch ein Ochse? Ah, wie viele seid ihr denn gewesen?«
Die Finders belohnten diesen groben Witz mit einem schallenden Gelächter. Der Führer ließ sich dadurch nicht irre machen und fuhr fort:
»Ja, ein Zugochse ist uns abhanden gekommen. Habt ihr vielleicht eine Ahnung, Gentlemen, wohin er ist?«
»Habt ihr ihn uns vielleicht zur Bewachung anvertraut? Sucht ihn doch!«
»Das thaten wir natürlich und haben ihn gefunden.«
»So seid froh, Sir, und laßt uns mit diesem euerm Ochsen in Ruhe! Wir haben mit dem Beeste nichts zu schaffen.«
»Wahrscheinlich doch! Die Sache ist nämlich die, daß er fortgelockt und erstochen worden ist, mit einem schönen, regelrechten Stiche zwischen die beiden betreffenden Wirbel, einem Stiche, der den sofortigen und lautlosen Tod des Tieres zur Folge hatte. Das ist ganz die Art und Weise der Rinderdiebe, ihre Beute gleich in der Nähe abzuschlachten.«
»Well. So denkt ihr also, der Ochse sei euch gestohlen worden?«
»Das denken wir nicht nur, sondern wir sind überzeugt davon.«
»So jagt den Dieben nach! Vielleicht erwischt ihr sie. Das ist der einzige und beste Rat, den ich euch geben kann.«
»Wir haben ihn bereits befolgt. Sonderbarerweise nämlich fehlt an dem erstochenen Ochsen gerade nur die Lende!«
»Das finde ich nicht sonderbar, sondern ganz erklärlich. Die Diebe haben wohl gewußt, daß die Lende das beste und schmackhafteste Stück eines Rindes ist.«
»Well, sie sind also gleicher Ansicht mit euch gewesen, da ich ja sehe, daß euer Braten grad auch Lende war, wahrscheinlich die Lende eines Zugochsen, nicht aber diejenige eines Büffels.«
Da stand Buttler von der Bank, auf welcher er sitzen geblieben war, auf und fragte in drohendem Tone:
»Was soll das heißen, Sir? Bringt Ihr etwa unsern Braten mit der Lende des gestohlenen Rindes zusammen?«
»Ja, das thue ich allerdings, und ich hoffe, daß ihr nichts dagegen habt.«
Im Nu hatte Buttler sein Gewehr in der Hand, und auch seine Gefährten sprangen auf, die ihrigen zu ergreifen.
»Mann,« rief er dem Führer zu, »wißt Ihr, was Ihr thut, was Ihr wagt? Wollt Ihr etwa behaupten, wir seien die Diebe, welche Ihr sucht? Seht diese zwölf Gewehre auf Euch gerichtet, und wiederholt die Anschuldigung, welche Ihr ausgesprochen habt!«
»Fällt mir nicht ein! Ich habe meine Pflicht gethan und bin nun fertig. Ich bin der Führer der Männer, welche da hinter mir stehen; sie sind Deutsche und können nicht englisch sprechen. Was ich sagte, habe ich in ihrem Namen gesagt und kann nun gehen. Ich bin ihr Scout, aber nicht ihr Ochsenhirt; was nun zu thun ist, mögen sie selber thun.«
Er drehte sich um und ging fort. Dieser Mann hatte von seinem Standpunkte aus ganz recht; er war ein Mietling und that nur das, wofür er bezahlt wurde. Er hatte eigentlich schon zuviel gethan, indem er sich eines abhanden gekommenen Rindes wegen vor die drohenden Läufe dieser gefährlichen Leute wagte. Die Deutschen hatten wahrscheinlich gemeint, er werde diese Angelegenheit zu Ende führen, denn sie standen, als er sich entfernt hatte, zunächst wie ratlos da, bis dem alten Schmidt ein Auskunftsmittel in den Sinn kam. Er wendete sich nämlich an Sam Hawkens, welcher mit seinen beiden Freunden ruhig weitergegessen und scheinbar auf sonst nichts geachtet hatte.
»Herr Falke, haben Sie gehört, was unser Führer gesagt hat?«
»So ziemlich,« antwortete der Kleine, indem er ein Stück Fleisch in den Mund schob.
»Wir haben es nicht verstanden. Hielt er diese Leute für die Diebe?«
»Ja.«
»Und das sagte er ihnen?«
»Ja.«
»Was war die Folge?«
»Die Folge? Hm, die Folge war, daß er dann fortging.«
»Alle Teufel! Soll ich mir etwa meinen Ochsen stehlen lassen!«
»Sollen? Sie haben sich ihn stehlen lassen, wenn ich mich nicht irre.«
Bei diesen letzteren Worten, auf welche er besonders aufmerksam gemacht worden war, horchte Schmidt auf. Dann fuhr er fort:
»Das muß aber doch bestraft werden!«
»Von wem?«
»Vom Gerichte. Und ich muß Schadenersatz bekommen!«
»Von wem?«
»Von den Spitzbuben.«
»So redet mit dem Gerichte und auch mit den Spitzbuben.«
»Ich verstehe ja nicht englisch!«
»Ihr könntet auch nichts machen, wenn Ihr es verständet.«
»So helfen Sie mir doch! Sie sind ein Deutscher, also ein Landsmann von uns und müssen sich unsrer annehmen.«
»Ich muß? Was könnt Ihr von der Hilfe eines Hanswurstes erwarten? Hättet Ihr meinen Rat befolgt, eine Wagenburg gebildet und Euer Vieh bewacht, so wäre Euch der Ochse nicht gestohlen worden. Ich kann nichts für Euch thun, gar nichts.«
»Aber hier sitzen, mit den Spitzbuben gemeinschaftliche Sache machen und von dem gestohlenen Braten essen, das können Sie wohl, nicht?«
»Ich muß? Was könnt Ihr von der Hilfe eines Hanswurstes erwarten? Hättet Ihr meinen Rat befolgt, eine Wagenburg gebildet und Euer Vieh bewacht, so wäre Euch der Ochse nicht gestohlen worden. Ich kann nichts für Euch thun, gar nichts.«
»Aber hier sitzen, mit den Spitzbuben gemeinschaftliche Sache machen und von dem gestohlenen Braten essen, das können Sie wohl, nicht?«
»Ja, das kann ich, denn ich bin von ihnen zum Mitessen eingeladen worden, wenn ich mich nicht irre.«
Wieder horchte Schmidt auf, als er diese Worte hörte. Das war ja genau die Redensart, deren sich Sam Hawkens zu bedienen pflegte! Dann stieß der Deutsche den Kolben seines Gewehres wütend auf den Fußboden und rief:
»Dann danke ich für die Landsmannschaft und werde mir selber helfen!«
»Wie wollt Ihr das anfangen?«
»Ich zwinge diese Schufte, mich zu bezahlen!«
»In welcher Weise?«
»Durch Gewalt. Wir sind vier Personen und haben unsre Gewehre!«
»Und hier stehen zwölf verwegene Männer euch gegenüber, welche ebenso gute Gewehre besitzen. Begeht keine Dummheit! Der Ochse ist dadurch, daß ihr euch in eine offenbare Lebensgefahr begebt, nicht wieder lebendig zu machen.«
»Das weiß ich auch; aber wo bleibt das Geld, welches er mich kostet?«
»Diese Leute haben kein Geld, und selbst wenn sie welches besäßen, würdet Ihr es ihnen durch Gewalt nicht abzuzwingen vermögen.«
»Soll ich etwa List anwenden?«
»Dazu seid Ihr nicht der Mann. Ein Bär ist kein Fuchs und ein Tolpatsch kein Pfiffikus, wenn ich mich nicht irre.«
Schon wollte Schmidt wegen des Tolpatsches eine grobe Antwort geben, als die letzteren Worte ihn von diesem Vorhaben abbrachten. Er fragte rasch:
»Wenn ich mich nicht irre! So haben Sie jetzt schon dreimal gesagt. Heißen Sie wirklich Falke?«
»Ja, wenn ich mich nicht irre.«
»Und bringen doch immer diese Worte, welche die Redensart eines andern Westmannes sein sollen.«
»Welches Mannes?«
»Schi-So hat mir seinen Namen gesagt; ich habe ihn aber wieder vergessen.«
»Schi-So?« fragte Sam, sichtlich überrascht. »Wer ist das?«
»Ein junger Begleiter von uns, der Sohn eines Navajohäuptlings, welcher Nitsas-Ini heißt.«
Da machte Sam eine Bewegung der Freude und rief aus:
»Nitsas-Ini? Sein Sohn ist bei euch? Kommt er aus Deutschland zurück?«
»Ja; er ist mit uns herübergefahren.«
»Ausgezeichnet, ausgezeichnet! Da es so steht, sollen Sie mich nicht umsonst um meinen Beistand gebeten haben. Kehren Sie nun ruhig in Ihr Lager zurück; Sie werden Ihren Ochsen ersetzt bekommen.«
Hatte er vorher Ihr zu ihm gesagt, so begann er nun, ihn Sie zu nennen. Die Nachricht, welche er soeben empfangen hatte, mußte ihn also umgestimmt haben.
»Das sagen Sie wohl nur, um mich loszuwerden?« fragte Schmidt mißtrauisch.
»Nein. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß Sie volle Entschädigung erhalten werden, und vielleicht noch mehr als das. Wieviel hat der Ochse gekostet?«
»Hundertdreißig Dollar.«
»Die erhalten Sie. Ich sage es Ihnen, und also ist es wahr, wenn ich mich nicht irre.«
»Schon wieder: Wenn ich mich nicht irre! So sind Sie wohl der Westmann, welchen Schi-So meint?«
»Jedenfalls bin ich es, denn ich weiß, daß mir diese Worte sehr oft über die Zunge schlüpfen, ohne daß ich es beabsichtige. Es ist eine Angewohnheit von mir, welche abzulegen ich mir vergeblich Mühe gegeben habe. Ich habe Schi-So früher sehr oft gesehen, wenn ich mich als Gast bei dem Stamme seines Vaters befand. Sagen Sie ihm, daß ich mit dem Frühesten hinaus in das Lager kommen werde, um ihn zu begrüßen. Wo befand er sich denn, als ich gegen Abend draußen war?«
»Er war nach dem Flusse geritten.«
»Und Ihr Scout, den ich auch nicht sah?«
»Der war fort, um vielleicht einen wilden Truthahn zu schießen. Ich werde ihm eine Predigt darüber halten, daß er uns hier so schmachvoll verlassen hat.«
»Das wird Ihnen keinen Nutzen bringen. Wenn Sie ihn nicht dafür bezahlen, daß er Sie und alle Ihre Habe vor jeder Gefahr zu schützen hat, können Sie nicht verlangen, daß er sich selbst in Gefahr begibt. Also gehen Sie jetzt! Ihr längeres Bleiben hat keinen Zweck, sondern nur den Erfolg, diese Leute hier noch mehr gegen Sie aufzuregen.«
»Sie werden aber Wort halten?«
»Gewiß; Sie können sich darauf verlassen.«
»So will ich gehen, und niemals wieder soll es mir vorkommen, daß ich mir etwas stehlen lasse.«
»Wenn Sie nicht verständiger handeln, als Sie heut gehandelt haben, werden Sie noch oft Schaden erleiden, bis Sie endlich klüger geworden sind.«
»Haben Sie keine Sorge. Ich werde von jetzt an sehr darauf achten, wenn mir jemand einen guten Rat erteilt.«
»So will ich das benutzen und Ihnen gleich jetzt den Rat geben, niemals wieder, wenigstens im wilden Westen nicht, einen Menschen nach dem Anzuge zu taxieren, den er auf dem Leibe trägt. Kleider machen hier nicht Leute; das merken Sie sich!«
Als Schmidt mit seinen drei Männern das Haus verlassen hatte, fragte Buttler den Kleinen:
»Wir haben kein Wort verstanden. Was meinte denn der Kerl?«
»Er verlangte Schadenersatz.«
»Und was habt Ihr geantwortet?«
»Ihn fortgeschickt.«
Sam sagte damit keine Lüge, aber auch nicht, daß er Ersatz versprochen hatte. Der Finder fühlte sich befriedigt und meinte:
»Es war sein Glück, daß er Euch gehorcht hat. Wir sind nicht gewohnt, mit Deutschmen viel Federlesens zu machen. Jetzt aber setzt Euch wieder nieder. Wir wollen zeigen, daß diese Dummköpfe uns den Appetit nicht verdorben haben.«
Das Essen und Trinken begann von neuem; das erstere währte nicht lange mehr, da nur der Rest noch zu verzehren war; desto mehr wurde sich dann auf das letztere verlegt. Als das Faß halb geleert war, gab sich Sam den Anschein, als ob der Wein eine berauschende Wirkung auf ihn zu äußern beginne, und Dick und Will folgten seinem Beispiele. Das freute die Finders außerordentlich; sie sahen ihre Absicht gelingen, glaubten, daß es nur noch kurzer Zeit bedürfen werde, ihre Opfer einzuschläfern, und sprachen nun den Krügen noch mehr als vorher zu. So verging Viertelstunde auf Viertelstunde. Sam that, als ob er nur noch mit Mühe die Augen offen zu halten vermöge; den Finders begannen die ihrigen auch zuzufallen, doch nicht zum Scheine, sondern aus wirklicher Betrunkenheit; sie hatten vorher zuviel Schnaps zu sich genommen.
Der erste, welchen das Trinken vollständig übermannte, war der Irländer. Er setzte sich am Herde nieder, schlief ein, nickte tiefer und immer tiefer und fiel dann endlich, ohne aufzuwachen, auf den Boden nieder, so lang er war.
Sam hatte dem Anführer sehr fleißig zugetrunken, und dieser bekam einen solchen Rausch, daß er den Kopf in die Hände und die Ellenbogen auf die Tafel stemmen mußte, um ihn zu halten. Er merkte sehr wohl, daß der Wein ihn übermannen wolle, und gedachte, sich keine Blöße vor seinen Leuten geben zu dürfen. Darum blinzelte er ihnen verstohlen, wie er meinte, zu; sie sollten denken, daß er sich bloß verstelle. Die ganz natürliche Folge davon war, daß sie glaubten, sich denselben Anschein geben zu sollen, dies war ihnen außerordentlich lieb, und so trat in der erst so lauten und beweglichen Gesellschaft bald die größte Ruhe und Stille ein.
Da stand Hawkens auf, um die Krüge zu füllen. So lange noch ein Tropfen in dem Fasse war, weckte er bald den einen, bald den andern auf, um ihn zum Trinken zu nötigen.
Endlich war das Faß leer und die Finders schliefen alle einen tiefen, tiefen Schlaf, aber nicht den der Gerechten. Sam machte die Probe, indem er einige von ihnen weckte. Sie lallten, ohne zur richtigen Besinnung zu gelangen, unverständliches Zeug und fielen wieder zusammen. Einer von ihnen stierte mit leblosen Augen vor sich hin und fragte: