Briefe an Ludwig Tieck 4 - Various 7 стр.


Ich habe mir diese Tage die Sache nur aus den Gesprächen mit Koref, auf dessen Reden an sich, rücksichtlich der Wahrhaftigkeit, nicht viel zu geben ist, und mit Nicolovius, abstrahirt. Koref fügte hinzu, daß, da Sie auf den Antrag gar nicht geantwortet hätten, er die Sache als abgethan habe ansehn müssen. Nach Nicolovius ist inzwischen zwar über Solgers Gehalt verfügt, nicht aber über die Professur, so daß Sie noch immer würden eintreten können, wenn die Rücksichten, die Sie mir mündlich mitteilten, nicht dagegen entschieden. Die Vorlesungen selbst könnten Sie auch nach Nicolovius Meinung sich mit voller Bequemlichkeit selbst einrichten, da es nur darauf ankommt, Ihnen einen Fuß in den Bügel zu verschaffen. Herr v. Altenstein wird hiezu gern die Hand bieten, besonders, da es scheint, daß Sie die Gunst des Kronprinzen für Sich haben, mit dem er vielleicht in andrer Weise zerfallen ist. Das Gehalt wird wieder angewiesen. Den Plan, Ihnen auch ohne die Annahme der Professur vorläufig ein Wartegeld zu verschaffen, müssen wir jetzt, wie die Sachen dermalen liegen, und in Rücksicht auf die Persönlichkeit des Königs, unstreitig aufgeben. Können Sie daher Ihre Bedenklichkeiten gegen die Annahme der Solgerschen Professur überwinden, so will ich bei Herrn von Altenstein sogleich das Weitre einleiten. Vielleicht machen Sie mich mit Bedingungen bekannt, unter denen Sie sich geneigt erklären könnten; ich bin im voraus versichert, man wird Ihnen Alles zugestehen, und Sie sehr bereitwillig in eine Lage setzen, in der Ihre literarische Thätigkeit durch den Amtsberuf zu Vorlesungen nicht im geringsten beeinträchtiget wird. Kurz, man wird Sie gern so setzen, daß das Gehalt, wenn auch nicht dem Namen, doch der That nach, ein Wartegeld seyn wird, und die Zeit wird, wenn Sie nur erst hier und in einer Art von Praxis sind, bald herbeigeführt werden können, Sie nützlicher und für Sie einträglicher zu beschäftigen. Daß dabei auf Ihre Gesundheit immer eine Hauptrücksicht genommen werden müsse, versteht sich von selbst.

Die anderweite Organisation der Akademie ist, wie Herr von Altenstein selbst äußert, im weiten Felde. Er scheint sie ganz aufzugeben; indeß bin ich dieser Meinung so wenig, daß ich vielmehr glaube, der König sei für diese Maasregel noch am ersten zu gewinnen. Nur müssen die Künste einen kräftigern Fürsprecher haben, als Herr von Altenstein zuweilen ist. Immer, kann ich keinesweges behaupten. Sie selbst würden darauf einwirken können, wenn Sie hier sind.  Sie hatten sich vorgenommen, selbst an Herrn v. Altenstein zu schreiben, und ich würde jetzt noch mehr dazu rathen, als ich es mündlich in Dresden schon gethan, sobald Sie sich über die Annahme der Professur entschieden haben. Denn wenn es für diesen Zweck auch wesentlich nicht erforderlich seyn würde, so dürfte es doch schon für eine verbesserte Stellung in Ansehung des Gehalts von Nutzen seyn. Ich erinnere mich aber besonders noch aus frühern Jahren, welchen Eindruck ein Schreiben Adam Müllers, der damals in die dermalige Verkehrtheit noch nicht übergegangen war, obschon auf dem Wege dazu, auf ihn machte, und mit welcher Wärme er sich zu seinem Beschützer erklärte. Müllers Dialektik hatte nur wenigen Theil.

Ich sehe Ihrer gütigen Antwort baldmöglich entgegen und empfehle mich unter Versicherung der unveränderten Hochachtung und treuen Ergebenheit in Ihre freundschaftliche und wohlwollende Erinnerung

Staegemann.

II

Berlin, 21. Mai 1836.Verehrungswürdiger Freund!

Ich bin nach dem Tode meiner verewigten Frau von unsern Töchtern beredet worden, einen Theil meiner, ihr gewidmeten Gedichte, die sich ein halbes Jahrhundert hindurch schlugen, in handschriftlicher Form drucken zu lassen, und so ist die Sonetten-Samlung entstanden, deren beiliegendes Exemplar wohlwollend anzunehmen ich Sie freundschaftlich bitte. Entschuldigen Sie geneigt, daß es später geschieht, als billig. Es kam mir aber vor, als ob solche kunstlose Herzens-Ergießungen, die nur der bis zum lezten Hauch angebeteten Freundin gefallen wollten, in ihrer zum Theil veralteten Erscheinung sich unter die Augen von Kennern schicklich nicht wagen sollten. Auch haben die rühmenden Anzeigen in einigen Zeitblättern meine Scheu keineswegs beseitigt, da ich sehr wohl weiß, was davon zu halten ist, wohl aber hat ein Brief von Schlegel aus der neuesten Zeit mich ermuthigt, auch in Ihre Erinnerung durch diese Mittheilung mich um so mehr zurückzurufen, als meine selige Frau sich zu Ihren Freundinnen zählte, und dessen besonders würdig war. Ich habe von jeher eine Abneigung gehabt, von meinen poetischen Productionen etwas drucken zu lassen, weil ich die Stunden, die ich daran gewendet, fast jederzeit den drückendsten Amtsverhältnissen habe abringen müssen, woraus niemals etwas Rechts werden kann, und nur der Haß gegen die Napoleonische Zeit und der Widerwille gegen die konstitutionellen Himmelsstürmer hat mich, zu meinem eigenen, nachmaligen Aerger, in Bewegung bringen können, da mein Gemüth ganz andre Neigungen hat, wie ich unter den Gedichten an meine selige Frau noch aus dem December 1805 eines vorgefunden habe, worin es heist:

mein Kriegs-Lied ist ein zart Sonett
Auf Amors sanfte Macht;
mein Feldgeschrei: Elisabeth
Bei Tag und stiller Nacht.

Die Zeit hat es anders gefügt, bald nach jenem December.

Meine Tochter Hedwig empfiehlt sich mit mir Ihrem wohlwollenden Andenken. Unter Versicherung der treusten Verehrung und Ergebenheit

Staegemann.

Steffens, Henrik

Geboren am 2. Mai 1773 zu Stavanger in Norwegen, gestorben am 13. Febr. 1845 in Berlin.

Ueber die Idee der Universitäten (1809.) Ueber geheime Verbindungen auf Universitäten (1835.) Die gegenwärtige Zeit und wie sie geworden, 2 Bde. (1817.) Die Carrikaturen des Heiligsten, 2 Bde. (181921.) Anthropologie (1822.) Von der falschen Theologie und dem wahren Glauben (1824.) Wie ich wieder Lutheraner wurde (1831.) Was ich erlebte, 10 Bde. (184045.)

Romane: Die Familien Walseth und Leith, 3 Bde. (1827.) Die vier Norweger, 6 Bde. (1828.) Malcolm, 2 Bde. (1831.) Novellen &c. &c.

Daß der edle Norweger niemals ganz richtig deutsch lernte, und dennoch einer der begeisterndsten Redner in deutscher Sprache gewesen ist, wissen Alle die einst so glücklich waren, seine collegia zu hören. Was er für den Druck schrieb, ist durch nähere Freunde, oder durch den Hrn. Verleger von allerlei physisch statt psychisch, Muscheln statt Muskeln, mirs michs ihms dies &c. &c. gesäubert worden, wies recht und billig war. Seine Briefe, aus denen der Mensch zum Menschen aus der Ferne spricht, wollten wir nicht korrigiren. Mögen sie gedruckt werden, wie sie sind; mögen sie Lesern, die seine Hörer gewesen zu sein sich heute noch freuen, das lebendige Bild des theuren, edlen Verstorbenen recht lebhaft ins Gedächtniß rufen, mit seinen Schwächen,  mit seiner Größe, seiner unwiderstehlichen Persönlichkeit; ja, mit all den Erinnerungen aus einer mit ihm begrabenen Zeit!

Hatte er sie und sich doch fast schon überlebt, bevor er starb. Wohl ihm, daß er noch zu rechter Stunde die Augen schloß! Wir hätten sonst wohl gar auch hören können, wie der erste Freiwillige von 1813 fünfunddreißig Jahre später mit splendiden Katzenmusiken bedacht worden wäre! Derselbe Steffens, der im Jahre 1809 als Professor in Halle die Idee der Universitäten jener napoleonischen Zwingherrschaft in den Bart geworfen.

I

Tharand, d. 22. Jul. 1801.Theuerster Freund!

Da das Wetter Ihnen kaum erlauben wird, sobald hier hinauszukommen, auch mir in Tharand gefangen hält, so muß ich nothwendig ein Mittel ersinnen, mir wenigstens, so gut es gehen will, von ihrem Treiben und von dem Befinden ihrer Familie kurze, jedoch gründliche Nachricht zu verschaffen. Ich kenne in der That nichts grausameres, als einen Mantel in solchem Wetter zu behalten, und schicke Ihnen daher den Ihrigen, mit dem verbindlichsten Dank (NB. Lebensart) zurück.  Auch drey Strausfedern folgen hiermit. Bitte mich gehorsamst ein paar Volksmärchen aus, welche richtig, nachdem ich sie consumirt habe, wieder zurückgeschickt werden sollen.

I

Tharand, d. 22. Jul. 1801.Theuerster Freund!

Da das Wetter Ihnen kaum erlauben wird, sobald hier hinauszukommen, auch mir in Tharand gefangen hält, so muß ich nothwendig ein Mittel ersinnen, mir wenigstens, so gut es gehen will, von ihrem Treiben und von dem Befinden ihrer Familie kurze, jedoch gründliche Nachricht zu verschaffen. Ich kenne in der That nichts grausameres, als einen Mantel in solchem Wetter zu behalten, und schicke Ihnen daher den Ihrigen, mit dem verbindlichsten Dank (NB. Lebensart) zurück.  Auch drey Strausfedern folgen hiermit. Bitte mich gehorsamst ein paar Volksmärchen aus, welche richtig, nachdem ich sie consumirt habe, wieder zurückgeschickt werden sollen.

Uebermorgen erhalten Sie einen cabbalistischen Aufsatz. Mein Genius hat mir wieder angesprochen und mir wahrlich sonderbare Dinge von 1235 aus 7 zu 37 aus 2 zu 5 das vernünftige Decimal- und das mystische Duodecimalsystem entdeckt. Ich glaube, daß sie selbst sich ergözen werden über das Zählen der Natur das bedeutender ist, als man glaubt.  Ich werde recht zum Schreiben getrieben und bin jetzt, natürlich, nur wenig gestört. Wie wünschte ich bey Ihnen zu seyn.  Vieles würde sich in Gesprächen leicht entwickelt, was mir jetzt entgeht.

Sie können alle Tage mit der Botenfrau, die diesen Brief bringt ein paar Zeilen nach Tharand spediren.

Diesmahl bitte ich mir wirklich aus, daß Sie mir mit ein paar Zeilen schreiben: wie Sie und Ihre Familie sich befindet: ob Gustav noch krank ist.

Grüßen Sie die Madem. Hanna, Dorothea, Elisabeth Reichard, und sagen Sie Ihr, daß mein Genius mich ihre Hand im Traume gezeigt hat, daß ich ihr ganzes zukünftiges Schicksal kenne und daß Sie erstaunen wird so wenig hilft es sich zu sträuben.  Ich freue mich darauf die Hände, die ich nicht sehen darf, wenigstens mit zugemachte Augen, küssen zu dürfen.

Leben Sie wohl und grüßen Sie Ihre Frau recht sehr.

Steffens.

II

Halle, d. 3. Junii 1802.Bester Freund!

Ich muß Ihnen nothwendig von hier aus schreiben, und wähle dazu lieber einen jungen Menschen, der wenigstens nicht stören wird, wenn er einige Stunden in Ihrem Hause zubringt, und mancherley sagen kann, was zu schreiben zu weitläufig wäre. Die bewußte Sache, die ihm, wie ich glaube, unbekannt ist (obgleich man hier in Halle feine Nasen zu haben scheint), erwähne ich nur, um Ihnen zu sagen daß ich jetzt überaus glücklich bin.  In ein paar Tage reise ich weg, um Tag und Nacht nach Copenhagen zu eilen. Ich erwarte wenigstens in Copenhagen ein paar Zeilen von Ihnen zu finden, um zu erfahren, wie Sie und Ihre Familie sich befindet. Sie werden mir verzeihen, wenn die neue Freude die ich erst seit gestern kenne mich verhindert weitläuftig zu seyn. Aus Hamburg schreibe ich einmahl einen Brief. Grüßen Sie Ihre Frau Mamsel Alberti und Dorothea. Ich habe mir vorgesezt alles so in Ordnung zu bringen, daß ich in ein 56 Monathe wieder in Deutschland sein kann. Wie freue ich mich darauf, Sie und Ihre Familie dann wieder zu sehen. An den nordischen Sachen werde ich gleich Hand legen. Sie sollen mir in dem fremden Vaterlande in Ihre Gesellschaft bringen. Ihre Schwester und Bruder sind doch noch in Dresden und kennen mich doch hinlänglich um einen Gruß von mir annehmen zu können?

Verzeihen Sie mir die Verworrenheit des Briefes und leben Sie nochmahls wohl.

H. Steffens.

Sie wissen wohl daß Fr. Schlegel die Aufführung des Alarcos noch abgewartet hat bey Goethe?  Der Teufel hole sonst die vornehme Art, mit welche man hier über Kunst urtheilt.  A. W. Schlegel ist wohl abgereist? Der Ueberbringer dieses Briefs heißt Rotte, ist aus Lübeck und ein Stiefsohn der Doctorin oder der Doctor Schlösser.

III

Hildesheim, d. 24. December 1806.Lieber Tieck!

Auf eine erfreulichere Weise konnte ich, in so bedrängten Zeiten nicht Nachricht von Dir erhalten. Ich gestehe, daß es mir leid that zu erfahren, daß Du mir so nahe vorbeigereist warst, indessen wußte ich wohl, daß Du mich nicht vergessen hättest, und die Art, wie Du Dir meiner wieder erinnerst, ist mir die angenehmste.

Ich will Dir alles schreiben, und wirst sehen, daß es meine Absicht keinesweges ist, Deutschland zu einer Zeit zu verlassen, die vielleicht bedenklich ist, aber meine Thätigkeit und meinen Wirkungskreis doch nicht aufhebt.

Als in Halle die Universität gestöhrt war und ich nun ohne Unterhalt war, schrieb ich an meine Brüder und bath sie sich zu erkundigen, ob ich in dem Falle, wenn alles hier unglücklich gienge, eine Anstellung in Dännemark erwarten konnte. Meine Brüder, über meine Lage nach meinen Nachrichten, und noch mehr durch das Gerücht erschrocken, wandten sich unmittelbar an den Kronprinzen, der wiederholt sagte: ich möchte nur zu Hause kommen, auch Schimmelmann ließ mich bitten zurückzukehren. Der Kronprinz both mir Reisegeld an und Schimmelmann schickte mir eine Summe. Das königliche Reisegeld nahm ich nicht an, um nicht gebunden zu sein.  Nach dem aber, was geschehen war, sahe ich es für nothwendig an, mich in Dännemark zu stellen. Kehrte ich nach einer solchen Aufforderung nicht zurück, so würde ich alle meine Aussichten in meinem Vaterland auf immer vernichten. Nun bin ich aber wirklich Däne, kann nie aufhören es zu sein, und bin der Regierung große Verpflichtungen schuldig, auch habe ich eine sehr große Neigung Norwegen zu untersuchen und ein Plan wissenschaftlicher Beobachtungen, den ich längst entworfen habe, von der Regierung unterstützt, dort zu realisiren. Ferner habe, wie es sich nicht leugnen läßt, in Dännemark mächtige Feinde, aber auch mächtige Freunde (wie der Kronprinz und Schimmelm.), beides aber macht meine Lage dort sehr interessant und wenn ich die gegenwärtige Umstände, die mir in einer unmittelbaren Verbindung mit dem Kronprinzen bringt, benützen wollte, so leidet es keinen Zweifel, daß ich mir ein schönes Loos in Dännemark bereiten könnte.

Dieses alles habe ich genau erwogen auf der andern Seite aber fühle ich es wohl, daß ich zum deutschen Docenten gebohren bin, daß die Freiheit der Gesinnung, die tiefe Empfänglichkeit der Schüler in meinem Vaterlande nicht zu erwarten ist, daß ich wahrlich unglücklich sein würde, wenn ich nicht an dem, was jetzt geschehen soll, Theil nehmen könnte. Endlich finde ich es schlecht in so bedenklichen Zeiten seine Stelle zu verlassen und dies hat bei mir entschieden.  Ich weise alle Anträge in Dännemark bestimmt ab, und habe dieses dem Massov schon geschrieben. Ich kann es thun, ohne den Kronprinzen zu beleidigen. Ich stelle ihm nur vor, daß sein Unterthan, daß ein Norweger, dessen Landsleute durch die Treue gegen ihren Fürsten berühmt sind, seinen Fürsten in der Noth nicht verlassen darf, und kenne unsern Kronprinzen genug, um zu wissen, daß er meinen Entschluß in Halle jetzt zu bleiben, sehr billigen wird. Schimmelmann, dessen große, wahrhaft deutsche Gesinnung, mich durchaus fassen wird, wird mich sicher unterstützen.  In Kopenhagen ist mir ein Oncle gestorben, der mir 800 Rthlr. hinterließ, diese hebe ich zwar erst nach dem Tode der Witwe, aber die Erbschaft ist gerichtlich gemacht, und werde wahrscheinlich Geld darauf heben können. Ich lasse dann Hanne und Clärchen mit hinlänglichem Gelde versorgt, bei Grosmutter in Hamburg, und gehe selbst wieder nach Halle, lebe da als Student und ernähre mich selbst. Das Aergste ist die Ungeduld meiner verarmten Creditoren, die mich entsetzlich peinigt.

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