Briefe an Ludwig Tieck 4 - Various 8 стр.


Für Dein schönes Anerbiethen, mir im südlichen Deutschland nützlich zu sein, danke ich Dich sehr wenn alle Stränge reißen, gehe ich doch lieber nach dem südlichen Deutschland als nach Dännemark, wenigstens in den ersten vorliegenden Jahren. An Schelling schreibe ich noch heute.

Daß Du jetzt wieder in Deutschland bist, ist mir unendlich lieb, und ich zweifle gar nicht daran, daß wir bald etwas schönes und großes von Dir erfahren werden, denn die poetischen Laffen haben einen in der letzten Zeit doch zu sehr mit der neuen Zeit zugesetzt.  Ich habe mich recht darnach gesehnt, Dich in Sandau zu besuchen, die süße Dorothee mit ihrer Mutter, und die kleine Agnes zu sehen, und halb war es schon beschlossen. Es ist mir recht lieb, daß Dir Oehlenschl. gefällt, wenn er seine unmäßige Eitelkeit bekämpft hat, wird gewiß etwas ungewöhnliches aus ihm neben die krankhaften Figuren, die Sonetten fabriciren, ist seine gesunde und frische Natur wohlthuend.  Grüß Malchen, die Finkensteins und Burgsdorf recht sehr. Dein lieber Brief hat mir viele Freude gemacht, und ich hoffe, daß Du Wort halten und bald antworten wirst Hanne schreibt noch etwas. Adieu.

H. Steffens.

Ich schreibe Euch bestimmt aus H. recht lang.

Hanne.

IV

Breslau, d. 23. Febr. 1812.

Liebster Tieck! und liebe, herrliche Tante! ihr müßt nicht zürnen, daß ich so lange nicht geschrieben. Deinen Brief zu beantworten erfordert eine Art von Ruhe, die ich hier nicht gefunden habe, wo mir alles nach außen treibt in zerstreuende Geschäfte. Ich habe leider etwas schlechtes, wenn auch nicht ganz Unnüzes angefangen, nehmlich ein mineralogisches Handbuch. Der erste Theil ist schon gedruckt, und der zweite und dritte Theil müssen noch in diesem Jahre fertig sein, denn ich habe Vorschüsse und die Verlegerin quält. Dann habe ich hier eine neue Professur und muß mich zu Vorlesungen vorbereiten, die ich nie hielt, dann nehmen mir meine jezige Vorlesungen viel Zeit weg (Ich habe einige neunzig Zuhörer, bestehend aus Beamten und aus Bürgern der Stadt, für die Studenten muß ich abgesondert lesen) dann ist meine Theorie der chemischen Erscheinungen, streng wissenschaftlich, nun so weit gediehen, daß es Zeit ist sie bekannt zu machen und einer ernsthaften Prüfung zu unterwerfen, auch meiner Stellung wegen endlich muß ich das hiesige physikalische Institut einrichten, 1000 Rtlr., die mir zugestanden sind, in Instrumente u. s. w. verwandeln, mit Mechanici, mit Künstler aller Art, mit Glashütten, mit Handwerker mich umtreiben, mit Departement und Organisations-Commission correspondiren, den Bau des mir zugestandenen Locals leiten, den Senatsizungen beiwohnen (der Senat ist hier aus wenigen erwählten Mitgliedern zusammengesetzt), und zu diesem allem kömmt noch, daß ich Präsidial-Assessor einer hiesigen patriotischen Gesellschaft bin, was mir auch einige Zeit wegnimmt. Du glaubtest, daß ich hier im Anfange einsam leben würde. Das ist anders gekommen. Die häufigen Gesellschaften und Verbindungen, in die ich durch meine Vorlesungen gekommen bin, stören mich nicht wenig. Ich habe dieses alles so weitläufig entwickelt, weil es meine vollständige Entschuldigung enthält, und mich rechtfertigen mag, wenn Du auch in diesem Briefe Spuren der Zerstreuung finden solltest. Doch sind alle diese mannichfaltige, sich wechselseitig störende Geschäfte Folgen des Anfangs und werden bald aufhören.

Aber wie lebst Du in Deiner stillen poetischen Einsamkeit? Es freuet uns, daß Du weniger krank bist, wenn auch nicht ganz gesund. Aber die Hoffnung euch diesen Sommer noch zu sehen möchten wir ungern aufgeben. Es ist so schlimm, daß Hanne diesen Sommer nicht hier bleibt, und ich allein zurückbleibe. Wenn Du eine Badereise machen kannst, so würden sich doch einige Wochen für unser Zusammensein finden, hier oder ins Gebirge. Julii wird Hanne in Landeck zubringen, und im August und September, wenn meine Ferien anfangen, besuche ich mit ihr die Albertis in Waldenburg und Schmiedeberg. Lieber Tieck! wenn ihr es möglich machen könnt, so kommt doch her. Das Schreiben ist doch ein kärglicher Nothbehelf Einen Platz für euch würden wir wohl finden. In der Zukunft zwar bequemer, denn ich erhalte eine recht bequeme Wohnung neben dem physikalischen Apparat, wo ich freilich auch eine wenn gleich mäßige Miethe bezahlen muß.

Reimer hat Recht, wenn er sagt, daß ich früher lieber nach Berlin, als nach Breslau gieng. Es waren nicht bloß meine Freunde, die mich hinzogen, vorzüglich die Sammlungen, die größern Bibliotheken, die lebendigere Verbindung mit der Welt, die einem Physiker immer wichtig ist. Indessen habe ich die Vortheile, die Du anführst wohl erkannt. Die größere Sicherheit, die größere Empfänglichkeit der Einwohner, der noch nicht erstorbene Glaube, die schönere Natur. Auch befinde ich mich hier recht wohl, und die Leute gefallen mir im Ganzen. Die Opposition gegen den Berlinismus ist nicht das Schlimmste hier und trete recht bestimmt gegen diesen auf. Die leere Einbildung dieser Leute war mir von jeher zuwieder, hier vo 4 , wo sie sich noch mehr wie in Berlin aufgeklärt gebildet dünken, und wo die red , etwas rohe , und naive Begierde die der Zeit zu fassen der gegenüber sich recht vornehm und tüchtig ausnimmt.

Dein Wunsch, daß ich an einer poetischen Bearbeitung unserer gemeinschaftlichen Natur-Ansichten denken möchte, und uns so vereinigen, hat mir recht lebhaft die alte herrliche Zeit zurückgerufen, in welcher Liebe und Poesie mein Leben verherrlichte. Ich werde in diesem Augenblick, kurz vor dem Abgang der Post auf eine so unangenehmen Weise gestört, daß es mir unmöglich, was ich eben darüber schreiben wollte, jezt zu schreiben, und länger darf ich Dich doch auch nicht warten lassen aber gewiß Du wirst recht bald einen Brief von mir haben, Du Lieber! der mir gewesen ist, was keiner mir war, und dessen treue Anhänglichkeit an mich ich wahrlich nie vergesse.  Ich muß schließen.

DeinSteffens.

V

Breslau, d. 11. September 1814.Lieber Tieck!

Seit ich aus dem Kriege bin, habe wenigstens ein halb Duzend Briefe an Dich vollkommen fertig, die unter sich wenig Aehnlichkeit haben mögen Du wirst aber schwerlich eins davon jemals erhalten, denn keine Zeile ist von allen diesen Briefen niedergeschrieben, und ich kann mir sogar leicht denken, daß wir lange Zeit zusammenleben könnten, ohne daß Du eine Sylbe davon erführst, so angelegentlich es mir auch schien, grade Dir das mitzutheilen, was mich in solchen Momenten lebhaft beschäftigte. Und so mag der Zufall auch über den Innhalt dieses Briefes walten denn wozu hülfe die Ueberlegung?  Wenn man ununterbrochen in einer Reihe von Jahren in Verbindung geblieben, so führt ein jeder Moment eine bestimmte Richtung des Daseins herbei, den man nur zu ergreifen braucht, um Inhalt und Form der Unterhaltung zu finden.

Aber Du warst mir, durch Schriften und Leben vor langer Zeit überaus wichtig. So deutlich wie auch die alten Töne mir vorschweben, und was wir sprachen, uns dachten und träumten, so hat sich doch seitdem so manches zugetragen, und mich unruhig, oft in wilder Bewegung in so viele, entfernte Regionen des innern und äußern Lebens hingerissen, daß die Faden der bestimmten Unterhaltung alle zerrissen sind, und nur ein allgemeines, unendliches Sehnen, welches eben nichts faßt, nichts Bestimmtes, weil es das ganze grundlose Dasein, in allen seinen Richtungen, dem alten treuen Freunde hingeben möchte übrig geblieben ist.

Es war eine wunderliche, ahndungsvolle Zeit, in welcher ich Deine erste Bekanntschaft machte. Aus einem fernen Lande, früh schon durch große Hofnungen und sonderbare Wünsche getrieben, fand ich mich in der Mitte vieler bedeutender Männer, die mich gern aufnahmen, und mit einem großen kindlichen, recht eigentlich absichtslosen Muthwillen ließ ich alle meine Gedanken und Anschauungen, geschenkte und eigene ein loses, leichtes Spiel treiben. Ich denke oft mit inniger Freude daran, und diese Zeit, die mir an Liebe, Freundschaft, geistiger Anregung mancherlei Art so reich war, erscheint mir immer als die Blüthezeit meines Lebens. Was Du mir, wie so vielen, damals wardst, das weist Du denn so verschieden unser äußeres Dasein auch erscheint, so stimme ich dennoch innerlich mehr mit Dir überein, als mit irgend einem andern, und nachdem die vielen Stüzen, die man mir als Systeme reichte, und die ich gutwillig annahm, und eine Zeitlang benuzte, nun alle in der Ecke gestellt sind,  trat das freiere und dennoch gebundenere innere Leben freudiger hervor.

Es war eine wunderliche, ahndungsvolle Zeit, in welcher ich Deine erste Bekanntschaft machte. Aus einem fernen Lande, früh schon durch große Hofnungen und sonderbare Wünsche getrieben, fand ich mich in der Mitte vieler bedeutender Männer, die mich gern aufnahmen, und mit einem großen kindlichen, recht eigentlich absichtslosen Muthwillen ließ ich alle meine Gedanken und Anschauungen, geschenkte und eigene ein loses, leichtes Spiel treiben. Ich denke oft mit inniger Freude daran, und diese Zeit, die mir an Liebe, Freundschaft, geistiger Anregung mancherlei Art so reich war, erscheint mir immer als die Blüthezeit meines Lebens. Was Du mir, wie so vielen, damals wardst, das weist Du denn so verschieden unser äußeres Dasein auch erscheint, so stimme ich dennoch innerlich mehr mit Dir überein, als mit irgend einem andern, und nachdem die vielen Stüzen, die man mir als Systeme reichte, und die ich gutwillig annahm, und eine Zeitlang benuzte, nun alle in der Ecke gestellt sind,  trat das freiere und dennoch gebundenere innere Leben freudiger hervor.

So gewiß, wie es ist, daß die Zeit, in welcher Goethe und Fichte und Schelling, und die Schlegel, Du, Novalis, Ritter und ich, uns alle vereinigt träumten, reich an Keime mancherlei Art waren, so lag dennoch etwas ruchloses im Ganzen. Ein geistiger Babelsthurm sollte errichtet werden, den alle Geister aus der Ferne erkennen sollten. Aber die Sprachverwirrung begrub dieses Werk des Hochmuth unter seine eigene Trümmer Bist du der, mit dem ich mich vereinigt träumte? fragte einer den andern Ich kenne deine Gesichtszüge nicht mehr, deine Worte sind mir unverständlich,  und ein jeder trennte sich in den entgegengesetztesten Weltgegenden die meisten mit dem Wahnsinn, den Babelthurm dennoch auf eigene Weise zu bauen.

Dann kam der politische Druck und riß mich zum Haß und Wiederstreben hin in einer Reihe von Jahren. Nun ist der riesenhafte Dämon verschwunden, der mich so lange leidenschaftlich gegen sich wafnete, wie das geistige Riesenbild, welches mich mit so unsäglichen Versprechungen lockte und es liegt nun alles da, wie ein verschwundener Traum.

Was wären wir, wenn nach einem solchen Traum, uns nichts übrig bliebe, als ein nüchternes Erwachen? ein Dünkel, der sich eben mit seiner Leerheit brüstet, als mit einem neuerworbenen, und ganz eigenen wunderbaren Schaz, dessen Werth zu schäzen nur den erfahrenen vergönnt ist.

Aber Gottlob! ein Jeder Mensch ist, wie der erste, im Paradies geboren, in seinem Paradies, seine Natur. Ja mit einem jeden Menschen wird ein Gottessohn gebohren, obgleich nur der eine erschienen ist, und das Antliz Gottes in allen verzerrt wird. Der Herbst leistet nie, was der Frühling verspricht, der Mann nie, was das Kind hoffen ließ. Der Mann will begreifen, nur das Kind kennt den Glauben.  Ja, was ist alle Religion anderes, als der Kinderglaube der Geschichte?

Und so, lieber Tieck! sind mir die Träume meiner Kindheit näher gerückt, und ich glaube an die Natur, und an das Leben, und forsche nach diesem Glauben, und wie er mirs gebiethet, und ich kann Dir kaum sagen, wie innerlich glücklich ich mich fühle in einer Beschäftigung, die wenig von der gewöhnlichen der Physiker sich unterscheidet. Seit ich wieder zu Hause bin, war ich sehr fleißig. Es ist als mahnten mich die Jahre, als triebe mich ein unsichtbarer Geist, der mir keine Ruhe läßt Es ist ganz das Gefühl, was mir in den schönen Tagen der Freundschaft, der Liebe, der Begeisterung in Dresden belebte.

Und so habe ich nun manches, und nur von mir gesprochen.  Ueber Deinen Phantasus, über Deinen William Lovell möchte ich mit Dir sprechen und überhaupt, das muß nun ehestens geschehen, denn ich halte es nicht länger aus, und habe noch nie eine solche Sehnsucht gefühlt mit Dir zusammen zu seyn. Meine Frau grüßt und ich hoffe, daß Deine Frau mich noch so liebt wie in frühern Zeiten Hanne schreibt Dir bald, und sagt mir, daß ich noch einmahl das Malchen, Dorothee und Agnes herzlich grüßen soll.

DeinSteffens.

VI

Breslau, 20t. Januar 1816.Hochzuverehrender, Wohlgebohrner,Sehr berühmter Herr!

Es ist mir der angenehme Auftrag geworden, Ew. Wohlgebohrnen zu benachrichtigen, wie die hiesige philosophische Facultät, bei Gelegenheit des Friedens- und Krönungsfestes am 18t. Januar h. a., theils um die Veneration öffentlich kund zu thun, mit welcher sie, wie ganz Deutschland, die hohen Verdienste Ew. Wohlgebohren um die Wissenschaft und um die Poesie, zu schäzen wissen, theils und vorzüglich, um sich selber zu ehren, durch die genauere Verbindung mit einem so berühmten und von Gott hochbegabten Manne, einstimmig beschloß Ew. Wohlgeboren durch ein Ehrendiplom die höchste Würde in der Weltweißheit mitzutheilen, daß Dieselben durch den Redner der Universität, Herrn Consistorialrath Wachler, an dem feierlichen Tage als artium liberalium Magister nec non philosophiae Doctor öffentlich sind proclamirt worden, und daß Sie diese Anzeige als eine vorläufige zu betrachten haben, da möglicherweise, das Ehrendiploma später, als die öffentliche Zeitung, die die Creation publicirt, in Ihre Hände kommen könnte. Wir wünschen nichts mehr, als daß dieser Beweis unserer Hochachtung und Anerkennung Ihrer Verdienste von Ihnen eben so gern möge angenommen werden, als gerne wir ihn dem berühmten und hochbegabten Manne geben.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

Ew. Wohlgebohrenganz ergebensterH. Steffens.Nachschrift

Lieber Tieck! es war mir unmöglich Dir die Doctorpromotion anders als feyerlich bekannt zu machen. Es sollte uns aber sehr lieb sein, wenn Dir dieser kleine Beweis, daß Du unter uns viele Verehrer hast, nicht ganz unangenehm wäre.

Wir hoffen täglich auf die Möglichkeit nach Berlin zu reisen. Für Hanne wäre das etwas sehr Erwünschtes. Sie würde unter ihren Verwandten, in einem frischen Leben recht eigentlich aufleben. Vor allem wäre es uns deßwegen äußerst angenehm, weil wir dann, wie sich von selbst versteht, mehrere Tage in Zibingen zubrächten. Wie sehr ich mich darnach sehne, kann ich Dir nicht sagen.  Die geschriebenen Worte können uns, nach so langer Trennung unmöglich näher bringen. In Halle kamen wir uns gar nicht nahe.  Zwei trauliche Stunden sind mehr werth als alles. Es müßte wunderlich sein, wenn wir die alte Zeit nicht wiederfänden, wenn Du sie nicht auch in mir erkennen solltest. Etwas dümmer zwar bin ich wohl, wie das die Leute mit den Jahren immer werden.

Hanne grüßt und erwartet einen Brief. Deine Familie befindet sich doch wohl? Grüß Deine Frau und Deine Hausgenossen recht herzlich.

Steffens.

VII

Breslau, d. 3. Jan. 1818.Lieber Tieck!

Ich kann Dir leider nur einen sehr kurzen Brief, und Du wirst mir in der That entschuldigen, daß ich überhaupt im Briefschreiben so träge bin. Ich habe diesen Winter ungeheuer viel zu thun. Ich liefere zur Ostermesse zwei Bände, den 3ten Theil meines mineralogischen Handbuchs und die Carricaturen, außerdem lese ich täglich 3 Stunden. Wenn ich des Morgens um 5 Uhr aufgestanden bin, muß ich ununterbrochen bis 4 Uhr Nachmittags arbeiten, nach dem Essen habe ich bis um 7 Uhr Stunden, und dann bin ich so erschöpft, daß in der That ein Brief eine große Anstrengung ist. Ich muß arbeiten, theils weil der Gegenstand der Carricaturen meine ganze Seele in Bewegung setzt, theils, weil ich Geld verdienen muß. Jetzt bin ich ein paar Tage auf dem Lande gewesen bei einem Freund, komme eben zurück, habe noch eine Vorlesung und schicke die verlangten Bücher mit einem sehr guten Freund, den ich vorzüglich lieb habe, und der Deine Bekanntschaft zu machen wünscht. Es ist Major v. Kanitz, der schon Deiner Familie bekannt ist.

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