Deutsche Humoristen, 4. und 5. Band (von 8) - Various 3 стр.


Das Muster der Ehen

von

Gotthold Ephraim Lessing

Ein rares Beispiel will ich singen,
wobei die Welt erstaunen wird.
Daß alle Ehen Zwietracht bringen,
glaubt jeder, aber jeder irrt.

Ich sah das Muster aller Ehen,
still, wie die stillste Sommernacht
O! daß sie keiner möge sehen,
der mich zum frechen Lügner macht!

Und gleichwohl war die Frau kein Engel,
und der Gemahl kein Heiliger;
es hatte jedes seine Mängel.
Denn niemand ist von allen leer.

Doch sollte mich ein Spötter fragen,
wie diese Wunder möglich sind?
Der lasse sich zur Antwort sagen:
Der Mann war taub, die Frau war blind.

Die drei Reiche der Natur

von

Gotthold Ephraim Lessing

Ich trink, und trinkend fällt mir bei,
warum Naturreich dreifach sei.
Die Tier und Menschen trinken, lieben,
ein jegliches nach seinen Trieben:
Delphin und Adler, Floh und Hund
empfindet Lieb und netzt den Mund.
Was also trinkt und lieben kann,
wird in das erste Reich getan.

Die Pflanze macht das zweite Reich,
dem ersten nicht an Güte gleich:
sie liebet nicht, doch kann sie trinken,
wenn Wolken träufelnd niedersinken;
so trinkt die Zeder und der Klee,
der Weinstock und die Aloe.
Drum, was nicht liebt, doch trinken kann,
wird in das zweite Reich getan.

Das Steinreich macht das dritte Reich;
und hier sind Sand und Demant gleich:
kein Stein fühlt Durst und zarte Triebe,
er wachset ohne Trunk und Liebe.
Drum, was nicht liebt noch trinken kann,
wird in das letzte Reich getan.
Denn ohne Lieb und ohne Wein,
sprich, Mensch, was bleibst du noch?  Ein Stein.

Lob der Faulheit

von

Gotthold Ephraim Lessing

Faulheit, jetzo will ich dir
auch ein kleines Loblied bringen.
O .. wie .. sau .. er .. wird es mir,
dich .. nach Würden .. zu besingen!
Doch, ich will mein bestes tun,
nach der Arbeit ist gut ruhn.

Höchstes Gut! wer dich nur hat,
dessen ungestörtes Leben
Ach! .. ich .. gähn .. ich .. werde matt ..
nun .. so .. magst du .. mirs vergeben,
daß ich dich nicht singen kann;
du verhinderst mich ja dran.

Niklas

von

Gotthold Ephraim Lessing

Mein Esel sicherlich
muß klüger sein, als ich.
Ja, klüger muß er sein!
Er fand sich selbst in Stall hinein
und kam doch von der Tränke.
Man denke!

Die Geschichte von Goliath und David, in Reime bracht

von

Matthias Claudius

War einst ein Riese Goliath,
gar ein gefährlich Mann!
Er hatte Tressen auf dem Hut
mit einem Klunker dran
und einen Rock von drap dargent
und alles so nach advenant.

An seinen Schnurrbart sah man nur
mit Gräsen und mit Graus,
und dabei sah er von Natur
pur wie der aus.
Sein Sarras war, man glaubt es kaum,
so groß schier als ein Weberbaum.

Er hatte Knochen wie ein Gaul
und eine freche Stirn
und ein entsetzlich großes Maul
und nur ein kleines Hirn;
gab jedem einen Rippenstoß
und flunkerte und prahlte groß.

So kam er alle Tage her
und sprach Israel Hohn.
Wer ist der Mann? Wer wagts mit mir?
Sei Vater oder Sohn,
er komme her, der Lumpenhund,
ich baxn nieder auf den Grund.

Da kam in seinem Schäferrock
ein Jüngling zart und fein;
er hatte nichts als seinen Stock
als Schleuder und den Stein
und sprach: Du hast viel Stolz und Wehr,
ich komm im Namen Gottes her.

Und damit schleudert er auf ihn
und traf die Stirne gar;
da fiel der große Esel hin,
so lang und dick er war.
Und David haut in guter Ruh
ihm nun den Kopf noch ab dazu.

Trau nicht auf deinen Tressenhut
noch auf den Klunker dran!
Ein großes Maul es auch nicht tut:
das lern vom langen Mann;
und von dem kleinen lerne wohl,
wie man mit Ehren fechten soll.

Rheinweinlied

von

Matthias Claudius

Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher,
und trinkt ihn fröhlich leer,
in ganz Europia, ihr Herren Zecher,
ist solch ein Wein nicht mehr!

Er kommt nicht her aus Hungarn noch aus Polen,
noch wo man franzmännsch spricht:
da mag Sankt Veit, der Ritter, Wein sich holen,
wir holen ihn da nicht.

Ihn bringt das Vaterland aus seiner Fülle:
wie wär er sonst so gut?
Wie wär er sonst so edel, wäre stille
und doch voll Kraft und Mut?

Er wächst nicht überall im deutschen Reiche;
und viele Berge, hört,
sind wie die weiland Kreter faule Bäuche
und nicht der Stelle wert.

Thüringens Berge zum Exempel bringen
Gewächs, sieht aus wie Wein,
ists aber nicht: man kann dabei nicht singen,
dabei nicht fröhlich sein.

Im Erzgebirge dürft ihr auch nicht suchen,
wenn ihr Wein finden wollt:
das bringt nur Silbererz und Kobaltkuchen
und etwas Lausegold.

Der Blocksberg ist der lange Herr Philister;
er macht nur Wind wie der:
drum tanzen auch der Kuckuck und sein Küster
auf ihm die Kreuz und Quer.

Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben:
gesegnet sei der Rhein!
Da wachsen sie am Ufer hin und geben
uns ihren Labewein.

So trinkt ihn denn, und laßt uns allewege
uns freun und fröhlich sein!
Und wüßten wir, wo jemand traurig läge,
wir gäben ihm den Wein.

Der Kaiser und der Abt

von

Gottfried August Bürger

Ich will euch erzählen ein Märchen, gar schnurrig:
es war mal ein Kaiser, der Kaiser war knurrig;
auch war mal ein Abt, ein gar stattlicher Herr;
nur schade! sein Schäfer war klüger als er.

Dem Kaiser wards sauer in Hitz und in Kälte;
oft schlief er bepanzert im Kriegesgezelte,
oft hatt er kaum Wasser zu Schwarzbrot und Wurst,
und öfter noch litt er gar Hunger und Durst.

Das Pfäfflein, das wußte sich besser zu hegen
und weidlich am Tisch und im Bette zu pflegen.
Wie Vollmond glänzte sein feistes Gesicht
Drei Männer umspannten den Schmerbauch ihm nicht.

Drob suchte der Kaiser am Pfäfflein oft Hader.
Einst ritt er mit reisigem Kriegesgeschwader
in brennender Hitze des Sommers vorbei.
Das Pfäfflein spazierte vor seiner Abtei.

Ha, dachte der Kaiser, zur glücklichen Stunde!
und grüßte das Pfäfflein mit höhnischem Munde.
Knecht Gottes, wie gehts dir? Mir däucht wohl ganz recht,
das Beten und Fasten bekomme nicht schlecht.

Doch däucht mir daneben, Euch plage viel Weile.
Ihr dankt mirs wohl, wenn ich Euch Arbeit erteile;
man rühmet, Ihr wäret der pfiffigste Mann,
Ihr höret das Gräschen fast wachsen, sagt man.

So geb ich denn Euern zwei tüchtigen Backen
zur Kurzweil drei artige Nüsse zu knacken.
Drei Monden von nun an bestimm ich zur Zeit.
Dann will ich auf diese drei Fragen Bescheid:

Zum ersten: Wann hoch ich im fürstlichen Rate
zu Throne mich zeige im Kaiserornate,
dann sollt Ihr mir sagen, ein treuer Wardein,
wieviel ich wohl wert bis zum Heller mag sein.

Zum zweiten sollt Ihr mir berechnen und sagen,
wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen,
um keine Minute zu wenig und viel!
Ich weiß, der Bescheid darauf ist Euch nur Spiel.

Zum dritten noch sollst du, o Preis der Prälaten,
aufs Härchen mir meine Gedanken erraten.
Die will ich dann treulich bekennen; allein
es soll auch kein Titelchen Wahres dran sein.

Und könnt Ihr mir diese drei Fragen nicht lösen,
so seid Ihr die längste Zeit Abt hier gewesen;
so laß ich Euch führen zu Esel durchs Land,
verkehrt, statt des Zaumes den Schwanz in der Hand.

Drauf trabte der Kaiser mit Lachen von hinnen.
Das Pfäfflein zerriß und zerspliß sich mit Sinnen.
Kein armer Verbrecher fühlt mehr Schwulität,
der vor hochnotpeinlichem Halsgericht steht.

Er schickte nach ein, zwei, drei, vier Unverstäten;
er fragte bei ein, zwei, drei, vier Fakultäten;
er zahlte Gebühren und Sportuln vollauf;
doch löste kein Doktor die Fragen ihm auf.

Schnell wuchsen bei herzlichem Zagen und Pochen
die Stunden zu Tagen, die Tage zu Wochen,
die Wochen zu Monden; schon kam der Termin!
Ihm wards vor den Augen bald gelb und bald grün.

Nun sucht er, ein bleicher, hohlwangiger Werther,
in Wäldern und Feldern die einsamsten Örter.
Da traf ihn auf selten betretener Bahn
Hans Bendix, sein Schäfer, am Felsenhang an.

Herr Abt, sprach Hans Bendix, was mögt Ihr Euch grämen?
Ihr schwindet ja wahrlich dahin wie ein Schemen.
Maria und Joseph! Wie hotzelt Ihr ein!
Mein Sixchen! Es muß Euch was angetan sein.

Ach, guter Hans Bendix, so muß sichs wohl schicken.
Der Kaiser will gern mir am Zeuge was flicken
und hat mir drei Nüss auf die Zähne gepackt,
die schwerlich Beelzebub selber wohl knackt.

Zum ersten: Wann hoch er im fürstlichen Rate
zu Throne sich zeiget im Kaiserornate,
dann soll ich ihm sagen, ein treuer Wardein,
wieviel er wohl wert bis zum Heller mag sein.

Zum zweiten soll ich ihm berechnen und sagen,
wie bald er zu Rosse die Welt mag umjagen,
um keine Minute zu wenig und viel!
Er meint, der Bescheid darauf wäre nur Spiel.

Zum dritten, ich ärmster von allen Prälaten,
soll ich ihm gar seine Gedanken erraten;
die will er mir treulich bekennen; allein
es soll auch kein Titelchen Wahres dran sein.

Und kann ich ihm diese drei Fragen nicht lösen,
so bin ich die längste Zeit Abt hier gewesen;
so läßt er mich führen zu Esel durchs Land,
verkehrt, statt des Zaumes den Schwanz in der Hand.

Nichts weiter? erwidert Hans Bendix mit Lachen.
Herr, gebt Euch zufrieden, das will ich schon machen.
Nur borgt mir Eur Käppchen; Eur Kreuzchen und Kleid;
so will ich schon geben den rechten Bescheid.

Versteh ich gleich nichts von lateinischen Brocken,
so weiß ich den Hund doch vom Ofen zu locken.
Was ihr euch, Gelehrte, für Geld nicht erwerbt,
das hab ich von meiner Frau Mutter geerbt.

Da sprang wie ein Böcklein der Abt vor Behagen.
Mit Käppchen und Kreuzchen, mit Mantel und Kragen
ward stattlich Hans Bendix zum Abte geschmückt
und hurtig zum Kaiser nach Hofe geschickt.

Hier thronte der Kaiser im fürstlichen Rate,
hoch prangt er mit Zepter und Kron im Ornate:
Nun sagt mir, Herr Abt, als treuer Wardein,
wieviel ich itzt wert bis zum Heller mag sein.

Für dreißig Reichsgulden ward Christus verschachert;
drum geb ich, so sehr ihr auch pochet und prachert,
für Euch keinen Deut mehr als zwanzig und neun,
denn einen müßt Ihr doch wohl minder wert sein.

Hum, sagte der Kaiser, der Grund läßt sich hören
und mag den durchlauchtigen Stolz wohl bekehren.
Nie hätt ich, bei meiner hochfürstlichen Ehr!
geglaubet, daß so spottwohlfeil ich wär.

Nun aber sollst du mir berechnen und sagen,
wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen,
um keine Minute zu wenig und viel!
Ist dir der Bescheid darauf auch nur ein Spiel?

Herr, wenn mit der Sonn Ihr früh sattelt und reitet
und stets sie in einerlei Tempo begleitet,
so setz ich mein Kreuz und mein Käppchen daran,
in zweimal zwölf Stunden ist alles getan.

Ha, lachte der Kaiser, vortrefflicher Haber!
Ihr füttert die Pferde mit Wenn und mit Aber.
Der Mann, der das Wenn und das Aber erdacht,
hat sicher aus Häckerling Gold schon gemacht.

Nun aber zum dritten, nun nimm dich zusammen!
sonst muß ich dich dennoch zum Esel verdammen:
was denk ich, das falsch ist? Das bringe heraus!
Nur bleib mir mit Wenn und mit Aber zu Haus!

Ihr denket, ich sei der Herr Abt von Sankt Gallen.
Ganz recht! und das kann von der Wahrheit nicht fallen.
Sein Diener, Herr Kaiser! Euch trüget Eur Sinn;
denn wißt, daß ich Bendix, sein Schäfer, nur bin!

Was Henker! Du bist nicht der Abt von Sankt Gallen?
Rief hurtig, als wär er vom Himmel gefallen,
der Kaiser mit frohem Erstaunen darein;
Wohlan denn, so sollst du von nun an es sein!

Ich will dich belehnen mit Ring und mit Stabe.
Dein Vorfahr besteige den Esel und trabe!
Und lerne fortan erst quid juris verstehn!
Denn wenn man will ernten, so muß man auch sän.

Mit Gunsten, Herr Kaiser! Das laßt nur hübsch bleiben!
Ich kann ja nicht lesen, noch rechnen und schreiben;
auch weiß ich kein sterbendes Wörtchen Latein.
Was Hänschen versäumt, holt Hans nicht mehr ein.

Ach, guter Hans Bendix, das ist ja recht schade!
Erbitte demnach dir ein andere Gnade!
Sehr hat mich ergötzet dein lustiger Schwank;
drum soll dich auch wieder ergötzen mein Dank.

Herr Kaiser, groß hab ich soeben nichts nötig;
doch seid Ihr im Ernst mir zu Gnaden erbötig,
so will ich mir bitten zum ehrlichen Lohn
für meinen hochwürdigen Herren Pardon.

Ha bravo! Du trägst, wie ich merke, Geselle,
das Herz wie den Kopf auf der richtigsten Stelle;
drum sei der Pardon ihm in Gnaden gewährt
und obenein dir ein Panisbrief beschert:

Wir lassen dem Abt von Sankt Gallen entbieten:
Hans Bendix soll ihm nicht die Schafe mehr hüten.
Der Abt soll sein pflegen, nach unserm Gebot,
umsonst bis an seinen sanftseligen Tod.

Reigen

Reigen

von

Johann Heinrich Voß

Sagt mir an, was schmunzelt ihr?
Schiebt ihrs auf das Kirmesbier,
daß ich so vor Freude krähe
und auf einem Bein mich drehe?
Schurken um und um!

Kommt die schmucke Binderin
euch denn gar nicht in den Sinn,
die mich wirft mit Haselnüssen
und dann schreit: Ich will nicht küssen!
Nun so schert euch zum !

Diesen Strauß und diesen Ring
schenkte mir das kleine Ding!
Seht, sie horcht! Komm her, mein Engel!
Tanz einmal mit deinem Bengel!
Dudeldidel dum!

Fiedler, fiedelt nicht so lahm;
wir sind Braut und Bräutigam!
Fiedelt frisch; ich mach es richtig!
Und bestreicht den Bogen tüchtig
mit Kalfonium!

Polisch muß hübsch lustig gehn,
daß die Röcke hinten wehn!
Wart, ich werd euch mal kuranzen!
Meint ihr, Trödler: Bären tanzen
hier am Seil herum?

Heißa lustig! Nun kommt her!
Unten, oben, kreuz und quer,
laß uns Arm in Arm verschränken
und an unsern Brauttanz denken!
Heißa! Rund herum!

Ha! wie schön das Hackbrett summt,
und der alte Brummbaß brummt!
Ha! wie drehn sich rings ohn Ende
Hüt und Hauben, Tür und Wände!
Dudeldidel, dudeldidel dum!
Dudeldidel dum dum dum!

Amor als Landschaftsmaler

von

Johann Wolfgang von Goethe

Saß ich früh auf einer Felsenspitze,
sah mit starren Augen in den Nebel;
wie ein grau grundiertes Tuch gespannet,
deckt er alles in die Breit und Höhe.

Stellt ein Knabe sich mir an die Seite,
sagte: Lieber Freund, wie magst du starrend
auf das leere Tuch gelassen schauen?
Hast du denn zum Malen und zum Bilden
alle Luft auf ewig wohl verloren?

Sah ich an das Kind und dachte heimlich:
Will das Bübchen doch den Meister machen!

Willst du immer trüb und müßig bleiben,
sprach der Knabe, kann nichts Kluges werden:
sieh, ich will dir gleich ein Bildchen malen,
dich ein hübsches Bildchen malen lehren.

Und er richtete den Zeigefinger,
der so rötlich war wie eine Rose,
nach dem weiten ausgespannten Teppich,
fing mit seinem Finger an zu zeichnen:
oben malt er eine schöne Sonne,
die mir in die Augen mächtig glänzte,
und den Saum der Wolken macht er golden,
ließ die Strahlen durch die Wolken dringen;
malte dann die zarten leichten Wipfel
frisch erquickter Bäume, zog die Hügel,
einen nach dem andern, frei dahinter;
unten ließ ers nicht an Wasser fehlen,
zeichnete den Fluß so ganz natürlich,
daß er schien im Sonnenstrahl zu glitzern,
daß er schien am hohen Rand zu rauschen.

Ach, da standen Blumen an dem Flusse,
und da waren Farben auf der Wiese,
Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes,
alles wie Smaragd und wie Karfunkel!
Hell und rein lasiert er drauf den Himmel
und die blauen Berge fern und ferner,
daß ich ganz entzückt und neu geboren
bald den Maler, bald das Bild beschaute.

Hab ich doch, so sagt er, dir bewiesen,
daß ich dieses Handwerk gut verstehe;
doch es ist das Schwerste noch zurücke.

Zeichnete darnach mit spitzem Finger
und mit großer Sorgfalt an dem Wäldchen,
grad ans Ende, wo die Sonne kräftig
von dem hellen Boden wiederglänzte,
zeichnete das allerliebste Mädchen,
wohlgebildet, zierlich angekleidet,
frische Wangen unter braunen Haaren,
und die Wangen waren von der Farbe,
wie das Fingerchen, das sie gebildet.

O du Knabe! rief ich, welch ein Meister
hat in seine Schule dich genommen,
daß du so geschwind und so natürlich
alles klug beginnst und gut vollendest?

Da ich noch so rede, sieh, da rühret
sich ein Windchen, und bewegt den Gipfel,
kräuselt alle Wellen auf dem Flusse,
füllt den Schleier des vollkommnen Mädchens,
und was mich Erstaunten mehr erstaunte,
fängt das Mädchen an den Fuß zu rühren,
geht zu kommen, nähert sich dem Orte,
wo ich mit dem losen Lehrer sitze.

Da nun alles, alles sich bewegte,
Bäume, Fluß und Blumen und der Schleier,
und der zarte Fuß der Allerschönsten;
glaubt ihr wohl, ich sei auf meinem Felsen,
wie ein Felsen, still und fest geblieben?

Gewohnt, getan

von

Johann Wolfgang von Goethe

Ich habe geliebet; nun lieb ich erst recht!
Erst war ich der Diener, nun bin ich der Knecht.
Erst war ich der Diener von allen;
nun fesselt mich diese charmante Person,
sie tut mir auch alles zur Liebe, zum Lohn,
sie kann nur allein mir gefallen.

Ich habe geglaubet; nun glaub ich erst recht!
Und geht es auch wunderlich, geht es auch schlecht,
ich bleibe beim gläubigen Orden:
so düster es oft und so dunkel es war
in drängenden Nöten, in naher Gefahr,
auf einmal ists lichter geworden.

Ich habe gespeiset; nun speis ich erst gut!
Bei heiterem Sinne, mit fröhlichem Blut
ist alles an Tafel vergessen.
Die Jugend verschlingt nur, dann sauset sie fort;
ich liebe zu tafeln am lustigen Ort,
ich kost und ich schmecke beim Essen.

Ich habe getrunken; nun trink ich erst gern!
Der Wein, er erhöht uns, er macht uns zum Herrn
und löset die sklavischen Zungen.
Ja, schonet nur nicht das erquickende Naß!
Denn schwindet der älteste Wein aus dem Faß,
so altern dagegen die jungen.

Ich habe getanzt und dem Tanze gelobt!
Und wird auch kein Schleifer, kein Walzer getobt,
so drehn wir ein sittiges Tänzchen.
Und wer sich der Blumen recht viele verflicht,
und hält auch die ein und die andere nicht,
ihm bleibet ein munteres Kränzchen.

Drum frisch nur aufs neue! Bedenke dich nicht!
Denn wer sich die Rosen, die blühenden, bricht,
den kitzeln fürwahr nur die Dornen.
So heute wie gestern, es flimmert der Stern;
nur halte von hängenden Köpfen dich fern
und lebe dir immer von vornen.

Gutmann und Gutweib

von

Johann Wolfgang von Goethe

Und morgen fällt St. Martins Fest,
Gutweib liebt ihren Mann;
da knetet sie ihm Puddings ein
und bäckt sie in der Pfann.

Im Bette liegen beide nun,
da saust ein wilder West;
und Gutmann spricht zur guten Frau:
Du riegle die Türe fest.

Bin kaum erholt und halb erwarmt,
wie käm ich da zur Ruh;
und klapperte sie einhundert Jahr,
ich riegelte sie nicht zu.

Drauf eine Wette schlossen sie
ganz leise sich ins Ohr:
so wer das erste Wörtlein spräch,
der schöbe den Riegel vor.

Zwei Wandrer kommen um Mitternacht
und wissen nicht, wo sie stehn;
die Lampe losch, der Herd verglomm,
zu hören ist nichts, zu sehn.

Was ist das für ein Hexenort?
Da bricht uns die Geduld!
Doch hörten sie kein Sterbenswort,
des war die Türe schuld.

Den weißen Pudding speisten sie,
den schwarzen ganz vertraut.
Und Gutweib sagte sich selber viel,
doch keine Silbe laut.

Zu diesem sprach der jene dann:
Wie trocken ist mir der Hals!
Der Schrank, der klafft, und geistig riechts,
da findet sichs allenfalls.

Ein Fläschchen Schnaps ergreif ich da,
das trifft sich doch geschickt!
Ich bring es dir, du bringst es mir,
und bald sind wir erquickt.

Doch Gutmann sprang so heftig auf
und fuhr sie drohend an:
Bezahlen soll mit teurem Geld,
wer mir den Schnaps vertan!

Und Gutweib sprang auch froh heran,
drei Sprünge, als wär sie reich:
Du, Gutmann, sprachst das erste Wort,
nun riegle die Türe gleich!

Hochzeitlied

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