Im Westen nichts Neues / На Западном фронте без перемен. Книга для чтения на немецком языке - Эрих Мария Ремарк 23 стр.


Die Bahren sind klatschnass, als der Zug morgens einläuft. Der Feldwebel sorgt dafür, dass wir in denselben Wagen kommen. Eine Menge Rote-Kreuz-Schwestern sind da. Kropp wird nach unten gepackt. Ich werde angehoben und soll in das Bett über ihm.

»Um Gottes willen«, entfährt es mir plötzlich.

»Was ist denn?« fragt die Schwester.

Ich werfe noch einen Blick auf das Bett. Es ist mit schneeweißem Leinen bezogen, unvorstellbar sauberem Leinen, das sogar noch die Plättkniffe hat. Mein Hemd dagegen ist sechs Wochen lang nicht gewaschen worden und sehr dreckig.

»Können Sie nicht allein hineinkriechen?« fragt die Schwester besorgt.

»Das schon«, sagte ich schwitzend, »aber tun Sie doch erst das Bettzeug weg.«

»Warum denn?«

Ich komme mir wie ein Schwein vor. Da soll ich mich hineinlegen? »Es wird ja « Ich zögere.

»Ein bisschen schmutzig?« fragt sie ermunternd. »Das schadet nichts, dann waschen wir es eben nachher wieder.«

»Nee, das nicht «, sage ich aufgeregt. Diesem

Ansturm der Kultur bin ich nicht gewachsen.

»Dafür, dass Sie draußen im Graben gelegen haben, werden wir wohl noch ein Bettlaken waschen können«, fährt sie fort.

Ich sehe sie an, sie sieht knusprig und jung aus, blank gewaschen und fein, wie alles hier, man begreift nicht, dass es nicht nur für Offiziere ist, und fühlt sich unheimlich und sogar irgendwie bedroht.

Das Weib ist trotzdem ein Folterknecht*, es zwingt mich, alles zu sagen. »Es ist nur «, ich halte ein, sie muss doch verstehen, was ich meine.

»Was denn noch?«

»Wegen der Läuse«, brülle ich schließlich heraus.

Sie lacht. »Die müssen auch mal gute Tage haben.«

Nun kann es mir ja gleich sein. Ich krabbele ins Bett und decke mich zu.

Eine Hand fingert über die Decke. Der Feldwebel. Er zieht mit den Zigarren ab.

Nach einer Stunde merken wir, dass wir fahren.

* * *

Nachts erwache ich. Auch Kropp rührt sich. Der Zug rollt leise über die Schienen. Es ist alles noch unbegreiflich: ein Bett, ein Zug, nach Hause. Ich flüstere: »Albert!«

»Ja «

»Weißt du, wo hier die Latrine ist?« »Ich glaube, drüben rechts die Tür.«

»Ich werde mal sehen.« Es ist dunkel, ich taste nach dem Bettrand und will vorsichtig hinuntergleiten. Aber mein Fuß findet keinen Halt, ich gerate ins Rutschen, das Gipsbein ist keine Hilfe, und mit einem Krach liege ich auf dem Boden.

»Verflucht«, sage ich.

»Hast du dich gestoßen?« fragt Kropp.

»Das könntest du doch wohl gehört haben«, knurre ich, »mein Schädel «

Hinten im Wagen öffnet sich die Tür. Die Schwester kommt mit Licht und sieht mich.

»Er ist aus dem Bett gefallen.«

Sie fühlt mir den Puls und fasst meine Stirn an. »Sie haben aber kein Fieber.«

»Nein «, gebe ich zu.

»Haben Sie denn geträumt?« fragt sie.

»So ungefähr«, weiche ich aus. Jetzt geht die Fragerei wieder los. Sie sieht mich mit ihren blanken Augen an, sauber und wunderbar ist sie, um so weniger kann ich ihr sagen, was ich will.

Ich werde wieder nach oben gehoben. Das kann ja gut werden. Wenn sie fort ist, muss ich sofort wieder versuchen, hinunterzusteigen. Wäre sie eine alte Frau, so ginge es eher, ihr Bescheid zu sagen, aber sie ist ja ganz jung, höchstens fünfundzwanzig Jahre, es ist nichts zu machen, ich kann es ihr nicht sagen.

Da kommt Albert mir zu Hilfe, er geniert sich nicht, er ist es ja auch schließlich nicht, den die Sache angeht. Er ruft die Schwester an. Sie dreht sich um. »Schwester, er wollte «, aber auch Albert weiß nicht mehr, wie er sich tadellos und anständig ausdrücken soll. Unter uns draußen ist das mit einem einzigen Wort gesagt, aber hier, einer solchen Dame gegenüber Mit einem Male jedoch fällt ihm die Schulzeit ein, und er vollendet fließend: »Er möchte mal hinaus, Schwester.«

»Ach so«, sagt die Schwester. »Dazu braucht er doch nicht mit seinem Gipsverband aus dem Bett zu klettern. Was wollen Sie denn haben?« wendet sie sich an mich.

Ich bin tödlich erschrocken über diese neue Wendung, denn ich habe keine Ahnung, wie man die Dinge fachmännisch benennt. Die Schwester kommt mir zu Hilfe. »Klein oder groß?« Diese Blamage*! Ich schwitze wie ein Affe und sage verlegen: »Na, also nur klein «

Immerhin, wenigstens noch etwas Glück.

Ich erhalte eine Flasche. Nach einigen Stunden bin ich nicht mehr der einzige, und morgens haben wir uns gewöhnt und verlangen ohne Beschämung, was wir brauchen.

Der Zug fährt langsam. Manchmal hält er, und die Toten werden ausgeladen. Er hält oft.

* * *

Albert hat Fieber. Mir geht es leidlich, ich habe Schmerzen, aber schlimmer ist es, dass wahrscheinlich unter dem Gipsverband noch Läuse sitzen. Es juckt fürchterlich, und ich kann mich nicht kratzen.

Wir schlummern durch die Tage. Die Landschaft geht still durch die Fenster. In der dritten Nacht sind wir in Herbesthal*. Ich höre von der Schwester, dass Albert an der nächsten Station ausgeladen werden soll, wegen seines Fiebers. »Wie weit fährt der Zug?« frage ich.

»Bis Köln.«

»Albert, wir bleiben zusammen«, sage ich, »pass auf.« Beim nächsten Rundgang der Schwester halte ich die Luft an und presse den Atem in den Kopf. Er schwillt und wird rot. Sie bleibt stehen. »Haben Sie Schmerzen?«

»Ja«, stöhne ich, »mit einem Male.«

Sie gibt mir ein Thermometer und geht weiter. Ich müsste nicht bei Kat in der Lehre gewesen sein, um nicht Bescheid zu wissen. Diese Soldatenthermometer sind nicht für erfahrenes Militär berechnet. Es handelt sich nur darum, das Quecksilber hochzutreiben, dann bleibt es in der dünnen Röhre stehen und sinkt nicht wieder.

Ich stecke das Thermometer unter den Arm, schräg nach unten, und knipse mit dem Zeigefinger ständig dagegen. Darauf schüttele ich es nach oben. Damit erreiche ich 37,9 Grad. Das genügt aber nicht. Ein Streichholz vorsichtig nahe darangehalten ergibt 38,7 Grad.

Als die Schwester zurückkommt, puste ich mich auf, atme leicht stoßweise, glotze sie mit etwas stieren Augen an, bewege mich unruhig und flüstere: »Ich kann es nicht mehr aushalten «

Sie notiert mich auf einem Zettel. Ich weiß genau, dass ohne Not mein Gipsverband nicht geöffnet wird.

Albert und ich werden zusammen ausgeladen.

* * *

Wir liegen in einem katholischen Hospital, im gleichen Zimmer. Das ist ein großes Glück, denn die katholischen Krankenhäuser sind bekannt für gute Behandlung und gutes Essen. Das Lazarett ist voll belegt worden aus unserm Zug, es sind viele schwere Fälle dabei. Wir kommen heute noch nicht zur Untersuchung, da zu wenig Ärzte da sind. Auf dem Korridor fahren unablässig die flachen Wagen mit den Gummirädern vorbei, und immer liegt jemand lang darauf. Eine verfluchte Lage so langgestreckt nur gut, wenn man schläft.

Die Nacht ist sehr unruhig. Keiner kann schlafen. Gegen Morgen duseln wir etwas ein*. Ich erwache, als es hell wird. Die Tür steht offen, und vom Korridor höre ich Stimmen. Auch die andern wachen auf. Einer, der schon ein paar Tage da ist, erklärt uns die Sache: »Hier oben wird jeden Morgen auf dem Korridor gebetet von den Schwestern. Sie nennen das Morgenandacht. Damit ihr euren Teil abkriegt, machen sie die Türen auf.«

Das ist sicher gut gemeint, aber uns tun die Knochen und die Schädel weh.

»So ein Unsinn«, sage ich, »wenn man gerade eingeschlafen ist.«

»Hier oben liegen die leichteren Fälle, da machen sie es so«, antwortet er.

Albert stöhnt. Ich werde wütend und rufe: »Ruhe da draußen.«

Nach einer Minute erscheint eine Schwester. Sie sieht in ihrer weiß und schwarzen Tracht aus wie ein hübscher Kaffeewärmer. »Machen Sie doch die Tür zu, Schwester«, sagt jemand.

КОНЕЦ ОЗНАКОМИТЕЛЬНОГО ОТРЫВКА

Albert stöhnt. Ich werde wütend und rufe: »Ruhe da draußen.«

Nach einer Minute erscheint eine Schwester. Sie sieht in ihrer weiß und schwarzen Tracht aus wie ein hübscher Kaffeewärmer. »Machen Sie doch die Tür zu, Schwester«, sagt jemand.

»Es wird gebetet, deshalb ist die Tür offen«, erwidert sie.

»Wir möchten aber noch schlafen «

»Beten ist besser als schlafen.« Sie steht da und lächelt unschuldig. »Es ist auch schon sieben Uhr.«

Albert stöhnt wieder. »Tür zu!« schnauze ich.

Sie ist ganz verdutzt, so etwas kann sie scheinbar nicht begreifen. »Es wird doch auf für Sie mitgebetet.«

»Einerlei! Tür zu!«

Sie verschwindet und lässt die Tür offen. Die Litanei* ertönt wieder. Ich bin wild und sage: »Ich zähle jetzt bis drei. Wenn es bis dahin nicht aufhört, fliegt was.«

»Von mir auch«, erklärt ein anderer.

Ich zähle bis fünf. Dann nehme ich eine Flasche, ziele und werfe sie durch die Tür auf den Korridor. Sie zerspringt in tausend Splitter. Das Beten hört auf. Ein Schwärm Schwestern erscheint und schimpft maßvoll.

»Tür zu!« schreien wir.

Sie verziehen sich. Die Kleine von vorhin ist die letzte. »Heiden*«, zwitschert sie, macht aber doch die Tür zu. Wir haben gesiegt.

* * *

Mittags kommt der Lazarettinspektor und ranzt uns an. Er verspricht uns Festung und noch mehr. Nun ist ein Lazarettinspektor, genau wie ein Proviantamtsinspektor, zwar jemand, der einen langen Degen und Achselstücke trägt, aber eigentlich ein Beamter, und er wird darum nicht einmal von einem Rekruten für voll genommen. Wir lassen ihn deshalb reden. Was kann uns schon passieren

»Wer hat die Flasche geworfen?« fragt er.

Bevor ich überlegen kann, ob ich mich melden soll, sagt jemand: »Ich!«

Ein Mann mit struppigem Bart richtet sich auf. Alles ist gespannt, weshalb er sich meldet.

»Sie?«

»Jawohl. Ich war erregt darüber, dass wir unnötig geweckt wurden, und verlor die Besinnung, so dass ich nicht wusste, was ich tat.« Er redet wie ein Buch.

»Wie heißen Sie?«

»Ersatz-Reservist Josef Hamacher.«

Der Inspektor geht ab. Alle sind neugierig. »Weshalb hast du dich denn bloß gemeldet? Du warst es ja gar nicht!«

Er grinst. »Das macht nichts. Ich habe einen Jagdschein*.«

Das versteht natürlich jeder. Wer einen Jagdschein hat, kann machen, was er will.

»Ja«, erzählt er, »ich habe einen Kopfschuss gehabt, und darauf ist mir ein Attest ausgestellt worden, dass ich zeitweise unzurechnungsfähig bin. Seitdem bin ich fein heraus. Man darf mich nicht reizen. Mir passiert also nichts. Der unten wird sich schön ärgern. Und gemeldet habe ich mich, weil mir das Werfen Spaß gemacht hat. Wenn sie morgen wieder die Tür aufmachen, schmeißen wir wieder.«

Wir sind heilfroh. Mit Josef Hamacher in der Mitte jetzt alles riskieren.

Dann kommen die lautlosen, flachen Wagen, um uns zu holen. Die Verbände sind verklebt. Wir brüllen wie Stiere.

* * *

Es liegen acht Mann auf unserer Stube. Die schwerste Verletzung hat Peter, ein schwarzer Krauskopf einen komplizierten Lungenschuss. Franz Wächter neben ihm hat einen zerschossenen Arm, der anfangs nicht schlimm aussieht. Aber in der dritten Nacht ruft er uns an, wir sollten klingeln, er glaube, er blute durch.

Ich klingele kräftig. Die Nachtschwester kommt nicht. Wir haben sie abends ziemlich stark in Anspruch genommen*, weil wir alle neue Verbände und deshalb Schmerzen hatten. Der eine wollte das Bein so gelegt haben, der andere so, der dritte verlangte Wasser, dem vierten sollte sie das Kopfkissen aufschütteln; die dicke Alte hatte böse gebrummt zuletzt und die Türen geschlagen. Jetzt vermutet sie wohl wieder so etwas, denn sie kommt nicht.

Wir warten. Dann sagt Franz: »Klingle noch mal.«

Ich tue es. Sie lässt sich immer noch nicht sehen. Auf unserem Flügel ist nachts nur eine einzige Stationsschwester, vielleicht hat sie gerade in andern Zimmern zu tun. »Bist du sicher, Franz, dass du blutest?« frage ich. »Sonst kriegen wir wieder was auf den Kopf.«

»Es ist nass. Kann keiner Licht machen?«

Auch das geht nicht. Der Schalter ist an der Tür, und niemand kann aufstehen. Ich halte den Daumen auf der Klingel, bis er gefühllos wird. Vielleicht ist die Schwester eingenickt. Sie haben ja sehr viel Arbeit und sind alle überanstrengt, schon tagsüber. Dazu das ständige Beten.

»Sollen wir Flaschen schmeißen?« fragt Josef Hamacher mit dem Jagdschein.

»Das hört sie noch weniger als das Klingeln.«

Endlich geht die Tür auf. Muffelig erscheint die Alte. Als sie die Geschichte bei Franz bemerkt, wird sie eilig und ruft: »Weshalb hat denn keiner Bescheid gesagt?«

»Wir haben ja geklingelt. Laufen kann hier keiner.«

Er hat stark geblutet und wird verbunden. Morgens sehen wir sein Gesicht, es ist spitzer und gelber geworden, dabei war es am Abend noch fast gesund im Aussehen. Jetzt kommt öfter eine Schwester.

* * *

Manchmal sind es auch Hilfsschwestern vom Roten Kreuz. Sie sind gutmütig, aber mitunter etwas ungeschickt. Beim Umbetten tun sie einem oft weh und sind dann so erschrocken, dass sie einem noch mehr weh tun.

Die Nonnen sind zuverlässiger. Sie wissen, wie sie anfassen müssen, aber wir möchten gern, dass sie etwas lustiger wären. Einige allerdings haben Humor, sie sind großartig. Wer würde Schwester Libertine nicht jeden Gefallen tun, dieser wunderbaren Schwester, die im ganzen Flügel Stimmung verbreitet, wenn sie nur von weitem zu sehen ist? Und solcher sind noch mehrere da. Wir würden für sie durchs Feuer gehen. Man kann sich wirklich nicht beklagen, man wird direkt wie ein Zivilist hier behandelt von den Nonnen. Wenn man dagegen an die Garnisonlazarette denkt, in denen man mit angelegter Hand im Bett liegen muss, kann einem die Angst kommen.

Franz Wächter kommt nicht wieder zu Kräften. Eines Tages wird er abgeholt und bleibt fort. Josef Hamacher weiß Bescheid: »Den sehen wir nicht wieder. Sie haben ihn ins Totenzimmer gebracht.«

»Was für ein Totenzimmer?« fragt Kropp.

»Na, ins Sterbezimmer «

»Was ist denn das?«

»Das kleine Zimmer an der Ecke des Flügels. Wer kurz vor dem Abkratzen ist, wird dahin gebracht. Es sind zwei Betten darin. Überall heißt es nur das Sterbezimmer.«

»Aber warum machen sie das?«

»Sie haben dann nicht so viel Arbeit nachher. Es ist auch bequemer, weil es gleich am Aufzug zur Totenhalle liegt. Vielleicht tun sie es auch, damit keiner in den Sälen stirbt, wegen der andern. Sie können ja auch besser bei ihm wachen, wenn er allein liegt.«

»Aber er selber?«

Josef zuckt die Achseln. »Gewöhnlich merkt er ja nicht mehr viel davon.«

»Weiß es denn jeder?«

»Wer länger hier ist, weiß es natürlich.«

* * *

Nachmittags wird das Bett von Franz Wächter neu belegt. Nach ein paar Tagen holen sie auch den neuen wieder ab. Josef macht eine bezeichnende Handbewegung. Wir sehen noch manchen kommen und gehen.

Manchmal sitzen Angehörige an den Betten und weinen oder sprechen leise und verlegen. Eine alte Frau will gar nicht fort, aber sie kann die Nacht über ja nicht dableiben. Am andern Morgen kommt sie schon ganz früh, aber doch nicht früh genug; denn als sie an das Bett geht, liegt schon jemand anders drin. Sie muss zur Totenhalle. Die Äpfel, die sie noch bei sich hat, gibt sie uns.

Auch dem kleinen Peter geht es schlechter. Seine Fiebertafel* sieht böse aus, und eines Tages steht neben seinem Bett der flache Wagen. »Wohin?« fragt er.

»Zum Verbandssaal.«

Er wird hinauf gehoben. Aber die Schwester macht den Fehler, seinen Waffenrock vom Haken zu nehmen und ihn ebenfalls auf den Wagen zu legen, damit sie nicht zweimal zu gehen braucht. Peter weiß sofort Bescheid und will sich vom Wagen rollen. »Ich bleibe hier!«

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