Sie schauten alle vier zu Hans Miklas hin, der an einem kleinen Tisch in der entferntesten Ecke des Raumes, bei der dicken alten Souffleuse, Frau Efeu, bei Willi Bock, dem kleinen Garderobier, und bei dem Bühnenportier, Herrn Knurr, Platz genommen hatte. Von Herrn Knurr wurde behauptet, dass er ein Hakenkreuz unter dem Rockaufschlag versteckt trage und dass seine Privatwohnung voll sei von den Bildern des nationalsozialistischen Führers, die er in der Portiersloge denn doch nicht aufzuhängen wagte. Herr Knurr hatte heftige Diskussionen und Streitigkeiten mit den kommunistischen Bühnenarbeitern, die ihrerseits nicht im H. K. verkehrten, sondern ihren eigenen Stammtisch in einer Kneipe gegenüber hatten wo sie zuweilen von Ulrichs besucht wurden. Höfgen wagte sich beinah nie an den Stammtisch der Arbeiter; er fürchtete, die Männer würden über sein Monokel lachen. Andererseits pflegte er zu klagen, das H. K. sei ihm durch die Anwesenheit des nationalistischen Herrn Knurr ganz verleidet. Dieser verfluchte Kleinbürger, sagte Höfgen von ihm, der auf seinen Führer und Erlöser wartet wie die Jungfer auf den Kerl, der sie schwängern soll! Mir wird immer heiß und kalt, wenn ich an der Portiersloge vorbeigehen muss und an das Hakenkreuz unter seinem Rockaufschlag denke
Natürlich hat er eine ekelhafte Kindheit gehabt, sagte Otto Ulrichs, der noch bei Hans Miklas war. Er hat mir einmal davon erzählt. Aufgewachsen ist er in irgend so einem finsteren niederbayrischen Nest. Der Vater ist im Weltkrieg gefallen, die Mutter scheint eine aufgeregte, unvernünftige Person zu sein; machte den verrücktesten Krach, als der Junge zum Theater gehen wollte man kann sich das ja alles vorstellen. Er ist ehrgeizig, fleißig, auch begabt; er hat enorm viel gelernt, mehr als die meisten von uns. Ursprünglich wollte er Musiker werden, er hat den Kontrapunkt gelernt, und er kann Klavier spielen, und er kann Akrobatik und Steptanzen und Ziehharmonika und überhaupt alles. Er arbeitet den ganzen Tag, dabei ist er wahrscheinlich krank, sein Husten klingt scheußlich. Natürlich findet er, dass er zurückgesetzt wird und nicht genügend Erfolg hat, und schlechte Rollen. Er glaubt, wir sind verschworen gegen ihn, von wegen seiner so-genannten politischen Gesinnung. Ulrichs schaute noch immer, aufmerksam und ernst, zum jungen Miklas hinüber. 95 Mark Monatsgehalt, sagte er plötzlich und blickte drohend auf Direktor Schmilz, der sofort unruhig auf seinem Stuhl zu rücken begann, es ist schwer, dabei ein anständiger Mensch zu bleiben. Nun schaute auch die Herzfeld aufmerksam zu Miklas hinüber.
Zum Garderobier Bock, zur Souffleuse Efeu und Herrn Knurr pflegte Hans Miklas sich stets dann zu setzen, wenn er sich recht niederträchtig benachteiligt fand von der Direktion des Künstlertheaters, die er vor seinen politischen Freunden als verjudet und marxistisch bezeichnete. Vor allem hasste er Höfgen, diesen ekelhaften Salonkommunisten. Höfgen war, wenn man Miklas glauben durfte, eifersüchtig und eitel; Höfgen war größenwahnsinnig und wollte alles spielen, besonders aber spielte er ihm, Miklas, die Rollen weg. Es ist eine Gemeinheit, dass er mir den Moritz Stiefel nicht gelassen hat, äußerte der Verbitterte. Miklas schaute zornig auf seine eigenen Beine, die mager und sehnig waren.
Garderobier Bock, ein dummer Bursche mit wässrigen Augen und sehr blonden, sehr harten Haaren, die er kurz geschoren wie eine Bürste trug, kicherte über seinem Bierglas: niemand wusste, ob über Hendrik Höfgen, der als Gymnasiast komisch aussehen würde, oder über den machtlosen Zorn des jungen Hans Miklas. Die Souffleuse Efeu hingegen zeigte Entrüstung; sie bestätigte Miklas, dass es eine Gemeinheit sei. Das mütterliche Interesse, das die dicke alte Person an dem jungen Menschen nahm, brachte für diesen praktische Vorteile mit sich. Übrigens sympathisierte sie auch politisch mit ihm. Sie stopfte ihm seine Socken, lud ihn zum Abendessen ein; schenkte ihm Wurst, Schinken und Eingemachtes. Damit du dicker wirst, Junge, sagte sie und schaute ihn zärtlich an. Dabei gefiel ihr gerade die Magerkeit seines trainierten, nicht sehr großen, elastischen, schmalen Körpers. Wenn sein dichtes dunkelblondes Haar am Hinterkopf gar zu widerspenstig in die Höhe stand, sagte die Efeu: Du siehst aus wie ein Gassenjunge! und holte einen Kamm aus dem Beutel.
Wie ein Gassenjunge sah Hans Miklas wirklich aus, freilich wie einer, dem es nicht besonders gut geht und der seine Angegriffenheit trotzig bezwingt. Sein Leben war anstrengend; er trainierte den ganzen Tag, mutete seinem schmalen Körper vieles zu, wahrscheinlich kamen daher seine Reizbarkeit und der finster abweisende Ausdruck seines jungen Gesichtes. Dieses Gesicht hatte üble Farben; unter den starken Backenknochen gab es schwarze Löcher, so eingefallen waren die Wangen. Um die hellen Augen waren die Ränder auch beinah schwarz. Hingegen war die reine, kindliche Stirne wie beschienen von einer bleichen und empfindlichen Helligkeit; auch der Mund leuchtete, aber auf ungesunde Art, viel zu rot; in den abweisend vorgeschobenen Lippen schien sich alles Blut zu sammeln, von dem das Gesicht sonst leer war. Unter den starken und verführerischen Lippen, von denen die Souffleuse Efeu oft den Blick nicht lassen konnte, enttäuschte das zu kurze, schwächlich abfallende Kinn.
Heute früh, auf der Probe, hast du wieder ganz zum Fürchten ausgesehen, sprach die Efeu besorgt. So schwarze, tiefe Löcher in den Backen! Und der Husten! Dumpf hat der geklungen zum Erbarmen!
Miklas konnte es nicht ausstehen, wenn man ihn bemitleidete; nur die Gaben, in die solches Mitleid sich umsetzte, nahm er gerne, wenngleich wortkarg entgegen. Das klagende Gerede der Efeu überhörte er einfach. Hingegen wollte er von Bock wissen: Stimmt es, dass der Höfgen sich heute den ganzen Abend in seiner Garderobe hinter dem Paravent versteckt hat?
Bock konnte es nicht in Abrede stellen. Miklas fand Höfgens Betragen derartig albern, dass es ihn geradezu in Heiterkeit versetzte, Ich sage doch, ein kompletter Narr! Dabei lachte er triumphierend. Und das alles wegen einer Jüdin, der der Kopf bis dahin zwischen den Schultern steckt! Er machte sich bucklig, um anzudeuten, wie die Martin aussehe: die Efeu amüsierte sich herzlich. Und so etwas will ein Star sein! Mit seinem höhnischen Ausruf konnte er ebensowohl die Martin meinen wie Höfgen. Beide gehörten, nach seinem Urteil, in dieselbe bevorzugte, undeutsche, tief verwerfliche Clique. Die Martin! redete er weiter, das böse, leidende, reizvolle junge Gesicht in die mageren, nicht ganz sauberen Hände gestützt. Sie soll ja auch immer diese salonkommunistischen Phrasen dreschen, mit ihren tausend Mark jeden Abend. Eine Bande ist das! Aber es wird aufgeräumt werden mit denen der Höfgen wird auch noch dran glauben müssen!
Das enge Lokal war voll Rauch. Die Luft ist ja dick zum Schneiden, klagte die Motz. Das hält doch der stärkste Mann nicht aus. Und meine Stimme! Kinder, morgen könnt ihr mich wieder beim Halsarzt sitzen sehen. Niemand hatte Lust, sie sitzen zu sehen. Rahel Mohrenwitz machte sogar ironisch: Huch, unsere Koloratursängerin! wofür sie einen fürchterlichen Blick von der Motz bekam, die sowieso etwas gegen Rahel hatte: Petersen wusste, warum. Erst gestern wieder hatte man ihn in der Garderobe des dämonischen Mädchens gefunden, und die Motz hatte weinen müssen. Heute aber schien sie entschlossen, sich keinesfalls die Stimmung verderben zu lassen von einer dummen Gans, die sich vielleicht auf ihr Monokel und ihre lächerliche Frisur noch was einbildete. Vielmehr faltete sie die Hände vor dem Bauch und markierte gemütliche Stimmung. Aber nett ist es hier, sagte sie herzlich. Was, Vater Hansemann? Sie blinzelte dem Wirt zu, dem sie noch 27 Mark schuldete und der deshalb nicht zurückblinzelte. Gleich danach entsetzte sie sich, weil Petersen sich ein Beefsteak servieren ließ, noch dazu mit Spiegelei. Als ob ein Paar Würstchen nicht genügt hätten! Ihr standen Tränen des Zorns in den Augen. Zwischen Motz und Petersen gab es viel Streit und Hader, weil der Väterspieler, nach dem Dafürhalten seiner Freundin, zur Verschwendungssucht neigte. Immer bestellte er sich teure Sachen, und die Trinkgelder, die er spendierte, waren auch zu hoch. Natürlich: Steak mit Ei muss es sein! jammerte die Motz. Petersen murmelte, dass ein Mann sich doch anständig ernähren müsse. Die Motz aber, ganz außer Fassung, fragte plötzlich mit zornigem Sarkasmus die Mohrenwitz, ob Petersen ihr vielleicht eine Flasche Sekt angeboten habe. Veuve Cliquot, extrafein! schrie die Motz und sprach, bei aller Gehässigkeit, den Namen der Sektmarke mit jener Delikatesse aus, welche sie als Salondame legitimierte. Hierüber war die Mohrenwitz nun ernsthaft beleidigt. Ich muss doch sehr bitten! rief sie schrill. Soll das ein Witz sein?! Das Monokel fiel ihr aus dem Auge, ihr pausbäckiges, vor Ärger rot gewordenes Gesicht sah plötzlich gar nicht mehr dämonisch aus. Kroge blickte schon verwundert auf; Frau von Herzfeld lächelte ironisch. Der schöne Bonetti aber klopfte der Motz auf die Schulter; gleichzeitig auch der Mohrenwitz, die kampfeslustig näher getreten war. Zankt euch nicht, Kinder! riet er ihnen, um den Mund besonders müde und angewiderte Falten. Dabei kommt doch nichts raus. Spielen wir lieber Karten.
Das enge Lokal war voll Rauch. Die Luft ist ja dick zum Schneiden, klagte die Motz. Das hält doch der stärkste Mann nicht aus. Und meine Stimme! Kinder, morgen könnt ihr mich wieder beim Halsarzt sitzen sehen. Niemand hatte Lust, sie sitzen zu sehen. Rahel Mohrenwitz machte sogar ironisch: Huch, unsere Koloratursängerin! wofür sie einen fürchterlichen Blick von der Motz bekam, die sowieso etwas gegen Rahel hatte: Petersen wusste, warum. Erst gestern wieder hatte man ihn in der Garderobe des dämonischen Mädchens gefunden, und die Motz hatte weinen müssen. Heute aber schien sie entschlossen, sich keinesfalls die Stimmung verderben zu lassen von einer dummen Gans, die sich vielleicht auf ihr Monokel und ihre lächerliche Frisur noch was einbildete. Vielmehr faltete sie die Hände vor dem Bauch und markierte gemütliche Stimmung. Aber nett ist es hier, sagte sie herzlich. Was, Vater Hansemann? Sie blinzelte dem Wirt zu, dem sie noch 27 Mark schuldete und der deshalb nicht zurückblinzelte. Gleich danach entsetzte sie sich, weil Petersen sich ein Beefsteak servieren ließ, noch dazu mit Spiegelei. Als ob ein Paar Würstchen nicht genügt hätten! Ihr standen Tränen des Zorns in den Augen. Zwischen Motz und Petersen gab es viel Streit und Hader, weil der Väterspieler, nach dem Dafürhalten seiner Freundin, zur Verschwendungssucht neigte. Immer bestellte er sich teure Sachen, und die Trinkgelder, die er spendierte, waren auch zu hoch. Natürlich: Steak mit Ei muss es sein! jammerte die Motz. Petersen murmelte, dass ein Mann sich doch anständig ernähren müsse. Die Motz aber, ganz außer Fassung, fragte plötzlich mit zornigem Sarkasmus die Mohrenwitz, ob Petersen ihr vielleicht eine Flasche Sekt angeboten habe. Veuve Cliquot, extrafein! schrie die Motz und sprach, bei aller Gehässigkeit, den Namen der Sektmarke mit jener Delikatesse aus, welche sie als Salondame legitimierte. Hierüber war die Mohrenwitz nun ernsthaft beleidigt. Ich muss doch sehr bitten! rief sie schrill. Soll das ein Witz sein?! Das Monokel fiel ihr aus dem Auge, ihr pausbäckiges, vor Ärger rot gewordenes Gesicht sah plötzlich gar nicht mehr dämonisch aus. Kroge blickte schon verwundert auf; Frau von Herzfeld lächelte ironisch. Der schöne Bonetti aber klopfte der Motz auf die Schulter; gleichzeitig auch der Mohrenwitz, die kampfeslustig näher getreten war. Zankt euch nicht, Kinder! riet er ihnen, um den Mund besonders müde und angewiderte Falten. Dabei kommt doch nichts raus. Spielen wir lieber Karten.
In diesem Augenblick wurden gedämpfte Rufe laut, und alles drehte sich der Türe zu, die sich geöffnet hatte. Dora Martin stand auf der Schwelle. Hinter ihr drängte sich, wie auf der Bühne das Gefolge hinter der Königin, das Ensemble, mit dem sie reiste.
Dora Martin lachte und winkte allen Mitgliedern des Hamburger Künstlertheaters zu; dabei rief sie mit ihrer heiteren Stimme, auf jene berühmte Alt, die von tausend jungen Schauspielerinnen im ganzen Lande kopiert wurde, in jedem Satz einige Worte zerdehnend: Kinder, wir sind eingeladen, ein ganz langweiliges Bankett, furchtbar schade, aber wir müssen hingehen! Sie schien ihre eigene Sprechweise parodieren zu wollen, so eigenwillig verfuhr sie mit der Länge der Silben. Aber allen klang es lieblich in den Ohren, auch denen, welche die Martin nicht leiden konnten, zum Beispiel dem jungen Miklas. Es war nicht zu leugnen: Ihr Auftritt hatte großen Effekt gemacht.
Da geschah es, dass jemand hinter ihr sich durchs Gefolge drängte. Es war Hendrik Höfgen, der unvermittelt hervorkam. Er hatte den Smoking an, den er in mondänen Rollen auf der Bühne trug und der, aus der Nähe betrachtet, schon recht abgetragen und fleckig wirkte. Über den Schultern lag ihm ein weißes Seidentuch. Sein Atem flog; Wangen und Stirne waren hektisch gerötet. Einen recht beunruhigenden Eindruck machte das nervöse Lachen, das ihn schüttelte, während er sich in gehetzter Eile, umflattert vom Seidentuch, tief über die Hand der Diva bückte, und das nicht ohne eine gewisse irrsinnige Herzlichkeit schien. Entschuldigen Sie, brachte er hervor. Es ist ja fantastisch: ich bin viel zu spät was müssen Sie von mir denken eine fantastische Sache Das Lachen beutelte ihn, sein Gesicht wurde immer röter. Aber ich wollte Sie doch nicht gehen lassen, dabei richtete er sich endlich auf, ohne Ihnen gesagt zu haben, wie sehr ich diesen Abend genossen habe wie wunderschön es gewesen ist! Plötzlich schien die ungeheuer komische Angelegenheit, über die er fast zersprungen war vor Lachen, nicht mehr zu existieren; er zeigte nun ein ganz ernstes Gesicht.
Dafür war es jetzt an Dora Martin, ein wenig zu lachen, und das tat sie denn auch, besonders heiser und zauberhaft.
Schwindler! rief sie, und von dem eigensinnig gedehnten i kam sie gar nicht mehr weg. Sie sind gar nicht im Theater gewesen! Sie haben sich ja versteckt! Dabei schlug sie ihn leicht mit dem gelben, schweinsledernen Handschuh. Aber das macht nichts, strahlte sie ihn an. Sie sollen ja so begabt sein.
Über diese Feststellung, die überraschend kam, erschrak Höfgen zunächst so stark, dass die helle Röte von seinem Gesicht wich, welches fahl wurde. Dann aber sagte er, mit einer Stimme, die schmelzend klang: Ich? Begabt? Das ist doch ein ganz unbewiesenes Gerücht
Die Vokale konnte auch er zerdehnen, nicht nur Dora Martin brachte dies fertig. Seine Sprachkoketterie hatte eigenen Stil, er war keineswegs darauf angewiesen, irgend jemanden zu kopieren. Dora Martin girrte; er aber sang vor Manieriertheit. Dabei zeigte er jenes Lächeln, das er auf den Proben den Damen vorzumachen pflegte, wenn sie verfängliche Szenen zu spielen hatten: Es entblößte die Zähne und war ziemlich gemein. Er bezeichnete es als das aasige Lächeln. (Aasiger verstehst du, meine Liebe? , aasiger! mahnte er auf den Proben Rahel Mohrenwitz oder Angelika Siebert, und er machte es vor.)
Ihre Zähne zeigte auch Dora Martin; er während der Mund babytalk sprach und der Kopf kokett zwischen den hochgezogenen Schultern steckte, forschten ihre großen, klugen, unbetrügbaren und traurigen Augen in Höfgens Gesicht. Sie werden es schon noch beweisen, Ihr Talent! sagte sie leise, und eine Sekunde lang war nicht nur ihr Blick ernst, sondern auch ihr Gesicht. Ernsten Gesichtes, beinah drohend, nickte sie ihm zu. Höfgen, der sich noch vor einer Viertelstunde hinterm Paravent versteckt hatte, hielt ihren Blick aus. Dann lachte die Martin wieder; girrte: Wir sind viel zu spät!; winkte und entschwand mit Gefolge. Höfgen war in die Kantine getreten.
Die Begegnung mit Dora Martin hatte ihn auf wunderbare Art aufgeheitert; er schien jetzt in einer geradezu festlichen Laune zu sein. Von seinem Antlitz kam ein gnädiger Glanz. Alle schauten auf ihn, nun beinah ebenso bezwungen, wie sie vorhin auf die Berliner Diva geschaut hatten. Ehe Höfgen Direktor Kroge und Frau von Herzfeld begrüßte, war er zu Garderobier Bock getreten. Hör mal, mein Böckchen, sang er und stand verführerisch da: Hände in die Hosentaschen vergraben, Schultern hochgezogen, und auf den Lippen das aasige Lächeln. Du musst mir mindestens sieben Mark fünfzig leihen. Ich will anständig zu Abend essen, und ich habe so ein Gefühl: Väterchen Hansemann verlangt heute Barbezahlung. Aus den schillernden Edelsteinaugen warf er einen misstrauisch schiefen Blick auf Hansemann, der mit blauroter Nase unbewegt hinter der Theke saß. Bock war aufgesprungen; aus Schreck über Höfgens einerseits ehrenvolles, andererseits grausiges Ansinnen waren seine Augen noch wässriger, seine Wangen dunkelrot geworden. Während er stumm erregt in den Taschen wühlte und Hans Miklas mit gehässig gespanntem Blick den ganzen Vorfall beobachtete, war die kleine Angelika eilig hinzugetreten. Aber Hendrik! sagte sie schnell und schüchtern. Wenn du Geld brauchst ich kann dir doch fünfzig Mark bis zum Ersten leihen! Sofort bekam Höfgen fischig kalte Augen. Er sagte hochmütig über die Schulter: Mische dich nicht in unsere Männergeschäfte, meine Kleine. Bock gibt gerne. Der Garderobier nickte aufgeregt, während sich die Siebert mit nassen Augen zurückzog. Höfgen ließ, ohne sich zu bedanken, Bocks Silbermünzen nachlässig in seine Tasche gleiten. Miklas, Knurr und die Efeu schauten finster, Bock fassungslos und Angelika weinend hinter ihm drein, während er wiegenden Ganges, immer noch das weiße Seidentuch über den Schultern, das Lokal durchschritt. Väterchen Schmilz lässt mich nämlich verhungern, erklärte er, das sieghaft lächelnde Gesicht dem Direktorentisch zugewandt.