Celsissimus: Salzburger Roman - Arthur Achleitner 2 стр.


Auf einen Wink des Fürsten schritt der Kämmerling an die offene Thür des Frauenwartegemaches und sprach: Seine Hochfürstliche Gnaden lassen die Damen bitten, in den großen Saal zu treten!

Scheu und doch neugierig, geschmeichelt und doch ängstlich zugleich wollte von den Frauen keine vortreten, und für die jungen Mädchen schickte sich ein Vortritt überhaupt nicht.

Nicht um die Welt und Gastein dazu geh' ich voraus! wisperte die verdatterte Bürgermeisterin in einer schier unüberwindbaren Scheu vor dem Auge Wolf Dietrichs. Um aber an der Ehre des Vortrittes doch einigermaßen Anteil zu haben, auf daß sothane Ehre in der Verwandtschaft bleibe, gab Frau Alt der Nichte Salome einen ebenso freundlichen wie verständlichen Stoß mit der knöcherigen Faust und tuschelte dazu: Geh du voraus, dein Kleid verträgt es!

Wenn Ihr glaubt, Muhme, ich fürchte mich nicht und wüßte auch keinen Grund zu Angst und Sorge! erwiderte leise die schöne Salome, und schritt durch die offene Thür in den Hauptsaal; hinterdrein zappelten nun die Frauen und Töchter und guckten sich die Augen und Hälse wund nach dem jungen Fürsten in der spanischen Tracht.

Noch ehe Salome die Lippen geöffnet, um den Dank von Salzburgs Damen für das gnädige Erscheinen des Landesherrn darzubringen, war Wolf Dietrich in seiner impulsiven Art dem schönen Fräulein entgegengegangen, und lebhaft rief der Fürst: Ah, welches Glück lacht mir entgegen, des Festes Königin erscheint, und sie wolle auch meine Huldigung entgegennehmen! Mit eleganter Wendung griff Wolf Dietrich nach dem zierlichen Händchen Salomes und drückte galant die Lippen darauf.

Hochfürstliche Gnaden! stammelte überrascht die schöne Salome und wollte die Hand zurückziehen.

Nicht doch, bellissima! Gewährt die Gnade, daß des Stiftes Salzburg Herr der Schönheit huldigt! Euren Arm, Donna, und nun wollen wir geruhen, das Fest zu eröffnen!

Salome hatte sich gefaßt, die chevalereske Huldigung schmeichelte ihrem Sinn wie die offenkundige Auszeichnung; Salome wußte, daß sie strahlend schön, begehrenswert wie keine zweite Dame unter Salzburgs Mädchen ist, und in diesem Triumph legte das Fräulein, holdselig lächelnd, den vollen runden Arm in jenen des jungen Fürsten. Das Paar schritt nun durch den Saal, die Musikanten spielten eine flotte Weise dazu, die überraschten Patrizier und deren Frauen, Söhne und Töchter thaten das klügste, indem sie sich paarweise anschlossen und in der Ronde hinterdrein schritten. Gelegenheit zum schwätzen war dabei reichlich genug vorhanden, die Mündchen der Damen schnurrten wie Spinnrädchen. Neues genug bringt der neue Herr in alle Kreise. Ohne vorherigen Cercle ein Fest zu eröffnen, sich ein Fräulein herauszufischen, und das zur Festeskönigin erküren und auszurufen, welch neues, ungewöhnliches Vorgehen! Wenn der Fürst da doch wenigstens die eigene Tochter herausgefischt hätte! Aber so schlankweg die Salome Alt, die ohnehin sich geriert, als stamme sie aus fürstlichem Geblüt! Es muß ihr ja der Neid lassen, daß sie schön ist, hübscher als alle andere, aber weil das unbestreitbare Thatsache ist, wäre es besser, wenn sich die Alt-Tochter mehr im Hintergrund verhielte! Und dieser fabelhafte Luxus in der Kleidung! Eine Prinzessin hat kaum so viel Perlen zu tragen!

Salomes Vater, Herr Wilhelm Alt, war mit sich selber nicht recht einig, als er mit der Schwägerin, der Muhme Salomes, dahinschritt. Die seiner Tochter widerfahrene Auszeichnung schmeichelte zum Teil ja gewiß auch dem Vater, besonders da Wolf Dietrichs Art sonst hochmütig ist und der junge Gebieter viel auf höfische Formen hält. Aber eben die so plötzliche Durchbrechung der Etikette will dem stolzen Kaufherrn nicht gefallen, sie verletzt durch ihre Außerordentlichkeit. Einem Stachel gleich wirkt auch die von Wilhelm Alt wohl beobachtete Scene, wie der Bruder-Bürgermeister von den Herren des fürstlichen Gefolges an die Stiegenwand gedrückt wurde; die Hofschranzen nehmen sich in ihrem Übermut zu viel heraus, der Bürgerstolz ist verletzt und stolz waren die Salzburger Patrizier von jeher. Was aber thun in diesem ungewöhnlichen Falle? Es ist nicht opportun, als Vater hinzutreten und dem Fürsten die Tochter aus dem Arm zu reißen.

Die Muhme-Schwägerin trippelte an Wilhelm Alts Seite, schwelgend in Glückseligkeit. Von dem ihrem Gatten widerfahrenen Affront hat sie keine Ahnung, sie hat nur die beglückende Auszeichnung ihrer Nichte durch den stolzen Landesherrn wahrgenommen, mit eigenen Augen gesehen, wie der Gebieter die Hand Salomes geküßt, als wäre die Nichte eine wahrhaftige Prinzessin. Welches Glück, welche Auszeichnung für Salome, für die ganze Familie Alt! Die Muhme sieht die Zukunft in rosigem Lichte. Wer weiß, welche Auszeichnungen ein Verkehr mit dem fürstlichen Hofe, mit dem Erzbischof noch bringen kann! Hat doch Wolf Dietrich die besten Beziehungen zum Vatikan! Verwandt mit Seiner Heiligkeit! Ihn kann es nur ein Wort kosten, und die Muhme erhält den päpstlichen Segen separat, nur für sich! Die Bürgermeisterin erschrak in Gedanken vor der Kühnheit ihrer Hoffnungen, sie erinnerte sich, daß der Gemahl nichts weniger denn solche römische Aspirationen hegt und seine Behaglichkeit höher schätzt als Fürstengunst. Wenn es sich aber heimlich bewerkstelligen ließe, alles und just das brauchte der Bürgermeister ja nicht zu wissen, der Muhme schwindelte vor diesem Gedanken und unwillkürlich stützte sie sich fester auf den Arm des Schwagers.

Wer sich am Rundgang nicht beteiligt hatte, die jüngeren Bürger, Junker, auch die Plünderer des Schenktisches, hatten sich an der Saalwand aufgestellt und bildeten eine Gruppe in der Ecke, zu welcher sich der gründlich vergrämte Bürgermeister Alt gesellte, dessen Blicke nicht viel Gutes zu künden schienen. Manches bissige Wort über den Fürsten und sein Charmieren mit Salome fiel in dieser Gruppe, und der Bürgermeister wehrte dessen nicht. In ihm kochte es, die Behandlung auf der Treppe hat sein Blut erhitzt. Nicht minder ärgert es Alt, daß sein Eheweib an des Bruders Seite ersichtlich verklärt, schwimmend in Glückseligkeit, hinterdrein trippelt und durch dieses alberne Nachlaufen das fürstliche Karessieren gewissermaßen sanktioniert. Bürgermeister Alt knurrte: Dumme Gans! Und Wilhelm könnte auch etwas Besseres thun, als mit der alten Schachtel hinterdrein zu laufen!

Einer der Jungen, die vom Südwein zu viel erwischten, krähte mit heiserer Stimme: Guckt ihn an, den Erzbischof, der tänzelt wie ein spanischer Junker!

Und ein anderer, dessen Augen bereits gläsern geworden, brachte schluckend heraus: Fein wird's im Eeerzstststift!

Inzwischen war Wolf Dietrich mit Salome an diese Gruppe herangekommen; der Fürst winkte der Musik, die mit einer Dissonanz jäh abbrach, und sprach, seine Dame im Arm behaltend, den Bürgermeister mit vollendeter Liebenswürdigkeit und Herablassung wohlwollend an: Lieber Alt! Niente di male! Ihr verzeiht mir wohl, daß ich im Banne der Schönheit auf Eure Meldung und Unordnung nicht gewartet, das Fest mit der Königin in persona eröffnet habe. Salzburgs schönste Mädchenblume rechtfertigt mein Verhalten und erklärt die Begeisterung meiner Gefühle! Glücklich ein Land, in dessen Gefilden solche Blumen blühen, glückliches Salzburg, dessen Herr zu sein mich mit freudigem Stolz erfüllt! Nun, mein lieber Bürgermeister, ist es nach Eurer Absicht, so laßt uns das Mahl beginnen, doch wünsche ich, daß zu Tisch mir des Festes Königin zur Partnerin verbleibe!

Der Bürgermeister hatte seinen Ohren nicht getraut, diese huldvolle Ansprache warf alle Rachegedanken über den Haufen, sie mußte einen Drachen in ein sanftes Lamm verwandeln; zum mindesten, das fühlte der Stadtvater deutlich genug, gehört auf solche Huld eine höfliche Dankesantwort, die aber im Handumdrehen nicht gedrechselt werden kann, denn Herr Ludwig Alt ist kein Geschwindredner und seine Gedanken verlangen eine überlegte gemächliche Aneinanderreihung. Hochfürstliche Gnaden haben geruht! Das war der erste Anlauf, und nun muß einen Augenblick nachgedacht werden, was hinzugefügt werden könnte.

Doch der lebhafte Fürst sprach dazwischen: Ihr seid also nimmer ungehalten, solche Versöhnlichkeit ehrt Euch und läßt den milden Sinn des treubesorgten Stadtvaters erkennen! Ich irre nicht, wenn ich Eure Zustimmung voraussetze. Zu Tische denn, und Euch, Bürgermeister, lade ich ein, zu meiner Linken den Platz zu nehmen. Zu meiner Rechten behalte ich die Verkörperung der Schönheit, des Festes Königin!

Eine Fanfare schmetterte in den Saal, in ihr ging der Dank des Bürgermeisters unter.

Eure Gemahlin nehmen wir mit! rief Wolf Dietrich dem Stadtvater zu, dem darob die Ohren sausten.

Die Herablassung des Landesherrn wirkte zündend, die glänzende Versammlung akklamierte frohgestimmt dem leutseligen jungen Fürsten, ein Tusch der Musikanten verstärkte die brausenden Hochrufe, und in lebhafter Beweglichkeit ward zur Tafel geschritten. Eilig hatte es die Bürgermeisterin, welche die Worte des Gebieters glücklich erhascht hatte, an die Seite des Gatten zu gelangen, wozu die Überglückliche ihre Arme wohl zu gebrauchen und sich im Menschengewirr Bahn zu schaffen verstand. Die Herren, welche Frau Alt so unsanft zur Seite drängte, lachten auf ob der Beteuerung, daß der Fürst Verlangen trage nach der Stadtmutter, und ließen die in ihrer Glückseligkeit drollige Frau bereitwillig durch. So gelangte Frau Alt zu ihrem Gatten, der sie nun wohl oder übel zu Tisch geleiten mußte.

Der Schönheit Majestät wolle mich beglücken! flüsterte Wolf Dietrich, als er mit Salome sich dem Ehrenplatz an der Prunktafel näherte.

Hochfürstliche Gnaden überschütten mich mit Huld und Gunst in unverdientem Maße! erwiderte lächelnd Salome und senkte bescheiden die Lider.

Nicht doch! Wessen Blick geschult ist durch das Leben im ewigen Rom, vermag wahre Schönheit zu erkennen, doch versagt die Sprache, sie gebührend zu preisen. Ich huldige der schönsten Königin, so die Erde trägt, und bitte, diese aufrichtige Huldigung in Gnaden aufzunehmen! Ein leiser Druck des Armes auf jenen Salomes, dann gab Wolf Dietrich seine Dame frei, winkte einem Edelknaben und beorderte diesen zur Bedienung der Dame.

Man setzte sich zur Tafel, und wie angeordnet, kam immer zwischen zwei Herren eine Dame zu sitzen, Frau Alt, deren Wangen vor Aufregung die Farbe der Klatschrose angenommen, hatte gehofft, zur Linken des Fürsten placiert zu werden, aber das litt nun der Gemahl doch nicht, hier wurde die Ausnahme gemacht. Dafür saß nun die Stadtmutter zwischen den Brüdern Alt, also immer noch in auszeichnendster Nähe des Landesherrn und Ehrengastes.

Noch ehe das Mahl begann, hatte sich Wolf Dietrich an seine Tischgenossin gewendet: Irre ich nicht, so war das Geschick mir schon einmal günstig, und ein guter Stern hat Euch vor kurzer Zeit in meinen Palazzo geführt?

Salome erhob das strahlend schöne Auge zum Gebieter, dann nickte sie und lispelte: Nicht ein Stern ist's gewesen, des Vaters Auftrag führte mich in den Palast. In Geldangelegenheiten geht mein Vater sicher und deshalb muß zum Einhub die Tochter kommen.

So waret Ihr es doch, die ich flüchtig nur bei meinem Kastner sah!

Salome nickte.

Und Euer Vater, glücklich zu preisen ob solcher Tochter, die allen Liebreiz in sich verkörpert, ist er hier in unserem Kreise?

Leise erwiderte Salome, daß der Vater zur Linken neben der Muhme Platz genommen habe.

Und die Mutter?

Die Teure ist seit langem uns entrissen!

Wie schmerzlich muß es gewesen sein, von solchem Kind zu scheiden! Doch wollen wir in der Gegenwart bleiben! Wolf Dietrich lehnte sich in seinen Stuhl, dessen Lehne mit dem Raittenauer Wappen und den bischöflichen Farben geschmückt war, zurück, um den Blick auf Wilhelm Alt frei zu bekommen. Ein kurzer, musternder, prüfender, stechender Blick, der dem Antlitz des Fürsten einen harten Ausdruck gab, dann kehrte wohlwollende Leutseligkeit in das Antlitz zurück, und freundlich, mit gewinnender Güte und Herablassung rief Wolf Dietrich dem Handelsherrn zu: Wilhelm Alt, meinen Gruß! Verzeiht, daß so verspätet ich an Euch mich wende, Euch glücklich preise ob der schönen Tochter und den Dank Euch sage dafür, daß es mir vergönnt, die Königin des Festes zur Partnerin zu haben!

Wilhelm Alt hatte sich schon bei den ersten Worten erhoben und dem Fürsten tiefe Reverenz durch eine Verbeugung erwiesen. Dann aber blieb der Handelsherr aufrecht vor dem Landesherrn stehen, stattlich anzusehen als ein seiner Bedeutung wohlbewußter, reicher Patrizier. Ein von Liebe und väterlichem Stolz sprechender Blick flog zu Salome hinüber, ein zweiter galt dem Fürsten, und dieser Blick schien prüfend, mißtrauisch zu sein, gleichsam, als traue der Vater nicht dem jungen Herrn, der so wenig Hehl aus seiner Bewunderung und Huldigung für die Tochter mache. Der Dank für die Ansprache fiel etwas kühl aus, vollendet höflich und ehrerbietig, aber fühlbar frostig.

Sofort zeigte des Fürsten Antlitz den Zug unbeugsamer Härte, den Ausdruck von Hochmut, der Blick ward stechend und höhnisch; doch weltgewandt meisterte Wolf Dietrich sofort seine Empfindungen und den Gesichtsausdruck, die Falte auf der geistkundenden Stirn glättete sich, lächelnd grüßte der junge Kirchenfürst unter den Worten: Wir danken Euch, Wilhelm Alt und wollen Euch den nun beginnenden Tafelfreuden nicht länger entziehen!

Nach abermaliger tiefer Verbeugung nahm der Kaufherr seinen Platz wieder ein, sofort von der Schwägerin interpelliert, was denn alles der gnädige Herr gesprochen. Ich hör' auf einem Ohr nicht gut, das schlechte Wetter ist daran schuld! fügte die neugierige Bürgermeisterin hinzu. Wilhelm Alt war boshaft genug, um der Schwägerin zuzuwispern: Einen Hopser will er später mit Euch machen! Frau Alt schien das Geflüster doch vollkommen verstanden zu haben, denn ganz etikettwidrig platzte sie heraus: Nicht möglich? Das klang so drollig, daß auch Salome ein Kichern nicht unterdrücken konnte.

Wolf Dietrich hatte sich an den Bürgermeister gewendet, als der Gang: Ein gelb Essen ist lind zu essen1 serviert worden war, und sprach zum ehrerbietig aufhorchenden Stadtgewaltigen: Nun wir die linde Speise hinter uns haben, wollen wir auch linder Stimmung sein und vernehmen, was die Herzen meiner Salzburger beweget.

Das klang wie Musik in den Ohren Ludwig Alts, der es gleich dem Stadtrat bitter genug empfunden hatte, daß der Landesherr kaum nach seinem Regierungsantritt von den Errungenschaften früherer Erzbischöfe schleunigst Gebrauch machte und eine Revision in den Personen des Stadtrates in Bezug auf ihre Gesinnung vornahm, die eine fühlbare Veränderung dieser Instanz hervorrufen mußte.

Ludwig Alt traute aber der linden Stimmung des jungen Gebieters nicht völlig, immerhin wollte er den Versuch machen, sie zu Gunsten der Stadt, namentlich zur Wiedererlangung der abgenommenen Kriminalgerichtsbarkeit auszunutzen. Vorsichtig brachte Alt hervor: Wenn wir in schuldiger Ehrfurcht eines vom gnädigen Herrn erbitten dürften, so wäre es, daß das Stadthaupt und der Rat gewissermaßen doch auch noch etwas zu sagen hätten!

Wolf warf den geistvollen Kopf auf, sein scharfer, geschwinder Sinn hatte im Nu erfaßt, wohinaus der Bürgermeister zielte, doch wollte er die Erkenntnis nicht verraten und fragte daher: Wie meint Er das?

Wenn Hochfürstliche Gnaden es huldvoll verstatten wollen: Wir haben nur noch die Exekutive, seit Ew. Gnaden neue Hofratsordnung in Kraft getreten ist und auch diese Gerichtsbarkeit dieser erzbischöflichen Behörde übertragen wurde, und

In diesem gewichtigen, ja gefährlichen Augenblick trat Wilhelm Alt, der in höchster Spannung dem bedeutungsvollen Gespräch zugehört, dem Bruder warnend auf den Fuß.

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