Nachdem einige Augenblicke lang nichts geschehen war, sammelte er all seinen Mut und schielte um die Kante der Grabmarkierung.
Die Schatten vor Myra zitterten, fast so als würden sie voller Vorfreude atmen. In diesem Moment erschien ein groÃer, gutaussehender Mann mit langem, silbernen Haar, fast wie Myras, aus der Dunkelheit. Selbst über die Entfernung zwischen ihnen konnte Zachary erkennen, wie der Dämon Myra anstarrte⦠als wollte er sie vernaschen. Dann näherte sich der Dämon der Geisterbeschwörerin, die soeben seine Zombies und Geister zur Ruhe gesetzt hatte.
Die Panik, die durch Zachary schoss, lähmte seine Gedanken, und vor unkontrollierter Wut sprang Feuer in seine Hände. Er kam aus seinem Versteck und eilte verzweifelt los, um die Frau zu retten, die er beschützen sollte.
Zachary hatte nicht gewollt, dass der Dämon Myra verletzte, und hatte fest vor, sie zu retten, selbst wenn er den gesamten Friedhof abfackeln musste, um das zu erreichen. Aber der Dämon hatte andere Pläne. Er drehte langsam seinen Kopf und der Blick aus seinen eindrucksvollen, silbernen Augen, traf den von Zachary.
Zu Zacharys Schrecken ging sein Feuer aus⦠und gleichzeitig verlor er die Kontrolle über seinen eigenen Körper. Obwohl er mit aller Kraft dagegen ankämpfte, fiel er trotzdem zu Boden und konnte sich nicht mehr bewegen oder sprechen. Das Erste, was ihm durch den Kopf ging, war, dass er noch bei Bewusstsein war⦠nicht so wie die anderen Männer, die am Friedhof verstreut lagen, und er hatte eine perfekte Sicht darauf, was geschehen sollte.
Myra hatte zugelassen, dass der Dämon sie anfasste⦠schien es sogar zu genieÃen, denn sie lächelte verführerisch und legte eine Hand auf seine Brust. Sie hatte den Dämon sogar beim Namen gerufen⦠Deth.
Kleider wurden schnell entfernt und Zachary beobachtete, wie der Dämon Myras Körper in Besitz nahm. Sie hatten sich mehrmals an dem Grabstein hinter ihnen geliebt, ehe der Dämon etwas in ihr Ohr flüsterte, sodass sie einen liebevollen Blick auf ihn richtete. Sie hatten sich noch einmal geküsst, ehe der Dämon in der Nacht verschwand.
Zachary hatte zugesehen, als Myra langsam ihren Kopf zu ihm gedreht und ihn angesehen hatte⦠sie hatte die ganze Zeit gewusst, dass er zusah. Ohne ein Wort zu verlieren, hatte sie ihre Kleider aufgesammelt und sich angezogen, dann wartete sie, dass der Rest des Teams sein Bewusstsein wiedererlangte. Zachary hatte schon nach wenigen Minuten wieder die Kontrolle über seinen Körper gewonnen und sich aufgesetzt, war aber geblieben wo er war⦠so weit von Myra entfernt, wie er nur konnte, ohne wegzugehen, und hatte sie still angestarrt.
Sie sah immer noch so wundervoll aus, sie lächelte sogar noch. Er konnte es nicht verstehen⦠konnte nichts davon verstehen.
Als die anderen erwachten, hatten sie keine Erinnerung daran, was sie angegriffen hatte, und als sie gefragt wurde, hatte Myra einfach erklärt, dass nun alles ruhig war, und der âAngriffâ nichts weiter gewesen war, als eine Nebenwirkung der Macht, die freigesetzt worden war, als die Toten in ihre Gräber zurückkehrten.
Zachary erwähnte gegenüber keiner anderen Seele, was er in jener Nacht gesehen hatte. Aber nach diesem Vorfall war sein Vertrauen in Myra zerstört gewesen. Er hatte sogar regelmäÃig um andere Aufträge gebeten, um nicht in ihre Nähe gehen zu müssen.
Er hatte auch Untersuchungen über den Dämon angestellt, den sie in dem Friedhof getroffen hatte, und herausgefunden, dass er recht gehabt hatte⦠Deth war ein uralter Dämon. Der Dämon hätte sie in jener Nacht umbringen können, alle, auch Myra, wenn er gewollt hätte, denn er hatte schon in der Vergangenheit gemordet⦠viele ermordet.
Myra spielte offensichtlich auf beiden Seiten⦠und das war eine Grenze, die keiner von ihnen je gewagt hatte, zu überschreiten. Er fand es ein wenig ironisch, dass ein Dämon ihr Ende bedeutet hatte⦠oder zumindest erzählte man das. Anscheinend hatte es schwerwiegende Folgen, wenn man diese Grenze überschritt.
Zachary weigerte sich, die Trauer zu fühlen, die nach ihrem Tod versuchte, über seine Brust zu kriechen⦠das Allerletzte, was das TEP brauchte, war ein Verräter unter ihnen.
Während er sich mühsam von der Vergangenheit losriss, beobachtete Zachary Tiara, wie sie durch die groÃe Halle ging, lauschte dem Klang der kleinen Glöckchen um ihren Knöcheln und bewunderte, wie ähnlich sie ihrer Mutter sah. Sie hätte die Doppelgängerin ihrer Mutter sein können⦠nur eine jüngere Version. Sie wirkte wie ein Kind im Körper einer Frau, völlig unschuldig, was die Gewalt um sie herum betraf, und doch gleichzeitig sich ihrer sehr bewusst.
Sie besaà einen goldenen Teint, makellose Haut und die groÃen Augen eines unschuldigen Kindes. Diese Unschuld wurde irgendwie von ihren vollen, schmollenden Lippen verstört, die er gerne an seinen fühlen wollte. Als er sie genauer betrachtete, wurde ihm klar, dass er falsch gelegen hatte⦠die Schönheit ihrer Mutter verblasste im Vergleich zu Tiaras. Schon wenn er sie beobachtete, fühlte er sich wie ein Stalker, aber anstatt wegzuschauen, sah er nur noch näher hin.
Ihre Art, sich zu kleiden, lieà sie aussehen, als käme sie direkt aus dem Wohnwagen einer Zigeuner-Sippe, die in der Zeit hängen geblieben war. Myra hatte sich auf dieselbe Art gekleidet. Er nahm an, dass es die Tradition der Linie der Geisterbeschwörerinnen war.
Heute war ihr Top nicht viel mehr als ein schwarzes Tuch, das in ein Dreieck gefaltet und um ihre Brust gebunden war, sodass ihre Seiten und ihr Rücken nackt waren, wodurch ihre verführerische, makellose Haut sichtbar war. Ihr Rock saà gefährlich tief um ihre Hüften, aber bedeckte sonst alles bis hinunter zu ihren Knöcheln.
Türen öffneten sich rundherum und Leute erschienen aus allen Ecken des Schlosses, durchquerten die Halle unter ihm, und er runzelte die Stirn über die Ablenkung. Zacharys Handy vibrierte und er nahm es heraus, um Storms SMS zu lesen.
âVersammlung in Rens Büro, bring Jason.â
âWie, zum Teufel, soll ich das machen, mit Riechsalz?â, murmelte Zachary, während er sein Telefon wieder wegsteckte. Als er zum Krankenzimmer schielte, blinzelte er überrascht, als die Tür sich öffnete und Jason seinen Kopf in den Flur streckte.
Er hob eine Augenbraue und fragte sich, ob Storm den ganzen Tag damit verbrachte, zu erscheinen und wieder zu verschwinden, um dafür zu sorgen, dass Dinge genau zur richtigen Zeit passierten. Schon alleine darüber nachzudenken, wie lange ein Tag sich für einen Zeitreisenden dahinziehen konnte, rief bei ihm Kopfschmerzen hervor. Aber andererseits, wenn jemand etwas falsch machte, konnte Storm nicht jederzeit zurückgehen und es wieder in Ordnung bringen, wenn er wollte?
âFreut mich zu sehen, dass du wach bistâ, sagte Zachary grinsend. âIch hoffe, du hast ohne Albträume geschlafen?â
Jason verlieà das Zimmer und näherte sich Zachary langsam. âJa, ich fühle mich viel besser, jetzt wo die Sterbemarkierung weg ist.â Er sah hinunter auf die vielen Leute und fragte: âWas geht hier vor?â
Zachary legte einen Arm um Jasons Schultern und steuerte ihn auf die Treppen zu. âWillst du etwas richtig Tolles sehen?â
Jason zuckte die Schultern. âKlar, wieso nicht?â
âGutâ, grinste Zachary. âDeine Anwesenheit wurde von unserem Chef gewünscht⦠deine allererste offizielle TEP-Versammlung.â
Zachary legte einen Arm um Jasons Schultern und steuerte ihn auf die Treppen zu. âWillst du etwas richtig Tolles sehen?â
Jason zuckte die Schultern. âKlar, wieso nicht?â
âGutâ, grinste Zachary. âDeine Anwesenheit wurde von unserem Chef gewünscht⦠deine allererste offizielle TEP-Versammlung.â
Jason hob eine Augenbraue. âAber ich bin kein Mitglied des TEP.â
Zachary lächelte spitzbübisch. âEntweder du schlieÃt dich uns an, oder du bekommst plötzlich eine schwere Amnesie.â
Jason riss sich von Zachary los und sah ihn mit besorgtem Blick an. Dann hob er seine Hände ergeben und nickte. âIch folge dir.â
Als Zachary lachte und über die Treppe nach unten lief, hatte Jason keine andere Wahl, als ihm zu folgen⦠obwohl er es in sicherer Entfernung tat.
*****
âIch habe etwas für dichâ, sagte Storm und zog einen kleinen USB-Stick aus seiner Brusttasche.
Ren nahm ihn entgegen und steckte ihn in den Computer. Er grinste, als er dieselbe Stadtkarte sah, die er erstellt hatte⦠nur dass diese viel aktueller war. Wo die ursprüngliche Karte nur ein paar Farbflecken besessen hatte, die sich auf die zentralen Mächte, die wahrgenommen worden waren, konzentriert hatten, glich diese dem, was entstehen würde, wenn man einem Kind die Karte und ein paar Filzstifte gab. Verschiedene Farben leuchteten nun in jedem Zentimeter der Stadt, bis hinaus in die Slums, die Naturschutzgebiete und sogar die Strände⦠sie waren schon überall.
âWoher hast du das?â, fragte Ren voller Ehrfurcht und stand langsam von seinem Stuhl auf, um den riesigen Bildschirm an der Wand genauer betrachten zu können.
Storm betrachtete seine Fingernägel mit groÃem Interesse, als er antwortete: âVon dir.â
Ehe Ren etwas sagen konnte, gingen plötzlich die Türen des Büros auf und einige der TEP-Mitglieder, die ins Schloss zurückgekommen waren, traten ein. Ren fühlte die versammelte Macht im Raum und kämpfte darum, seine eigene Macht unter Kontrolle zu bringen. Obwohl sein Gesicht nach auÃen Langeweile zeigte, war er innerlich fast panisch.
Als er die Macht fand, die er vorhin gefühlt hatte, die andere Gefühle unterdrücken konnte, klammerte er sich daran und seine Welt stabilisierte sich wieder. Er nickte Zachary zu, als dieser eintrat und sich zu ihm und Storm an den Schreibtisch gesellte.
Zachary lieà seinen Blick langsam über die Leute schweifen, wobei er die Stelle, wo Tiara stand, übersprang, um sich zu beweisen, dass er es konnte. Es war schwieriger, als er gedacht hatte. Als sein Blick sich auf sie richtete, bemerkte er, dass sie zusammenzuckte und schnell von ihm weg und zu Storm schaute. Zachary runzelte die Stirn und verschränkte seine Arme vor der Brust, fragte sich, wieso sie so auf ihn reagierte.
Jason sah sich nach Angelica um und war enttäuscht, als er sie nicht unter all den exotisch aussehenden Leuten im Zimmer ausmachen konnte. Plötzlich machte er einen Satz zurück, hätte schwören können, dass er gerade miterlebt hatte, wie ein Typ sich ins Zimmer gebeamt hatte. Eben noch war der Platz neben ihm leer gewesen⦠und jetzt nicht mehr.
Guys Blick suchte sofort Tiara und er versuchte, sich die beste Möglichkeit zu überlegen, wie er sie von seinem Plan überzeugen konnte. Er hatte gerade die letzten paar Stunden damit verbracht, sein und Carleys Zimmer auf den Kopf zu stellen, um den Zauber zu finden, für das, was er vorhatte.
Während seiner Trauer-induzierten Wut hatte er sich daran erinnert, wie Carley in ihren âLeihgabenâ, wie sie die gestohlenen Schriftrollen nannte, darüber gestolpert war. Die beiden hatten sich damals darüber lustig gemacht, hatten gemeint, dass sie nie das Bedürfnis haben würden, Tote wieder zum Leben zu erwecken.
Der Zauber war ein sehr alter, der von einem antiken Text übersetzt worden war⦠eine Möglichkeit, die Toten zurückzuholen. In diesem Fall aber, würde er nur den Geist an die menschliche Welt binden, während er auch der Geisterwelt verbunden blieb. Kurz gesagt: Carley würde ein Geist werden.
Guy wusste, dass es noch andere Magie gab, die es Carley erlauben würde, in ihren Körper zurückzukehren, aber dafür musste man die Macht der Geisterbeschwörung haben. Tiara war die einzige, die ihm helfen konnte, Carley zurückzubringen⦠er würde Tiaras Macht brauchen, um die Seele seiner Schwester zurück in ihren Körper zu holen.
Tiara fühlte einen Blick auf ihr ruhen und sah hoch, wollte wissen, ob es Zachary war. Stattdessen erkannte sie, dass Guy sie sehnsüchtig anstarrte. Sie erwiderte seinen Blick ruhig, ahnend, was durch seinen Kopf ging. Sie hatte vom Tod seiner Schwester gehört und hoffte, dass sie ihm den Plan ausreden konnte. Ihre Mutter war mehrfach von Familienmitgliedern derer, die ihr Leben im Dienst verloren hatten, um Hilfe gebeten worden. Sie würde ihm eine Weile aus dem Weg gehen müssen⦠zumindest bis er sich beruhigte.
âSchön, dass ihr alle kommen konntetâ, sagte Storm, nachdem die Türen geschlossen worden waren. âIch habe gute und schlechte Nachrichten für euch.â Er nickte in Richtung der riesigen, projizierten Stadtkarte an der Wand. âDas ist die schlechte Nachricht.â Ein Murmeln war aus der Menge zu hören.
âWas ist die gute Nachricht?â, fragte Trevor misstrauisch von der Tür her, als er eintrat.
âDie gute Nachricht ist, dass die mächtigsten Dämonen klug sind. Sie sind gerade erst wieder in diese Welt zurückgekommen, und sie sind nicht dumm, also werden sie sich nicht gleich zeigen, indem sie sofort auf Rachefeldzug gehen.
âIn der Vergangenheit bevorzugten es die Meisterdämonen, Menschen zu kontrollieren⦠nicht sie zu töten. Sie werden sich erst einrichten und ein Territorium in Besitz nehmen. Meine Hoffnung ist, dass einige sich sogar gegenseitig umbringen werden, um ein Gebiet kontrollieren zu können, sodass das Spiel überschaubarer wird.â
âWillst du damit sagen, dass sie alle hierbleiben werden, anstatt sich auch in andere Staaten zu verteilen?â, fragte jemand vom Fenster her. âWieso sollten sie das tun, wenn es viel intelligenter wäre, so schnell wie möglich aus der heiÃen Zone zu verschwinden?â
âEs gibt etwas, das sie in dieser Gegend festhält.â Storm zeigte auf die Karte. âDie Region, die ihr hier seht und ungefähr hundert Kilometer in alle Richtungen.â Er entschied sich dafür, das Thema zu wechseln.
âWeitere gute Nachrichten: die Erdbebenaktivität und die plötzlichen Wetterereignisse führen dazu, dass einige Menschen dieses Gebiet verlassen. Ich musste meine Beziehungen spielen lassen, aber ich konnte es so arrangieren, dass die Presse berichtet, dass die Erdbeben heute Nacht darauf hinweisen könnten, dass ein gröÃeres Erdbeben folgen könnte⦠das âGroÃeâ, aus Ermangelung einer besseren Bezeichnung.
âAber wir alle wissen, dass dies nicht der Fall ist. Wir möchten nicht zu viel Aufmerksamkeit auf LA ziehen, aber wenn wir auch nur zehn Prozent der menschlichen Bevölkerung dazu bringen können, die Stadt freiwillig zu verlassen, wird unsere Arbeit viel einfacher. Ich arbeite auch daran, die Wetterbeeinflussungs-Technologie dazu zu bringen, einen Orkan zu erzeugen und ihn eine Weile lang gefährlich nahe an der Küste zu halten. Das könnte noch mehr Menschen aus der Stadt vertreiben.â