Die Unverdorbenheit dieser Liebe war ihre Kraft und sie versuchte sie dafür zu verwenden, den Kristall von ihm weg zu ziehen... er konnte es fühlen. Aber er konnte auch die Macht fühlen, die schon durch seine Adern strömte, und sie schmeckte nach mehr.
Seine Augen wurden einen Moment lang sanft, als er flüsterte, als würde er zu einer Liebhaberin sprechen: âEs ist nicht genug.â
Hyakuhei entschied, die Macht, die er schon von dem Kristall gewonnen hatte, gegen Kyoko zu verwenden, um das Band der Liebe, das die kleine Gruppe umschloss, zu zerstören. Er wusste, er musste sie aufhalten... denn schon ihre Macht alleine war ebenso stark wie der Kristall, den sie früher in sich gehabt hatte. Derselbe Kristall, der ihm früher ermöglicht hatte, zu lieben... nur um ihm diese Liebe dann grausam zu entreiÃen.
Er zog Kyokos Gesicht hoch zu sich und setzte einen sanften Kuss auf ihre unschuldigen Lippen. Während er in ihre stürmischen, smaragdgrünen Augen starrte, betrat er mithilfe der Macht des Beschützenden Herzkristalls ihr Bewusstsein.
Hyakuhei suchte nach ihren Erinnerungen an die Beschützer, die sie so sehr liebte... er würde sie ihr wegnehmen. Wenn er die Erinnerungen von den Menschen, für die sie kämpfte, stahl, dann würde er damit ihre Macht schwächen und seine stärken.
Kyoko konnte nicht blinzeln. Sie fühlte seine bösartigen Klauen in ihrem Bewusstsein, die versuchten, ihre Erinnerungen zu zerstören und ihr den Sinn dieses Kampfes zu entreiÃen... versuchten, ihr ihre Liebe wegzunehmen. Ihre Freunde, jeden von ihnen, sie würde es nicht zulassen.
Kyoko fühlte, wie ihre Kontrolle brach und sie nichts mehr hatte, was sie gegen ihn verwenden konnte, als nur genau die Sache, die er ihr wegnehmen und zerstören wollte. Ihre Augen glühten nun vor nicht mehr unterdrückter Wut. Sie fasste mit ihren Händen in seine seidigen pechschwarzen Locken und stieà seine Stirn hart gegen die ihre, zitternd unter einer Flutwelle der Macht.
Ihre Stimme durchbohrte die Stille auf dem Schlachtfeld als sie schrie: âSo sehr willst du sie. HIER!! Nimm sie!!!!â
Kyous goldene Augen glühten intensiv als die Angst sich in ihn bohrte, wie die Klinge eines heiÃen Messers. Was hatte die Priesterin vor? Er wusste, dass etwas schrecklich falsch lief, und er fühlte seine physischen Kräfte, die ihn riefen... die ihn dazu drängten, zuzuhören und zu sehen, bevor es zu spät war! Er beschränkte diese Macht und drang in Kyokos Bewusstsein ein, um zu sehen, was passierte. Er wäre auf seine Knie gefallen, durch das, was er sah, wären die Schattendämonen nicht so fest um ihn gewickelt gewesen... dass sie ihn unbeweglich machten.
Die Bilder und Geräusche würden für immer in sein inneres Auge gebrannt sein und Kyou wusste irgendwie, dass er nie in der Lage sein würde, die Gefühle, die über ihn hinweg spülten, abzuschütteln. Denn er erkannte, als er in ihr Bewusstsein sah, dass Kyoko Gefühle der Liebe für ihn und seine Brüder gehegt hatte. Er konnte jede Berührung sehen, jede Empfindung fühlen, wie sie ihn streichelte und jede verborgene Träne ihn zerbrechen fühlen, so wie sie es erfahren haben musste.
Kyou war auch zutiefst erschüttert als die Erkenntnis über ihn hereinfiel, dass Kyoko mehr Macht hatte, als je jemand gedacht hatte... Macht, derer sie sich selbst nicht bewusst war. Er konnte jede Erinnerung sehen und fühlen, als sie von ihrem Bewusstsein in das von Hyakuhei über gingen als ob sie direkt in sein Herz fliegen würde, wo er sie für immer gefangen halten würde.
Jahre der Liebe, des Herzschmerzes, der Opfer... alle auf einmal übergeben.
Wütende Tränen liefen über Kyokos Wangen, als sie jede Erinnerung der Liebe und Freundschaft, Schmerzen und geheime Gefühle, die sie für alle, die mit ihr kämpften, gehegt hatte, in Hyakuheis Bewusstsein schleuderte. Es war die einzige Waffe, die sie noch hatte.
Sofort wurde Hyakuheis Bosheit ins Wanken gebracht. Jeder fühlte die Verschiebung der Macht, als das Blinken des Kristalls sich von einem dunklen Leuchten in ein blendendes, weiÃes Licht verwandelte und die Schatten-Erscheinungen, die Toya und Kyou festhielten sich in Luft auflösten.
Kyoko sah zu, wie der Engel der Dunkelheit überrascht wurde, sein perfektes, blasses Gesicht sich vor Schmerzen verzog.
Gerade als sie spürte, wie sie weg sackte, streckte Kyoko ihre beiden kleinen Hände nach dem Kristall aus und zog ihn aus seinem Fleisch heraus. Sie wusste, was getan werden musste, denn sie konnte schon fühlen, dass ihr Geist den Kampf um die Erinnerungen, die sie nicht vergessen wollte, verlor. Kristallene Tränen strömten über ihre schon feuchten Wangen.
Sie hatte ihre Erinnerungen geopfert um sie alle zu retten. Schnell, bevor sie den Gedanken verlor, hielt sie den Beschützenden Herzkristall gegen ihre eigene Brust... parallel zu ihrem Herz.
Als sie sich umsah und erkannte, dass Toya und Kyou genau auf sie zu sprinteten, flüsterte sie: âVergesst mich nicht... bitte... findet mich.â
Das Letzte, was Kyoko noch erkennen konnte, als sich ihr Blickfeld einzuengen begann, war sowohl das Rufen ihres Namens und die Gestalten, die sie festhalten wollten. Eine mit flüssig goldenen Augen und die andere mit geschmolzenen silbernen Augen... dann wurde ihre Welt schwarz.
Kyou konnte fühlen wie Kyoko verblasste und er dachte, sie würde sterben. Er sprang gleichzeitig mit Toya in dem verzweifelten Versuch, sie zu erreichen, als alles sich veränderte, als wäre ein Tropfen Wasser in sein Sichtfeld gefallen. Wellen kräuselten sich von Kyokos Herz ausgehend und sie verschwand einfach. Dann schrie Hyakuhei vor Wut als auch er verschwand.
Kyous Gedanken rasten, als der Schrei seines Bruders, der sich unter den seinen gemischt hatte, plötzlich endete, als wäre das Geräusch mit einem Augenzwinkern abgeschnitten worden, und er wusste, dass auch Toya verschwunden war. Kyou landete elegant auf dem nun leeren Fleck, wo vor nur einer Sekunde sein Ziel gestanden hatte. Sein verärgerter Blick schweifte hektisch umher, er wollte es nicht wahrhaben. Alle waren verschwunden.
Kyou fühlte, wie das Adrenalin, das durch seine Adern pulsierte, sich mit seinem blauen Beschützerblut vermischte. Er hatte alles gesehen und gefühlt. Er besaà nun alle ihre Erinnerungen. Kyoko hatte alles gegeben, was sie war, um sie zu retten, und im letzten Moment hatte er ihren Wunsch gehört. Sie wusste wahrscheinlich nicht einmal, was sie getan hatte... aber sie hatte alle mit sich mitgenommen, und nur ihn zurück gelassen.
Der Zauber, den er sich selbst aufgelegt hatte, um zu verhindern, dass der heilige Kristall gegen ihn verwendet wurde, hatte ihn davon abgehalten, dorthin zu gehen, wo die anderen nun waren. Mit nur ein paar geflüsterten Worten, hatte sie ihm alles genommen.
Sein Körper stand aufrecht und stolz. Sein knielanges, silbernes Haar wallte um ihn und die weiÃe Seide seines Hemds zitterte im leichten Wind als würde er im Auge eines unsichtbaren Sturms stehen, der den Sturm, der in seinem gequälten Herzen tobte, nach auÃen abbildete.
Seine Erscheinung war die eines Engels... königlich, mächtig und perfekt, als er sich auf dem verlassenen Schlachtfeld umsah. Bis er eine Hand zu seiner Wange hob und die einsame, blutrote Träne auffing, die nicht einmal er aufhalten hatte können.
Kyous Sichtfeld erzitterte, als goldene Federn um ihn wirbelten, von Flügeln, die gewachsen waren, wodurch er von einem prächtigen, goldenen Leuchten umgeben wurde, das zum ersten Mal in seinem zeitlosen Leben seine wahre Identität offenbarte.
Die einzige Wunde, die die Schlacht hinterlassen hatte, war ein klaffender Schnitt in seinem Herzen... einem Herzen, von dem niemand gedacht hatte, dass er es besaÃ. Sein Blick streifte die Statue der Jungfer, die nur ein paar Meter von ihm entfernt stand, und er flüsterte: âKyoko, ich lasse dich nicht im Stich. Eine Entfernung von über tausend Jahren reicht nicht aus, um mich davon abzuhalten, dich wieder zu finden...â
Kapitel Zwei âDie Andere Seiteâ
Auf der anderen Seite des Herzens der Zeit, zwei Jahre später... und über tausend Jahre in der Zukunft.
Der Brief war adressiert an den Hogo-Schrein. Opa Hogo sah den eleganten Umschlag an, den der Bote ihm gerade übergeben hatte, während er ihn zurück zu dem Tisch trug, wo er gerade seinen Tee getrunken hatte. Bevor es an der Tür geklopft hatte, hatte er die Ruhe und Stille des meistens hyperaktiven Hauses genossen.
Alle anderen waren am Abend ausgegangen. Tama war mit Freunden in der Spielhalle in der Stadt und Kyoko war in die Bibliothek gegangen um zu lernen, während Frau Hogo zum Einkaufen los gezogen war.
Opa hob ein kleines Messer vom Tisch auf und schlitzte mit der scharfen Klinge sorgfältig den Gold-umrandeten Umschlag auf. Er griff hinein, zog einen beglaubigten Brief auf schwerem, Gold-umrandetem Papier hervor und begann, ihn zu lesen. Je mehr er las, umso gröÃer wurden seine Augen. Es war ein Stipendium, ein komplettes Stipendium für eine sehr teure Uni in einem AuÃenbezirk am anderen Ende der Stadt.
âK.L. University.â Seine alte Stimme klang zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder überrascht, als er las, dass alles zur Gänze bezahlt werden würde, auch die Kosten für das Studentenheim, wo sie untergebracht werden sollte. Der Brief war unterschrieben vom Gründer der Universität mit den Initialen K.L.
Opas gealtertes Gesicht erhellte sich mit dem strahlendsten Lächeln seit langer Zeit. Kyoko würde überglücklich sein. Er wusste, dass sie Angst gehabt hatte, dass sie dadurch, dass sie so viel von der Schule verpasst hatte, überhaupt keinen Studienplatz bekommen würde, und nun würde sie auf eine Universität gehen, die alle anderen in der Region übertraf.
Er runzelte nachdenklich die Stirn... Es war die Uni wo es am schwersten war, hinein zu kommen, denn er kannte niemanden, der sich dort jemals mit Erfolg beworben hatte. Es wurde auch erzählt, dass sie nur sehr wenige Studenten hatte, aufgrund der extrem hohen Bewerbungsanforderungen. Wie hatte sie es geschafft, an einer Uni angenommen zu werden, wo sie sich nicht einmal beworben hatte?
Seine Gedanken wanderten zwei Jahre zurück in die Vergangenheit. Kyoko hatte eine Weile gebraucht, bevor sie sich wieder richtig eingelebt hatte, nachdem sie so völlig desorientiert von dem Schreinhaus zurückgekommen war. Sie waren alle verwirrt gewesen, als sie plötzlich zurückgekehrt war, denn sie hatte kaum Erinnerungen an die Zeit gehabt, in der sie weg gewesen war.
Die Hogo-Familie wusste ungefähr, wo sie hingegangen war, denn sie war schon früher durch das Zeitportal gegangen und wieder zurückgekommen... Kyoko war die einzige, die dadurch plötzlich einen Gedächtnisverlust erlitten hatte.
Sie hatte sich nicht einmal an Toya erinnert. Aber für Opa war das in Ordnung, denn es war das Beste, wenn sie diesen Beschützer, der durch die Zeit reiste, einfach vergaÃ. Es war das Beste, wenn sie alles von der anderen Seite vergaÃ, und von den Gefahren, die sie brachte.
Seine Augen wurden einige Sekunden lang traurig. Ja, die Familie hatte beinahe alles gewusst, was passiert war, denn Kyoko war regelmäÃig zwischen den Welten hin und her gegangen. Und wenn sie auf dieser Seite war, dann hatte sie ihnen alles erzählt, was gerade passiert war. Er hatte auch bemerkt, dass sie eine Menge Dinge, von denen sie nicht wollte, dass die Familie sie kannte, verschwiegen hatte. Dinge, die sie nun nie erfahren würden, denn Kyoko hatte diese Geheimnisse vergessen.
Selbst nachdem ihr jüngerer Bruder, Tama, ihr viel von dem erzählt hatte, was er wusste; sie hatte nur ihren Kopf geschüttelt und zu Boden geschaut. Sie erinnerte sich nur daran, in der anderen Welt alleine gewesen zu sein. Eine Welt voller Monster.
Opa biss sich auf die Lippen, als er nachdachte. Er wusste, dass alles gut gegangen war, denn Kyoko hatte gesagt, sie erinnerte sich daran, dass der Schützende Herzkristall wieder in sie zurückgekehrt war, und dass es vorbei war. Nach ein paar Wochen hatte sie sich wieder in ihre Schularbeiten vertieft und hatte ausgezeichnete Noten bekommen, und nun machte sich das bezahlt. Opa hörte, wie sich die Haustür öffnete, und sein Lächeln wurde breiter.
Nachdem er den Brief geküsst hatte, als wäre er ein heiliger Glücksbringer, sah er seiner Enkelin zu, wie sie in die Küche kam... Kyoko würde sich so freuen.
Drei Wochen später...
Goldene Augen beobachteten die Frau aus der Vergangenheit, als sie sich der Akademie näherte. Er hatte sie gefunden und irgendwie würde er alles wieder in Ordnung bringen. Er fühlte, wie sein menschlicher Schutzschild einen Moment lang verblasste, als seine Augen in flüssigem Gold glänzten, in der Erinnerung an alles, was an jenem beängstigenden Tag mitten auf dem tödlichen Schlachtfeld passiert war.
Die Strahlen der Morgensonne, die durch das Fenster schien, warfen einen eigenartigen Schatten in der Form von Flügeln hinter ihn. Er hob seine Klauen-besetzte Hand und zog seine Augen zu Schlitzen zusammen, sein Blick wachsam, als seine Klauen sich wieder in seinen menschlichen Mantel zurückzogen.
Als er seine ruhelosen Augen wieder auf die Priesterin richtete, beruhigte er seine inneren Mächte. Es war Zeit, und mit der Reinheit von Kyoko fühlte er auch, wie das Böse um ihn herum erwachte. Der noch nicht beendete Krieg würde bald beginnen. Dieses Mal... würde er nicht denselben Fehler machen.
Kyoko starrte hinauf zu dem riesigen Gebäude. Für sie sah es beinahe wie ein gewaltiges Schloss aus einer unbekannten Vergangenheit aus. Sie lächelte in sich hinein. Sie konnte es nicht verhindern. Sie war noch immer erfüllt von dem Glück seit sie von dem Stipendium erfahren hatte, und der Tatsache, dass sie nun tatsächlich hier leben würde.
Sie drehte sich zu Tama um. Er war eine groÃe Stütze gewesen, hatte ihr mit ihren Taschen und dem Einzug geholfen. Kyoko war froh, dass sie ihre Mutter und ihren Opa dazu überreden hatte können, dass sie zuhause blieben, und sich dort von ihr verabschiedeten. Nun fühlte sie sich fast leichtsinnig durch diese riesige Freiheit, atmete tief durch und genoss sie.
âKyoko, wirst du hier den ganzen Tag stehen, oder wollen wir dein Zimmer suchen gehen?â, knurrte Tama, obwohl auch ihn der Anblick beeindruckte. Er sah überrascht hoch zu dem gigantischen Torbogen, der zu den Eingangstüren führte.
Kyoko hielt den Plan in ihrer Hand hoch und wies auf das gewaltige Gebäude, das an der rechten Seite der Universität angebaut worden war. âDas müsste das richtige Gebäude sein.â Sie drehte sich um und zwinkerte Tama zu. âDanke, dass du mir heute hilfst.â
Tama grinste ein wenig verlegen. âKlar doch, Kyoko, schlieÃlich werde ich dich so ja eine Weile los, das ist schon Belohnung genug.â Er duckte sich und rannte davon, während er vor Lachen kaum Luft bekam.
Kyoko machte sich auf um die Verfolgung aufzunehmen, aber blieb plötzlich mitten im Schritt stehen, als sie Augen auf sich fühlte.