âSchhh⦠Ich habe dich. Dir wird nichts passieren. Ich werde es nicht zulassen. Schlaf jetzt wieder, Kyoko.â Er wiegte sie sanft, während seine Fingerspitzen ihr Haar aus ihrem Gesicht strichen. Ihr Gesicht war von dem Traum gerötet und ihre Augen waren geschlossen⦠aber er spürte, dass sie wusste, dass er derjenige war, der sie hielt. Sein Herz setzte kurz aus als er daran dachte, dass Kyoko wusste, dass er sie festhielt und sich nicht darüber beschwerte.
Sie war gerade wieder am Einschlafen, als er sanft ihre Wange berührte, sie streichelte, ihre seidige Haut fühlte. In ihrem Schlaf sah sie aus wie ein Engel in seinen Armen⦠sein Engel. Das war es, was er wollte. Er würde nie zulassen, dass jemand sie ihm wegnahm, nicht die Dämonen und schon gar nicht seine Brüder.
Langsam, damit sie nicht aufwachte, lehnte sich Toya zurück auf die Decke und legte sie beide wieder hin, zog die Decke über sie. Er hielt sie weiterhin fest,drückte ihren Körper an den seinen und rollte sich um sie zusammen in einer schützenden Umarmung. In seinem ganzen Leben hatte er es noch nie so gemütlich gehabt und es dauerte nur eine Minute, bis er in den ersten tiefen Schlaf fiel, seit⦠ewig.
Mehrere Stunden später fühlte Kyoko Wärme und griff danach. Sie erstarrte. Langsam, als hätte sie Angst, die Wahrheit zu erfahren, drehte sie ihren Kopf zur Seite, gerade als Toya sich aufsetzte.
Als er fühlte, wie sie sich bewegte, runzelte er die Stirn, wusste, er hätte schon vor Stunden aufstehen und von ihr weggehen sollen.
Kyoko sah neugierig zu ihm hoch, versuchte, seine Augen zu sehen, aber sein Kopf war gesenkt, und sein Haar fiel in sein Gesicht, verdeckte seinen Ausdruck. Er stand auf, ohne etwas zu sagen, und ging weg in das Gebüsch, das das Lager umgab.
Kyokos Augenbrauen senkten sich verwirrt. Er hatte in der Nacht hier mit ihr geschlafen? Dann kam eine Erinnerung zurück. Sie erinnerte sich an einen Traum und Toya⦠Sie zog scharf die Luft ein. Es war kein Traum gewesen. Er hatte sie in der Nacht gehalten. Sie sah auf die Decke hinunter, die seinen Abdruck noch behalten hatte. Er musste neben ihr eingeschlafen sein. Sie lächelte ein geheimes Lächeln, griff hinüber und fuhr mit ihren Fingern den Abdruck nach, den er hinterlassen hatte.
Sie sah hoch als Kamui auf die Lichtung kam. âHallo, Kamui. Schön, dass du zurück bist.â Sein zerzaustes Haar glänzte mit den violetten Strähnen in der Morgensonne und seine Augen zeigten die schönsten Farben. Diejenigen, die nahe genug waren, es zu sehen, wussten, dass sie vielfarbigen Glitter in den Iris hatten, aber für Kyoko war es sein Lächeln, das ihn unwiderstehlich machte.
Kamui sah sich um, erkannte, dass sie alleine war und fragte sie wieso. âWo sind alle? Sind Suki und Shinbe noch nicht zurück? Und wo ist Toya?â Kamui zog einen Beutel von seiner Schulter und stellte ihn mit erhobenen Augenbrauen vor Kyoko.
âNein, noch nicht, aber Toya sollte gleich zurück sein. Was hast du da?â Kyoko sah zu, wie Kamui begann, Essen aus dem Beutel zu ziehen.
âSennin schickt dies hier und sagt, dass wir es genieÃen sollen, nachdem wir kaum einmal ein wirklich gutes Mahl bekommen, auÃer, wenn du etwas aus deiner Zeit mitbringst.â Kamui sah zu ihr hoch, seine groÃen Augen funkelnd in allen Farben des Regenbogens und freute sich sichtlich über ihren Gesichtsausdruck, als sie die SüÃigkeiten sah, die mit dem kleinen Festmahl geliefert wurden. âKomm schon, lass uns reinhauenâ, beschloss Kamui.
âNun, du bist heute früh zurück, Kamuiâ, sagte Toya gelangweilt als er zurück auf die Lichtung spazierte. Er schielte zu Kyoko, einige unleserliche Emotionen standen in seinen goldenen Augen geschrieben, dann sah er schnell wieder weg.
Kamui schaute zu Toya hoch. Sie stritten sich oft, aber in Wirklichkeit hatte Kamui sehr viel Respekt vor Toya. Er hatte sich sehr verändert, seit er so viel Zeit mit Kyoko verbrachte. Nach Kamuis Meinung machte Kyoko Toya zu einer besseren Person.
âSennin sagte, dass der Wald im Osten in der letzten Woche von einem Dämonenaufstand terrorisiert wurde. Talismane könnten damit zu tun haben, also sollten wir gehen und nachsehen.â Während er die letzten Worte sagte, stopfte Kamui ein würziges Stück Brot in seinen Mund.
âHey, du lässt mir auch etwas davon übrig, nicht wahr, Kamui?â Toya setzte sich neben sie und begann auch selbst zuzulangen.
Kyoko grinste, als sie zusah, wie sie sich um einen Erdbeer-Reis-Kloà stritten, den Sennin geschickt hatte. Das Gefühl der Normalität, das damit kam, dauerte allerdings nicht lange an.
Toya spannte sich an, als er einen Geruch in der schwachen Brise spürte. âVerdammt!â Er sprang auf seine FüÃe und seine Augen wurden zu dünnen Schlitzen. âWas, zum Teufel, will er?â
Ehe Kyoko auch nur fragen konnte wer, blies ein Windstoà über die Lichtung und hielt nur einen halben Meter vor ihr an, brachte Toya aus dem Gleichgewicht. Kyoko starrte plötzlich in die eisblauen Augen von Kotaro, einem der fünf Beschützer. Ebenso wie Kyou jagte er die Talismane alleine, suchte nach Hinweisen darauf, wo Hyakuhei sich versteckte.
Er war Perfektion, mit schlanken Muskeln und vom Wind zerzaustem, ebenholzschwarzem Haar, das am Rücken länger war, und eisblauen Augen. Er war ganz in Schwarz gekleidet, ein violettes Unterhemd schimmerte durch. Er und Toya konnten einander nicht ausstehen, aber das war hauptsächlich deshalb, weil Kotaro jedem erzählt hatte, dass Kyoko ihm gehörte.
âGuten Morgen, Kyokoâ, sagte Kotaro mit einer weichen, männlichen Stimme, nahm ihre Hände in die seinen und hob sie vor sich hoch. âWie geht es meiner zukünftigen Braut heute Morgen?â Er starrte tief in ihre Augen, sodass sie errötete.
Egal wie oft Kyoko ihm sagte, dass sie nicht ihm gehörte, und auch sonst niemandem, nannte er sie immer noch mit solchem Selbstvertrauen und so viel Charme seine zukünftige Braut.
âKotaro, verdammt! Lass Kyoko los, und wieso passt du nie auf, was du tust?â, knurrte Toya ihn an, als er sich von dem Baum wegdrückte, in den er von Kotaros Beschützer-Wind praktisch geschleudert worden war.
Kotaro rümpfte seine Nase und machte sich nicht einmal die Mühe, Toya anzusehen als er einfach nur einen bösen Blick in die ungefähre Richtung seines Bruders warf. âIch wusste, dass ich dich irgendwo rochâ, sagte er beleidigend.
Kamui beobachtete verwundert, wie Toya scheinbar unter Strom zu stehen schien, und er wusste, dass er mit jeder Sekunde wütender wurde. Er rutschte näher zu Kyoko und flüsterte: âÃh, Kyoko, du solltest das vielleicht beenden, bevor es anfängt.â Wissend, dass Kyoko das einzige war, was sie davon abhielt, einander in Stücke zu reiÃen, machte Kamui sicherheitshalber einen Schritt von dem Trio weg.
Kyoko wusste, dass Kotaro harmlos war⦠nun, zumindest für sie. Sie nahm ihre Hände aus den seinen⦠immer noch rot weil er sie auf diese Art anschaute. Sie konnte tatsächlich die Liebe und Fürsorge in seinen eisblauen Augen leuchten sehen.
âKotaro, was bringt dich hierher?â, fragte sie, um seine Aufmerksamkeit von Toya abzulenken.
Kotaro lächelte, vergaà Toya sofort und beantwortete ihre Frage: âIch habe gehört, dass es im Osten, nahe dem Wald Unruhen gibt. Ich hatte gehofft, Hyakuhei zu finden und ihn für dich umzubringen, sodass du schneller meine Braut werden kannst, meine süÃe Kyoko.â Oh, er liebte Kyoko wirklich, aber er liebte es auch, an Toyas Käfig zu rütteln.
Kotaro lächelte, vergaà Toya sofort und beantwortete ihre Frage: âIch habe gehört, dass es im Osten, nahe dem Wald Unruhen gibt. Ich hatte gehofft, Hyakuhei zu finden und ihn für dich umzubringen, sodass du schneller meine Braut werden kannst, meine süÃe Kyoko.â Oh, er liebte Kyoko wirklich, aber er liebte es auch, an Toyas Käfig zu rütteln.
Kyoko wurde noch ein paar Töne röter, als sie seine Worte hörte. Ihre Lippen öffneten sich, um etwas zu sagen, aber als sie den Faden wieder verlor, gab sie einfach auf.
Toya hatte genug Unsinn von dem dummen Lufthirn gehört. Indem er sich vor Kyoko stellte, blockierte er Kotaros Blick und knurrte tief in seiner Kehle: âHau ab!â Er zog seine goldenen Augen zusammen und schenkte ihm einen bösen Blick. âWir brauchen deine Hilfe nicht, um Hyakuhei loszuwerden. Also wieso versuchst du nicht einfach, uns aus dem Weg zu gehen, und lässt Kyoko, verdammt noch mal, in Ruhe?â
Kotaro tat als wäre Toya gar nicht da. So schnell, dass sie nur Schatten sehen konnte, rauschte er an Toya vorbei, um einen liebevollen Kuss auf Kyokos Wange zu setzten. Dann zwinkerte er ihr zu und war genauso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war.
Toya ballte seine Fäuste an seinen Seiten. Er war so wütend, dass er das Gefühl hatte, zu explodieren. Wieso wollten plötzlich alle Kyoko küssen? Sie gehörte ihm, verdammt!
âKotaro, komm zurück und kämpfe, du Miststück!â, schrie er, so laut er konnte.
Kyoko wandte sich Kamui zu als wäre nichts geschehen. âAlso ich nehme an, Sennins Information stimmt.â
Toya gab auf und drehte sich um. âKommt, lasst uns unsere Sachen packen. Wir können Suki und Shinbe unterwegs abholen. Wir müssen sowieso dort vorbei, wo sie sind, um zum östlichen Wald zu gelangen.â Er war immer noch wütend auf seinen lüsternen Bruder, dafür, dass er Lügen über Kyoko verbreitete. Er würde sie Kotaro nie überlassen und er konnte es nicht erwarten, ihn wieder zu treffen und ihn zusammenzuschlagen, damit er das auch wusste.
Kyoko wusste, dass Toya eifersüchtig auf Kotaro war. Aber so wie sie das sah, konnte Kotaro ihr wenigstens seine wahren Gefühle sagen, während Toya sie immer noch im Unklaren lieÃ. Sie bückte sich hinunter und begann, das übrig gebliebene Essen aufzusammeln, sodass sie es später mit den anderen teilen konnten.
Toya kniete sich vor ihr nieder, wartete darauf, dass sie auf seinen Rücken kletterte. Sie würden so schneller sein, und das war die einzige Möglichkeit, wo er sie halten konnte, ohne dass jemand sie dafür schief ansah.
Kyoko hielt ihren Atem eine Sekunde lang an und lieà ihn dann langsam aus, wollte nicht, dass dies irgendwie anders war, als die anderen Male, wo sie es getan hatte⦠aber das war es. Sie schlang ihre Arme um seine Brust während seine Hände sich unter ihre Knie legten, um sie fest an seinen Rücken zu drücken. Sie schielte hinauf zum Himmel und fragte sich, ob das Schicksal sie schon auslachte.
Kamui lachte innerlich über Toyas Verhalten, jedes Mal, wenn jemand anders um Kyokos Aufmerksamkeit warb. Nachdem sie verschwunden waren, hob er den Beutel mit dem Essen auf als durchsichtige Flügel in Erscheinung flimmerten und einen Regen vielfarbigen Sternenstaubs über die Lagerstelle niederregnen lieÃen, die auf magische Weise jeden Hinweis darauf, dass hier je jemand gewesen war, auslöschten.
Als er Kaens Anwesenheit hinter sich fühlte, bemerkte er: âEs scheint, dies wird ein interessanter Tag werden. Wollen wir ihnen nach?â Seine FüÃe verlieÃen den Boden, als er ungesehen hinter ihnen her schwebte.
Insgeheim liebte Kyoko es, auf Toyas Rücken zu reiten, wenn sie in Eile waren. Sie konnte die Muskeln fühlen, wie sie sich unter ihr zusammenzogen und streckten. Sie legte ihre Wange auf seine starke Schulter und hielt sich fest während sein langes Haar um sie floss, ihr Gesicht kitzelte. So wie er sich bewegte, schien es, als würde sie gar nichts wiegen, während er von Ast zu Ast sprang, manchmal am Boden landete nur um dann wieder hoch in die Bäume hinauf zu schieÃen. Er schien die Höhen zu lieben.
Toya liebte es, wenn Kyoko auf seinem Rücken ritt, aber das würde er ihr nie erzählen. Es gab ihm ein gutes Gefühl, wenn sie sich an ihn klammerte, um sich festzuhalten. Manchmal rannte er schneller, nur damit sie sich noch fester halten musste, mit ihren Beinen an seinen Seiten und ihren Armen um ihn geschlungen. Darum hatte er in ihrer Gegenwart nie seine Flügel gezeigt.
Manchmal legte sie ihre Wange an seinen Rücken und er konnte fühlen, dass sie es genauso sehr genoss wie er. Seine Gedanken wanderten wieder zu dem Wald im Osten. Der Schützende Herzkristall war schon halb aufgesammelt und Hyakuhei hatte mittlerweile das meiste davon. Die Lage wurde sehr gefährlich und er würde wachsam sein müssen.
Er fühlte, dass er Kyoko mit seinem Leben beschützen musste, besonders wenn die Gefahr überall war, wo sie hingingen. Der Dämon, den er gestern bekämpft hatte, war nur eine Vorwarnung gewesen. Toya legte einen Zahn zu, hoffte, dass sie Suki und Shinbe auf deren Weg zurück zum Lager treffen würden, damit sie sich beeilen konnten und den Osten erreichten, bevor Kotaro und Kyou ankamen.
Hoch über ihnen flog Kyou durch den Himmel, ausdruckslos, wie die Erscheinung eines Gottes. Seine Kleider flossen um ihn, als er den Osten in der Ferne mit seinem Blick absuchte. Also der östliche Wald war es, wo die Anwesenheit von Hyakuhei verschwunden war. Das war auch die Richtung, in die Toya und die Priesterin unterwegs waren. Seine Lippen bogen sich aufwärts zu der leisesten Andeutung eines Lächelns.
âHo!â, rief Toya, als er eine Bewegung in der Ferne sah. Von Baum zu Baum und Ast zu Ast hinunter springend, landete er elegant vor Shinbe und Suki.
Kyoko rutschte von Toyas Rücken und ging schnell zu ihnen, lächelte ihre Freunde an. âWir haben gerade erfahren, dass es der östliche Wald ist, wo wir hin solltenâ, berichtete Kyoko.
Shinbes Kopf hob sich ruckartig und er sah hinüber zu Toya. âOh ja? Was geschieht in der Gegend?â, fragte er und ging auf Toya zu, um die Sache zu besprechen. Kamui trat aus dem Waldrand, um sich zu den Beschützern zu gesellen, für die Besprechung. Er nickte als Kaen aus dem Nichts auftauchte, wie er es oft machte, wenn die Zeit reif war.
Kyoko flüsterte zu Suki, zog sie zur Seite, weg von den anderen: âAber erzähl, wie war dein Besuch?â Sie legte ihren Kopf zur Seite und grinste.
Suki verdrehte ihre Augen in die Richtung von Shinbe. âKannst du dir vorstellen, dass dieser Idiot versuchte, mich zu küssen?â Sie verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und schoss scharfe Blicke auf den Rücken des missratenen, violetten Beschützers.
Toya zuckte durch sein auÃerordentliches Gehör. Er hatte Sukis Bemerkung gehört und als Kyoko sie hörte, sah sie genau zu ihm und ihre Blicke trafen sich. Sie drehte ihr Gesicht weg, um die Röte zu verstecken, die über ihre Wangen kroch, aber nicht ehe Suki und Shinbe beide sie bemerkten.
Shinbe beugte sich zu seinem Bruder und sprach leise. âWas ist zwischen euch vorgefallen, während wir weg waren, Toya?â Er fühlte einen Blitz der Eifersucht durch ihn schieÃen, aber versuchte, ihn zu ignorieren, da er wusste, dass es hoffnungslos war. Kamui kam auch einen Schritt näher und wartete darauf, die Antwort zu hören.
Toyas Augen wurden groà und die feinen Haare in seinem Nacken stellten sich auf, sodass er mit einem schuldbewussten Blick einen Schritt von ihnen weg machte. âHe, nichts ist vorgefallen.â Er verschränkte seine Arme und schaute sie böse an, niemand sollte es wagen, seine Lüge anzuzweifeln.