Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen - Rosette 6 стр.


Es ist eine rein akademische Frage, Melisande. Glaubst du, dass, wenn du wirklich in jemanden verliebt wärst... Würdest du ihm deine Beine geben, oder deine Seele? Aus seinem Gesichtsausdruck konnte man nichts erkennen.

Würden Sie es tun, Sir?

Er brach in ein schallendes Lachen aus, das im Raum ganz unerwartet wie ein frischer Frühlingswind widerhallte.

Ich würde es tun, Melisande. Vielleicht, weil ich geliebt habe, und ich weiß, wie es sich anfühlt. Er warf mir einen Blick von der Seite zu, so als wenn er einige Fragen von meiner Seite erwarten würde, aber ich schwieg. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Er hätte von Weinen oder von Astronomie sprechen können, das Ergebnis wäre das gleiche gewesen. Ich war nicht in der Lage, über das Thema der Liebe zu diskutieren. Denn ich hatte keine Ahnung hatte, was das ist.

Schieb den Rollstuhl näher heran, sagte er schließlich in Befehlston.

Ich war froh eine Aufgabe erfüllen zu dürfen, auf die ich vorbereitet war, und gehorchte ihm. Seine Arme dehnten sich durch die Anstrengung und mit vollendeter Leichtigkeit glitt er in sein Folterinstrument, das ihm so verhasst als auch nützlich und wertvoll war.

Ich verstehe, wie Sie sich fühlen, bemerkte ich in einem Anflug von Mitgefühl.

Er hob seinen Blick, um mich anzusehen. Eine Vene pochte ihm an der rechten Schläfe, vor Aufregung über meinen Kommentar.

Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle, sagte er lapidar. Ich bin anders. Anders, weißt du?

Ich bin von Geburt an anders, Sir. Glauben Sie mir, ich kann Sie verstehen, verteidigte ich mich mit schwacher Stimme.

Er versuchte, meinen Blick zu erhaschen, aber ich weigerte mich ihn anzusehen.

Da klopfte es an der Tür, und ich war erleichtert, dass Kyle gekommen war, der mit einer nichtssagenden Miene fragte.

Brauchen Sie mich, Mister Mc Laine?

Den Schriftsteller überkam einen Wutanfall. Wo hast du gesteckt, du Faulpelz?

Es blitzte ein Funken der Revolte in den Augen des Krankenpflegers auf, aber er entschied keine Bemerkung zu machen.

Warten Sie im Arbeitszimmer auf mich, Miss Bruno, befahl mir Mc Laine, mit noch vor unterdrückter Gewalt zitternder Stimme.

Ich blickte nicht zurück, als ich das Zimmer verließ.

Viertes Kapitel

Es vergingen einige Tage, bevor ich mit dem Besitzer von Midnight Rose die Magie der ersten Stunde, die wir anschließend verloren hatten, wiederfand.

Ich mied Kyle wie die Pest, um ja auch nicht nur die kleinste Hoffnung in ihm zu wecken. Jedes Mal, wenn wir uns trafen, füllten sich seine Augen mit Begierde, stets auf der Suche meinen Blick zu kreuzen. Aber ich hielt ihn auf Sicherheitsabstand und hoffte, dass dies ausreichend wäre, ihn von erneuten unerwünschten Annäherungsversuchen abzuhalten.

Andererseits begann ich die Gesellschaft von Mrs. Mc Millian zu schätzen. Sie war ein geistreiche Frau und auf keinen Fall so geschwätzig, wie ich sie fälschlicherweise auf den ersten Blick beurteilt hatte. Sie war Mr. Mc Laine treu bis ins Knochenmark, und diese Tatsache brachte uns sehr zusammen. Ich erledigte meine Aufgaben mit leidenschaftlichem Fleiß, und war glücklich darüber, dass ich ihm zumindest einen Teil der Last von seinen Schultern abnehmen konnte. Ich vermisste unsere Wortgefechte, und mein Herz drohte zu explodieren, als sie wieder begannen.

Genauso unerwartet, wie beim ersten Mal.

Verdammt!

Ich hob ruckartig den Kopf, da ich über einige Dokumente gebeugt war, die ich gerade in Ordnung brachte. Seine Augen waren geschlossen, mit einem verletzlichen Ausdruck auf seinem jungenhaften Gesicht, der ich mich erweichen ließ.

Ist alles in Ordnung?

Sein Blick war eiskalt, und ich bedauerte es fast, dass er seine Augen wieder geöffnet hatte.

Das ist von meinem verdammten Verleger, erklärte er, und wedelte mit einem Blatt in der Hand. Es war ein Brief, der mit der Morgenpost gekommen war und den ich nicht bemerkt hatte. Ich war für das Sortieren der Post zuständig, und ich bedauerte, ihm den Brief nicht sofort gegeben zu haben. Vielleicht war er ja wütend auf mich, weil ich ihm eine wichtige Botschaft vorenthalten hatte. Seine nächsten Worte enthüllten jedoch das Geheimnis.

Ich wünschte, dieser Brief wäre unterwegs verloren gegangen, sagte er angewidert. Er möchte, dass ich ihm den Rest des Manuskripts schicke.

Mein Schweigen schien seine Wut zu anzufachen. Und ich habe keine anderen Kapitel, die ich ihm senden kann.

Ich sehe Sie seit Tagen schreiben, wagte ich verwirrt anzubringen.

Es gibt Tage, da schreibe ich solchen Mist, der es nur verdient dort zu enden, wo er letztendlich auch endet meinte er und zeigte auf den Kamin.

Ich hatte es wohl bemerkt, dass das Feuer am Vortag angezündet worden war, und ich war auch erstaunt darüber, da die Temperaturen noch ausgesprochen sommerlich waren, aber ich hatte nicht nach einer Erklärung gefragt.

Versuchen Sie doch, mit Ihrem Verleger zu reden. Möchten Sie, dass ich ihn anrufe?, schlug ich schnell vor. Ich bin sicher, dass er es verstehen wird ...

Er unterbrach mich mit einer Handbewegung, als ob er eine lästige Fliege verjagen würde. Verstehen was? Dass ich eine kreative Krise habe? Dass ich eine klassische Schreibblockade durchlebe? Sein spöttisches Lächeln ließ mein Herz höher schlagen, gerade so, als ob er es sanft berührt hätte.

Er warf den Brief auf den Schreibtisch. Mit dem Buch geht es nicht voran. Zum ersten Mal in meiner Karriere scheine ich nichts mehr zu Schreiben zu haben, meine Quelle ist versiegt.

Dann machen Sie etwas anderes, sagte ich impulsiv.

Er sah mich an, als ob ich verrückt geworden wäre. Wie bitte?

Gönnen Sie sich eine Pause, einfach um zu sehen, was mit Ihnen los ist, sagte ich verzweifelt.

Und was soll ich tun? Etwa joggen? Eine Autofahrt? Oder ein Tennismatch? Der Sarkasmus in seiner Stimme war so scharf, dass er mich zerriss. Ich konnte fast die klebrige Hitze von dem Blut spüren, das aus den Wunden sprudelte.

Es gibt nicht nur Hobbys für den Körper, sagte ich und senkte den Kopf. Sie könnten etwas Musik hören. Oder lesen.

So, jetzt hätte er mich in einem Augenblick abserviert, als jemand der die größte Anhäufung von Unsinn der Geschichte von sich gegeben hatte. Stattdessen waren seine Augen wachsam auf mich gerichtet.

Musik. Das ist keine schlechte Idee. Ich hab ja nichts Besseres zu tun, nicht wahr? Er zeigte auf einen Plattenspieler, auf dem obersten Brett des Regals. Nehmen Sie ihn runter, bitte.

Ich kletterte auf den Stuhl und hob ihn nach unten, während ich die Details bewunderte. Das ist wunderschön. Ein Original, nicht wahr?

Er nickte, während ich den Plattenspieler auf den Schreibtisch setzte. Ich bin schon immer ein Liebhaber von alten Dingen gewesen, auch wenn dies hier eher zum modernen Antiquariat gehört. In der roten Schachtel finden Sie Vinyl-Schallplatten.

Ich stand vor dem Regal, die Arme ließ ich kraftlos hängen. Da waren zwei dunkle Schachteln von ähnlicher Größe auf dem gleichen Regalbrett, wo vorher der Plattenspieler stand. Ich befeuchtete meine trockenen Lippen mit der Zunge, meine Kehle war ausgedörrte.

Er rief mich voller Ungeduld. Nun machen Sie schon, Miss Bruno. Klar, gehe ich nirgendwo hin, aber das rechtfertigt nicht Ihre Langsamkeit. Was ist los? Sind Sie eine Schnecke? Oder er haben Sie das Kyle abgeguckt?

Ich würde mich nie an seinen Sarkasmus gewöhnen können, dachte ich wütend, als ich eine eilige Entscheidung traf. War es vielleicht an der Zeit, mich zu meiner sonderbaren Anomalie zu bekennen, oder sollte ich den Weg des geringsten Widerstands gehen, so wie in der Vergangenheit? Das heißt, einfach eine Schachtel zufällig greifen und hoffen, es wäre die richtige? Ich konnte sie nicht vorher öffnen und den Inhalt erspähen, sie waren mit großen Stücken Klebeband verschlossen. Mit dem Gedanken an die schrecklichen Kommentare, die ich über mich ergehen lassen müsste, wenn ich die Wahrheit sagen würde, traf ich eine Entscheidung. Ich kletterte auf den Stuhl und hob eine Schachtel nach unten. Ich stellte sie auf den Tisch ohne ihn anzusehen.

Ich hörte schweigend zu, wie er darin wühlte. Überraschenderweise war es die richtige. Und ich fing wieder an zu atmen.

Hier ist sie! Er reichte mir eine Platte. Debussy.

Warum diese? fragte ich.

Weil ich Debussy mit neuen Augen sehe, seit ich weiß, dass Ihr Namen als Tribut an ihn gewählt wurde.

Die primitive Einfachheit seiner Antwort nahm mir den Atem, mein Herz wand sich zwischen den Qualen der Hoffnung. Und diese waren einfach zu schön um wahr zu sein.

Ich konnte nicht träumen. Vielleicht, weil mein Geist bei der Geburt bereits das erkannt hatte, was mein Herz nicht zu tun gedachte. Dass Träume niemals Wirklichkeit werden. Zumindest nicht meine.

Die Musik nahm an Volumen zu und füllte den Raum. Zuerst sanft, dann etwas energischer, bis sie sich in ein aufregendes verführerisches Crescendo steigerte.

Mc Laine schloss die Augen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sog das Tempo und den Rhythmus auf, machte diese zu seinen eigenen und beging somit einen autorisierten Diebstahl.

Ich beobachtete ihn, und nutzte so die Tatsache aus, dass er mich nicht sehen konnte. In diesem Moment schien er mir furchtbar jung und zerbrechlich, als ob ihn eine einfache Windböe erfassen und davon tragen könnte. Auch ich schloss die Augen bei diesem unglaublichen und lächerlichen Gedanken. Er gehörte mir nicht. Er würde mir nie gehören. Rollstuhl hin oder her. Je früher ich dies erkannt hätte, desto eher würde ich meinen gesunden Menschenverstand wiederfinden, meinen tröstliche Aufgabe, mein seelisches Gleichgewicht. Ich konnte nicht den Käfig aufs Spiel setzen, in dem ich mich absichtlich eingeschlossen hatte, und das Risiko eingehen, schrecklich für eine bloße Fantasie, die eher einer Jugendlichen zustand, zu leiden.

Die Musik hörte auf, feurig und mitreißend.

Wir öffneten die Augen im gleichen Augenblick. Seine spiegelten die übliche Kälte wieder. Meine waren beschlagen und schläfrig.

Das Buch wird so nichts verfügte er. Lassen Sie den Plattenspieler verschwinden, Melisande. Ich würde gern ein wenig schreiben, oder besser gesagt, alles neu schreiben.

Er wendete sich mit einem strahlenden Lächeln an mich. Die Idee mit der Musik war brillant. Danke.

Aber ich denke ... Ich habe doch nichts Besonderes getan, stammelte ich, wich seinem Blick und jenen Tiefen aus, in denen ich regelmäßig Gefahr lief, mich zu verlieren.

Nein, sie haben wirklich nichts Besonderes getan, gab er zu, und meine Moral sank in den Keller, weil er mich auf so schnelle Weise verabschiedet hatte. Sie sind das Besondere, Melisande. Sie, nicht das, was Sie sagen oder tun.

Sein Blick kreuzte den meinen, fest entschlossen, ihn, wie üblich, zu erfassen. Er hob die Augenbrauen, mit dieser Ironie, die ich mittlerweile so gut kannte.

Danke, Sir, antwortete ich zerknirscht.

Er lachte, als ob ich einen Witz erzählt hätte. Ich verübelte es ihm nicht. Er fand mich amüsant. Immerhin, besser als nichts. Ich dachte an unser Gespräch vor ein paar Tagen zurück, als er mich fragte, ob ich aus Liebe meine Beine oder meine Seele gegeben hätte. Ich antwortete damals, dass ich nie geliebt hatte, und deshalb nicht wüsste, wie ich gehandelt hätte. Jetzt wurde mir bewusst, dass ich diese Fangfrage jetzt vielleicht beantworten könnte.

Er zog den Computer vor sich und begann zu schreiben, und schloss mich aus seiner Welt aus. Ich nahm meine Arbeit wieder auf, obwohl mein Herz aufs Heftigste flatterte. Mich in Sebastian Mc Laine zu verlieben glich einem Selbstmord. Und ich hatte keine Ambitionen ein Selbstmordattentäter zu werden. Richtig? Ich war ein Mädchen mit gesundem Menschenverstand, praktisch, vernünftig, das nicht in der Lage war, zu träumen. Nicht einmal mit offenen Augen. Oder zumindest war es bisher so gewesen, musste ich mich selbst korrigieren.

Melisande?

Ja, Sir? Ich drehte mich zu ihm, und war darüber erstaunt, dass er mit mir gesprochen hatte. Wenn er mit dem Schreiben begann, vergaß er alles und alle um sich herum.

Ich habe Lust auf Rosen, sagte er und deutete auf die leere Vase auf dem Schreibtisch. Bitten Sie bitte Millicent sie zu füllen.

Natürlich, Sir. Ich packte die Keramikvase mit beiden Händen. Ich wusste, wie schwer sie war.

Rote Rosen präzisierte er. Wie dein Haar.

Ich wurde rot, auch wenn nichts Romantisches in dem war, was er gesagt hatte.

Wie Sie wünschen, Sir.

Ich konnte fühlen, wie sein Blick meinen Rücken durchdrang während ich vorsichtig die Tür vorsichtig öffnet und in den Flur trat. Ich ging ins Erdgeschoss hinunter mit der Vase fest in den Händen.

Mrs. Mc Millian? Hallo? Es war keine Spur von der älteren Haushälterin zu finden und dann erinnerte ich mich entfernt an etwas, aber es war zu schwach, um es greifen zu können. Die Gouvernante hatte mir beim Frühstück etwas gesagt über ihren freien Tag ... Hatte sie sich auf heute bezogen? Schwer zu sagen. Die Mc Millian war eine Quelle von verwirrenden Informationen, und nur selten gelang es mir, ihr von Anfang bis zum Ende zuzuhören. Auch in der Küche war kein Zeichen von ihr. Untröstlich stellte ich die Vase auf den Tisch neben eine Schale mit frischem Obst.

Wundervoll. Ich stellte fest, dass nun ich diejenige sei, die die Rosen im Garten auszuwählen hatte. Eine Aufgabe, die jenseits meiner Fähigkeiten lag. Es wäre einfacher, eine Wolke zu ergreifen und mit ihr Walzer zu tanzen.

Mit einem eindringlichen Brummen in den Ohren, und dem Gefühl einer bevorstehenden Katastrophe, ging ich hinaus. Der Rosengarten lag vor mir, brennend wie ein Feuer aus Blütenblättern. Rot, gelb, rosa, weiß, sogar blau. Schade, dass ich in schwarz und weiß lebte, in einer Welt, wo alles nur Schatten war. In einer Welt, wo Licht etwas Unerklärliches war, etwas Unbestimmtes, etwas Verbotenes. Ich konnte nicht einmal davon träumen, Farben zu unterscheiden, weil ich nicht wusste, was sie eigentlich waren. Und das von Geburt an.

Ich tat einen unsicheren Schritt in Richtung Rosengarten, meine Wangen glühten. Ich musste eine Ausrede erfinden, um meine Rückkehr nach oben ohne Blumen zu rechtfertigen. Es war eine Sache zwischen zwei Schachteln auszuwählen, aber eine andere gleichfarbige Rose zu schneiden. Rot. Wie ist rot? Wie sollte man sich etwas vorstellen, das man noch nie, nicht einmal in einem Buch, gesehen hatte?

Ich trat auf eine abgebrochene Rose. Ich beugte, um sie aufzuheben, sie war welk, schlaff in ihrem Pflanzentod, aber sie dufteten noch immer.

Was machst du hier?

Ich schob die Haare wirsch aus der Stirn, und bedauerte zutiefst, dass ich sie nicht in den üblichen Dutt gebunden hatte. Sie waren lange im Nacken und bereits schweißgetränkt.

Ich soll Rosen für Mr. Mc Laine pflücken, antwortete ich lakonisch.

Kyle lächelte mich mit dem gewohnt irritierenden süffisanten Lächeln an. Brauchst du Hilfe?

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