Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen - Rosette 9 стр.


Ich wälzte mich hin und her und es dauerte ziemlich lange bis einschlief, dann fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Am Morgen fühlten sich meine Wangen von den Tränen gehärtet an, die ich nicht erinnerte in der Nacht vergossen zu haben.

In dieser Nacht träumte ich nicht von Sebastian.

Am nächsten Tag war Dienstag und Mc Laine war schon am frühen Morgen verärgert.

Heute, pünktlich wie die Maurer, wird McIntosh hier antanzen, sagte er düster. Ich kann ihn nicht davon abbringen hier zu erscheinen. Ich habe alles versucht. Ich hab ihm gedroht, ich hab ihn gebeten. Es scheint als würde keiner meiner Versuche zu ihm durchdringen. Der ist noch schlimmer als ein Geier.

Vielleicht will er ja nur sicherstellen, dass es Ihnen gut geht, sagte ich, eigentlich nur um überhaupt etwas zu sagen.

Er haftete seinen Blick auf meine Augen, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Melisande Bruno, du bist eine ... Der liebe McIntosh kommt, weil er es für seine Pflicht hält, nicht weil er eine besondere Zuneigung für mich empfindet.

Pflicht? Ich verstehe nicht ... Meiner Meinung nach ist seine alleinige Absicht, Sie zu untersuchen. Er muss ein gewisses Interesse daran haben, sagte ich hartnäckig.

Mc Laine verzog das Gesicht. Meine liebe ... Du wirst doch nicht eine von denen sein, die so naiv sind zu glauben, dass alles ist, wie es scheint? Es ist nicht alles schwarz oder weiß, es gibt es auch grau, nur um eine von vielen zu nennen.

Ich antwortete nicht, was sollte ich sagen? Dass er die Wahrheit über mich erfahren hat? Dass es für mich wirklich nichts anderes als weiß und schwarz gibt, und zwar so viel, dass es einem schlecht davon wird.

McIntosh hat Schuldgefühle wegen des Unfalls und denkt mit seinen regelmäßigen Besuchen würde er somit Buβe tun, auch wenn mir das nicht gefällt, fügte er hämisch hinzu.

Schuldgefühle? wiederholte ich. Inwiefern?

Ein Blitz erleuchtete das Fenster hinter ihm, gefolgt von tosendem Donner. Er sah sich nicht um, als ob er seine Augen nicht von den Meinen lösen könnte.

Da zeichnet sich sintflutartiger Regen ab. Vielleicht wird dies McIntosh davon abhalten, heute zu kommen.

Das bezweifle ich. Das ist nur ein Sommergewitter. Eine Stunde und alles ist vorbei, sagte er pragmatisch.

Er sah mich mit einem so intensiven Blick an, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Er war ein seltsamer Mann, aber mit so viel Ausstrahlung, die alle anderen Fehler in den Schatten stellen.

Möchten Sie, dass ich die restlichen Regale aufräume? fragte ich nervös, um seinem festen Blick zu entkommen.

Hast du letzte Nacht gut geschlafen, Melisande?

Die Frage überraschte mich. Er sprach mit einem lockeren Ton, in dem allerdings eine gewisse Dringlichkeit lag, die mir eine ehrliche Antwort abforderte.

Nicht besonders.

Keine Träume? Seine Stimme war hell und klar wie das Wasser eines ruhigen Flusses und ich ließ mich von dem erfrischenden Strom mitreißen.

Nein, heute Nacht nicht.

Wolltest du träumen?

Ja, antwortete ich beschwingt. Unser Gespräch war surreal, aber ich war bereit, es unendlich weiterzuführen.

Vielleicht wird es wieder geschehen. Die Stille dieses Ortes ist ideal, um sich in Träume zu schaukeln, sagte er kühl. Er wendete sich wieder seinem Computer zu und hatte mich schon vergessen.

Phantastisch, dachte ich mir und fühlte mich gedemütigt. Er hatte mir, wie einem Hund, einen Knochen zugeworfen, und ich war so dumm gewesen, ihn sofort zu ergreifen, als wenn verhungern müsste. Und ich war wirklich hungrig. Hungrig nach unseren Blicken, nach unseren intensiven Verständnis, nach seinen unerwarteten Lächeln.

Ich beugte mich wieder über meine Arbeit. In diesem Moment dachte ich an Monique. Sie verstand es Männern den Kopf zu verdrehen, sie in einem Netz aus Lügen und Träumen zu fangen, ihre Aufmerksamkeit mit vollendetem Geschick zu gewinnen. Ich hatte sie einmal gefragt, wie sie die Kunst der Verführung gelernt hätte. Zuerst antwortete sie. Das kann man nicht lernen, Melisande. Oder man hats oder man kann nur davon träumen. Dann drehte sie sich zu mir um und ihr Gesichtsausdruck war etwas weicher geworden. Wenn du erst mal in mein Alter kommst, dann wirst du schon wissen, was zu tun ist, du wirst schon sehen.

Jetzt war ich dem besagten Alter, und ich stand noch schlechter da als zuvor. Meine männlichen Bekanntschaften waren immer sporadisch und von kurzer Dauer gewesen. Jeder Mann präsentierte mir immer die gleichen Fragen: Wie heißt du? Was arbeitest du? Was für ein Auto hast du? Sobald sie erfuhren, dass ich keinen Führerschein besaß, beobachteten sie mich wie ein seltenes Tier, als ob ich an einer schrecklichen ansteckenden Krankheit leiden würde. Und ganz bestimmt legte ich gewisse Vertraulichkeiten nicht auf den Tisch.

Ich strich mit der Hand über den Einband eines Buches. Es war eine kostbare Ausgabe aus marokkanischem Leder von Jane Austens Stolz und Vorurteil.

Ich wette, dass ist dein Lieblingsbuch.

Ich hob schnell den Kopf. Mc Laine beobachtete mich mit halbgeschlossenen Lidern, ein gefährliches Blitzen inmitten des schwarzen Meers.

Nein, sagte ich, und ordnete das Buch ins Regal. Es gefällt mir, aber es ist nicht mein Favorit.

Dann ist es Stürmische Höhen. Er schenkte mir ein unerwartetes atemberaubendes Lächeln.

Mein Herz machte einen Sprung, und um ein Haar wäre ich fast ins Leere gefallen. Auch nicht, sagte ich und stellte mit Freude fest, dass meine Stimme fest und sicher klang.

Das geht nicht unbedingt gut aus. Wie ich schon sagte, ich liebe Geschichten mit Happy End.

Er drehte den Rollstuhl, und stellte sich damit mit andachtsvoller Miene nur wenige Schritte von mir entfernt. Überredung, auch von Austen. Es geht bestens aus, das kann man nicht leugnen. Er versuchte es nicht einmal, das Vergnügen zu verbergen, und auch ich war leidenschaftlich dabei.

Ich gebe zu, es ist nett, aber immer noch weit entfernt. Das Buch lebt vom Warten und ich bin alles andere als gut im Warten. Zu ungeduldig. Ich würde vorher aufgeben oder meinen Wunsch ändern.

Jetzt war meine Stimme etwas frivol. Ohne dass ich es merkte, war ich tatsächlich dabei mit ihm zu flirten.

Jane Eyre.

Er hatte nicht mit meinem Lachen gerechnet und schaute mich weiterhin verblüfft an.

Es dauerte einige Minuten, bevor ich ihm antworten konnte. Endlich! Ich dachte schon, sie würden nie darauf kommen ...

Der Schatten eines Lächelns huschte über sein finsteres Gesicht Da hätte ich sofort darauf kommen müssen. Eine Heldin mit trauriger und einsamer Vorgeschichte, ein Mann mit leidvoller Vergangenheit, ein Happy End nach tausend Nöten. Romantisch. Leidenschaftlich. Realistisch. Jetzt lächelte auch sein Mund, ebenso wie die Augen. Melisande Bruno, bist du dir bewusst, dass du dich in mich verlieben könntest, so wie Jane Eyre in Mr. Rochester, der ganz zufällig auch noch ihr Arbeitgeber ist?

Sie sind nicht Mr. Rochester, sagte ich leise.

Ich bin genauso launisch wie er wendete er mit einem halben Lächeln ein und ich konnte nichts anderes tun, als zurückzulächeln.

Das ist wahr. Aber ich bin nicht Jane Eyre.

Auch wahr. Sie war blass, hässlich, bedeutungslos, sagte er schleppend. Niemand, der bei klarem Verstand ist und Augen im Kopf hat, könnte das von dir sagen. Dein rotes Haar kann man schon von weitem sehen.

Das scheint mit nicht gerade ein Kompliment zu sein ..., beklagte ich mich scherzhaft.

Wer sich von den anderen abhebt, egal auf welche Weise, ist nie hässlich, Melisande, sagte er sanft.

Dann bedanke ich mich freundlichst.

Er grinste. Von wem hast du diese Haare, Miss Bruno? Von deinen Eltern italienischer Herkunft? "

Die Erwähnung meiner Familie legte einen trüben Schleier auf das Glücksgefühl des Augenblicks. Ich löste meinen Blick von ihm und begann wieder die Bücher in die Regale einzuordnen.

Meine Großmutter hatte rote Haare, hat man mir erzählt. Meine Eltern nicht und auch nicht meine Schwester.

Er kam mit dem Rollstuhl neben meinen Beinen zum Stehen, die durch die Mühe die Bücher einzuordnen, gedehnt waren. Auf diese geringe Entfernung konnte ich seinen zarten Duft einatmen. Eine geheimnisvolle und verführerische Mischung aus Blumen und Gewürzen.

Und was macht eine zierliche Sekretärin mit roten Haaren und italienischen Vorfahren in einem abgelegenen schottischen Dorf?

Mein Vater emigrierte, um seine Frau und Tochter zu ernähren. Ich wurde in Belgien geboren. Ich versuchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, das Thema zu wechseln, aber das war nicht einfach. Seine Nähe verwirrte meine Gedanken, verknotete sie in einem Knäuel, das nur schwer zu entwirren war.

Von Belgien nach London und dann nach Schottland. Und das mit nur zweiundzwanzig Jahren. Du musst zugeben, dass das zumindest außergewöhnlich ist.

Lust, die Welt kennenzulernen, sagte ich zurückhaltend.

Ich schaute zu ihm. Die Runzeln auf seiner Stirn verschwanden wie Schnee in der Sonne und machten einer gesunden Neugier Platz. Es gab keine Möglichkeit ihn abzulenken. Draußen tobte ein heftiger Sturm und ein ähnlicher Kampf fand in meinem Inneren statt. Mit ihm zu sprechen war normal, spontan, befreiend, aber ich konnte nicht, ich durfte nicht hemmungslos reden, sonst würde ich es bereuen.

Lust, die Welt kennenzulernen und um dann in dieser abgelegenen Ecke der Welt zu landen? Sein Ton war deutlich mit Skepsis durchsetzt. Du musst mir keine Lügen auftischen, Melisande Bruno. Ich richte dich nicht, auch wenn es so scheinen mag.

Etwas in meinem Innern zerbrach in Stücke und gab Erinnerungen frei, die ich für immer begraben glaubte. Nur einmal hatte ich jemandem vertraut und das hatte ein schlechtes Ende. Nur das Schicksal hatte eine Tragödie verhindert. Meine Tragödie.

Ich lüge nicht. Auch hier kann man etwas über die Welt lernen, sagte ich lächelnd. Ich bin noch nie in den Highlands gewesen. Und außerdem bin ich noch jung, und kann immer noch reisen, anschauen und neue Orte entdecken.

Und so schlägst du also vor, abzureisen. Seine Stimme war hatte nun einen heiseren Ton.

Ich drehte mich zu ihm. Ein Schatten hatte sich auf sein Gesicht gelegt. Er hatte etwas Verzweifeltes, Wütendes, Gieriges an sich in diesem Moment.

Mir fehlten die Worte und starrte ihn einfach an.

Er machte eine schnelle Drehung mit dem Rollstuhl und bewegte sich in Richtung Schreibtisch. Keine Sorge. Wenn du weiterhin so faul bist, schicke ich dich höchstpersönlich weg und dann kannst du deine Weltreise fortsetzen.

Seine harten Worte trafen mich fast wie ein Eimer Eiswasser, der auf mich geworfen wurde. Er hielt vor dem Fenster, beide Hände krallten sich an den Rollstuhl, die Schulter war stocksteif.

Sie hatten Recht. Der Sturm ist bereits vorbei. Es gibt also keine Möglichkeit, McIntosh heute zu meiden. Es scheint, dass ich immer alles falsch machte.

Oh, schau, ein Regenbogen. Er rief mich, ohne sich umzudrehen. Kommen Sie her und sehen Sie selbst, Miss Bruno. Ist es nicht ein faszinierendes Schauspiel? Ich bezweifle, dass Sie schon einmal einen gesehen haben.

Doch, ich habe schon mal einen gesehen, konterte ich und blieb bewegungslos. Ein Regenbogen war das grausame Symbol dessen, was mir zeitlebens verweigert wurde. Die Wahrnehmung von Farben, ihr wunderbares Zusammenspiel, ihr archaisches Geheimnis.

Meine Stimme war so zerbrechlich wie eine Eisschicht, meine Schultern noch steifer als seine.

Er hatte erneut eine Mauer zwischen uns errichtet, hoch und unüberwindbar. Eine uneinnehmbare Festung.

Oder vielleicht war ich diejenige, die es dieses Mal zuerst getan hat.

Sechstes Kapitel

Möchtest du mit mir Abendessen, Melisande Bruno?

Ich starrte ihn mit großen Augen an, weil ich davon überzeugt war, nicht richtig gehört zu haben. Er hatte mich stundenlang ignoriert, und die wenigen Male, die er sich dazu herabgelassen hatte, mit mir zu reden, war er unsympathisch und kalt.

Anfangs wollte ich ablehnen, weil ich über sein kindisches und sprunghaftes Verhalten verärgert war, aber dann hatte doch die Neugier gesiegt. Oder vielleicht war es die Hoffnung sein schräges, freundliches und einladendes Lächeln wiedersehen zu dürfen. Ganz egal, aus welchen Gründen auch immer, meine Antwort war: Ja.

Mrs. Mc Millian war von der Nachricht so geschockt, dass sie während der ganzen Zeit, in der sie uns das Abendessen servierte, keinen Ton von sich gab, was bei uns Beiden ein stilles Schmunzeln verursachte.

Mc Laine hatte sich entspannt und nicht mehr diesen strengen Ausdruck im Gesicht, den ich so zu fürchten gelernt hatte.

Unser gemeinsames Schweigen brachen wir erst als die Haushälterin aus dem Raum ging und uns alleine ließ.

Wir haben es tatsächlich geschafft, dass es der guten Millicent die Stimme verschlagen hat... Ich glaube, damit sind wir rekordverdächtig, bemerkte er mit einem Lachen, das bis ins Innerste meines Herzen drang.

Definitiv stimmte ich zu. Es ist ein wirklich ein titanisches Unterfangen. Ich dachte nicht, dass ich das je erleben würde.

Da hast du Recht. Er zwinkerte mir zu und griff nach einem Fleischspieß.

Das improvisierte Abendessen war informell, aber sehr lecker, und seine Gesellschaft das Einzige, das ich mir hätte wünschen können. Ich versprach mir, nicht das Geringste zu tun, um diese idyllische Atmosphäre zu ruinieren, aber dann fiel mir ein, dass das nicht nur von mir abhing. Mein Gegenüber hatte bereits mehrfach bewiesen, wie einfach es ist ihn, auch ohne ersichtlichen Grund, zu verärgern.

In diesem Moment lächelte er, und ich verspürte einen Stich bei dem Gedanken, nicht die genaue Farbe seiner Augen und seiner Haare zu kennen.

Und, Melisande Bruno, gefällt Dir Midnight Rose?

Mir gefällst du, vor allem, wenn du so unbeschwert und in Frieden mit dir und der Welt bist.

Laut sagte ich: Wem würde es nicht gefallen? Es ist ein Stückchen Paradies, weit weg von Hektik, Stress, Alltagsroutine.

Er hörte auf zu essen, als ob er sich mit meiner Stimme als Nahrung begnügte. Und auch ich begann etwas langsamer zu kauen, um ja nicht den Zauber, der zerbrechlicher als Glas und schwereloser als ein Blatt im Herbstwind war, zu zerstören.

Für jemanden, der aus London kommt, muss es wohl so sein, räumte er ein. Bist du viel gereist?

Ich führte das Weinglas zum Mund, bevor ich antwortete. Weniger als mir lieb ist. Aber ich habe eines erkannt: die Welt entdeckt man in den kleinen Ecken, Falten und Furchen, nicht in den großen Städten.

Deine Weisheit steht deiner Schönheit in nichts nach, sagte er ernst. Und was entdeckst du in diesem sonderbaren schottischen Dorf?

Das Dorf habe ich noch nicht gesehen, erinnerte ich ihn ohne Groll. Aber Midnight Rose ist ein interessanter Ort. Es kommt mir vor, als ob man hier die Welt anhalten kann, und die Zukunft nicht vermisst.

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