Der schwarze Mustang - Karl May 6 стр.


Er war also wirklich der, für den ihn Winnetou gehalten hatte, der halbblütige Enkel des Schwarzen Mustangs, des grimmigsten Häuptlings der Komantschen.

Als er dem Ruf folgte, sah er bald drei Indianer vor sich stehen, von denen der eine sich durch eine ungemein hohe und kräftige Gestalt auszeichnete. Das war der Häuptling selbst, der ihn mit den Worten begrüßte: Willkommen, du Sohn meiner Tochter! Ich sandte Kita Homascha[15], den listigsten meiner Krieger, in das Haus, damit du wissen möchtest, dass ich gekommen bin und auf dich warte. Hast du mit ihm gesprochen?

Kein Wort. Seine bloße Ankunft war für mich genug.

Du hast klug gehandelt, denn man hätte vielleicht Argwohn schöpfen können. Wir haben hier einen guten Platz und können nicht überrascht werden, weil wir bei der Helle der offenen Tür einen jeden sehen, der aus dem Hause tritt. Auch haben wir es ja nur mit Leuten zu tun, die nichts vom Leben des Wilden Westens verstehen.

Du irrst. Es sind Männer hier, die es sehr genau kennen.

Uff! Wer sollte das sein? Sage es!

Zuerst kamen zwei sehr lange und sehr dürre Reiter, die bis morgen hierbleiben. Der eine nannte sich Timpe und der andere scheint ebenso zu heißen.

Timpe? Pshaw! Kein tapferer Krieger hat jemals diesen oder einen ähnlichen Namen gehört.

Dann aber kamen noch zwei andere: Winnetou und Old Shatterhand!

Uff, uff! Die hat der böse Manitou hierher geführt.

Nicht der böse, sondern der gute. Erst erschrak ich freilich auch; dann aber, als ich sie sprechen hörte, kam Freude über mich.

Du wirst mir sagen, was du gehört hast, aber nicht hier. Wir müssen fort.

Fort? Warum?

Weil ich weiß, wie solche Männer denken und handeln! Haben sie mit dir gesprochen?

Winnetou fragte mich aus. Er glaubte nicht, dass ich Yato Inda heiße und hielt mich für den Sohn deiner Tochter.

Der Apatsche hat also Verdacht geschöpft und wird dir jetzt folgen, um dich zu beobachten. Wir müssen uns sofort eine andere Stelle suchen.

Wir sehen ihn ja, wenn er aus der hellen Tür hervortritt.

Du kennst ihn nicht. Er berechnet alles und weiß, dass ein Feind, der dieses Camp beschleicht, sich gerade dieser Tür gegenüber aufstellen wird, weil er da alles sehen kann. Winnetou wird also hierherkommen, und zwar nicht durch die erleuchtete Tür. Gibt es noch einen zweiten Ausgang?

Eine kleine Tür, die hinter dem Vorratsraum liegt.

Er wird diese benutzen und sich dann im Dunkeln hierher schleichen. Wir müssen nach der anderen Seite hinüber. Komm!

Sie huschten in einem weiten Bogen rechts um den Shop, während Winnetou den seinigen links herum schlug und sie also nicht mehr vorfand. Dort blieben sie unter einem Baum stehen und der Scout erzählte, was er gehört hatte. Der Häuptling hörte ihm mit größter Spannung zu und sagte dann, vor Freude beinahe laut werdend: Nach dem Alder-Spring wollen sie? Morgen Abend werden sie dort sein? Wir ergreifen sie; wir ergreifen sie dort; sie können uns gar nicht entgehen! Welch einen Jubel wird es bei uns geben, wenn wir diese kostbare Beute geschleppt bringen und sie martern, dass sie heulen wie geschundene Kojoten! Diese beiden Skalpe sind viel mehr wert als die vielen Zöpfe, auf die es eigentlich abgesehen ist!

Er erging sich in noch weiteren Ausdrücken der Freude, bis sein Enkel ihn unterbrach: Ja, wir werden sie ganz gewiss fangen und zu Tode martern; aber willst du deshalb auf die Chinesen verzichten, die ich euch in die Hände liefern sollte?

Nein, du bist ja deshalb in den Dienst der Männer vom Feuerross getreten, und wir sind heute hierhergekommen, um dich zu fragen, ob es nicht bald geschehen kann.

Ich bin an jedem Tag bereit, hoffe aber, dass ihr das mir gegebene Wort halten werdet!

Wir halten es. Oder meinst du, dass ich den Sohn meiner Tochter betrügen werde? Alles Geld und alles Gold und Silber ist dein; alles andere, die Kleider, die Werkzeuge, die Vorräte und besonders die Skalpe der Männer mit den langen Zöpfen, gehört uns. Wir sind es gewöhnt, dass die Bleichgesichter uns alles rauben; wir müssen vor ihnen weichen, denn sie sind mächtiger als wir; nun aber kommen auch diese Gelbhäute und bauen Brücken und Eisenwege auf dem Boden, der uns gehört; sie werden alle ihr Leben lassen müssen und die Krieger der Komantschen werden den Ruhm haben, die ersten roten Männer zu sein, welche die neuen Skalpe der langen Zöpfe besitzen. Wir verzichten nicht darauf und du wirst uns jetzt alle Auskunft erteilen, die zu einem Überfall nötig ist.

Nun folgten ausführliche Auseinandersetzungen über Örtlichkeit und die einzelnen Teile des Camps, über die Art und Weise, wie der Überfall vorzunehmen sei, und über die Beute, die zu erwarten war. Dann gab der Schwarze Mustang seinen beiden Begleitern das Zeichen, wieder zu ihm zu stoßen, denn sie hatten sich nach den Seiten hin entfernt, um als Wächter dafür zu sorgen, dass er nicht überrascht und entdeckt wurde.

Das Ergebnis dieser geheimen Zusammenkunft war, dass zunächst morgen Abend Old Shatterhand und Winnetou mit Kas und Has am Alder-Spring gefangen genommen werden sollten; die Zeit des Angriffs der Komantschen auf Firwood-Camp werde man dann dem Scout durch einen Boten melden. Hierauf verabschiedete er sich von den drei Verbündeten und kehrte nach dem Shop zurück.

Der Schwarze Mustang suchte mit den beiden Komantschen eine nahe Stelle aus, wo der Verabredung gemäß die Rückkehr des nach dem Shop gesandten Boten zu erwarten war. Er stellte sich bald darauf ein und berichtete voller Ingrimm, wie Old Shatterhand mit ihm verfahren war. Als er hörte, dass dieser mit Winnetou überfallen werden sollte, zischte er vor Freude zwischen den Zähnen hervor: Er soll es bereuen, dass er sich an mir vergriffen hat, denn ich werde es sein, der ihm die fürchterlichsten Qualen bereitet!

Eben schickten sich die Roten an, die Stelle zu verlassen und zu den Pferden zu gehen, die sie versteckt hatten, da hörten sie Schritte. Augenblicklich warfen sie sich auf den Boden nieder, obgleich dieser nass und schlammig war. Aber sie lagen den beiden Männern, die vorüber wollten, gerade im Wege; der eine stürzte über den Häuptling weg und riss den andern mit sich nieder.

Im Nu wurden sie ergriffen und festgehalten.

Schreit nicht, sonst kostet es euer Leben!, befahl der Häuptling. Wer seid ihr?

Wir sind Arbeiter, antwortete der eine angstvoll.

Steht auf, aber tut keinen einzigen Schritt von hier fort, wenn euch euer Leben lieb ist! Warum schleicht ihr so heimlich hier herum? Wenn ihr Arbeiter seid, die zu diesem Camp gehören, braucht ihr das doch nicht zu tun!

Wir sind nicht geschlichen!

Doch! So leise und gebückt geht kein Mensch, der sich sehen lassen will. Was habt ihr da in den Händen?

Gewehre.

Gewehre? Wozu brauchen Arbeiter Gewehre? Zeigt her; ich will sie sehen!

Er entriss sie ihnen, betastete sie und hob dann jedes einzelne empor, um es gegen den Himmel besser betrachten zu können.

Uff, uff, uff!, ließ er sich dann zwar leise, aber im Tone freudigen Erstaunens hören. Diese drei Gewehre sind hier im Westen wohlbekannt. Die Flinte mit den vielen Nägeln muss die Silberbüchse Winnetous, unseres Feindes, sein. Und wenn das richtig ist, so gehören die beiden anderen dem Bleichgesicht Old Shatterhand; es ist der Henrystutzen und der Bärentöter. Habe ich richtig vermutet?

Die Chinesen schwiegen auf diese an sie gerichtete Frage. Sie sahen, dass sie Indianer vor sich hatten, und fürchteten sich. Sie zitterten förmlich und waren sogar zu feig, einen Fluchtversuch zu wagen.

Die Chinesen schwiegen auf diese an sie gerichtete Frage. Sie sahen, dass sie Indianer vor sich hatten, und fürchteten sich. Sie zitterten förmlich und waren sogar zu feig, einen Fluchtversuch zu wagen.

Redet!, fuhr er sie an. Gehören diese Gewehre Old Shatterhand und Winnetou?

Ja, hauchte derjenige von ihnen, der bis jetzt gesprochen hatte.

So habt ihr sie gestohlen?

Der Gefragte schwieg abermals.

Ich sehe, dass ihr Wagare-Saritsches[16] seid, denen solche Männer ihre Gewehre niemals anvertrauen würden. Wenn du es nicht gestehst, stoße ich dir das Messer augenblicklich in den Leib! Sprich!

Da beeilte sich der Chinese zuzugeben: Wir haben sie heimlich genommen.

Uff! Also doch! Winnetou und Old Shatterhand müssen sich sehr sicher fühlen, dass sie sich hier von ihren Gewehren getrennt haben. Ihr seid Diebe. Wisst ihr, was ich mit euch tun werde? Ihr habt den Tod verdient!

Da warf sich der Chinese auf die Knie nieder, hob die Hände und flehte: Töte uns nicht!

Wir sollten euch freilich das Leben nehmen; aber wir werden euch laufen lassen, wenn ihr tut, was ich euch befehle.

Sage es, oh, sage es! Wir werden gehorchen!

Gut! Warum habt ihr die Gewehre gestohlen? Ihr könnt sie doch nicht brauchen, denn ihr seid keine Jäger.

Wir wollten sie verkaufen, denn wir haben gehört, dass sie sehr, sehr viel Geld wert seien.

Wir kaufen sie euch ab.

Wirklich? Wirklich? Ist das wahr?

Ich bin der Häuptling der Komantschen. Mein Name lautet Tokvi Kava, was in der Sprache der Bleichgesichter Schwarzer Mustang heißt. Habt ihr von mir gehört?

Jawohl, sie hatten von ihm gehört, und zwar so viel Schlimmes, dass der Chinese tief erschrocken antwortete:

Der Schwarze Mustang?! Ja, wir kennen dich!

So wirst du wissen, was für ein großer und berühmter Häuptling ich bin und dass alles, was ich sage, stets die Wahrheit ist. Ich kaufe dir die Gewehre ab.

Wie viel gibst du uns dafür?

Mehr als jeder andere euch geben würde.

Was?

Euer Leben. Ein solcher Diebstahl wird mit dem Tod bestraft; ich schenke euch aber für die Flinten das Leben.

Das Leben? Nur das Leben?, fragte der Zopfträger zitternd und enttäuscht.

Ist das nicht genug?, zischte ihn der Rote an. Können solche Burschen, wie ihr seid, mehr bekommen als das Leben? Was wollt ihr noch?

Geld.

Geld! Also Metall! Wenn ihr Metall wollt, könnt ihr auch dies haben, nämlich das Eisen unserer Messer; sie sind so scharf und spitz, dass ihr genug davon bekommen werdet. Wollt ihr es?

Nein, nein! Verschone uns!, stöhnte der Chinese. Wir wollen leben; behalte die Gewehre!

Das ist dein Glück, du gelbe Kröte! Und nun höre, was ich dir noch befehle! Old Shatterhand und Winnetou werden sehr bald merken, dass ihre Flinten fort sind; es wird sich ein großer Lärm erheben; sie werden suchen und fragen. Was werdet ihr da tun?

Wir werden schweigen.

Das müsst ihr. Kein Wort dürft ihr sagen, kein einziges Wort, sonst nehmen sie euch das Leben, weil ihr die Diebe seid. Aber auch von uns dürft ihr nicht sprechen, denn wenn sie erfahren, dass ihr uns getroffen und mit uns gesprochen habt, so erraten sie alles und ihr seid doch verloren. Werdet ihr diesem meinem Befehl gehorchen?

Wir werden schweigen, als ob wir tot wären!

Das fordere ich von euch, denn wenn ihr verrietet, dass wir hier gewesen sind, würden wir kommen und Rache nehmen; ihr würdet unter tausend Qualen am Marterpfahl sterben. Und nun noch eine Frage: Sind euch die Namen Iltschi und Hatatitla[17] bekannt?

Nein.

So heißen die Pferde von Winnetou und Old Shatterhand. Wisst ihr, wo diese stehen?

Im Schuppen, der dort hinter uns liegt. Wir hörten, dass sie dorthin geschafft wurden.

So sind wir mit euch fertig. Also denkt an meine Warnung und schweigt! Jetzt könnt ihr gehen!

Er gab jedem von ihnen einen Fußtritt und dann verschwanden sie schleunigst im Dunkel der Nacht, froh darüber, dass ihnen wenigstens das Leben geblieben war.

Uff! Glücklicher konnten wir nicht sein!, sagte der Häuptling im Tone größter Befriedigung zu seinen Leuten. Wir haben das Zaubergewehr, den Bärentöter und die Silberbüchse. Nun werden wir uns auch noch die Hengste holen, die außer meinem Mustang nicht Ihresgleichen haben.

Will Tokvi Kava nach dem Schuppen gehen?, fragte derjenige, der unter dem Namen Juwaruwa als Spion im Shop gewesen war.

Meint mein Bruder, dass ich die Pferde stehen lassen soll? Wenn mein Mustang nicht wäre, so würden sie die besten Pferde von einem großen Wasser bis zum anderen sein. Wir holen sie, denn sie sind wohl ebenso viel wert wie die Gewehre, die wir den gelben, langzopfigen Burschen abgenommen haben.

Sie schlichen sich lautlos nach dem Schuppen, dessen Tür kein wirkliches Schloss, sondern nur einen Riegel hatte, und lauschten. Drinnen ließen sich vereinzelte Hufschläge vernehmen, wenn ein Pferd mit dem Bein stampfte. Es war finster im Innern. Ein Wächter schien nicht da zu sein, sonst wäre der Raum erleuchtet gewesen.

Der Häuptling schob den Riegel zurück, öffnete die Tür ein wenig, stellte sich so, dass er von innen nicht gesehen werden konnte, und rief halblaut einige Male in englischer Sprache hinein, als ob er ein Bekannter des etwa doch anwesenden Postens sei. Es erfolgte keine Antwort. Nun traten die vier Indianer ein.

Die Pferde der beiden Timpes waren ganz nach hinten geschafft worden, die Rapphengste standen fast ganz vorn. Der Häuptling erkannte dies trotz der Dunkelheit sehr bald.

Sie stehen hier, sagte er. Nehmt euch in Acht! Reiten dürfen wir sie nicht, denn sie kennen uns nicht; wir müssen sie führen und werden ohnehin draußen mit ihnen zu tun bekommen, sobald sie merken, dass es fort gehen soll und ihre Herren nicht dabei sind.

Die Rapphengste wurden vorsichtig losgebunden und langsam hinausgeführt. Sie folgten den Komantschen zwar, ohne sich zu widersetzen, aber doch in einer Weise, die zeigte, dass sie Verdacht geschöpft hatten. Die Tür wurde wieder verriegelt und dann entfernten sich die Indsmen mit ihrem kostbaren Raub. Der tiefe, weiche Schlamm, den der Regen gebildet hatte, ließ die Schritte der Menschen und der Tiere nicht hörbar werden.

Tokvi Kava fühlte sich außerordentlich befriedigt von dem Streich, den er den beiden berühmten, von ihm aber so sehr gehassten Männern heute spielen durfte. Er war seiner Sache vollständig sicher und hegte die Überzeugung, am heutigen Abend ganz fehlerlos schlau gehandelt zu haben. Und doch irrte er sich. Er hatte in seiner Rechnung einiges vergessen, nämlich den Scharfsinn der beiden Bestohlenen und die vorzüglichen Eigenschaften sowie die ebenso gute Dressur der Pferde, die nicht gewohnt waren, ohne Erlaubnis ihrer Herren fremden Menschen zu gehorchen. Der größte Fehler jedoch, der von ihm begangen worden war, bestand darin, dass er den Chinesen seinen Namen genannt hatte. Er nahm zwar mit Sicherheit an, dass sie nichts verraten würden, aber einem Winnetou und seinem weißen Freund gegenüber war das eine unverzeihliche Unvorsichtigkeit.

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