Verloren - Блейк Пирс 7 стр.


Sie wünschte, sie könnte sich mit ihm unterhalten und sich über Neuigkeiten austauschen, doch dafür fehlte die Zeit.

„Mir geht es gut, Mike. Doch gerade bin ich ziemlich in Eile. Ich muss in Kürze einen Flug antreten. Vorher wollte ich dich um einen Gefallen bitten.”

„Schieß los”, sagte Mike.

„Mein Partner, Bill Jeffreys, macht nach unserem letzten Fall gerade eine schwere Zeit durch.”

Sie konnte ernstgemeinte Sorge in seiner Stimme hören.

„Oh je, davon habe ich gehört. Fruchtbare Sache, der Tod deines jungen Schützlings. Stimmt es, dass dein Partner beurlaubt wurde? Wegen Schüssen auf einen Unbeteiligten?”

„Das stimmt. Er braucht deine Hilfe. Und er braucht sie sofort. Er trinkt, Mike. Ich hab ihn noch nie in so schlechter Verfassung gesehen.”

Es war kurz still.

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe”, sagte Mike. „Wurde er keinem Therapeuten zugeteilt?”

„Ja, aber der tut Bill nicht gut.”

Jetzt hörte sie einen Anflug von Vorsicht in Mikes Stimme.

„Ich weiß nicht, Riley. Ich fühle mich allgemein nicht wohl damit, Patienten anzunehmen, die schon von jemand anderem betreut werden.”

Riley fühlte, wie sie Sorge überkam. Sie hatte keine Zeit, sich jetzt um Mikes ethische Bedenken zu kümmern.

„Mike, er wurde Dr. Leo zugeteilt.”

Es herrschte erneut Stille.

Ich wette, das hat gewirkt, dachte Riley. Sie wusste nur zu gut, dass Mike den prominenten Therapeuten von ganzem Herzen verachtete.

Endlich sagte Mike: „Wann kann Bill vorbeikommen?”

„Was machst du jetzt?”

„Ich bin im Büro. ich werde für ein paar Stunden beschäftigt sein, doch danach habe ich Zeit.”

„Großartig. Er wird es bis dahin zu dir schaffen. Doch bitte, lass es mich wissen, falls er nicht auftauchen sollte.”

„Das werde ich mache.”

Als sie den Anruf beendeten, war der Kaffee durchgelaufen. Riley schüttete Kaffee in eine Tasse und ging zurück zu Bills Schlafzimmer. Er war nicht da. Doch die Tür zum anschließenden Bad war geschlossen, und Riley konnte Bills elektrischen Rasierer auf der anderen Seite hören.

Riley klopfte an die Tür.

„Ja, ich bin wieder etwas ansehnlicher”, sagte Bill.

Riley öffnete die Tür und sah, wie Bill sich rasierte. Sie stellte den Kaffee auf der Kante des Waschbeckens ab.

„Ich habe dir einen Termin bei Mike Nevins gemacht”, sagte sie.

„Für wann?”

„Jetzt sofort. Sobald du hier wegkommst und dort hinfährst. Ich schicke dir die Adresse seiner Praxis per SMS.”

Bill schaute überrascht. Das war verständlich, denn Riley hatte ihm nichts davon erzählt, dass sie in Eile war.

„Ich muss für einen Fall nach Iowa”, erklärte Riley. „Das Flugzeug wartet. Bill, schwänz den Termin bei Mike Nevins nicht. Ich werde es herausfinden, und du wirst es bereuen.”

Bill grummelte, doch sagte dann: „Okay, ich werde hingehen.”

Riley drehte sich um und ging. Dann fiel ihr noch etwas ein, wobei sie nicht ganz sicher war, ob sie es ansprechen sollte.

Schließlich sagte sie: „Bill, Shane Hatcher ist immer noch auf freiem Fuß. Vor meinem Haus sind Agenten stationiert. Doch ich habe eine Droh-SMS von ihm bekommen, und davon weiß keiner, außer du. Ich glaube nicht, dass er meine Familie angreifen würde, aber sicher kann ich nicht sein. Ich frage mich, ob du vielleicht…”

Bill nickte.

„Ich behalte die Situation im Auge”, sagte er. „Ich brauche eine sinnvolles Beschäftigung.”

Riley gab ihm eine schnelle Umarmung und verließ die Wohnung.

Als sie zum Auto lief, schaute sie erneut auf die Uhr.

Falls sie nicht in einen Stau käme, sollte sie es eigentlich rechtzeitig zur Start- und Landebahn schaffen.

Jetzt musste sie sich erst einmal auf ihren neuen Fall konzentrieren, doch darüber machte sie sich nicht wirklich Sorgen. Wahrscheinlich würde dieser Einsatz nicht lange dauern.

Was sollte ein einzelner Mord in einer Kleinstadt schon an Zeit und Einsatz erfordern?

KAPITEL NEUN

Noch während sie über die Rollbahn zum Flugzeug ging, bereitete sich Riley innerlich auf ihren neuen Fall vor. Doch es gab eine Sache, die sie tun musste, bevor sie zu sehr davon eingenommen wurde.

Sie sendete eine SMS an Mike Nevins.

Schreib mir, wenn Bill vorbeikommt. Schreib mir auch, falls er nicht kommen sollte.

Sie stieß einen erleichterten Seufzer aus, als Mike sofort antwortete.

Werde ich machen.

Riley sagte sich, dass sie alles getan hatte, was sie momentan für Bill tun konnte, und dass es nun an ihm war, ihrer Hilfe zu nutzen.

Wenn irgendjemand Bill helfen konnte, mit den Dingen, die ihn quälten, fertig zu werden, dann war es Mike, da war sich Riley sicher. Sie kletterte die Stufen hinauf in die Kabine, wo Jenn Roston schon in ihrem Sitz saß und auf ihrem Laptop arbeitete. Als Riley sich ihr am Tisch gegenüber setzte, schaute Jenn auf und nickte ihr zu.

Riley nickte zurück.

Während des Starts, und als das Flugzeug die Flughöhe erklomm, schaute Riley aus dem Fenster.

Ihr missfiel die eisige Stille zwischen Jenn und ihr. Sie fragte sich, ob es Jenn vielleicht genauso ging. Diese Flüge waren normaler Weise eine gute Gelegenheit, die Details eines Falls zu besprechen. Aber bislang gab es zu diesem Fall einfach noch nichts zu sagen. Immerhin war die Leiche erst heute morgen gefunden worden. Riley nahm eine Zeitschrift aus ihrer Tasche und versuchte zu lesen, doch sie konnte sich nicht auf die Worte konzentrieren. Dass ihr Jenn einfach so gegenüber saß, lenkte sie zu sehr ab. Stattdessen saß Riley einfach nur da und gab vor, zu lesen.

So sieht mein Leben aktuell aus, dachte sie.

Es wurde allzu alltäglich, anderen etwas vorzuspielen und zu lügen.

Endlich schaute Jenn von ihrem Computer auf.

„Agentin Paige, ich habe das, was ich in der Besprechung mit Meredith sagte, ernst gemeint.”, sagte sie.

„Wie Bitte?” fragte Riley und schaute von ihrer Zeitschrift hoch.

„Dass es mir eine Ehre sei, mit Ihnen zu arbeiten. Das war immer ein Traum. Seitdem ich auf der Polizeischule war, verfolge ich ihre Arbeit.”

Für einen Moment wusste Riley nicht, was sie sagen sollte. Jenn hatte ihr beinahe die selben Worte schon einmal gesagt. Doch schon wieder konnte Riley in Jenns Gesicht nicht lesen, ob sie es ernst meinte.

„Ich habe Großartiges über Dich gehört”, sagte Riley.

So unverbindlich es auch klang, zumindest war es wahr. Unter anderen Umständen wäre Riley von der Möglichkeit begeistert gewesen, mit einer klugen neuen Agentin zu arbeiten.

Riley fügte mit einem schwachen hen Lächeln hinzu: „Doch, wenn ich Du wäre, würde ich meine Erwartungen nicht zu hoch schrauben—nicht für diesen Fall.”

„Stimmt”, sagte Jenn. „Vermutlich ist es nicht einmal ein Fall für die BAU. Wahrscheinlich fliegen wir heute Nacht zurück nach Quantico. Naja, es wird andere geben.”

Jenn richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Computer. Riley fragte sich, ob sie an den Shane Hatcher Dokumenten arbeitete. Und natürlich machte sie sich erneut Sorgen, dass sie Jenn den USB Stick besser nicht hätte geben sollen. Doch während sie dort saß und darüber nachdachte, wurde ihr eines klar. Wenn Jenn sie wirklich hätte reinlegen wollen, als sie um die Information bat, hätte sie sie dann nicht längst gegen sie benutzt?

Sie erinnerte sich an das, was Jenn gestern zu ihr gesagt hatte.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir genau das Gleiche wollen—Shane Hatchers kriminelle Machenschaften ein für alle Mal zu beenden”

Wenn das stimmte, war Jenn tatsächlich Rileys Verbündete.

Doch wie konnte Riley sich sicher sein? Sie saß da und wog ab, ob sie das Thema direkt ansprechen sollte.

Sie hatte Jenn von Hatchers Drohungen nichts erzählt.

Gab es wirklich einen Grund, es nicht zu tun?

Konnte Jenn ihr nicht eigentlich irgendwie helfen? Vielleicht, doch Riley war immer noch nicht breit, diesen Schritt zu gehen.

Dabei erschien es ihr inzwischen geradezu komisch, dass ihre neue Partnerin sie immer noch Agentin Paige nannte, während sie drauf bestand, dass Riley sie duzte.

„Jenn”, sagte sie.

Jenn schaute von ihrem Computer auf.

„Ich denke, Du solltest mich Riley nennen”, sagte Riley.

Jenn deutet ein Lächeln an und richtete ihre Aufmerksamkeit erneut auf ihren Computer.

Riley legte die Zeitschrift zur Seite und starrte aus dem Fenster auf die Wolken unter ihnen. Die Sonne schien strahlend, doch Riley fand daran nichts Fröhliches. Sie fühlte sich furchtbar einsam. Sie vermisste es, Bill dabei zu haben, dem sie vertrauen, und dem sie sich anvertrauen konnte.

Und sie vermisste Lucy so sehr, dass es weh tat.

*

Als das Flugzeug in den Des Moines International Flughafen einrollte, war es Riley möglich, auf ihr Handy zu schauen. Sie war erfreut, dass sie eine Nachricht von Mike Nevins hatte.

Bill ist gerade bei mir.

Eine Sache weniger, über die sich sorgen musste.

Ein Polizeiauto wartete draußen vor dem Flugzeug. Am Ende der Passagiertreppe standen zwei Polizisten aus Angier und stellten sich ihnen vor. Darryl Laird war ein schlaksiger junger Mann in seinen Zwanzigern, und Howard Doty ein kleinerer um die Vierzig. Beide schauten erschrocken.

„Was sind wir froh, dass sie da sind”, sagte Doty zu Riley und Jenn, während die beiden Polizisten sie zum Auto begleiteten.

Laird sagte: „Diese Geschichte ist einfach nur …”

Der junge Mann schüttelte den Kopf, ohne seinen Gedanken zu Ende zu bringen.

Die Armen, dachte Riley.

Sie waren einfache Kleinstadtpolizisten. Morde waren in einer kleinen Stadt in Iowa sicherlich eine Seltenheit. Vielleicht hatte der ältere Polizist von Zeit zu Zeit schon einmal mit dem ein oder anderen Tötungsdelikt zu tun gehabt, doch Riley vermutete, dass der jüngere noch nie etwas Vergleichbares durchgemacht hatte.

Als Doty losfuhr, bat Riley die beiden Polizisten, ihr und Jenn alles zu erzählen, was geschehen war.

Doty sagte: „Der Name des Mädchens ist Katy Philbin, sie war siebzehn Jahre alt. Eine Schülerin an der Wilson High. Ihren Eltern gehört die Apotheke im Ort. Nettes Mädchen, jeder mochte sie. Der alte George Tully fand ihre Leiche heute Morgen, als er sich mit seinen Jungs auf die Frühjahrsaussaat vorbereitete. Tully besitzt einen Hof kurz vor Angier.”

„Weiß man schon, wie lange sie dort gelegen hat?” fragte Jenn.

„Da müssen Sie Kommissar Sinard fragen. Oder gleich den Gerichtsmediziner.”

Riley dachte zurück an das Wenige, das Meredith ihnen über die Situation hatte sagen können.

„Was ist mit dem anderen Mädchen?”, fragte sie. „Die, die schon länger vermisst wird?”

„Holly Struthers ist ihr Name”, sagte Laird. „Sie war … hm, also vermutlich ist sie nach wie vor eine Schülerin an der anderen Schule im Ort, der Lincoln High. Sie ist seit etwa einer Woche verschwunden. Die ganze Stadt hoffte bisher, dass sie früher oder später einfach wieder auftauchen würde. Doch jetzt … Tja, ich denke, wir müssen weiter hoffen.”

„Und beten”, fügte Doty hinzu.

Riley fühlte eine seltsame Kälte, als er das sagte. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie oft sie schon gehört hatte, dass Leute beteten, dass eine vermisste Person einfach unversehrt wieder auftauchen würde.

So oder so, sie hatte nie den Eindruck, dass Gebete besonders viel halfen.

Fühlen sich die Leute dadurch überhaupt besser? fragte sie sich.

Sie konnte sich nicht vorstellen, wie oder warum das der Fall sein sollte.

Der Nachmittag war freundlich und klar, als das Auto Des Moines verließ und auf eine breite Autobahn auffuhr. Schon bald wechselte Doty auf eine zweispurige Straße, die sich über die leicht hügelige Landschaft erstreckte.

Riley fühlte ein seltsames, nagendes Gefühl in ihrem Magen. Es dauerte einen Moment bis sie bemerkte, dass ihre Gefühle nichts mit dem Fall zu tun hatten—zumindest nicht direkt.

So fühlte sie sich häufig, wenn sie im mittleren Westen zu tun hatte. Eigentlich litt sie nicht an der Angst vor offenen Räumen—Agoraphobie, nannte man das, meinte sie sich zu erinnern. Doch weite Flächen und Prärien lösten in ihr eine ganz eigene Art der Beklemmung aus. Riley wusste nicht, was schlimmer war—die ewig weiten Flächen, die sie in Staaten wie Nebraska gesehen hatte, die so weit reichten, wie das Auge sah, oder diese sich monoton erstreckende Prärie, mit ihren immer gleichen Bauernhäuser, Städten und Feldern.

So oder so, sie fand es beruhigend, sogar ein wenig übelerregend.

Trotz seines Rufs als gelobtes Land, als dem Inbegriff amerikanischer Werte, den der mittlere Westen allgemein genoß, überraschte es sie nicht besonders, dass hier Menschen zu Mördern wurden. Was sie betraf, fand sie, dass das Landleben allein genügte, um einen Menschen in den Wahnsinn zu treiben.

Auch um sich abzulenken, nahm Riley ihr Handy und schrieb eine SMS an ihre ganze Familie—April, Jilly, Liam, and Gabriela.

Bin gut angekommen.

Sie dachte kurz nach und fügte dann hinzu …

Ihr fehlt mir jetzt schon. Bin wahrscheinlich zurück, bevor ihr meine Abwesenheit überhaupt bemerkt.

*

Nach einer knappen Stunde auf der zweispurigen Autobahn, bog Doty auf eine Schotterpiste ab. Kurz darauf sagte er: „Wir erreichen jetzt George Tullys Grundstück.”

Riley schaute sich um. Die Landschaft sah genauso aus, wie zuvor—riesige Strecken nicht bepflanzter Felder, unterbrochen von Abzugsrinnen, Zäunen und Reihen von Bäumen.

Sie bemerkte ein vereinzeltes großes Haus, das im Zentrum neben einem Schuppen stand. Sie schloss, dass dort Tully und seine Familie wohnten.

Es war ein seltsam aussehendes Haus, das schien, als wäre es, wahrscheinlich schon seit Generationen, weitergebaut und zusammengeschustert worden.

Bald wurde der Wagen der Gerichtsmedizin sichtbar, der auf der Straße parkte. Einige andere Autos parkten in der Nähe. Doty parkte direkt hinter dem Kastenwagen des Pathologen, und Riley und Jenn folgten ihm und seinem jüngeren Kollegen hinaus auf ein frisch bestelltes Feld. Riley sah drei Männer, die über einer Stelle standen, wo die Erde aufgewühlt war.

Sie konnte nicht erkennen, was dort gefunden worden war, doch sie erhaschte einen Blick auf fröhlich bunte Kleidung, die im in der frischen Frühlingsbriese flatterte.

Hier lag sie begraben, erkannte sie.

Und in diesem Moment überkam Riley ein seltsames Bauchgefühl.

Verschwunden war mit einmal Mal die Vermutung, dass Jenn und sie hier nichts zu tun haben würden. Es gab Arbeit für sie—ein Mädchen war tot, und sie würden nicht aufhören, bis dass sie ihren Mörder gefunden hatten.

KAPITEL ZEHN

Neben der erst kürzlich ausgegrabenen Leiche standen zwei Menschen. Riley lief direkt auf einen von den beiden zu, einen muskulösen Mann, der etwa in ihrem Alter war.

„Kommissar Joseph Sinard, vermute ich”, sagte sie und reichte ihm die Hand.

Er nickte, nahm ihre Hand und schüttelte sie.

„Die Leute hier nennen mich Joe.”

Sinard zeigte auf einen übergewichtigen, gelangweilt dreinschauenden Mann in seinen Fünfzigern, der neben ihm stand. „Das ist Barry Teague, der zuständige Gerichtsmediziner. Sie beide sind vermutlich die Leute vom FBI, die wir erwarteten.”

Riley und Jenn holten ihre Dienstmarken hervor und stellten sich vor.

„Das hier ist das Opfer”, sagte Sinard.

Er zeigte auf die niedrige Grube, in der, achtlos ausgestreckt, eine junge Frau in einem orangenen Sommerkleid lag. Das Kleid war ihr bis zu den Oberschenkeln hochgerutscht, und Riley konnte sehen, dass ihre Unterwäsche entfernt worden war. Sie trug keine Schuhe. Ihr Gesicht war unnatürlich blass und ihr offener Mund war noch immer voller Erde. Ihre Augen waren weit geöffnet. Die verdreckte Leiche war von stumpfer Farbe, der Ton erinnerte in keiner Weise mehr an ein lebendiges Wesen.

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