Bestimmt - Морган Райс 6 стр.


Ich weiß das so genau, weil ich diesen Krieg anführe.«

Erneut erhob sich lautes Gemurmel, bis der Saaldiener wieder mit seinem Stab für Ruhe sorgte.

»Doch mein Sieg ist noch nicht vollständig«, rief Kyle über den Lärm. »Ein Stachel steckt noch in meinem Fleisch, es gibt eine Person, die alles zerstören kann, was wir erreicht haben. Sie allein kann unsere glorreiche Zukunft ruinieren. Diese junge Frau stammt von einem besonderen Geschlecht ab, und jetzt ist sie eben in diese Zeit hier gereist, wahrscheinlich, um mir zu entkommen. Ich bin hergekommen, um sie zu finden und zu töten. Bis mir das gelungen ist, liegt eine ungewisse Zukunft vor uns allen.

Jetzt bitte ich Euch um die Erlaubnis, sie zu töten, hier und in Eurer Zeit. Außerdem bitte ich Euch, mich bei der Suche nach ihr zu unterstützen.«

Kyle senkte den Kopf und wartete. Sein Herz schlug schneller. Natürlich lag es auch in ihrem Interesse, ihm zu helfen, er sah keinen Grund, warum sie sein Gesuch ablehnen sollten. Doch diese Kreaturen, die schon seit Millionen von Jahren lebten und sogar noch älter waren als er, waren vollkommen unberechenbar. Ihre Absichten ließen sich nie erraten, und ihre Entscheidungen wirkten so willkürlich wie der Wind.

Während er wartete, wurde die Stille immer lastender.

Endlich war ein Räuspern zu hören.

»Natürlich wissen wir, von wem du sprichst«, sagte einer der Richter mit rauer Stimme. »Du meinst Caitlin vom Pollepel Clan. Eigentlich stammt sie einem anderen, viel mächtigeren Clan ab. Ja, es stimmt, sie ist gestern in unserer Zeit eingetroffen. Selbstverständlich wissen wir das. Und wenn wir sie töten wollten, glaubst du nicht, wir hätten das selbst erledigt?«

Kyle hütete sich, die Frage zu beantworten. Schließlich kannte er ihren Stolz. Er würde sie einfach zu Ende reden lassen.

»Doch wir bewundern deine Entschlossenheit und deinen Krieg in der Zukunft«, fuhr der Richter fort. »Ja, das bewundern wir sehr.«

Erneut legte sich ein lastendes Schweigen über den Saal.

»Wir erlauben dir, sie aufzuspüren«, fuhr der Vampir schließlich fort, »doch wenn du sie findest, wirst du sie nicht töten, sondern sie gefangen nehmen und zu uns bringen. Wir möchten sie lieber selbst umbringen und dabei zusehen, wie sie ganz langsam stirbt. Sie ist eine perfekte Kandidatin für die Spiele.«

Kyle spürte, wie er vor Wut wieder zu kochen begann. Die Spiele. Natürlich. Etwas anderes interessierte diese kranken, alten Vampire nicht. Jetzt fiel es ihm wieder ein: Sie hatten das Kolosseum in eine Sportarena verwandelt, in der Vampire gegen Vampire antraten, Vampire gegen Menschen oder Vampire gegen wilde Tiere. Sie liebten es, dabei zuzusehen, wie sie alle sich gegenseitig in Stücke rissen. Das Spiel war grausam, und in gewisser Weise gefiel es Kyle.

Aber es war nicht das, was er für Caitlin wollte. Er wollte sie tot sehen, und damit basta. Zwar hätte er nichts dagegen, wenn sie gefoltert würde, doch gleichzeitig wollte er auch keine Zeit verschwenden und auf keinen Fall irgendetwas dem Zufall überlassen. Natürlich hatte bisher niemand die Spiele überlebt oder war geflüchtet, aber man konnte nie wissen.

»Aber meine Meister«, protestierte Kyle, »wie Ihr bereits gesagt habt, stammt Caitlin von einer sehr mächtigen Familie ab und ist daher wesentlich gefährlicher und schwerer fassbar, als man sich vorstellen kann. Ich erbitte Eure Erlaubnis, sie auf der Stelle töten zu dürfen. Es steht zu viel auf dem Spiel.«

»Du bist noch jung«, mischte sich ein anderer Richter ein, »und deshalb verzeihen wir dir, dass du unser Urteil in Frage gestellt hast. Jeden anderen hätten wir auf der Stelle töten lassen.«

Kyle senkte den Kopf. Ihm wurde klar, dass er zu weit gegangen war. Niemand widersprach den Richtern – niemals.

»Sie ist in Assisi. Dorthin wirst du als Nächstes gehen, beeil dich und lass dich nicht aufhalten. Nun, da du es erwähnt hast, freuen wir uns schon richtig auf das Schauspiel.«

Kyle drehte sich um und wollte gehen.

»Und Kyle«, rief einer von ihnen ihm nach.

Er wirbelte herum.

Der Oberrichter zog seine Kapuze zurück und enthüllte die hässlichste Fratze, die Kyle je gesehen hatte – sie war vollständig mit Warzen und Beulen überzogen. Dann öffnete er den Mund und lächelte ein grässliches Lächeln, bei dem scharfe, gelbe Zähne zu sehen waren. Seine schwarzen Augen funkelten, als sein Grinsen noch breiter wurde. »Das nächste Mal, wenn du ohne Vorankündigung hier auftauchst, wirst du derjenige sein, der ganz langsam sterben wird.«

6. Kapitel

Caitlin flog über die idyllische Region Umbrien und bewunderte die üppig grünen Hügel und Täler, die im frühen Morgenlicht lagen. Kleine Bauernhöfe mit gemauerten Häuschen, umgeben von vielen Morgen Land, lagen verstreut in der Landschaft. Aus den Schornsteinen stieg Rauch auf.

Als sie weiter sie nach Norden kam und die Toskana erreichte, veränderte sich das Bild, die Hügel wurden zu Bergen. So weit der Blick reichte, sah sie Weinberge an den steilen Hängen. Arbeiter mit großen Strohhüten waren bereits so früh am Morgen an der Arbeit und kümmerten sich um die Reben. Dieses Land war unglaublich schön, und am liebsten wäre sie gleich gelandet, um sich in einem dieser kleinen Farmhäuschen häuslich niederzulassen.

Doch sie hatte noch einiges zu tun; also setzte sie ihren Flug nach Norden fort. Rose hatte sich in ihrem Hemd zusammengerollt. Dann spürte Caitlin, dass sie sich Venedig näherte – sie fühlte sich wie ein Magnet davon angezogen. Je näher sie kam, desto heftiger schlug ihr Herz vor gespannter Erwartung. Schon jetzt ahnte sie, dass sie Leute treffen würde, die sie von früher kannte, doch sie wusste noch nicht, wer es sein würde. Sie spürte auch noch nicht, ob Caleb sich in Venedig aufhielt und ob er überhaupt noch lebte.

Caitlin hatte immer schon von einer Reise nach Venedig geträumt. Sie hatte Fotos der Kanäle und der Gondeln gesehen und sich immer vorgestellt, dass sie eines Tages in diese Stadt reisen würde, vielleicht mit jemandem zusammen, den sie liebte. Ja, sie hatte sich sogar schon ausgemalt, wie sie in einer dieser Gondeln einen Heiratsantrag erhalten würde. Doch nie hatte sie damit gerechnet, auf diese Weise nach Venedig zu kommen.

Plötzlich schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass das Venedig, das sie jetzt besuchen würde, ganz anders sein könnte als die Stadt auf den Fotos aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert. Wahrscheinlich würde Venedig kleiner, weniger fortschrittlich und viel dörflicher sein. Außerdem würde wohl weniger los sein.

Doch bald erkannte sie, dass sie mit ihrer Einschätzung vollkommen falsch lag.

Als sie schließlich den Stadtrand erreichte, entdeckte sie voller Staunen, dass die Stadt unter ihr selbst aus dieser Höhe eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Bildern aus modernen Zeiten aufwies. Sie erkannte den berühmten, historischen Baustil, die Vielzahl kleiner Brücken, die Windungen der Kanäle. In der Tat war sie regelrecht schockiert, dass das Venedig des Jahres 1790 sich kaum – zumindest dem äußeren Anschein nach – von dem Venedig des einundzwanzigsten Jahrhunderts unterschied.

Doch als sie länger darüber nachdachte, verstand sie den Grund dafür. Die Architektur Venedig war nicht bloß einhundert oder zweihundert Jahre alt, sondern viele hundert Jahre. Ihr fiel eine Geschichtsstunde in der Highschool ein, in der es um den Bau von Kirchen in Venedig im zwölften Jahrhundert gegangen war. Jetzt wünschte sie sich, sie hätte damals besser aufgepasst. Die Stadt Venedig unter ihr war auch im Jahr 1790 schon mehrere Jahrhunderte alt.

Caitlin fühlte sich durch den Gedanken getröstet. Zuerst hatte sie sich vorgestellt, dass das Leben im Jahr 1790 wie auf einem anderen Planet sein würde, doch jetzt war sie erleichtert, dass einige Dinge sich gar nicht so sehr verändert hatten. Der einzige Unterschied, der ihr unmittelbar ins Auge fiel, war die Tatsache, dass auf den Kanälen natürlich keine Motorboote unterwegs waren. Es gab keine Schnellboote, keine großen Fähren, keine Kreuzfahrtschiffe. Stattdessen wimmelte es auf den Wasserstraßen von großen Segelschiffen, deren Masten viele Meter in die Höhe ragten.

Was Caitlin auch überraschte, das waren die Menschenmassen. Als sie sich tiefer sinken ließ und nur noch in einer Höhe von etwa dreißig Metern über die Stadt flog, erkannte sie, dass die Straßen sogar jetzt in den frühen Morgenstunden voller Menschen waren. Und auch auf den Wasserstraßen herrschte Hochbetrieb. Verblüfft stellte sie fest, dass in dieser Stadt mehr los war als auf dem Times Square. Dabei war sie davon ausgegangen, dass in früheren Zeiten weniger Menschen lebten und die Erde weniger dicht bevölkert war. Wahrscheinlich hatte sie sich auch in diesem Punkt geirrt.

Nachdem sie die Stadt mehrmals umkreist hatte, fiel ihr auf, dass Venedig nicht nur auf einer Insel, sondern auf vielen lag. Dutzende von Inseln erstreckten sich in alle Richtungen, und alle waren bebaut. Die Hauptinsel war jedoch deutlich zu erkennen, weil ihre Bebauung am dichtesten war. Doch die kleineren Inseln schienen ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen.

Auch die Farbe des Wassers erstaunte sie sehr: Es war von einem tiefen, leuchtenden Blau. Es war so klar und unwirklich blau, wie sie es irgendwo in der Karibik erwartet hätte.

Als sie erneut über den Inseln kreiste und versuchte, sich zu orientieren und einen guten Landeplatz auszukundschaften, bereute sie es, dass sie die Stadt nie im einundzwanzigsten Jahrhundert besucht hatte. Nun ja, zumindest bot sich ihr jetzt die Gelegenheit.

Momentan fühlte sie sich ein wenig überfordert, weil keine Ahnung hatte, wo sie mit der Suche nach Leuten, die sie einst gekannt hatte, beginnen sollte – falls sie überhaupt hier waren. Törichterweise hatte sie angenommen, Venedig wäre deutlich kleiner und idyllischer. Selbst von hier oben wurde ihr klar, dass man tagelang in dieser Stadt herumirren konnte.

Leider gab es auf der Hauptinsel keine Möglichkeit, irgendwo unauffällig zu landen. Zu viele Menschen drängten sich in den Straßen und auf den Plätzen, und schließlich wollte sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie wusste ja nicht, welche Clans dort unten wohnten, ob sie ein Eindringen in ihr Revier übel nahmen und ob sie zu den Guten oder den Bösen gehörten. Außerdem hatte sie keine Ahnung, ob die Menschen hier – wie in Assisi – auf der Hut vor Vampiren waren und Jagd auf sie machen würden. Das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte, war ein Mob, der sie umbringen wollte.

Am Ende entschloss sie sich, auf dem Festland zu landen, weit weg von der Insel. Dort hatte sie große Schiffe voller Leute gesehen, die offensichtlich vom Festland nach Venedig übersetzten. Diesen Weg würde sie auch nehmen, zumindest würde sie dann direkt mitten im Herzen der Stadt ankommen.

Unauffällig landete Caitlin hinter einem kleinen Wäldchen auf dem Festland, nicht weit entfernt von der Bootsanlegestelle. Sie setzte Rose ab, die sofort hinter den nächsten Busch lief, um ihr Geschäft zu erledigen. Als sie fertig war, blickte sie zu Caitlin auf und jaulte. Caitlin las in ihren Augen, dass sie hungrig war, und stellte fest, dass es ihr genauso ging.

Das Fliegen hatte sie ermüdet, und daraus schloss sie, dass sie sich immer noch nicht vollständig von der Zeitreise erholt hatte. Außerdem hatte sie sich richtig Appetit geholt – jedoch nicht auf menschliches Essen.

Als sie sich umsah, konnte sie kein Wild entdecken, aber sie hatte keine Zeit, auf die Suche zu gehen. Vom Boot her ertönte ein lauter Pfiff und kündigte den Ablegevorgang an. Rose und Caitlin würden warten müssen und sich später um die Nahrungsnahme kümmern.

Plötzlich bekam Caitlin Heimweh und vermisste die Sicherheit und die Geborgenheit von Pollepel. Außerdem hatte sie Sehnsucht nach Caleb, der immer die Führung übernommen hatte, wenn es nötig gewesen war. In seiner Gegenwart hatte sie fortwährend das Gefühl gehabt, alles würde sich zum Guten wenden. Als sie jetzt ganz auf sich gestellt war, war sie sich dessen nicht mehr so sicher.

* * *

Caitlin und Rose gingen auf das nächstgelegene Schiff zu. Es war ein großes Segelschiff, eine Gangway verband das Deck mit dem Ufer. Das Boot war bereits voller Leute, die letzten Passagiere gingen gerade die Gangway hinauf. Caitlin und Rose beeilten sich, bevor die Rampe eingezogen wurde.

Doch dann wurde sie überraschend von einer großen, fleischigen Hand aufgehalten, die ihr unsanft den Weg versperrte. »Fahrkarte«, sagte jemand unfreundlich.

Ein großer, muskelbepackter Mann starrte finster auf sie hinunter. Er war ein ungehobelter, unrasierter Klotz und roch unangenehm.

In Caitlin stieg Verärgerung auf. Sie war ohnehin schon gereizt, weil sie nichts gegessen hatte, und nahm es dem Mann übel, dass er sie aufhalten wollte.

»Ich habe keine«, antwortete sie knapp. »Können Sie mich nicht einfach durchlassen?«

Der Mann schüttelte entschieden den Kopf und wandte sich ab. »Keine Fahrkarte, keine Bootsfahrt«, erwiderte er.

Als ihre Verärgerung wuchs, zwang sie sich, an Aiden zu denken. Was hätte er ihr jetzt geraten? Atme tief durch und entspann dich. Benutze deinen Kopf, nicht deinen Körper. Er hätte sie daran erinnert, dass sie stärker war als dieser Mensch. Er hätte ihr gesagt, sie solle sich konzentrieren und ihre inneren Talenten nutzen.

Also schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf ihre Atmung. Dann sammelte sie sich und richtete ihre Gedanken auf diesen Mann.

Du wirst uns auf das Boot lassen. Du wirst auf diese Fahrkarte verzichten.

Als sie die Augen wieder aufschlug, erwartete sie, dass er vor ihr stehen und ihr die Überfahrt kostenlos anbieten würde. Doch zu ihrer Enttäuschung tat er es nicht. Stattdessen ignorierte er sie einfach und löste die letzten Taue.

Es funktionierte nicht. Entweder hatte sie ihre Fähigkeit verloren, die Gedanken von anderen zu kontrollieren, oder sie war noch nicht wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte. Oder vielleicht war sie einfach zu erschöpft und ruhte zu wenig in sich selbst.

Plötzlich fiel ihr etwas ein: ihre Taschen. Schnell durchsuchte sie sie und fragte sich, ob sie vielleicht etwas aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert mitgebracht hatte. Erleichtert zog sie einen Zwanzigdollarschein hervor.

»Hier«, sagte sie und reichte ihm den Schein.

Er nahm ihn, befühlte ihn und hielt ihn hoch, um ihn genauer zu untersuchen.

»Was ist das denn?«, fragte er dann. »Das kenne ich nicht.«

»Das ist ein Zwanzigdollarschein«, erklärte Caitlin und begriff gleichzeitig, wie dämlich sie war. Natürlich, woher sollte er den Schein kennen? Er stammte aus Amerika, außerdem würde es diese Währung erst in zweihundert Jahren geben.

Voller Angst wurde ihr klar, dass das Geld nutzlos war.

»Abfall«, sagte sie und schob den Schein wieder in die Tasche.

Dann sah sie erschrocken, dass das Boot jeden Moment ablegen würde. Schnell griff sie wieder in die Tasche und brachte ein bisschen Kleingeld zum Vorschein. Sie nahm eine Vierteldollarmünze und gab sie ihm.

Diesmal wirkte der Mann schon interessierter, nahm die Münze und hielt sie ans Licht. Doch trotzdem war er immer noch nicht überzeugt und gab ihr das Geld zurück.

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