Eine Spur von Tod - Блейк Пирс 2 стр.


„Du siehst aus als würdest du von Wellen und Whiskey träumen“, sagte er.

„Ist es so offensichtlich?“, fragte sie.

„Ich bin eben ein Top-Ermittler. Meine Beobachtungsgabe kennt keine Grenzen. Ganz davon abgesehen hast du deine Feierabendpläne heute schon mindestens zweimal angemerkt.“

„Was soll ich sagen? Ich bin eben besonders zielstrebig, Detective Sands.“

Er lächelte sie an und sein gesundes Auge strahlte eine Herzlichkeit aus, die man ihm auf den ersten Blick vielleicht nicht zutrauen würde. Keri war die einzige, die ihn bei seinem echten Namen nannte, auch wenn sie sich gerne Spitznamen füreinander ausdachten, wenn sie alleine waren.

„Hör mal, Little Miss Sunshine, vielleicht solltest du in den letzten Minuten vor Feierabend besser die Spurensicherung kontaktieren und den Fall Sanders endlich abschließen, anstatt von deinem Fläschchen zu träumen.“

„Mein Fläschchen?“, sagte sie überspitzt entrüstet, „nur damit wir uns richtig verstehen, aus dem Alter bin ich raus. Mir kommen nur noch ausgewachsene Flaschen ins Haus, Gigantor.“

Gerade wollte er zu einer Antwort ansetzen, als das Telefon klingelte. Keri nahm den Hörer ab und streckte ihm die Zunge heraus.

„Einheit für vermisste Personen, Dienststelle Pacific. Sie sprechen mit Detective Locke.“

Ray hatte seinen Apparat ebenfalls abgehoben und hörte still zu.

Die Frau am anderen Ende der Leitung klang jung, vielleicht Ende zwanzig oder Anfang dreißig. Noch bevor sie den Grund ihres Anrufs erklärt hatte, hatte Keri bereits die Sorge in ihrer Stimme bemerkt.

„Mein Name ist Mia Penn. Ich wohne in den Venice Canals bei Dell Avenue. Ich mache mir Sorgen um meine Tochter Ashley. Sie hätte längst nach Hause kommen müssen. Sie weiß, dass wir heute einen Zahnarzttermin haben. Sie hat mir eine SMS geschickt, als sie sich auf den Heimweg gemacht hat, aber sie ist nicht zu Hause angekommen. Jetzt beantwortet sie weder Anrufe noch Nachrichten. Das sieht ihr überhaupt nicht ähnlich. Sie ist normalerweise sehr verantwortungsbewusst.“

„Miss Penn, läuft oder fährt Ashley den Weg normalerweise?“, fragte Jeri.

„Sie ist zu Fuß unterwegs. Sie ist erst fünfzehn Jahre alt – zehnte Klasse. Es dauert noch, bis sie ihren Führerschein bekommt.“

Keri warf Ray einen Blick zu. Sie wusste genau, was er dachte und diesmal musste sie ihm wahrscheinlich Recht geben. Doch etwas in Mia Penns Stimme ließ sie aufhorchen. Sie spürte, dass diese Frau am Rande eines Nervenzusammenbruchs stand.

Dann schaltete Ray sich ein.

„Miss Penn, hier spricht Detective Ray Sands. Bitte atmen Sie einmal tief durch. Nun, können Sie mir sagen, ob Ihre Tochter sich schon einmal verspätet hat?“

Mia Penn legte sofort los, ohne tief durchzuatmen.

„Natürlich hat sie sich schon einmal verspätet“, gab sie zu und versuchte sich die Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. „Wie ich schon sagte, sie ist fünfzehn, aber sie sagt normalerweise immer Bescheid, wenn sie aufgehalten wird. Besonders, wenn wir etwas vorhaben.“

Ray ignorierte Keris missbilligenden Blick und sprach weiter.

„Miss Penn, da ihre Tochter minderjährig ist, gelten andere Gesetze. Wir haben die Befugnis, weitere Ermittlungen durchzuführen. Aber um ganz ehrlich zu sein: ein Teenager, der sich nach der Schule zwei Stunden verspätet und nicht auf die Nachrichten seiner Mutter antwortet, wird nicht die Art von Ermittlungen auslösen, auf die Sie jetzt hoffen. Wir können nicht allzu viel für Sie tun. Am besten wäre es, wenn Sie zu uns aufs Revier kommen und eine Vermisstenanzeige aufgeben. Das kann auf jeden Fall nicht schaden. Im Gegenteil, wenn es nötig wird, können wir dann schneller handeln.“

Es dauerte ein wenig, bis Mia Penn antwortete. Ihre Stimme hatte jetzt einen anderen Tonfall.

„Wie lange muss ich denn warten, bis Sie schnell handeln, Detective?“, zischte sie. „Reichen noch zwei weitere Stunden oder muss ich warten, bis es dunkel ist? Oder muss ich vielleicht sogar bis morgen früh abwarten? Ich wette, ich müsste nur…“

Was auch immer Mia Penn jetzt sagen wollte, verkniff sie sich. Ray wollte antworten, aber Keri hielt ihre Hand hoch und warf ihm den Überlass‘-Das-Mir Blick zu.

„Miss Penn? Hier ist wieder Detective Locke. Sie sagten, Sie wohnen in den Venice Canals, richtig? Auf dem Heimweg komme ich ohnehin dort vorbei. Wenn Sie mir Ihre E-Mail Adresse geben, schicke ich Ihnen jetzt das entsprechende Formular. Sie können es direkt ausfüllen und ich hole es später bei Ihnen ab. Dann kann es sofort ins System eingegeben werden. Was halten Sie davon?“

„Das wäre großartig, Detective Locke. Vielen Dank.“

„Kein Problem. Vielleicht ist Ashley bis dahin wieder aufgetaucht, dann bekommt sie von mir einen gratis Vortrag darüber, wie wichtig es ist, mit seinen Eltern in Kontakt zu bleiben.“

Nachdem das Gespräch beendet war, bereitete Keri alles vor, um sich zuerst zu Familie Penn und dann in den Feierabend zu begeben.

Ray hatte kein Wort mehr gesagt. Sie wusste, dass er verärgert war, aber sie versuchte es zu ignorieren. Wenn sich ihre Blicke jetzt trafen, würde er ihr einen Vortrag halten, ob sie wollte oder nicht.

Doch Ray sagte seine Meinung auch ohne Blickkontakt.

„Die Canals liegen nicht auf deinem Heimweg.“

„Es ist aber kein großer Umweg“, entgegnete sie. „Dann komme ich eben erst um halb sieben zum Yachthafen. Nicht der Rede wert.“

„Es ist eben doch der Rede wert, Keri. Du bist jetzt seit einem Jahr Detective. Ich bin froh, dass du mein Partner bist und du hast wirklich gute Arbeit geleistet, auch bevor du die Marke bekommen hast. Zum Beispiel im Fall Gonzales. Ohne dich hätte ich diesen Fall nicht gelöst und ich bin schon um einiges länger dabei. Du hast einen sechsten Sinn, was di Ermittlungen angeht. Deswegen bist du immer wichtig für uns gewesen und deswegen könntest du ein wirklich außergewöhnlicher guter Detective werden.“

„Danke“, sagt sie, auch wenn sie wusste, dass gleich ein aber kam.

„Aber du hast einen ganz offensichtlichen Schwachpunkt und der wird dich noch ruinieren, wenn du ihn nicht in den Griff bekommst. Du musst das System für dich arbeiten lassen. Es hat sich bewährt. Fünfundsiebzig Prozent unserer Fälle werden sich innerhalb von zwei Tagen selbst aufklären, ohne wir du etwas dafür tun müssen. Wir müssen uns manchmal damit abfinden, gewisse Dinge abzuwarten, während wir uns auf die anderen fünfundzwanzig Prozent konzentrieren. Ansonsten machen wir uns nur selbst fertig. Wir werden immer unproduktiver, noch schlimmer – kontraproduktiv. Damit würden wir die Menschen im Stich lassen, die uns wirklich brauchen. Es gehört zu unserem Beruf, Prioritäten zu setzen.“

„Ray, ich habe doch keinen Suchtrupp organisiert. Ich möchte nur einer besorgten Mutter helfen, die nötigen Papiere einzureichen. Und es ist wirklich kein großer Umweg für mich.“

„Und…“, sagte er erwartungsvoll.

„Und etwas in ihrer Stimme hat mir gesagt, dass da noch etwas ist. Ich möchte einfach kurz persönlich mit ihr reden. Wahrscheinlich ist es nichts, dann werde ich mich direkt auf den Heimweg machen.“

Ray schüttelte den Kopf und setzte noch einmal an.

„Wie viele Stunden hast du verschwendet wegen diesem obdachlosen Jungen in Palms? Fünfzehn? Du warst sicher, dass er verschwunden war, aber am Ende war gar nichts.“

Keri zog die Schultern hoch.

„Vorsicht ist besser als Nachsicht“, murmelte sie.

„Einen Job haben ist besser als seinen Job verlieren, weil man gegen das Interesse der Abteilung handelt“, konterte er.

„Es ist nach fünf Uhr“, bemerkte sie.

„Und?“

„Das heißt, dass ich jetzt Feierabend habe. Würdest du mich bitte entschuldigen? Ich werde erwartet.“

„Mir scheint es, als hättest du nie Feierabend. Ruf Sie zurück, sag ihr, dass sie die Formulare per E-Mail schicken soll, sobald sie sie ausgefüllt hat. Sag ihr, dass sie anrufen soll, wenn sie irgendwelche Fragen hat. Und dann – geh nach Hause!“

Sie hatte so viel Geduld aufgebracht, wie sie konnte, aber für Keri war das Gespräch jetzt beendet.

„Wir sehen uns morgen, Mr. Clean“, sagt sie und drückte seinen Arm.

Als sie den Parkplatz überquerte und in ihren silbernen Toyota Prius stieg, suchte sie in Gedanken den schnellsten Weg zu den Venice Canal. Sie spürte eine Unruhe in sich, die sie nicht ganz verstehen konnte.

Sie wusste aber, dass das kein gutes Zeichen war.

KAPITEL ZWEI

Montag

Spätnachmittag

Keri lenkte ihren Prius ein bisschen zu schnell durch den zäh fließenden Verkehr nach Venice. Sie beeilte sich, weil ihr Bauchgefühl jetzt noch stärker geworden war.

Die Canals lagen nur wenige Straßen von den Touristenmagneten Boardwalk und Muscle Beach entfernt. Sie brauchte fast zehn Minuten um einen Parkplatz zu finden. Keri stieg aus dem Wagen und ließ sich zu Fuß von ihrem Handy ans Ziel navigieren.

Die Venice Canals waren nicht einfach nur ein Stadtteil. Vielmehr handelte es sich um eine Reihe von Kanälen, die im frühen 20. Jahrhundert nach venezianischem Vorbild gebaut worden waren. Sie erstreckten sich über zehn Blocks südlich des Venice Boulevards. Vereinzelt standen auch kleine, bescheidene Häuschen an den Wasserstraßen, aber die meisten waren extravagante Strandhäuser. Einige davon waren vermutlich mehrere Millionen Dollar wert.

Das Haus, vor dem Keri schließlich stehen blieb, war beeindruckend. Es war drei Stockwerke hoch und hatte elegante Stuckwände. Um zur Haustür zu gelangen, ging Keri vom Kanal aus um das Haus herum. Dabei fielen ihr mehrere Sicherheitskameras auf, die am Haus angebracht waren. Jede ihrer Bewegungen schien beobachtet zu werden.

Warum wohnen eine junge Mutter und ihre Teenage-Tochter in so einem Gebäude? Und wozu brauchen sie Überwachungskameras?

Keri drückte gegen das Eisentor und stellte überrascht fest, dass es offen war. Sie ging zur Haustür. Gerade als sie anklopfen wollte, wurde die Tür geöffnet.

Eine Frau in ausgetragenen Jeans und weißem Tank Top stand ihr gegenüber. Sie hatte dickes braunes Haar und war barfuß. Wie Keri bereits vermutet hatte, war sie um die dreißig Jahre alt. Sie war etwa so groß wie Keri, jedoch um einiges schmaler, braungebrannt und abgesehen von ihrem besorgten Gesichtsausdruck sehr attraktiv.

Keris erster Gedanke war Püppchen.

„Mia Penn?“, fragte sie.

„Ja. Kommen Sie doch bitte herein, Detective Locke. Ich habe die Formulare bereits ausgefüllt.“

Keri betrat das beeindruckende Foyer, von dem zwei Marmortreppen nach oben führten. Hier hätte man genügend Platz für ein ganzes Basketballfeld. Die Einrichtung war makellos, Kunstwerke zierten die Wände und mehrere Skulpturen standen auf hölzernen Sockeln im Raum verteilt.

Es sah aus wie in der Luxusausgabe eines Schöner Wohnen Katalogs. Ein besonders auffällig platziertes Gemälde konnte Keri als Delano identifizieren. Es war vermutlich mehr wert, als das zwanzigjährige Hausboot, auf dem sie seit einiger Zeit wohnte.

Mia Penn führte sie in ein weniger formell eingerichtetes Wohnzimmer, ließ sie Platz nehmen und bot ihr eine Flasche Wasser an. Es dauerte etwas, bis Keri einen stämmigen Mann in einem sportlichen Jackett bemerkte, der auf der anderen Seite des Raumes an der Wand lehnte. Wortlos beobachtete er Keri. Sie bemerkte eine kleine Ausbuchtung unter dem Jackett auf der rechten Hüfte.

Er ist bewaffnet. Vermutlich Security.

Mia Penn verlor keine Zeit. Sowie Keri Platz genommen hatte, redete sie los.

„Ashley reagiert immer noch nicht auf meine Anrufe. Sie war auch nicht online, seit die Schule aus ist, kein Facebook, Instagram, Twitter…“ Sie atmete langsam aus. „Danke, dass Sie gekommen sind. Ich kann gar nicht sagen, wie wichtig mir das ist.“

Keri nickte langsam, sah sich ihr Gegenüber genau an und versuchte, sich ein Bild von Mia Penn zu machen. Wie sie am Telefon vermutet hatte, schien diese Frau sich wirklich schreckliche Sorgen zu machen.

Die Sorge um ihre Tochter ist echt. Aber irgendetwas verschweigt sie mir.

„Sie sind jünger, als ich dachte“, sagte Keri schließlich.

„Ich bin dreißig. Als ich Ashley bekommen habe, war ich gerade fünfzehn.“

„Wow.“

„Das haben alle gesagt. Ich denke, weil unser Altersunterschied nicht so groß ist, hatten Ashley und ich schon immer ein besonderes Verhältnis. Manchmal weiß ich, was sie fühlt, ohne sie überhaupt ansehen zu müssen. Ich weiß, das klingt lächerlich, aber wir haben wirklich diese Verbindung. Auch wenn das für Sie kein Beweis ist, kann ich spüren, dass etwas nicht stimmt.“

„Sie müssen jetzt vor allem einen klaren Kopf bewahren“, sagte Keri.

Gemeinsam gingen sie die Einzelheiten durch.

Mia hatte Ashley zuletzt am Morgen gesehen. Alles war ganz normal. Sie hatte Joghurt, Müsli und Erdbeeren zum Frühstück und war dann gut gelaunt zur Schule gegangen.

Ashleys beste Freundin hieß Thelma Grey. Mia hatte sie angerufen, als Ashley nicht nach Hause gekommen war. Thelma hatte sie in der Geometrieklasse getroffen und sie hatte nichts Ungewöhnliches bemerkt. Gegen 2 Uhr hatte sie sie noch einmal in der Aula gesehen. Thelma hatte keine Ahnung, warum Ashley nicht nach Hause gekommen war.

Mia hatte auch mit Ashleys Freund gesprochen, einem sportlichen jungen Mann namens Denton Rivers. Er sagte, dass er Ashley in der Schule gesehen hatte, sie aber auf seine Nachrichten nach der Schule nicht mehr geantwortet hatte.

Ashley hatte keine Krankheiten, nahm keine Medikamente und litt auch sonst unter keinerlei Beeinträchtigung. Mia hatte sich gründlich in Ashleys Zimmer umgesehen, aber alles schien ganz normal zu sein.

Keri hörte aufmerksam zu und notierte sich die Namen von Ashleys Freunden, die sie später noch kontaktieren wollte.

„Mein Mann müsste jetzt auch jeden Augenblick nach Hause kommen. Er möchte auch mit Ihnen sprechen.“

Keri blickte auf. Mias Tonfall hatte sich plötzlich geändert. Sie klang jetzt vorsichtiger.

Was auch immer sie verbergen will, es hat mit ihm zu tun.

„Wie heißt Ihr Mann?“, fragte sie beiläufig.

„Er heißt Stafford.“

„Moment, Ihr Mann ist Stafford Penn? Senator Stafford Penn?“

„Genau der.“

„Diese Information ist sehr wichtig, Miss Penn. Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“

„Weil Stafford das nicht wollte.“

„Warum wollte er es nicht?“

„Das möchte er Ihnen gerne selbst erklären.“

„Wann erwarten Sie ihn?“

„In spätestens zehn Minuten.“

Keri sah sie lange an und überlegte, ob sie mehr Druck machen sollte. Vorerst entschied sie sich jedoch dagegen.

„Haben Sie vielleicht ein Foto von Ashley?“

Mia reichte Keri ihr Handy. Darauf war eine junge Frau in einem Sommerkleid zu sehen. Sie hätte Mias jüngere Schwester sein können. Sie sahen sich unglaublich ähnlich, nur dass Ashley blond war, vielleicht ein bisschen größer und noch sportlicher als ihre Mutter. Das Kleid zeigte ihre sportlichen Beine und ihre starken Schultern. Keri vermutete, dass Ashley regelmäßig surfen ging.

„Ist es nicht möglich, dass Ashley den Termin nur vergessen hat und jetzt mit ihrem Surfboard im Meer herumschwimmt?“, fragte Keri.

Mia lächelte zum ersten Mal, seit Keri sie getroffen hat.

„Ich bin beeindruckt, Detective. Das haben sie an nur einem Foto gesehen? Ashley surft am liebsten morgens – bessere Wellen und weniger Leute. Ich habe in der Garage nachgesehen, ihr Surfboard ist an seinem Platz.“

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