Agent Null - Джек Марс 10 стр.


„Nein“, sagte die Baritonstimme langsam. „Nein, du täuschst dich. Dummer Yuri. Das hier ist nicht der CIA Mann. Wenn es so wäre, würdest du nicht hier stehen!“

„Es sei denn, er ist hierhergekommen, um dich zu finden!“, konterte Yuri.

Ein paar Finger griffen nach der Augenbinde und rissen sie ab. Reid blinzelte in die plötzliche Helligkeit der Neonröhren an der Decke. Er blickte in das Gesicht eines Mannes Mitte Fünfzig mit graumelierten Haaren, einem kurzgeschorenen Vollbart und wachsamen, scharfsichtigen Augen. Der Mann, der vermutlich Otets zwar, trug einen anthrazitfarbenen Anzug und die obersten zwei Knöpfe seines Hemdes waren offen. Graue lockige Brusthaare zeigten sich darunter. Sie standen in einem Büro, dessen Wände dunkelrot gestrichen und mit kitschigen Malereien verziert waren.

„Sie“, sagte der Mann in gebrochenem Englisch, „wer sind Sie?“

Reid atmete tief durch und widerstand dem Drang, dem Mann einfach zu sagen, dass er es selbst nicht mehr wusste. Stattdessen sagte er mit zitternder Stimme: „Ich heiße Ben. Ich bin ein Bote. Ich arbeite mit den Iranern zusammen.“

Yuri, der hinter Otets kniete, sprang plötzlich auf die Füße. „Er lügt!“, kreischte der Serbe. „Ich weiß, dass er lügt! Er sagt, dass die Iraner ihn geschickt haben, aber die würden niemals einem Amerikaner vertrauen!“, grinste Yuri heimtückisch. Ein bisschen Blut lief aus der Ecke seines Mundes heraus, wo Otets ihn geschlagen hatte. „Aber ich weiß noch mehr. Sehen Sie, ich habe Sie nach Amad gefragt.“ Er schüttelte seinen Kopf, als er seine Zähne zeigte. „Es gibt keinen Amad unter ihnen.“

Es erschien Reid seltsam, dass diese Männer die Iraner offensichtlich kannten, aber nicht diejenigen, mit denen sie arbeiteten oder die sie schicken würden. Sie waren mit Sicherheit irgendwie verbunden, aber was diese Verbindung sein könnte, wusste er nicht.

Otets fluchte leise auf Russisch vor sich hin. Dann sagte er auf Englisch: „Sie sagten Yuri, Sie seien ein Bote. Yuri sagt mir, Sie sind der CIA Mann. Was soll ich nun glauben? Sie sehen auf jeden Fall nicht so aus, wie ich mir Null vorgestellt hätte. Aber mein dummer Botenjunge sagt eine Wahrheit: die Iraner verachten Amerikaner. Es sieht nicht gut für Sie aus. Sagen Sie mir die Wahrheit oder ich werde Ihnen in die Kniescheibe schießen.“ Er richtete seine schwere Pistole auf ihn – eine TIG Series Desert Eagle.

Reid hielt für einen Moment die Luft an. Dies war eine sehr große Waffe.

Gib nach, drängte ihn die Stimme.

Er war sich nicht sicher, wie er das tun sollte. Er war sich auch nicht sicher, was passieren würde, wenn er es tat. Das letzte Mal als seine neuen Instinkte das Ruder übernommen hatten, waren vier Männer gestorben und er hatte ganz buchstäblich ihr Blut an seinen Händen gehabt. Aber es gab hier für ihn – das heißt für Professor Reid Lawson – keinen Ausweg. Aber Kent Steele, wer auch immer das war, könnte vielleicht einen Weg finden. Vielleicht wusste er nicht genau, wer er war, aber das wäre auch nicht sehr wichtig, wenn er nicht lange genug überlebte, um es herauszufinden.

Reid schloss seine Augen. Er nickte einmal, eine stille Zustimmung, die er der Stimme in seinem Kopf gab. Seine Schultern wurden locker und seine Finger hörten auf zu zittern.

„Ich warte“, sagte Otets schlicht.

„Sie würden damit nicht auf mich schießen wollen“, sagte Reid. Er war überrascht seine eigene Stimme so ruhig und gleichförmig zu hören. „Ein direkter Schuss aus dieser Waffe würde nicht nur mein Knie verwunden. Er würde mein Bein durchtrennen und ich würde innerhalb von Sekunden auf dem Boden dieses Büros verbluten.“

Otets zuckte eine Schulter. „Was sagen die Amerikaner so gerne? Man kann kein Omelett ohne …“

„Ich habe die Informationen, die Sie brauchen“, unterbrach Reid ihn. „Den Aufenthaltsort des Scheichs. Was er mir erzählt hat. Wem ich es erzählt habe. Ich weiß alles über Ihre Verschwörung und ich bin nicht der Einzige.“

Otets Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. „Agent Null.“

„Das habe ich doch gesagt!“, sagte Yuri. „Das habe ich gut gemacht, stimmt’s?“

„Halt die Klappe“, bellte Otets. Yuri sackte wie ein geschlagener Hund in sich zusammen. „Bringt ihn nach unten und kriegt alles raus, was er weiß. Fangt damit an, die Finger abzuschneiden. Ich möchte keine Zeit verschwenden.“

An jedem gewöhnlichen Tag hätte die Drohung, dass seine Finger abgeschnitten werden könnten, einen Schock der Angst in Reid ausgelöst. Seine Muskeln spannten sich für einen Moment, die kleinen Nackenhaare stellten sich auf – aber sein neuer Instinkt kämpfte dagegen an und zwang ihn, sich zu entspannen. Warte, sagte die Stimme. Warte auf eine Gelegenheit ...

Der glatzköpfige Schlägertyp nickte kurz und griff wieder nach Reids Arm.

„Idiot!“, maulte Otets. „Fessele ihn zuerst! Yuri, geh zum Aktenschrank. Darin sollte etwas sein.“

Yuri eilte zu dem Schrank aus Eichenholz, der in der Ecke stand und wühlte darin, bis er ein aufgewickeltes Bündel Schnur daran fand. „Hier“, sagte er und warf es dem kahlköpfigen Brutalo zu.

Instinktiv blickten alle Augen zu dem Bündel Schnur, das sich in der Luft drehte – die der beiden Schläger, Yuris und Otets. Aber nicht Reids. Er hatte eine Gelegenheit und nutzte sie.

Er beugte seine linke Hand und schlug sie in einem spitzen Winkel nach oben, wobei er die Luftröhre des glatzköpfigen Mannes mit der Außenkante seiner Handfläche traf. Er fühlte die Kehle unter seiner Hand nachgeben. Nachdem der erste Schlag gelandet war, schleuderte er seinen linken Stiefelabsatz nach hinten und traf den bärtigen Schlägertypen an der Hüfte – an der gleichen Hüftseite, die der Mann auf der Fahrt nach Belgien bevorzugt hatte.

Ein nasses, gewürgtes Keuchen entwich den Lippen des kahlköpfigen Mannes, als seine Hände an seinen Hals flogen. Der bärtige Brutalo grunzte, als sich sein riesiger Körper drehte und zusammenbrach.

Runter!

Die Schnur landete auf dem Fußboden. Genau wie Reid. In einer fließenden Bewegung ging er in die Hocke und riss die Glock aus dem Knöchelholster des kahlköpfigen Mannes. Ohne aufzusehen, sprang er vorwärts und machte eine Rolle.

Sobald er aufsprang, ertönte ein unglaublich lauter donnernder Knall durch das kleine Büro. Der Schuss aus der Desert Eagle hinterließ eine beeindruckende Delle in der Stahltür des Büros.

Reids Rolle stoppte nur wenige Meter von Otets entfernt und er warf sich vorwärts auf ihn. Bevor sich Otets zum Zielen drehen konnte, griff Reid von unten nach seiner Waffe – greife niemals nach der oberen Seite, das ist der schnellste Weg einen Finger zu verlieren – und drückte sie hoch und weg. Die Waffe feuerte einen weiteren Schuss, ein durchdringender Knall, nur ein paar Zentimeter von Reids Kopf entfernt. Es pfiff in seinen Ohren, aber er ignorierte es. Er drehte die Waffe seitlich nach unten, wobei er den Lauf von sich weg schob und sie näher an seine Hüfte zog – mit Otets Hand noch immer daran. Der ältere Mann warf seinen Kopf zurück und schrie als der Finger brach, den er noch immer am Abzug hatte. Reid wurde von dem Geräusch fast schlecht, als die Desert Eagle zu Boden fiel.

Er wirbelte herum und schlang einen Arm um Otets Hals, um ihn als Schild zu benutzen, als er auf die beiden Schlägertypen zielte. Der Glatzkopf war außer Gefecht und rang verzweifelt durch seine zerstörte Luftröhre nach Luft, doch der bärtige Mann hatte seine TEC-9 aus dem Riemen gezogen. Ohne zu zögern, feuerte Reid in schneller Folge drei Schüsse ab, zwei in die Brust und einen in die Stirn. Ein vierter Schuss erlöste den Glatzkopf von seinem Elend.

Reids Gewissen schrie ihn aus seinem Hinterkopf an. Du hast gerade zwei Männer getötet. Noch zwei weitere Männer. Aber sein neues Bewusstsein war stärker und schob die Übelkeit und den Drang nach Selbstschutz in den Hintergrund.

Du kannst später in Panik geraten. Im Moment bist du noch nicht fertig hier.

Reid wirbelte wieder herum, mit Otets vor ihm, als würden sie tanzen und richtete er die Glock nun auf Yuri. Der unglückselige Bote hatte Schwierigkeiten, seine Sig Sauer aus seinem Schultergurt herauszuziehen.

„Stopp“, befahl Reid. Yuri erstarrte.

„Hände hoch.“ Der serbische Bote hob langsam die Hände. Seine Handflächen zeigten nach außen. Er grinste breit.

„Kent“, sagte er auf Englisch, „wir sind doch sehr gute Freunde, nicht wahr?“

„Nehmen Sie meine Beretta aus Ihrer linken Jackentasche und legen Sie sie auf den Boden“, wies Reid ihn an.

Yuri leckte das Blut aus seinem Mundwinkel und wackelte mit den Fingern seiner linken Hand. Langsam griff er in die Tasche und zog die kleine schwarze Pistole heraus. Aber er legte sie nicht auf den Boden. Stattdessen hielt er sie, mit dem Lauf nach unten gerichtet.

„Wissen Sie“, sagte er, „es scheint so, dass, wenn Sie Informationen haben möchten, Sie mindesten einen von uns lebendig brauchen. Ja?“

„Yuri!“, knurrte Otets. „Tu, was er sagt an!“

„Auf den Boden“, wiederholte Reid. Er wandte seinen Blick nicht von Yuri ab, war jedoch besorgt, das andere Leute in der Anlage den Knall der Desert Eagle gehört haben könnten. Er wusste nicht, wie viele Leute dort unten waren, aber das Büro war schallisoliert und es liefen überall Maschinen. Es war möglich, dass niemand etwas gehört hatte – oder sie waren vielleicht an den Klang gewöhnt und dachten nicht weiter darüber nach.

„Vielleicht“, sagte Yuri, „nehme ich diese Waffe und erschieße Otets. Dann brauchen Sie mich.“

„Yuri, nyet!“, heulte Otets dieses Mal mehr erstaunt als wütend.

„Sehen Sie, Kent“, sagte Yuri, „dies ist nicht La Cosa Nostra. Es ist mehr wie, ähm … ein verstimmter Angestellter. Sehen Sie, wie er mich behandelt. Also vielleicht sollte ich ihn erschießen und Sie und ich finden dann eine Lösung …“

Otets biss die Zähne zusammen und zischte eine Reihe von Flüchen, aber der Bote grinste nur noch breiter.

Reid wurde langsam ungeduldig. „Yuri, wenn Sie die Waffe nicht hinlegen, bin ich gezwungen –“

Yuris Arm bewegte sich leicht mit dem geringsten Anzeichen nach oben zu gehen. Reids Instinkt reagierte blitzschnell. Ohne nachzudenken zielte und feuerte er, einen einzigen Schuss. Es passierte so schnell, dass der Knall der Pistole ihn erschrak.

Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Reid, er hätte ihn nicht getroffen. Dann rann dunkles Blut aus einem Loch in Yuris Hals. Er fiel auf seine Knie und versuchte schwach mit einer Hand den Blutstrom zu stoppen, aber dafür war es bereits viel zu spät.

Es kann bis zu zwei Minuten dauern, aus einer durchtrennten Halsschlagader zu verbluten. Er wollte wirklich nicht wissen, woher er das wusste. Aber es dauerte nur sieben bis zehn Sekunden, um von dem Blutverlust das Bewusstsein zu verlieren.

Yuri sackte nach vorn. Reid drehte sich sofort in die Richtung der Stahltür und zielte mit der Glock auf ihre Mitte. Er wartete. Sein eigener Atem war ruhig und gleichmäßig. Er war nicht einmal ins Schwitzen geraten. Otets atmete kurze, keuchende Atemzüge und hielt seinen gebrochenen Finger mit seiner unverletzten Hand fest.

Es kam niemand.

Ich habe gerade drei Männer erschossen.

Dafür ist jetzt keine Zeit. Verschwinde, so schnell du kannst.

„Bleiben Sie auf der Stelle“, knurrte Reid Otets an, als er ihn langsam losließ. Er gab der Desert Eagle einen Tritt, sodass sie in die Ecke flog. Sie landete unter dem Aktenschrank. Er hatte keine Verwendung für eine Waffe wie diese. Er ließ auch die automatischen TEC-9 Pistolen zurück, die den Schlägertypen gehört hatten; sie waren ziemlich ungenau, nur dafür geeignet, möglichst viele Kugeln in einem breiten Bereich zu feuern. Stattdessen schob er Yuris Körper mit dem Fuß zur Seite und griff sich die Beretta. Er behielt außerdem die Glock und steckte je eine Pistole und seine Hände in seine Jackentaschen.

„Wir werden von hier verschwinden“, sagte Reid zu Otets, „Sie und ich. Sie gehen zuerst und werden so tun, als wäre alles in Ordnung. Sie gehen mit mir nach draußen und führen mich zu einem anständigen Auto. Denn die hier?“ Er deutete auf seine Hände, die jeweils in einer Tasche steckten und eine Pistole umschlungen hielten. „Diese beiden hier werden auf Ihre Wirbelsäule gerichtet sein. Machen Sie einen einzigen Fehltritt oder sagen Sie ein falsches Wort und ich werde eine Kugel zwischen Ihren L2- und L3-Wirbeln vergraben. Wenn Sie das Glück haben, es zu überleben, werden Sie für den Rest Ihres Lebens gelähmt sein. Verstanden?“

Otets funkelte ihn an, aber er war klug genug, einfach zu nicken.

„Gut. Dann gehen Sie vor.“

Der russische Mann blieb an der Stahltür des Büros kurz stehen. „Sie werden hier nicht lebend herauskommen“, sagte er auf Englisch.

„Sie sollten es besser hoffen“, knurrte Reid, „weil ich sonst dafür sorgen werde, dass Sie es auch nicht tun.“

Otets öffnete die Tür und trat auf die Treppe hinaus. Sofort konnte man wieder Maschinengeräusche hören. Reid folgte ihm aus dem Büro auf die kleine Stahlplattform. Er blickte nach unten über das Geländer auf den Bereich darunter. Seine Gedanken – Kents Gedanken? – waren korrekt gewesen; dort waren zwei Männer, die an einer hydraulischen Presse arbeiteten. Ein weiterer Mann an einer Schlagbohrmaschine. Noch einer stand an einem kurzen Förderband und inspizierte elektronische Komponenten, die langsam auf eine Stahlfläche am Ende rollten. Zwei weitere Männer mit Schutzbrille und Latexhandschuhen saßen an einem Melamintisch und maßen sorgfältig irgendwelche Chemikalien ab. Seltsamerweise, wie er bemerkte, handelte es sich um eine Mischung aus Nationalitäten – drei waren dunkelhaarig und weiß, wahrscheinlich russisch, aber zwei kamen definitiv aus dem Nahen Osten. Der Mann an der Bohrmaschine war Afrikaner.

Der mandelähnliche Duft des Dinitrotoluols kam ihm entgegen. Sie stellten Sprengstoff her, wie er bereits vorher am Geruch und an den Geräuschen erkannt hatte.

Insgesamt waren sie sechs. Wahrscheinlich bewaffnet. Keiner von ihnen blickte auch nur zu dem Büro hinauf. Sie würden hier drinnen nicht schießen – nicht wenn Otets hier draußen war und diese flüchtigen Chemikalien in der Luft lagen.

Aber ich kann es auch nicht, dachte Reid.

„Beeindruckend, nicht wahr?“, sagte Otets mit einem Grinsen. Er hatte bemerkt, wie Reid die Halle inspizierte.

„Bewegen Sie sich“, befahl er.

Otets ging los, sein Tritt war auf der ersten Metallstufe zu hören. „Wissen Sie“, sagte er beiläufig, „Yuri hatte recht.“

Geh hinaus. Geh zum Geländewagen. Zertrümmere das Tor. Und fahre, so schnell du kannst.

„Sie brauchen einen von uns.“

Fahre wieder auf die Autobahn. Finde eine Polizeistation. Beziehe Interpol mit ein.

„Und der arme Yuri ist tot …“

Übergib ihnen Otets. Zwinge ihn zum Reden. Wasche deinen Namen von den Morden an den sieben Männern rein.

„Es kommt mir also so vor, dass Sie mich nicht töten können.“

Ich habe sieben Männer ermordet.

Aber es war Selbstverteidigung.

Otets erreichte die untere Stufe und Reid war direkt hinter ihm mit beiden Händen in seinen Jackentaschen. Seine Handflächen waren verschwitzt, eine jede hielt eine Pistole. Der Russe blieb stehen und blickte leicht über seine Schulter, ohne Reid jedoch direkt anzusehen. „Die Iraner. Sind sie tot?“

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