Die Herrschaft Der Königinnen - Морган Райс 7 стр.


Aksan sah sie mit seinem eingefallenen pockennarbigen Gesicht an, seine Hörner schauten zwischen seinen dicken, lockigen Haaren hervor.

Er reichte Volusia das goldene Zeremonienschwert mit der zwei Meter langen Klinge, und sie hielt den Griff mit beiden Händen fest. Eine gebannte Stille legte sich über die Menge als sie es hochhob, herumfuhr, und es mit aller Kraft auf den Nacken des Stiers heruntersausen ließ.

Die Klinge, die nicht schärfer hätte sein können, so dünn wie Papier, schnitt durch den Stier als wäre es Butter, und Volusia strahlte über das ganze Gesicht als sie den befriedigenden Klang des Schwertes hörte, das durch das Fleisch schnitt, fühlte, wie es den Hals des Tiers durchtrennte, und spürte, wie ihr das heiße Blut ins Gesicht spritzte. Es spritzte überall hin, eine riesige Pfütze breitete sich über ihren Füssen aus, und der Stier fiel am Fuß der verhüllten Statue tot zu Boden. Das Blut spritzte über die weiße Seide und den goldenen Sockel, und ihre Untertanen jubelten.

„Ein großes Omen, Mylady“, sagt Aksan, der sich zu ihr vorbeugte.

Die Zeremonien hatten begonnen. Um sie herum erschallten die Trompeten und hunderte von Tieren wurden herbeigebracht. Ihre Offiziere begannen, eines nach dem anderen zu schlachten sich an Weibern, Essen und Wein zu laben – und dann würden sie es am nächsten Tag wieder tun, und auch am nächsten. Volusia war mitten unter ihnen, nahm sich selbst ein paar Männer und Wein, um anschließend ihre Hälse aufzuschlitzen und sie ihren Göttern zu opfern. Sie hatte sich lang auf dieses brutale Fest gefreut.

Doch zuerst musste sie eine letzte Sache tun.

Die Menge verstummte, als Volusia auf den Sockel ihrer Statue kletterte, und sich ihren Untertanen zuwandte. Neben ihr stand Koolian, ein anderer vertrauter Ratgeber, ein finsterer Zauberer, gekleidet in einen schwarzen Mantel mit Kapuze, mit grünen Augen und einem Gesicht voller Warzen; er war die Kreatur, der ihr bei der Ermordung ihrer Mutter geholfen hatte. Koolian war es gewesen, der ihr geraten hatte, diese Statue von sich errichten zu lassen.

Die Menschen starrten sie an. Es war so still, dass man eine Nadel fallen hören konnte. Sie wartete, genoss den dramatischen Moment.

„Menschen von Volusia“, rief sie. „Ich übergebe euch die Statue eures neusten und höchsten Gottes!“

Mit ausladender Geste zog Volusia an der Seide, begleitet vom Keuchen der Menge.

„Eure neue Göttin, die fünfzehnte Göttin, Volusia!“, rief Koolian.

Die Menschen standen sprachlos da und starrten ehrfürchtig in die Höhe. Volusia blickte zur glänzenden goldenen Statue auf, die doppelt so groß wie die anderen, und ein perfektes Abbild ihrer selbst war. Sie wartete gebannt, wie ihre Untertanen reagieren würden. Es war Jahrhunderte her gewesen, dass jemand zuletzt eine neue Gottheit eingeführt hatte, und sie wettete darauf, dass ihre Liebe zu ihr so stark war wie sie sein sollte. Sie wollte nicht nur, dass sie sie liebte, sie wollte, dass sie sie anbeteten.

Zu ihrer großen Zufriedenheit verneigten sich ihre Untertanen und beteten ihre Statue an.

„Volusia“, sangen sie immer wieder. „Volusia, Volusia.“

Volusia stand mit ausgestreckten Armen da, atmete tief durch, und nahm alle sin sich auf. Es war genug Anbetung, um jeden Menschen zu befriedigen. Jeden Herrscher. Jeden Gott.

Doch ihr reichte es noch nicht.

*

Volusia ging durch den weiten Eingang ihres Schlosses, vorbei an dreißig Meter hohen, marmornen Säulen. Die Gänge so weit das Auge reichte gespickt mit Wachen, Empire-Kriegern, die in perfekter Haltung goldene Speere trugen. Sie ging langsam, begleitet von Koolian, dem Zauberer, zu ihrer Rechten, und Aksan, ihrem Assassinen, zu ihrer Linken. Neben ihm lief Soku, der Kommandant ihrer Armee.

„Mylady, wenn ich kurz mit Euch sprechen dürfte?“, bat Soku. Er hatte den ganzen Tag schon versucht, mit ihr zu reden, doch sie hatte ihn ignoriert. Seine Ängste interessierten sie nicht, genauso wenige wie sein unerträglicher Realismus. Sie hatte ihre eigene Realität, und sie würde sich ihm zuwenden, wenn es ihr passte.

Volusia ging weiter, bis sie zum Eingang eines weiteren Flurs kamen, der mit einem Vorhang aus Smaragdperlensträngen verschlossen war. Die Wachen beeilten sich, ihn beiseite zu schieben, damit sie hindurchgehen konnte.

Als sie hindurchging, verklang der Gesang, der Jubel und die Feierlichkeiten der heiligen Zeremonien vor dem Schloss. Sie hatte einen langen Tag des Schlachtens, Trinkens und Feierns hinter sich, und Volusia wollte Zeit, um sich zu sammeln. Sie würde sich ausruhen, um dann für eine weitere Runde zurückzukehren.

Volusia betrat den stillen Raum, der nur von wenigen Fackeln erleuchtet wurden. Das, was den Raum am meisten erhellte, war ein Schaft aus grünem Licht, der durch ein Rundfenster hoch oben in der Mitte der dreißig Meter hohen Decke auf ein einziges Objekt herunterschien, das in der Mitte des Raumes stand.

Der Smaragdspeer.

Volusia ging ehrfürchtig darauf zu. Er stand schon seit Jahrhunderten unverändert da, und wies direkt auf das Licht. Mit seinem Schaft aus Smaragden und der aus einem einzigen Smaragd geschliffenen Spitze, blitzte er im Licht und wies direkt zum Himmel hinauf, als ob er die Götter herausfordern wollte. Er war schon immer ein heiliges Objekt für ihr Volk gewesen, sie glaubten, dass er die Stadt am Leben hielt. Sie stand ehrfürchtig davor und beobachtete, wie der Staub im Licht umhertrieb.

„Mylady“, Sokus leise Stimme hallte durch die Stille. „Darf ich sprechen?“

Volusia stand eine lange Zeit mit dem Rücken zu ihm und betrachtete den Speer, bewunderte die Handwerkskunst so wie sie es jeden Tag ihres Lebens getan hatte, bis sie schließlich bereit war, die Worte ihres Ratgebers zu hören.

„Du darfst sprechen.“

„Mylady“, sagte er. „Ihr habt den Herrscher des Empire getötet. Sicherlich hat sich die Nachricht schon verbreitet. Bald werden ganze Armeen auf Volusia zu marschieren. Riesige Armeen, viel zu stark, als dass wir sie abwehren könnten. Wir müssen uns vorbereiten. Was ist Eure Strategie?“

„Strategie?“, echote Volusia gereizt. Sie sah ihn noch immer nicht an.

„Wie wollt Ihr einen Frieden aushandeln?“, wollte er wissen. „Wie werdet Ihr Euch ergeben?“

Sie drehte sich um und sah ihn mit kalten Augen an.

„Es wird keinen Frieden geben“, sagte sie, „Bis ich ihre Kapitulation akzeptiert habe und sie mir den Treueeid geschworen haben.“

Er sah sie an. In seinem Gesicht stand nackte Angst.

„Aber Mylady, sie haben hundert Mal so viele Männer wie wir“, sagte er. „Wir können uns nicht gegen sie durchsetzen.“

Sie wandte sich wieder dem Speer zu, und er trat verzweifelt näher.

„Meine Kaiserin“, insistierte er. „Ich habt einen bemerkenswerten Sieg errungen, als Ihr Euch den Thron Eurer Mutter genommen habt. Sie war beim Volk lange nicht so beliebt wie Ihr es seid. Sie beten Euch an. Niemand wird es wagen, offen mit Euch zu sprechen. Darum muss ich es tun. Ihr umgebt Euch mit Menschen, die Euch genau das sagen, was Ihr hören wollt; Menschen, die Euch fürchten. Doch ich muss Euch die Wahrheit sagen, Euch die Realität zeigen. Das Empire wird uns einkesseln. Wir werden vernichtet werden. Von uns und unserer glorreichen Stadt wird nichts mehr übrig sein. Ihr müsst etwas tun. Ihr müsst einen Waffenstillstand aushandeln. Zahlt, welchen Preis auch immer sie verlangen, bevor sie uns alle töten.“

Volusia studierte lächelnd den Speer.

„Weißt du, was sie über meine Mutter gesagt haben?“, fragte sie.

Soku starrte sie ausdruckslos an und schüttelte den Kopf.

„Sie haben gesagt, dass sie die Auserwählte war. Sie haben gesagt, dass sie nie besiegt werden würde. Sie haben gesagt, dass sie niemals sterben würde. Weißt du auch warum? Weil in den vergangenen sechs Jahrhunderten niemand diesen Speer hier geführt hat. Und dann kam sie, und führte ihn mit einer Hand. Sie nutzte ihn, um ihren Vater zu töten, und sich seinen Thron zu nehmen.“

Volusia wandte sich ihm mit glühenden Augen zu.

„Sie sagten, dass dieser Speer nur einmal benutzt werden kann. Von der Auserwählten. Sie sagten, dass meine Mutter ewig leben würde, dass der Thorn von Volusia auf ewig ihr gehören würde. Und weißt du, was passiert ist? Ich selbst habe den Speer benutzt, um meine Mutter damit zu töten.“

Sie holte tief Luft.

„Was sagt dir das, Kommandant?“

Er sah sie verwirrt an und schüttelte den Kopf.

„Wir können entweder im Schatten der Legenden anderer leben“, sagte sie, „oder wir können unsere eigenen erschaffen.“

Sie sah ihn böse an und lehnte sich vor, um in sein Ohr sprechen zu können.

„Wenn ich das Empire zerstört habe“, sagte sie, „wenn jeder in diesem Universum vor mir auf die Knie geht, wenn es nicht einen Menschen mehr gibt, der beim Klang meines Namens schreit und weint, dann wirst du wissen, dass ich die einzige wahre Herrscherin bin – und das ich die einzige und wahre Göttin bin. Ich bin die Auserwählte, weil ich mich selbst auserwählt habe!“

KAPITEL ZEHN

Gwendolyn ging durch das Dorf, begleite von ihren Brüdern Kendrick und Godfrey sowie Sandara, Aberthol, Brandt und Atme, Hunderte ihrer Leute folgten ihr, als sie alle herzlich willkommen geheißen wurden. Bokbu, der Häuptling des Dorfes, führte sie, und Gwendolyn ging dankbar neben ihm her, als er ihr das Dorf zeigte. Seine Leute hatten sie aufgenommen, hatten ihnen Zuflucht gewährt, und der Häuptling war dabei kein geringes Risiko eingegangen, indem er gegen den Willen einiger der Dorfbewohner entschieden hatte. Er hatte sie alle gerettet, hatte sie alle von der Schwelle des Todes geholt. Gwendolyn wusste nicht, was sie sonst getan hätten. Sie wären wahrscheinlich auf dem Meer gestorben.

Gwendolyn fühlte auch eine überwältigende Dankbarkeit Sandara gegenüber, die für sie ein gutes Wort bei ihrem Volk eingelegt hatte, und die die Weisheit besessen hatte, sie hierher zu bringen. Gwendolyn sah sich um, beobachtete die Dorfbewohner, die sie umschwärmten und ansahen, als wären sie Kuriositäten, und sie fühlte sich wie ein Tier, das von allen angestarrt wurde. Gwendolyn sah die kleinen gemütlichen Lehmhäuser und die stolzen Menschen, die darin lebten. Es waren stolze Krieger mit gütigen Augen. Offenbar hatten sie noch nie zuvor Menschen wie Gwendolyn und ihre Leute gesehen. Doch auch wenn sie neugierig waren, waren sie vorsichtig, und Gwendolyn konnte es ihnen nicht verdenken. Ein Leben in Sklaverei hatte sie Vorsicht gelehrt.

Gwendolyn bemerkte die Lagerfeuer, die überall errichtet worden waren.

„Wofür sind all die Feuer?“, fragte sie.

„Ihr seid an einem verheißungsvollen Tag gekommen“, sagte Bokbu. „Es ist unser Fest der Toten. Eine heilige Nacht, die nur einmal im Sonnenkreis vorkommt. Wir entzünden Feuer um die Götter und die Toten zu ehren, und man sagt, dass in dieser Nacht die Götter zu uns sprechen, und uns wissen lassen, was die Zukunft bringt.“

„Es wird auch gesagt, dass an diesem Tag unser Retter zu uns kommen wird“, sagte eine Stimme.

Gwendolyn sah sich um, und sah einen alten Mann um die Siebzig, der neben ihnen herlief. Er trug einen langen, gelben Stab und eine gelbe Robe.

„Darf ich dir Kalo vorstellen“, sagte Bokbu, „unser Orakel.“

Gwendolyn nickte, und er nickte ausdruckslos zurück.

„Euer Dorf ist schön“, bemerkte Gwendolyn. „Ich kann eure Liebe zur Familie sehen.“

Der Häuptling lächelte.

„Du bist jung für eine Königin, doch du bist weise und gütig. Es ist wahr, was man von euch sagt, die ihr von der anderen Seite des Meers kommt. Ich wünschte mir, dass du und deine Leute hier bei uns in unserem Dorf bleiben könntet; doch du musst verstehen, dass wir euch vor den Augen des Empire verstecken müssen. Ihr werdet ganz in der Nähe bleiben, und dort wird eure neue Heimat sein.“

Gwendolyn folgte seinem Blick zu einem fernen Berg, der voller Löcher zu sein schien.

„Die Höhle“, sagte er. „Dort werdet ihr sicher sein. Das Empire wird dort nicht nach euch suchen, und ihr könnt dort Feuer machen und euer Essen kochen und euch er erholen, bis es euch wieder gut geht.“

„Und dann?“, fragte Kendrick, der sich zu ihnen gesellte.

Bokbu sah ihn an doch bevor er antworten konnte, blieb er stehen, als plötzlich vor ihm ein großer, muskulöser Dorfbewohner mit einem Speer erschien, flankiert von einem Dutzend weiterer Männer. Es war der Krieger vom Schiff, der schon bei ihrer Ankunft protestiert hatte – und er sah alles andere als freundlich aus.

„Du bringst all unsere Leute in Gefahr, indem du den fremden erlaubst, hierher zu kommen“, knurrte er finster. „Du musst sie dorthin zurückschicken, wo sie hergekommen sind. Es ist nicht unsere Aufgabe jeden aufzunehmen, den die Strömung hier anspült.“

Bokbu schüttelte den Kopf und sah ihn an.

„Deine Vorväter schämen sich für dich“, sagte er. „Die Gesetze der Gastfreundschaft gelten für alle.“

„Und ist es die Aufgabe eines Sklaven, jemandem seine Gastfreundschaft anzubieten?“, gab er zurück. „Wenn wir nicht einmal für uns selbst einstehen können?“

„Wie man uns behandelt hat keinen Einfluss darauf wie wir andere behandeln“, erklärte der Häuptling. „Wir werden die, die uns brauchen, nicht davonschicken.“

Der Dorfbewohner warf Gwendolyn, Kendrick und den anderen einen bösen Blick zu, dann wandte er sich wieder Bokbu zu.

„Wir wollen sie nicht hier“, zischte er. „Die Höhlen sind nicht weit genug weg, und jeden Tag den sie dort sind, kommen wir dem Tod ein Stück näher.“

„Was nutzt uns das Leben, wenn wir nicht das Richtige tun?“, fragte der Häuptling.

Der Mann starrte ihn lange an, bis er schließlich auf dem Absatz kehrt machte und davon stürmte, dicht gefolgt von seinen Männern.

Gwendolyn sah ihnen nach.

„Vergiss ihn einfach“, sagte der Häuptling zu Gwendolyn während sie weitegingen.

„Ich möchte euch nicht zur Last fallen“, sagte sie. „Wir können gehen.“

Doch Bokbu schüttelte den Kopf.

„Ihr werdet uns nicht verlassen“, sagte er. „Nicht solange ihr euch nicht erholt habt und bereit dazu seid. Es gibt andere Orte im Empire an die ihr gehen könnt, wenn ihr das möchtet, Orte die auch gut versteckt sind. Doch sie sind weit weg von hier, und die Reise dorthin ist gefährlich. Ihr müsst euch zuerst erholen, dann könnt ihr entscheiden, ob ihr gehen oder bleiben wollt. Ich bestehe darauf. Für heute Nacht möchte ich euch einladen, bei uns im Dorf zu bleiben und an unseren Feierlichkeiten teilzunehmen. Die Nacht bricht bereits herein – das Empire wird euch nicht sehen – und dies ist ein wichtiger Tag für uns. Es wäre mir eine Ehre, euch zu Gast zu haben.“

Gwendolyn bemerkte, dass es schnell dunkel wurde. Die Lagerfeuer wurden entfacht, und die Dorfbewohner sammelten sich darum herum. Gwendolyn hörte, wie Trommeln leise und rhythmisch zu schlagen, dann setzte leiser Gesang ein. Sie sah die Kinder des Dorfes umherrennen, und kleine Leckereien naschen, die aussahen wie die Süßigkeiten, die sie aus King’s Court kannte. Sie sah die Männer, die Schalen aus Kokosnüssen mit einem Getränk darin herumreichten, und sie roch das Fleisch der großen Tiere, die über den Feuern gegrillt wurden.

Gwendolyn gefiel der Gedanke, dass ihre Leute eine Gelegenheit bekommen sollten, sich bei einem guten Mahl zu erholen und zu stärken, bevor sie in die abgelegenen Höhlen aufstiegen.

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