Die Herrschaft Der Königinnen - Морган Райс 6 стр.


Stunden später, als die letzten Sonnenstrahlen des Tages durch die Wolken blitzten, sah Thor etwas am Horizont. Erst war er sich sicher, dass es eine Illusion war; doch als die Strömung stärker wurde, wurde die Form deutlicher. Es war real.

Thor stand auf und blickte in Richtung Horizont.

„Ist es real?“, fragte eine Stimme.

Reece trat neben ihn. Elden, Indra und der Rest gesellten sich bald zu ihnen und blickten erstaunt in die Dämmerung.

„Eine Insel?“, fragte O’Connor.

„Sieht aus wie eine Höhle“, sagte Matus.

Als sie näher kamen, konnte Thor die Umrisse erkennen, und sah, dass es tatsächlich eine Höhle war. Es war eine riesige Höhle, ein riesiger hohler Fels, der hier mitten aus dem grausamen und endlosen Ozean hunderte von Metern in die Höhe wuchs, dessen Öffnung wie ein großer Mund aussah, der bereit war, die ganze Welt zu verschlingen – und die Strömung trug sie direkt darauf zu.

Thor starrte staunend in die Höhle hinein, und er wusste, dass es nur eines sein konnte: Das Portal zum Land der Toten.

KAPITEL EIGHT

Darius ging langsam mit Loti an seiner Seite den Pfad entlang. Angespanntes Schweigen lag über ihnen. Seit der Begegnung mit dem Zuchtmeister und seinen Männern hatte keiner von ihnen ein Wort gesagt. In Darius Kopf schwirrten zahllose Gedanken umher während er neben ihr her ging, und sie zurück ins Dorf begleitete. Er wollte den Arm um sie legen, ihr sagen, wie dankbar er war, dass sie am Leben war, dass sie ihn gerettet hatte und er sie, wie fest entschlossen er war, ihr nie wieder von der Seite zu weichen. Er wollte Freude und Erleichterung in ihren Augen sehen, wollte sie sagen hören, wie viel es ihr bedeutete, dass er sein Leben für sie riskiert hatte – oder zumindest, dass sie froh war, ihn zu sehen.

Doch Loti sagte nichts. Sie sah ihn nicht einmal an.

Sie hatte nicht mit ihm geredet, seit er die Lawine ausgelöst hatte, hatte ihm nicht einmal in die Augen gesehen.

Darius Herz pochte, er fragte sich, was sie dachte. Sie hatte mitangesehen, wie er seine Kräfte angerufen hatte, war Zeugin der Lawine geworden. Da hatte sie ihn nur schockiert angesehen, und seither jeden Blickkontakt vermieden.

Vielleicht, dachte Darius, hatte er in ihren Augen das heilige Tabu gebrochen, das eine Tabu, das sein Volk mehr als alles andere beachtete. Vielleicht hatte sie Angst vor ihm; oder schlimmer noch – vielleicht liebte sie ihn nicht mehr. Vielleicht sah sie ihn als eine Art von Monster.

Darius brach es das Herz als sie langsam wieder zum Dorf zurück wanderte, und er fragte sich wozu das alles gut gewesen war. Er hatte gerade sein Leben riskiert, um ein Mädchen zu retten, das ihn nicht mehr liebte. Er hätte alles darum gegeben, ihre Gedanken lesen zu können, alles. Doch sie sah ihn ja nicht einmal an. Stand sie unter Schock?

Darius wollte etwas zu ihr sagen, irgendetwas, um das Schweigen zu brechen. Doch er wusste nicht, wie und wo er anfangen sollte. Er hatte geglaubt, sie zu kennen, doch jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Er war irritiert und verärgert, zu stolz zu sprechen, angesichts ihrer Reaktion, doch in gewisser Weise schämte er sich auch. Er wusste, was seine Leute von Magie hielten. War der Gebrauch von Magie denn so schlimm? Auch wenn er damit ihr Leben gerettet hatte? Würde sie es den anderen erzählen? Wenn die Dorfbewohner es herausfänden, würden sie ihn sicher ins Exil schicken.

Sie liefen immer weiter, und schließlich konnte Darius es nicht mehr länger ertragen. Er musste etwas sagen.

„Ich bin mir sicher, dass deine Familie froh sein wird, dich sicher zurückzuhaben“, sagte Darius.

Doch zu seiner Enttäuschung sah Loti ihn nicht einmal an, und ging mit ausdrucksloser Miene weiter. Endlich, nach einer ganzen Weile, schüttelte sie den Kopf.

„Vielleicht“, sagte sie. „Doch ich fürchte, dass sie sich mehr Sorgen machen werden als alles andere. Unser ganzes Dorf wird sich Sorgen machen.“

„Was meinst du?“ fragte Darius.

„Du hast einen Zuchtmeister, einen Offizier getötet. Wir haben ihn getötet. Das ganze Empire wird nach uns suchen. Sie werden unser Dorf zerstören, unsere Leute töten. Wir haben etwas Schreckliches, unglaublich Egoistisches getan.“

„Etwas Schreckliches? Ich habe dir das Leben gerettet!“, sagte Darius empört.

Sie zuckte mit den Schultern.

„Mein Leben ist nicht das Leben aller Leute in unserem Dorf wert.“

Darius kochte innerlich und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er begann zu erkennen, dass Loti kompliziert war, schwer zu verstehen. Sie war zu sehr mit den sturen Gedanken ihrer Eltern und ihrer Leute indoktriniert.

„Dann hasst du mich also dafür, dass ich dich gerettet habe.“

Sie sah ihn nicht an und ging weiter.

„Ich habe dich auch gerettet“, gab sie stolz zurück. „Hast du das vergessen?“

Darius wurde rot, er konnte sie nicht verstehen, sie war einfach zu stolz.

„Ich hasse dich nicht“, fügte sie schließlich hinzu. „Doch ich habe gesehen, was du getan hast. Ich habe es gesehen, Darius.“

Darius zitterte innerlich, verletzt von ihren Worten. Bei ihm kamen sie wie eine Anklage an. Es war nicht fair, besonders nicht, nachdem er ihr gerade das Leben gerettet hatte.

„Und ist das so schlimm?“, fragte er.

Loti antwortete nicht.

„Ich bin wer ich bin“, sagte Darius. „Ich bin so zur Welt gekommen. Ich habe nicht darum gebeten. Ich kann es ja nicht einmal selbst ganz verstehen! Ich wollte meine Kräfte nicht nutzen. Es ist so als ob… sie mich benutzt haben.“

Loti senkte den Blick und schwieg. Sie sah ihn nicht an, und Darius bedauerte beinahe, was er getan hatte. Hatte er einen Fehler gemacht, als er sie gerettet hatte? Sollte er sich über das, was er war schämen?

„Wärst du lieber tot, als dass ich meine… Kräfte angewendet hätte?“, wollte Darius wissen.

Wieder schwieg Loti und Darius Bedauern wuchs.

„Du darfst mit niemandem darüber sprechen“, sagte sie. „Wir dürfen niemals irgendjemandem erzählen, was heute geschehen ist. Wir wären beide Ausgestoßene.“

Nach der letzten Kurve um einen Hügel kam ihr Dorf ins Blickfeld. Sie gingen auf der Hauptstraße auf das Dorf zu, und als die Dorfbewohner sie sahen, wurden sie von lautem Jubel empfangen.

Binnen weniger Augenblicke kamen hunderte von Dorfbewohnern, um sie zu begrüßen. Lotis Mutter kämpfte sich durch die Menge, begleitet von ihrem Vater und ihren Brüdern, Männer mit breiten Schultern, kurzen Haaren und stolzem Kiefer. Sie alle musterten Darius. Neben ihnen stand Lotis dritter Bruder, der kleiner war als die anderen, und dessen linkes Bein gelähmt war.

„Mein Kind!“, rief Lotis Mutter, eilte zu ihr, und umarmte sie. Darius hielt sich unsicher im Hintergrund.

„Was ist passiert?“, wollte ihre Mutter wissen. „Ich dachte, dass die Männer des Empire dich mitgenommen haben. Wie bist du frei gekommen?“

Die Dorfbewohner schwiegen, und alle Augen wanderten zu Darius. Er stand unsicher da, und wusste nicht, was er sagen sollte. Er hätte sich gewünscht, dass dies ein Moment großer Freude und Jubels über seine Tat sein sollte, ein Augenblick, auf den er stolz sein sollte, dass sie ihn als Helden willkommen hießen. Schließlich hatte er als einziger von allen den Mut gehabt, Loti zu folgen.

Stattdessen war er verwirrt, vielleicht sogar beschämt. Loti warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu, als ob sie ihn warnen wollte, ihr Geheimnis nicht zu verraten.

„Es ist nichts passiert, Mutter“, sagte Loti. „Der Zuchtmeister hat seine Meinung geändert und mich gehen lassen.“

„Dich gehen lassen?“, echote sie irritiert.

Loti nickte.

„Sie haben mich weit von ihr gehen lassen. Ich habe mich im Wald verlaufen, und Darius hat mich gefunden. Er hat mich zurückgebracht.“

Die Dorfbewohner sahen skeptisch zwischen Loti und Darius hin und her. Darius spürte, dass sie ihnen nicht glaubten.

„Und was ist mit deinem Gesicht passiert?“, fragte ihr Vater, strich mit der Hand über ihre Wange und drehte ihren Kopf zur Seite, um sie zu untersuchen.

Darius sah sie an und sah den großen blauen Bluterguss.

Loti sah ihren Vater unsicher an.

„Ich… bin gestolpert“, sagte sie. „Über eine Wurzel. Wie ich schon gesagt habe, es geht mir gut“, beharrte sie trotzig.

Alle Augen wandten sich Darius zu, und Bokbu, der Häuptling des Dorfes, trat vor.

„Darius, ist das wahr?“, fragte er mit ernster Stimme. „Du hast sie friedlich zurückgebracht? Ihr hattet keine Auseinandersetzung mit ihnen?“

Darius stand mit pochendem Herzen da, hunderte von Augen starrten ihn an. Wenn er ihnen von ihrer Begegnung erzählte, zugab, was sie getan hatten, dann würden sie alle die Rache dafür fürchten. Und er konnte ihnen nicht erklären, wie er sie getötet hatte, ohne seine Magie zu verraten. Er wäre ein Ausgestoßener, und Loti auch – und außerdem wollte er keine Panik auslösen.

Doch Darius wollte auch nicht lügen. Er wusste nicht, was er tun sollte.

Darum nickte Darius lediglich wortlos. Sollten sie es interpretieren, wie sie es wollen. Erleichtert wandten sich die Leute wieder Loti zu. Schließlich nahm sie einer ihrer Brüder in die Arme.

„Sie ist in Sicherheit“, rief er und brach damit die Anspannung. „Das ist alles, was zählt!“

Jubel brach aus, und Loti wurde von ihrer Familie und den anderen umarmt. Darius stand da und sah zu, während er zum Dank ein halbherziges Schulterklopfen bekam. Er sah zu wie sie mit den anderen davonging, und hoffte, dass sie sich wenigstens einmal umdrehen würde um ihn anzusehen.

Doch sie verschwand in der Menge, ohne sich auch nur ein einziges Mal nach ihm umzusehen.

KAPITEL NEUN

Volusia stand stolz auf ihrem goldenen Schiff, das in der Sonne glänzte, als sie langsam die Wasserstraßen von Volusia hinunterglitt. Sie hatte die Arme ausgestreckt, und sog die Anbetung ihrer Untertanen in sich auf. Tausende von ihnen waren an den Rand der Wasserstraßen gekommen, um sie zu sehen, füllten die Straßen und Gassen, und riefen aus allen Richtungen ihren Namen.

Volusia hätte die Menschen beinahe berühren können, die voller Bewunderung ihren Namen riefen und bunte Blätter in die Luft warfen, die im Licht schimmerten, als sie auf sie herabregneten. Das war das größte Zeichen des Respekts, das ihr Volk ihr erweisen konnte. Es war ihre Art, einen heimkehrenden Helden zu feiern.

„Lang lebe Volusia! Lang lebe Volusia!“, schallte es vom Rand der Kanäle, die sie mitten durch das Herz ihrer prachtvollen Stadt trugen, deren Straßen und Gebäude reich mit Gold verziert waren.

Volusia lehnte sich zurück und sog alles in sich auf, erregt, Romulus besiegt zu haben, den Herrscher des Empire abgeschlachtet zu haben, und seine Krieger mit ihm. Ihre Leute waren auf ihrer Seite. Sie fühlten sich ermutigt, wenn sie sich stark zeigte, und sie hatte sich seit dem Tag an dem sie ihre Mutter ermordet hatte nicht stärker gefühlt.

Volusia blickte zu ihrer prachtvollen Stadt auf, zu den beiden riesigen Säulen am Hafeneingang, die in der Sonne gold und grün schimmerten; sie betrachtete die endlose Folge alter Gebäude, die aus der Zeit ihrer Vorfahren stammte, hunderte von Jahren alt und doch wunderschön. Die glänzenden makellosen Straßen wimmelten von tausenden von Menschen, Wachen an jeder Ecke, die Kanäle führten in perfekten Winkeln hindurch und verbanden alles miteinander. Auf den Brücken konnte sie goldene Pferdekutschen sehen mit Menschen, gekleidet in feinste Seide und Juwelen. Die Stadt hatte einen Festtag ausgerufen, und alle waren auf die Straßen gekommen, um sie zu grüßen, um an diesem heiligen Tag ihren Namen zu rufen. Sie war mehr als eine Herrscherin für sie – sie war eine Göttin.

Es war ein besonderes Omen, dass dieser Tag auf den Tag des Lichts fiel, dem Tag, an dem sie sich vor den sieben Göttern der Sonnen verneigten. Volusia, als Herrscherin der Stadt, war immer diejenige, die die Feierlichkeiten veranlasste, und als sie durch die Stadt fuhr, brannten die beiden prunkvollen goldenen Fackeln hinter ihr, bereit, den Großen Brunnen zu entzünden.

Die Menschen folgte ihrer Bake, eilten durch die Straßen und sie wusste, dass sie sie den ganzen Weg entlang begleiten würden bis sie das Zentrum der sechs Kreise der Stadt erreichte, wo sie von Bord gehen, und den Brunnen in Brand setzen würde, der Höhepunkt der heutigen Feierlichkeiten. Es war ein glorreicher Tag für ihre Stadt und ihre Untertanen, ein Tag um die vierzehn Götter zu preisen, von denen man sagte, dass sie an den vierzehn Toren zur Stadt alle unerwünschten Eindringlinge fernhielten. Ihre Untertanen beteten zu jedem einzelnen von ihnen, und heute waren sie besonders dankbar.

Dieses Jahr würde sie die Bürger überraschen: Volusia hatte zum ersten Mal seit Jahrhunderten einen Gott hinzugefügt. Es war das erste Mal seit Gründung der Stadt, dass sie einen neuen Gott bekamen. Und dieser Gott war sie selbst.

Volusia hatte eine riesige goldene Statue von sich selbst im Zentrum der sieben Kreise errichten lassen und hatte diesen Tag zu ihrem Feiertag ausgerufen. Wenn die Statue enthüllt wurde, würden ihre Untertanen zum ersten Mal sehen, dass sie, Volusia mehr war als ihre Mutter, mehr als ihre Herrscherin, mehr als ein Mensch. Sie war eine Göttin, die es verdiente, jeden Tag angebetet zu werden. Sie würden beten und sich vor ihr verneigen – sie würden es tun, sonst würde Volusia ihr Blut für den Frevel fordern.

Volusia lächelte in sich hinein, als das Boot auf das Stadtzentrum zusteuerte. Sie konnte kaum den Ausdruck auf ihren Gesichtern erwarten, fieberte danach zu sehen, wie sie neben den vierzehn anderen Gottheiten verehrt wurde. Sie wussten es noch nicht, doch eines Tages würde sie die anderen Götter zerstören, einen nach dem anderen, bis nur noch sie übrig war.

Volusia war aufgeregt, sah über ihre Schulter und sah, dass ihre eine endlose Prozession von Booten folgte, voller lebender Stiere und Ziegen und Widder, bereit, den Göttern geopfert zu werden. Sie würde den größten und besten Stier vor ihrer eigenen Statue schlachten.

Schließlich erreichte Volusias Boot den offenen Kanal zu den sieben goldenen Kreisen, jeder einzelne weiter als der vorherige; weitläufige goldene Plätze, die durch ringförmige Kanäle voneinander getrennt waren. Ihr Boot fuhr langsam durch die Kreise, immer weiter auf das Zentrum zu. Sie fuhr an den vierzehn Gottheiten vorbei und ihr Herz pochte vor Erregung. Jeder der Götter ragte hoch über sie hinauf, jede Statue aus glänzendem Gold, gut sieben Meter hoch.

Der Platz in der Mitte war immer freigelassen worden für Opfergaben und Versammlungen, doch nun stand dort ein neu errichteter goldener Sockel, auf dem eine vierzehn Meter hohe Konstruktion stand, die mit weißer Seide abgedeckt war. Volusia lächelte. Sie alleine wusste, was sich darunter verbarg.

Volusia ging von Bord als sie den innersten Platz erreichten. Sie sah zu, wie ein weiteres Boot folgte, und der größte Stier, den sie je gesehen hatte, von zwölf Männern zu ihr gebracht wurde. Jeder von ihnen hielt ein dickes Seil, um das Tier unter Kontrolle zu halten. Der Stier war etwas Besonderes – er war aus den Unteren Provinzen hierher gebracht worden: Fünf Meter hoch, mit leuchtend roter Haut war er ein Leuchtfeuer der Stärke. Er war voller Zorn und wehrte sich, doch die Männer hielten ihn fest, während sie ihn vor Volusias Statue führten.

Volusia hörte, wie ein Schwert gezogen wurde. Sie drehte sich um und sah Aksan, ihren persönlichen Assassinen, der neben ihr stand, und das Zeremonienschwert hochhielt. Aksan war der loyalste Mann, dem sie jemals begegnet war, bereit jeden zu töten, wie sie es von ihm verlangte. Ein leises Nicken genügte. Er hatte auch eine ausgeprägte sadistische Neigung, weshalb sie ihn gerne mochte, und er hatte viele Male ihren Respekt verdient. Er war einer der wenigen Menschen, der immer in ihrer Nähe sein durfte.

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