Die Nacht der Verwegenen - Морган Райс 5 стр.


„DA!“ rief sie.

Die Männer stürzten zur Reling und schauten über den Rand und auch sie sahen es alle: Da trieb Thurn im Wasser. Lorna verschwendete keine Zeit. Sie nahm zwei große Schritte von der Reling und tauchte mit dem Kopf zuerst vier Meter durch die Luft hinein in das eisige Wasser der Bucht.

„Lorna!“ schrien Merk mit Besorgnis in der Stimme hinter ihr her.

Lorna sah die roten Haie unten im Wasser und verstand seine Besorgnis. Sie kreisten um Thurn herum, aber während sie ihn anstießen, sah sie, dass sie es noch nicht durch seine Rüstung hindurch geschafft hatten. Thurn hatte Glück gehabt noch in seiner Rüstung zu sein, es war das Einzige, dass sein Leben rettete – und er hatte noch mehr Glück gehabt, dass er eine Holzplanke erwischt hatte, die ihn an der Oberfläche hielt. Doch die Haie griffen nun vermehrt an, wurden tollkühner und sie wusste, dass seine Zeit begrenzt war.

dass die Haie auch sie angreifen würden, und dennoch würde sie nicht zögern, nicht wenn sein Leben in Gefahr war. Soviel schuldete sie ihm.

Lorna landete geschockt in dem eisig kalten Wasser und ohne innezuhalten trat und schwamm sie unter der Oberfläche bis sie ihn erreichte. Sie nutzte ihre Kräfte um schneller als die Haie zu schwimmen. Sie legte ihre Arme um ihn, ergriff ihn und fühlte, dass er am Leben war, wenn auch nicht bei Bewusstsein. Die Haie kamen nun auf sie zu und sie bereitete sich vor, alles zutun um ihn am Leben zu halten.

Lorna sah auf einmal Seile, die neben ihr landeten und ergriff eines entschlossen und fühlte wie sie schnell nach hinten gezogen wurde und durch die Luft flog. Keinen Augenblick zu spät. Denn plötzlich sprang ein roter Hai aus dem Wasser und schnappte nach ihren Beinen. Er verpasste sie nur knapp.

Lorna hielt Thurn fest und wurde durch die Luft gezogen, immer höher im eisigen Wind: Sie schaukelte wild, als sie gegen den Rumpf des Schiffes knallte. Einen Moment später wurde sie von der Mannschaft hochgezogen und bevor sie zurück an Bord des Schiffes gelangte, warf sie noch einen letzten Blick auf die Haie, die wütend unter ihr schwammen, da sie nun ihre Mahlzeit verloren hatten.

Lorna landete mit Thurn in den Armen mit einem Plumps auf dem Deck. Sie drehte ihn sofort um und untersuchte ihn. Die Hälfte seines Gesichtes war entstellt, von den Flammen verbrannt, dennoch hatte er wenigstens überlebt. Seine Augen waren geschlossen. Aber wenigstens starrten sie nicht geöffnet nach oben in den Himmel; das war ein gutes Zeichen. Sie legte ihre Hände auf sein Herz und sie fühlte etwas. So schwach es auch war, aber es war ein Herzschlag.

Lorna legte ihre Handflächen auf sein Herz und im selben Moment spürte sie einen Strom aus Energie, eine intensive Hitze, die durch ihre Handflächen in ihn strömte. Sie rief ihre Kräfte und beschwor Thurn wieder zurück ins Leben zu kommen.

Thurn öffnete plötzlich seine Augen und setzte sich aufrecht mit einem Keuchen hin, er atmete schwer und spie Wasser. Er hustete und die anderen Männer stürzten nach vorne und umwickelten ihn mit Fellen, um ihn zu wärmen. Lorna war erleichtert. Sie sah die Farbe in sein Gesicht zurückkehren und sie wusste, dass er leben würde.

Lorna spürte auf einmal, wie auch ihr ein warmes Fell über die Schultern gelegt wurde und sie drehte sich um und erblickte Merk, der über ihr stand, sie anlächelte und ihr auf die Beine half.

Schon bald umringten sie die Männer, die sie nun mit mehr Respekt betrachteten.

„Und jetzt?“ fragte er ehrlich und stellte sich neben sie. Er musste fast schreien um gehört zu werden, denn der Wind und das Knarren des schaukelnden Schiffes wurden immer lauter.

Lorna wusste, dass ihre Zeit knapp war. Sie schloss ihre Augen, hob ihre Hände in den Himmel und fühlte langsam die Substanz des Universums. Da das Schwert der Flammen zerstört, Knossos untergegangen und die Drachen geflohen waren, musste sie nun wissen, wo Escalon sie am meisten in der Zeit der Krise brauchte.

Sie spürte plötzlich die Vibration des unfertigen Schwertes neben sich und dann wusste sie es. Sie drehte sich um und schaute Alec an. Auch er sah sie an und wartete offensichtlich.

Sie fühlte sein besonderes Schicksal in ihr aufkommen.

„Du wirst die Drachen nicht weiter jagen müssen“, sagte sie. „Die, die geflohen sind werden dich nicht mehr angreifen – sie fürchten dich. Und wenn du sie suchst, wirst du sie nicht finden. Sie sind zu einem anderen Kampf in Escalon geflohen. Jemand anderes hat nun die Aufgabe sie zu besiegen.“

„Dann was, meine Herrin?“ fragte er offensichtlich überrascht.

Sie schloss ihre Augen und spürte, dass die Antwort in ihr aufstieg.

„Die Flammen“, sagte Lorna, sie spürte die Antwort sicher. „Sie müssen wieder entzündet werden. Es ist die einzige Möglichkeit Marda aufzuhalten Escalon zu zerstören. Das ist im Moment das Wichtigste.“

Alec schien perplex.

„Und was hat das mit mir zu tun?“ fragte er.

Sie starrte ihn an.

„Das unfertige Schwert“, antwortete sie. „Es ist die letzte Hoffnung. Es, und nur es allein, kann die Flammenwand wieder entzünden. Es muss an sein ursprüngliches Zuhause gebracht werden. Bis dahin kann Escalon niemals sicher sein.“

Er schaute sie überrascht an.

„Und wo ist sein Zuhause?“ fragte er und die Männer kamen näher.

„Im Norden“, antwortete sie. „Im Turm von Ur.“

„Ur?“ fragte Alec erstaunt. „Ist der Turm nicht bereits zerstört worden?“

Lorna nickte.

„Der Turm, ja“, antwortete sie. „Aber nicht das, was darunter liegt.“

Sie nahm einen tiefen Atemzug und sie alle sahen gefesselt zu ihr.

„Der Turm beherbergt eine versteckte Kammer, weit unten im Boden. Es war niemals der Turm, der wichtig war – das war eine Ablenkung. Es war das, was darunter lag. Dort, wird das unfertige Schwert sein Zuhause finden. Wenn du es zurück bringst wird das Land sicher sein und die Flammen werden für alle Zeiten wieder brennen.“

Alec nahm einen tiefen Atemzug und versucht offensichtlich alles zu verarbeiten.

„Du willst, dass ich nach Norden reise?“ fragte er. „Zum Turm?“

Sie nickte.

„Es wird eine tückische Reise“, sagte sie. „Du wirst Feinde auf allen Seiten vorfinden. Nimm die Männer der verlorenen Inseln mit dir. Segelt das Meer des Leidens hoch und haltet nicht an, bis ihr Ur erreicht habt.“

Sie trat nach vorne und legte ihm eine Hand auf seine Schulter.

„Bring das Schwert zurück“, befahl sie. „Und rette uns.“

„Und ihr, meine Herrin?“ fragte Alec.

Sie schloss ihre Augen und fühlte einen Strom aus Schmerz und sie wusste sofort, wohin sie musste.

„Duncan stirbt gerade in diesem Moment während wir hier sprechen“, sagte sie. „Und ich bin die Einzige, die ihn retten kann.“

KAPITEL SIEBEN

Aidan ritt zusammen mit Leifalls Männern über die Einöde. Cassandra ritt zu seiner Linken; Anvin zu seiner Rechten und Fynn lief zu seinen Füßen. Gemeinsam galoppierten sie und wirbelten eine Staubwolke auf. Aidan fühlte sich überwältigt vom Gefühl des Sieges und des Stolzes. Er hatte es geschafft, das Unmögliche zu erreichen, es geschafft den Wasserfall umzuleiten, den immensen Strom des Immerfalls über die weite Landschaft zu leiten und den Canyon zu überfluten– und gerade so seinen Vater zu retten. Als er näher kam, so begierig darauf wieder mit seinem Vater vereint zu sein, konnte er die Männer seines Vaters in der Ferne ausmachen und ihre Jubelschreie bis hierher hören und wurde von Stolz erfüllt. Sie hatten es geschafft.

Aidan war erleichtert, dass sein Vater und dessen Männer überlebt hatten. Die Schlucht war geflutet worden, sie quoll über und tausende tote Pandesier wurden ihnen vor die Füße geschwemmt. Zum ersten Mal spürte Aidan das Gefühl von Bestimmung und Zugehörigkeit. Er hatte wirklich eine Menge zum Kampf seines Vaters beigetragen, trotz seines jungen Alters und er fühlte sich wie ein Mann unter Männern. Er spürte, dass dies einer der schönsten Momente seines Lebens war.

Als sie galoppierten und die Sonne auf sie herabschien konnte Aidan kaum den Moment erwarten, wenn er seinen Vater wiedersehen würde, wenn er den Stolz in seinen Augen, die Dankbarkeit und vor allem den Ausdruck des Respekts in seinem Blick sehen würde. Sein Vater würde ihn nun, da war er sicher, als ebenbürtig betrachten, als einer von ihnen, einen wahren Krieger. Es war alles, was Aidan jemals gewollt hatte.

Aidan ritt weiter, das donnernde Geräusch der Pferdehufe in den Ohren, er war voller Staub und vom langen Ritt von der Sonne verbrannt worden und als sie endlich den Berg erklommen und hinunterritten, sah er das letzte Stück vor sich. Er schaute zur Gruppe der Männer seines Vaters hinüber. Sein Herz klopfte vor Vorfreude – bis er auf einmal realisierte, dass etwas falsch war.

Dort in der Entfernung machten die Männer seines Vaters Platz und zwischen ihnen sah er eine einsame Figur, die alleine durch die Wüste ging. Ein Mädchen.

Es machte keinen Sinn. Was machte ein Mädchen dort alleine und lief auf seinen Vater zu? Warum hatten alle Männer angehalten und sie durchgelassen? Aidan wusste nicht genau, was falsch war, aber so wie sein Herz schlug, sagte ihm tief etwas im Inneren, dass es Probleme gab.

Noch komischer war, als Aidan näher kam, dass er die Erscheinung des einsamen Mädchens erkannte. Er sah ihren Wildleder und Ledermantel, ihre hohen schwarzen Stiefel, den Stab an ihrer Seite, ihr langes hellblondes Haar, ihr stolzes Gesicht und ihre Gesichtszüge und er blinzelte verwirrt.

Kyra.

Seine Verwirrung nahm immer noch zu. Als er sah wie sie lief, ihre Gangart, die Art und Weise wie sie ihre Schultern hielt, wusste er, dass etwas nicht ganz stimmte. Es sah aus wie sie, aber es war nicht sie. Das war nicht seine Schwester mit der er sein ganzes Leben zusammengelebt hatte, mit der er so viele Stunden verbracht und Bücher in ihrem Schoß gelesen hatte.

Immer noch hunderte von Metern entfernt, schlug Aidans Herz schneller und ein böses Gefühl der Vorahnung ergriff ihn. Er senkte den Kopf, trieb sein Pferd an und drängte es zu einem so schnellen Galopp, dass er kaum noch atmen konnte. Die Vorahnung wurde immer stärker, er hatte das Gefühl von bevorstehendem Verhängnis als er das Mädchen neben Duncan sah.

„VATER!“ schrie er.

Doch von hier wurden seine Schreie vom Wind verschluckt.

Aidan galoppierte schneller, überholte die Gruppe und raste den Berg hinab. Er beobachtete hilflos als das Mädchen ausholte um seinen Vater zu umarmen.

„NEIN, VATER!“ schrie er.

Er war noch fünfzig Meter entfernt, dann vierzig, dann dreißig Meter – doch immer noch zu weit weg, um irgendwas zutun außer zuzusehen.

„FYNN, LAUF!“ befahl er.

Fynn lief los, er war sogar noch schneller als das Pferd. Und doch wusste Aidan, dass keine Zeit mehr blieb.

Dann sah er wie es passierte. Das Mädchen zog zu Aidans Schrecken einen Dolch und stieß ihn seinem Vater in die Brust. Die Augen seines Vaters weiteten sich, als er auf die Knie fiel.

Aidan hatte das Gefühl, als ob auch er erstochen wurde. Er spürte wie sein gesamter Körper in sich zusammenklappte, noch nie hatte er sich in seinem Leben so hilflos gefühlt. Alles war so schnell passiert, die Männer seines Vaters standen dort, verwirrt, perplex. Keiner wusste, was passierte. Aber Aidan wusste es. Er wusste es sofort.

Immer noch zwanzig Meter entfernt, griff Aidan verzweifelt zu seiner Hüfte und zog den Dolch, den Motley ihm gegeben hatte, holte aus und warf ihn.

Der Dolch segelte durch die Luft, drehte sich um die eigene Achse, schimmerte im Licht und flog in Richtung des Mädchens. Sie zog ihren Dolch heraus, lächelte und wollte gerade wieder zustechen – als plötzlich Aidans Dolch sein Ziel fand. Aidan war erleichtert, dass dieser zumindest ihren Handrücken traf, sie zum Schreien und dazu brachte ihre Waffen fallen zu lassen. Es war kein irdischer Schrei und ganz sicher nicht Kyras. Wer auch immer sie war, Aidan hatte sie enttarnt.

Sie drehte sich um und schaute ihn an und als sie das tat beobachte Aidan mit Schrecken, dass sich ihr Gesicht veränderte. Die mädchenhafte Erscheinung wurde durch eine groteske, männliche Figur ersetzt, die größer wurde, größer als sie alle wurde. Aidan öffnete seine Augen geschockt. Es war nicht seine Schwester. Es war kein anderer als der große und heilige Ra.

Auch Duncans Männer schauten geschockt hin. Irgendwie hatte der Dolch, der seine Hand getroffen hatte die Illusion zerstört und den magischen Zauber zerschlagen, den er benutzt hatte um Duncan zu täuschen.

Im selben Moment sprang Fynn nach vorne in die Luft und landete mit seinen riesigen Tatzen auf Ras Brust und drängte ihn zurück. Knurrend warf sich der Hund an seine Kehle und kratzte ihn. Er hieb nach seinem Gesicht und brachte Ra damit völlig aus dem Gleichgewicht und hielt ihn so davon ab Duncan erneut anzugreifen.

Ra, der sich im Dreck abmühte, sah nach oben in den Himmel und schrie Worte, irgendetwas in einer Sprache, die Aidan nicht verstand, offensichtlich beschwor er einen alten Zauber hinauf.

Und dann verschwand Ra plötzlich in einer Wolke aus Staub.

Alles was blieb war sein blutiger Dolch, der zu Boden fiel.

Und dort in einem Meer aus Blut lag Aidans unbeweglicher Vater.

KAPITEL ACHT

Vesuvius ritt Richtung Norden über die Landschaft. Er galoppierte auf dem Pferd, das er gestohlen hatte, nachdem er eine Gruppe von pandesischen Soldaten umgebracht hatte – von seinem Tobsuchtsanfall angetrieben wurde er auch nicht langsamer als er durch ein Dorf nach dem anderen raste und unschuldige Frauen und Kinder umbrachte. In einigen Fällen ritt er durch ein Dorf wegen der Waffen und des Essens, durch andere einfach aus Spaß am Töten. Er lächelte breit als er sich daran erinnerte wie er ein Dorf nach dem anderen in Brand setzte, mit bloßer Hand fackelte er sie ab. Er würde seine Spur in Escalon überall dort hinterlassen wo er gewesen war.

Als er aus dem letzten Dorf hinausritt, ächzte er, warf eine brennende Fackel und sah voller Genugtuung zu wie sie auf dem nächsten Dach landete und ein weiteres Dorf in Brand setzte. Voller Freude ritt er aus dem Dorf hinaus. Es war das dritte Dorf, das er in dieser Stunde niedergebrannt hatte. Wenn er könnte würde er sie alle abfackeln –aber er hatte eine dringende Aufgabe. Er presste seine Absätze in sein Pferd, er war entschlossen sich mit seinen Trollen zu treffen und sie zu dem letzten Teil ihrer Invasion zu führen. Sie brauchten ihn jetzt mehr als je zuvor.

Vesuvius ritt und ritt, überquerte die weiten Ebenen und gelangte in den nördlichen Teil Escalons. Er spürte, wie sein Pferd unter ihm müde wurde, aber das brachte ihn nur dazu seine Absätze tiefer in es hineinzubohren. Es kümmerte ihn nicht, wenn es tot umfallen würde – eigentlich hoffte er das sogar.

Als die Sonne höher am Himmel stand konnte er spüren wie seine Trolle näher kamen, sie erwarteten ihn; er konnte es in der Luft riechen. Es erfüllte ihn mit großer Freude, dass sein Volk hier in Escalon war, endlich, auf der anderen Seite der Flammen. Und doch fragte er sich auch warum seine Trolle nicht bereits weiter südlich waren und das ganze Land ausraubten. Was hielt sie davon ab? Waren seine Generale so inkompetent, dass sie nichts ohne ihn schafften?

Vesuvius gelangte endlich an das Ende eines langen Waldes und sein Herz machte einen Sprung beim Anblick seiner Truppen, die sich über die Ebenen von Ur ausbreiteten. Zehntausende von Trollen versammelten sich, bemerkte er aufgeregt. Dennoch war er verwirrt, denn anstatt siegreich zu erscheinen, sahen diese Trolle besiegt und hilflos aus. Wie war das möglich?

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