Ein Reich der Schatten - Морган Райс 4 стр.


Ra drehte sich wütend um und nahm einen tiefen Atemzug, als er den nun leeren Saal durchquerte. Er ging auf den großen Balkon und ließ seinen Blick über die Stadt schweifen.

Ra trat nach draußen und fühlte die frische Luft während er die chaotische Stadt unter sich betrachtete. Seine Soldaten, stellte er zufrieden fest, nahmen den größten Teil von ihr ein. Er fragte sich, wo Duncan wohl sei. Er bewunderte ihn, das musste er ihm lassen; vielleicht konnte er sich sogar selbst ein wenig in ihm wiedererkennen. Trotzdem würde Duncan lernen müssen, was es hieß dem großen Ra in die Quere zu kommen. Er würde den Tod gnädig annehmen. Auch er würde, wie der Rest der Welt, lernen sich zu unterwerfen.

Auf einmal ertönten von unten Schreie und Ra sah wie seine Männer ihre Schwerter und Speere in die Rücken von nichtsahnenden Frauen und Kindern stachen. So wie befohlen begannen die Straßen sich mit Blut zu füllen. Ra seufzte zufrieden und fand Genugtuung darin. All diese Escalonier würden daraus eine Lehre ziehen. Er handhabte es immer gleich, egal wohin er auch ging, egal welches Land er eroberte sie würden für die Sünden ihres Kommandanten bezahlen müssen.

Auf einmal durchschnitt ein plötzliches Geräusch die Luft. Es war sogar lauter als die angsterfüllten Schreie von unten und es schreckte Ra aus seiner Träumerei auf. Er wusste nicht, was es war oder warum es ihn so sehr erschreckte. Es war ein tiefes, dunkles Rumpeln, welches ihn an Donner erinnerte.

Gerade als er sich fragte, ob er es wirklich gehört hatte, ertönte das Geräusch wieder und er realisierte, dass es nicht von unten – sondern vom Himmel kam.

Ra sah verdutzt nach oben und blinzelte fragend in die Wolken. Das Geräusch ertönte wieder und wieder und er wusste diesmal, dass es sich nicht um Donner handelte. Es war etwas viel Unheilvolleres.

Als er die aufgewirbelten, grauen Wolken absuchte sah Ra plötzlich etwas, was er nie vergessen würde. Er blinzelte, sicher, dass er es sich eingebildet hatte. Aber sooft er auch wegsah änderte sich nichts an der näherkommenden Bedrohung.

Drachen. Eine ganze Horde.

Sie gingen mit ausgestreckten Krallen und erhobenen Flügeln feuerspeiend auf Escalon nieder. Und kamen genau auf ihn zu.

Bevor er es überhaupt verarbeiten konnte, standen bereits hunderte seiner Soldaten vom Feueratem der Drachen schreiend in Flammen. Weitere hundert ächzten als die Drachen sie in Stücke rissen.

Während er dort panisch und ungläubig stand, fixierte ihn ein enormer Drache mit seinem Blick. Er steuerte auf den Balkon zu, fuhr seine Krallen aus und tauchte hinab.

Einen Augenblick später zertrümmerte er den Stein in zwei Hälften und verpasste den sich duckenden Ra nur knapp. Ra bemerkte panisch wie der Stein unter seinen Füßen nachgab.

Kurz danach merkte er wie er fiel. Er zappelte und schrie als er in Richtung Boden flog. Er hatte geglaubt, er wäre unbesiegbar gewesen, mächtiger als sie alle.

Aber der Tod hatte ihn nach allem doch noch gefunden.

KAPITEL SECHS

Kyle schwang seinen Stab mit allem, was er hatte, er taumelte bereits vor Erschöpfung als ihn die pandesischen Soldaten auf der einen und die Trolle auf der anderen Seite umzingelten.

Er schlug Männer und Trolle links und rechts nieder während ihre Schwerter und Hellebarden gegen seinen Stab klirrten und Funken in alle Richtungen sprühten. Sogar während er sie bekämpfte, konnte er den Schmerz tief in seinen Schultern spüren. Er kämpfte bereits seit Stunden und war nun von allen Seiten umzingelt. Seine Situation, das wusste er, war katastrophal.

Zuerst hatten sich die Pandesier und die Trolle gegenseitig bekämpft und Kyle hatte die Wahl gehabt, auf wen er sich zuerst konzentrieren wollte, aber als sie sahen wie Kyle alle um sich herum besiegte, hatten sie offensichtlich realisiert, dass es in ihrem gemeinsamen Interesse war sich gegen ihn zu verbünden. Für einen Moment hatten die Pandesier und die Trolle aufgehört sich gegenseitig zu bekämpfen und ihren Fokus darauf gelegt ihn umzubringen.

Während Kyle seinen Stab schwang und drei Trolle gleichzeitig abwehrte, schaffte es ein Pandesier sich von hinten anzuschleichen und Kyle mit seinem Schwert in den Magen zu stechen. Kyle schrie vor Schmerz auf und drehte sich um, um das Schlimmste zu vermeiden, dennoch blutete er. Bevor er parieren konnte, erhob ein Troll eine Keule und schmetterte sie Kyle auf die Schulter und schlug ihm den Stab aus der Hand. Kyle ging zu Boden.

Kyle kniete dort, der Schmerz schoss seine Schulter hinauf und hinab, als er versuchte wieder zu Atem zu kommen. Bevor er sich wieder sammeln konnte, stürzte ein weiterer Troll nach vorne und trat ihm ins Gesicht und ließ ihn wieder zu Boden gehen.

Ein Pandesier trat mit einem langen Speer mit beiden Händen hoch in die Luft erhoben nach vorn und ließ ihn in Richtung seines Kopfes krachen.

Kyle, der noch nicht bereit war zu sterben, drehte sich aus dem Weg und der Speer landete nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er rollte sich weiter, kam zurück auf die Füße und als zwei weitere Trolle angriffen, nahm er sich ein Schwert vom Boden, drehte sich um und erstach beide.

Als einige weitere sich annäherten, schnappte sich Kyle schnell seinen Stab und schlug sie alle um, er kämpfte wie ein eingeengtes Tier während er einen Kreis um sich zog. Er stand dort, atmete schwer und Blut lief von seiner Lippe, während seine Gegner einen immer dichteren Kreis um ihn zogen und mit Blut in den Augen näher kamen.

Der Schmerz in seinem Magen und seiner Schulter war unerträglich. Kyle versuchte es auszublenden und sich zu konzentrieren. Er sah sich dem Tod gegenüber und er fand nur Trost in dem Fakt, dass er Kyra gerettet hatte. Das war es wert gewesen und er war bereit diesen Preis zu zahlen.

Er sah zum Horizont und fand Trost in der Tatsache, dass sie von alldem davon gekommen und auf Andor zurück geritten war. Er fragte sich, ob sie in Sicherheit war und er betete, dass dem so war.

Kyle hatte stundenlang brillant gekämpft, ein Mann allein gegen zwei dieser riesigen Heere und er hatte tausende von ihnen umgebracht. Und doch, das wusste er, war er zu schwach um weiter zu machen. Es gab einfach zu viele von ihnen und sie schienen nie weniger zu werden. Er fand sich inmitten von Krieg wieder, die Trolle fluteten das Land von Norden während die Pandesier von Süden kamen und er konnte sie nicht mehr gleichzeitig bekämpfen.

Kyle spürte einen plötzlichen Schmerz in seinen Rippen als ein Troll von hinten angerannt kam und ihm mit dem Schaft seiner Axt in den Rücken stach. Kyle schwang seinen Stab herum, stieß ihm dem Troll in den Rachen und brachte ihn damit zu Boden – aber zugleich stürzten zwei pandesische Soldaten nach vorne und schlugen ihn mit ihren Schildern. Der Schmerz in seinem Kopf war kaum auszuhalten. Kyle fiel zu Boden, seine Zeit war vorbei. Er war zu schwach um wieder aufzustehen.

Kyle schloss die Augen und die Bilder seines Lebens liefen vor seinem geistigen Auge ab. Er sah all die Wächter, Menschen, denen er seit Jahrhunderten gedient hatte und all die Menschen, der er gekannt und geliebt hatte. Und vor allem sah er Kyras Gesicht. Das Einzige, was er bereute war, dass er sie bevor er starb nicht noch einmal würde sehen können.

Kyle sah drei scheußliche Trolle mit erhobenen Hellebarden auf ihn zukommen. Er wusste, dass es nun vorbei war.

Als sie immer näher kamen, konnte er auf einmal alles wahrnehmen. Er war in der Lage den Wind zu hören; er konnte das Knistern, die kalte Luft riechen. Das erste Mal seit Jahrhunderten fühlte er sich am Leben. Er fragte sich warum er erst kurz vor seinem Tod in der Lage gewesen war das Leben wirklich zu genießen.

Als Kyle die Augen schloss und sich auf seinen Tod einstellte, zerriss auf einmal ein Brüllen die Luft. Es holte ihn in die Realität zurück. Er blinzelte und sah nach oben und sah wie etwas die Wolken durchbrach. Zuerst dachte Kyle, dass es Engel waren, die kamen um seinen toten Körper wegzutragen.

Aber dann sah er, dass auch die Trolle über ihm vor Verwirrung erstarrt waren. Sie alle suchten den Himmel ab – und Kyle wusste, dass es echt war. Es war etwas anderes.

Und dann erhaschte er einen Blick davon, was es wirklich war und ihm blieb das Herz stehen.

Drachen.

Eine Horde Drachen kreiste und flog feuerspeiend voller Zorn durch den Himmel. Sie kamen schnell näher und ließen mit ausgefahrenen Krallen ihren Flammen freien Lauf und brachten so ohne Vorwarnung hunderte Soldaten und Trolle auf einmal um. Eine Feuerwelle kam hinunter, verteilte sich und in wenigen Sekunden verbrannten die Trolle, die sich über Kyle gebeugt hatten. Kyle, der die Flammen hatte kommen sehen, ergriff ein riesiges Kupferschild neben sich und versteckte sich dahinter, als eine weitere Welle aus Flammen auf ihn zukam. Die Hitze war so intensiv als die Flammen über ihn hinwegfegten und verbrannten ihm fast die Hände. Trotzdem ließ er nicht los. Die toten Trolle und Soldaten landeten auf ihm, ihre Rüstungen beschützten ihn, als eine weitere, sogar noch mächtigere Flamme kam. Ironischerweise retteten ihn diese Trolle und Pandesier vor dem Tod.

Er hielt schwitzend am Schild fest und war kaum noch in der Lage zu stehen, als die Hitze der Drachen wieder und wieder zuschlug.

Kaum fähig länger zu stehen, wurde er ohnmächtig und betete mit allem, was er hatte, dass er nicht lebend verbrannt wurde.

KAPITEL SIEBEN

Vesuvius stand an der Ecke der Klippe, neben dem Turm von Kos und starrte auf die krachenden Wellen des Meeres des Leidens hinunter. Der Dampf des gesunkenen Feuerschwerts stieg nach oben in die Luft – und er grinste breit. Er hatte es geschafft. Das Flammenschwert war zerstört. Er hatte den Turm von Kos bestohlen, er hatte Escalon um seinen wertvollsten Artefakt bestohlen. Er hatte ein für alle Mal die Flammen gesenkt.

Vesuvius strahlte, schwindlig  vor Aufregung. Seine Handfläche pochte immer noch dort, wo er das brennende Schwert der Flammen ergriffen hatte. Er sah nach unten und betrachtete das eingebrannte Abzeichen. Er ließ seinen Finger über die frischen Narben streichen und wusste, dass sie für immer bleiben würden, ein Zeichen seines Erfolgs. Der Schmerz war unerträglich und doch verdrängte er ihn und zwang sich, sich nicht davon stören zu lassen. Tatsächlich hatte er sich beigebracht den Schmerz zu genießen.

Nach all diesen Jahrhunderten bekam jetzt endlich sein Volk sein Recht zurück. Sie würden nicht mehr länger nach Marda verbannt sein, im nördlichsten Teil des Reiches, in diesem unfruchtbaren Land. Nun würden sie ihre Rache für die lange Quarantäne-Zeit hinter der Flammenwand bekommen. Sie würden Escalon fluten und es in Stücke reißen.

Sein Herz setzte einen Moment aus, ihm wurde bei dem Gedanken. Er konnte es kaum noch erwarten, sich umzudrehen und den Teufelsfinger zu überqueren und zum Festland zurückzukehren und sein Volk in der Mitte von Escalon anzutreffen. Die gesamte Nation der Trolle würde sich auf den Weg nach Andros machen und zusammen würde sie einen Zentimeter nach dem anderen für immer zerstören. Es würde das neue Heimatland der Trolle werden.

Und doch, während Vesuvius da so stand und auf die Wellen und den Punkt, wo das Schwert gesunken war hinabsah, nagte etwas an ihm. Er sah nach draußen auf den Horizont und beobachtete das schwarze Wasser der Todesbucht und dort war noch etwas, etwas, dass seine Genugtuung störte. Während er den Horizont absuchte, konnte er in weiter Entfernung, ein einzelnes Schiff mit weißen Segeln ausmachen, welches an der Todesbucht vorbei und vom Teufelsfinger wegsegelte. Und als er es sah wusste er, dass etwas nicht stimmte.

Vesuvius drehte sich um und sah neben ihm zum Turm hinauf. Er war leer und seine Türen geöffnet gewesen. Das Schwert hatte auf ihn gewartet. Die, die es bewacht hatten, hatten es aufgegeben. Es war alles zu einfach gewesen.

Warum?

Vesuvius wusste, dass der Auftragskiller Merk das Schwert verfolgt hatte; er hatte ihn den ganzen Weg über den Teufelsfinger verfolgt. Warum sollte er es dann im Anschluss aufgeben? Warum segelte er weg von hier über die Todesbucht? Wer war die Frau, die mit ihm wegsegelte? Hatte sie denn Turm bewacht? Welche Geheimnisse versteckte sie?

Und wo gingen sie hin?

Vesuvius sah in den aufsteigenden Dunst des Ozeans und dann wieder in Richtung Horizont und seine Venen brannten. Er konnte nicht anders als zu vermuten, dass er überlistet worden war. So, als ob ihm ein ganzer Sieg genommen worden war.

Je länger Vesuvius darüber nachsann, merkte er, dass etwas nicht stimmte. Es war alles zu passend. Er inspizierte das grausame Meer unter sich, die Wellen krachten gegen die Felsen, der Dunst stieg nach oben und er realisierte, dass er die Wahrheit nie erfahren würde. Er würde niemals wirklich wissen, ob das Flammenschwert wirklich zu Boden gesunken war. Es war so, als ob etwas fehlen würde. So, als ob es vielleicht nicht das richtige Schwert gewesen war oder dass die Flammen nicht für immer unten bleiben würden.

Vesuvius brannte vor Entrüstung und traf eine Entscheidung: Er musste sie verfolgen. Er würde sonst niemals die Wahrheit wissen. Gab es irgendwo noch einen geheimen Turm? Ein anderes Schwert?

Und selbst wenn nicht, selbst wenn er alles erreicht hatte was er wollte, war Vesuvius berühmt dafür kein Opfer am Leben zu lassen. Er verfolgte immer jeden Mann bis zum Tod und hier zu stehen und zu beobachten wie sich diese zwei aus seinem Griff entzogen, gab ihm kein gutes Gefühl. Er wusste, er konnte sie nicht einfach ziehen lassen.

Vesuvius sah nach unten. Dutzende von verlassenen Schiffen waren immer noch an der Küste angebunden und schaukelten in den Wellen, so als würden sie auf ihn warten. Und dann kam er zu einer spontanen Entscheidung.

„Zu den Schiffen!“ befahl er seiner Trollarmee.

Gemeinsam drängelten sie sich alle nach vorne, um seinen Befehl auszuführen und stürzten die steinige Küste hinunter und auf die Schiffe. Vesuvius folgte ihnen und bestieg das Heck des letzten Schiffs.

Er drehte sich um, hob seine Hellebarde hoch in die Luft und durchschnitt das Seil.

Schon einen Augenblick später war er bereits mit allen Trollen unterwegs. Sie alle waren auf die Schiffe gequetscht und bereiteten sich auf die legendäre Todesbucht vor. Irgendwo dort am Horizont segelten Merk und dieses Mädchen. Und Vesuvius würde nicht eher aufhören, egal wohin er segeln musste, bis beide tot waren.

KAPITEL ACHT

Merk klammerte sich an die Reling, als er am Bug des kleinen Schiffs stand. Die Tochter des ehemaligen Königs stand neben ihm und beide waren in ihre eigene Welt versunken, während sie von den rauen Gewässern der Todesbucht hin und her geschleudert wurden. Merk starrte auf das schwarze, windgepeitschte mit weißen Schaumkronen versehene Wasser und konnte nicht anders als sich über die Frau an seiner Seite zu wundern. Seit sie den Turm von Kos verlassen und dieses Schiff betreten hatten, war das Rätsel um sie nur noch größer geworden. Er hatte so viele Fragen an sie.

Tarnis Tochter. Merk konnte es kaum glauben. Was hatte sie da draußen am Ende des Teufelsfingers eingeschlossen im Turm von Kos getan? Versteckte sie sich? War sie im Exil? Wurde sie beschützt? Wenn ja, von wem?

Назад Дальше