Italienische Nächte - Софи Лав 3 стр.


Keira kaute auf ihrer Unterlippe und bedachte Ninas Warnung. Warum mussten sich die Dinge nur immer so schnell ändern? Heute Morgen war sie mit einem liebenden Partner und einem tollen Job aufgewacht. Jetzt saß sie verheult und deprimiert in einem Coffeeshop, zurück auf dem Fleischmarkt und musste sich Sorgen um ihr Beschäftigungsverhältnis machen.

„Nun, das ist immerhin hilfreich, um nicht an Shane denken zu müssen“, sagte Keira trocken.

„Ach du meine Güte, tut mir echt leid“, meinte Nina. „Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich bin sicher, für uns beide wird sich nichts ändern, auch nicht für die Kollegen. Nur für Elliot. Ich habe schon andere Verkäufe mitgemacht, zahllose, um ehrlich zu sein. Die meisten Angestellten merken in der Regel nicht viel davon.“

Keira spitzte die Lippen. „Wir werden sehen“, meinte sie.

Nina schaute ein wenig besorgt, fand Keira. Ihre Freundin blickte hilfesuchend zu Bryn, damit diese das Gespräch übernahm. Bryns Gesicht leuchtete plötzlich auf, als habe sie einen Geistesblitz.

„Ich habe eine fabelhafte Idee“, sagte sie mit großen Augen.

„Wieso habe ich das Gefühl, dass mir das nicht gefallen wird?“, meinte Keira und schaute sie aus schmalen Augen an.

„Bei Gino steigt heute Abend diese Wahnsinnsparty. Du weißt schon, dieser super Italiener. Er hat das Motto Halloween ausgegeben. Also, streng genommen ist das Motto Allerseelen, ein italienischer Feiertag, von dem ich noch nie gehört habe. Aber es klingt total gruselig und bei Gino nimmt man das wohl sehr ernst. Es wird eine Mischung aus Maskenball und Grufti-Essen. Klingt total verrückt, aber irgendwie auch super cool.“

Keiras Augen verengten sich noch mehr. Bryn faselte. „Und weiter?“, drängte sie ihre Schwester.

„Es ist so“, antwortete Bryn. „Ich bin dahin eingeladen worden, von einem Typen, mit dem ich neulich mal verabredet war. Malcolm. Er wollte dahin, weil er meinte, es klinge nach Abwechslung. Ich habe zugesagt, weil ich der Ansicht bin, man muss alles mal ausprobieren. Jedenfalls hat er mir heute mitgeteilt, dass er diesen Freund hat, der Single ist. Und er wollte wissen, ob ich nicht jemanden kenne, der als Date für diesen Freund mitkommen würde. Ich hätte Tasha gefragt, aber wieso kommst du nicht stattdessen mit? Immerhin bist du ja nun wieder zu haben.“

Keira brauchte keine Sekunde, um die passende Antwort für ihre Schwester zu haben. Sie schüttelte energisch den Kopf. „Auf gar keinen Fall.“

Nina beugte sich vor und klinkte sich wieder in das Gespräch ein. „Ich kenne da einen fantastischen Kostümshop“, meinte sie. „Da kriegst du ein echtes Ballkleid, Handschuhe, eine Maske und was weiß ich noch alles.“

Keira warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Wieso gehst du nicht mit, wenn du die Idee so toll findest?“

Nina schwieg. Bryn übernahm wieder.

„Komm wenigstens wegen des tollen Essens mit“, meinte sie. „Eine freie Mahlzeit. Sehr schickes Essen. Tanzen. Nimm es als eine gemeinsame Unternehmung von uns beiden Schwestern, die zufällig zwei Typen im Schlepptau haben, die später die Rechnung übernehmen sollen. Du musst ihnen ja nicht einmal deinen richtigen Namen nennen, wenn du nicht willst. Oder die Maske abnehmen. Könnte eine anonyme Nacht werden. Du denkst dir einfach eine neue Persönlichkeit aus.“

Keira lachte. „Lass mich raten, du hast das schon mal so gemacht.“

Nina mischte sich wieder ein. „Ich bitte dich, Schätzchen, jede hat das schon mal gemacht. Wenn du noch nie eine Verabredung hattest, bei der du dich als Agentin des FBI ausgegeben hast oder als reiche Erbin, dann hast du bisher nicht gelebt.“

Keira schaute kopfschüttelnd aus dem Fenster. Sie sah erneut die vielen Menschen in den Straßen. Einige Geschäfte hatten bereits Halloween-Deko in den Fenstern. Sie sah ein Grufti-Paar die Straße hinuntergehen. Die Frau trug ein schwarzes, spitzenbesetztes Kleid und einen passenden Schirm, den Mann führte sie an einer ledernen Leine mit sich. So etwas gab es nur in New York, musste sie schmunzelnd zugeben.

Man musste im Leben auch mal verrückte Sachen machen, ermahnte sie sich. Hatte sie sich das nicht erst heute Morgen selber eingeredet?

„Na gut“, sagte sie schließlich resigniert und wandte sich wieder Bryn zu. „Ich komme mit auf deinen Ball.“

*

Bryn hatte in einem Punkt auf jeden Fall recht gehabt, wie Keira später am Abend feststellte. Gino hatte sich mit der Deko mächtig ins Zeug gelegt. Das gesamte Restaurant sah aus wie eine gotische Burg, die Tische waren an den Rand geschoben worden, um in der Mitte Platz für die Tanzfläche zu schaffen. Durch die alte italienische Folkloremusik entstand eine gruselige Stimmung, die Kellner trugen Samtanzüge und natürlich trugen alle Masken.

Wäre sie nur mit ihrer Schwester unterwegs gewesen, hätte es ein toller Abend werden können. Aber leider mussten sie ihn auch mit Malcolm und dessen Freund Glen verbringen. Die beiden waren wahrscheinlich die mit Abstand langweiligsten Männer auf der ganzen Welt.

Keira schaufelte sich ihre Pasta rein und hatte Mühe, wach zu bleiben, während Glen in aller Ausführlichkeit seine Karriere in der Buchhaltung plante. Über die Arbeit zu reden, regte Keira sowieso schon auf, aber wenn es dann auch noch um so etwas Langweiliges ging, war sie mit ihrer Geduld am Ende. Zumal er nicht eine einzige Frage zu ihrem Job gestellt hatte.

Als das Gespräch etwas zum Erliegen kam, zuckte Keira hoch, als sei sie aus einer Trance erwacht.

„Was machst du denn so in deiner Freizeit?“, fragte sie Glen, in der Hoffnung, er ließe sich von seinem langweiligen Job ablenken.

Glen brauchte ziemlich lange für die Antwort, was Keira als schlechtes Zeichen wertete. Wie konnte man denn nicht wissen, welche Hobbys man hatte? Oder was einem außer dem Job noch so Spaß machte?

„Ich schaue mir Sport an“, sagte er schließlich.

„Anschauen? Nicht spielen?“

Glen lachte. „Himmel, nein. Ich will mich ja nicht verletzen. Ich bevorzuge die Rolle des Zuschauers.“

„Das ist …“, Keira suchte nach den richtigen Worten. Das, was sie schließlich fand, war sicher genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich meinte. „… interessant.“

„Was ist denn mit dir?“, fragte Glen.

Es war das erste Mal, dass er ihr eine Frage stellte und Keira war fast ein wenig überrascht. „Oh, nun, ich bin Journalistin und verbringe viel Zeit mit lesen“, fing sie an.

Glen unterbrach sie sofort. „Ich lese auch. Vor allem das Wall Street Journal.“

Keira wurde bewusst, dass er ihr damit die Redezeit entrissen hatte. Sie ließ den Kopf hängen und widmete sich wieder ihrer Pasta. „Cool.“

Bryn lehnte sich über den Tisch. „Wir sprachen gerade über unsere Pläne. Was wir in fünf Jahren erreicht haben wollen. Was ist mit dir, Keira?“

Hätte Bryn sie das gestern gefragt, wäre ihre Antwort eindeutig gewesen. So viel Zeit wie nur möglich mit Shane zu verbringen. Gemeinsam ein Traumhaus zu kaufen. Vielleicht zu heiraten und Kinder zu kriegen. Aber der Traum war ausgeträumt.

Keira zuckte daher nur mit den Schultern. „Ich reise gern. Ich möchte die Welt sehen. In fünf Jahren will ich wenigstens einmal auf jedem Kontinent gewesen sein.“

Bryn klatschte in die Hände. „Das ist eine gute Antwort, Schwesterherz.“

Glen schnaubte verächtlich. „Reisen wird heutzutage überbewertet. Man kann doch heutzutage alles online anschauen. Warum sollte man stundenlang eingepfercht in einer Aluminiumdose sitzen, um die halbe Welt fliegen, die Luft verpesten, wenn man sich das alles gemütlich von zu Hause aus anschauen kann? Die virtuelle Realität steckt jetzt noch in den Kinderschuhen, aber in den nächsten fünf Jahren wird sich das weiterentwickeln. Ein Gerät für fünfzig Dollar ersetzt dann einen vielfach so teuren Flug, der dann reine Geldverschwendung ist.“

Malcolm nickte zustimmend, er schien Glens Gedankengang überaus spannend zu finden. Bryn hingegen sah entsetzt aus und warf Keira einen entschuldigenden Blick zu. Keira erwiderte ihn mit einem vielsagenden Blick, als wollte sie sagen, sie hätte es ja gleich gesagt, wie furchtbar das enden würde.

„Was ist denn dann mit dir, Glen?“, fragte Bryn, bemüht, das Gespräch am Laufen zu halten. „Wenn du nicht gerne reist, wie sehen denn dann deine nächsten fünf Jahre aus?“

Alle schauten den Buchhalter an. Er knackte mit den Handknochen.

„Ich habe alles ganz genau geplant“, sagte er selbstbewusst. Er hob den Zeigefinger zum Abzählen. „Im ersten Jahr eine Frau.“ Er hob den zweiten Finger. „Im nächsten Jahr unser Traumhaus in der Vorstadt.“ Es folgten Finger drei und vier. „Zwei Kinder, im Abstand von achtzehn Monaten. Ein Junge, ein Mädchen.“ Schließlich hob er den Daumen. „Und einen Hund.“

Keira seufzte schwer. Schon bevor sie Bryns Wohnung verlassen hatte, war ihr klar gewesen, dass sie hier und heute keine Romantik erleben würde. Aber ein winziges Fünkchen Hoffnung hatte sie dennoch gehabt. Die vage Hoffnung, dass es außer Shane noch andere Männer gab, der ihre Welt wie aus dem Nichts auf den Kopf stellen konnte.

Aber das hier war eine bittere Enttäuschung. Wie hatte sie nur so naiv sein können, daran auch nur zu glauben. Shane war eine absolute Ausnahme gewesen. Eins zu einer Million. Oder Milliarde. Das Date mit Glen hatte gerade ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

Sie würde niemals wieder eine solche Liebe finden.

KAPITEL DREI

Keira hatte keine Wahl, sie musste am nächsten Tag wieder im Büro erscheinen. Ein gebrochenes Herz war keine akzeptable Ausrede, nicht zur Arbeit zu gehen. Zwei Tage am Stück waren undenkbar. Außerdem wollte sie nicht noch einen weiteren Tag heulend in Coffeeshops verbringen. Noch weniger wollte sie von Bryn in einen weiteren ihrer dämlichen Pläne zur Ablenkung verwickelt werden. Das Date bei Gino hatte einen ziemlich faden Nachgeschmack hinterlassen.

Obwohl sie das Gefühl hatte, über ihr schwebe eine dunkelgraue Wolke, schaffte Keira es, sich anzuziehen und für den Tag fertigzumachen. Normalerweise gab es ihr ein gutes Gefühl, sich für die Arbeit zurechtzumachen. Aber heute fühlte es sich irgendwie unecht an, obwohl sie sich weniger geschäftsmäßig gekleidet hatte als üblich.

Als sie Bryns Wohnung verließ, sah sie, dass Nina ihr eine ermutigende Nachricht geschickt hatte.

Alle freuen sich darauf dich wiederzusehen.

Keira lächelte. Sie war froh, eine Freundin wie Nina zu haben. Trotz des Altersunterschieds zwischen ihnen, waren sie immer irgendwie im Einklang miteinander. Und Nina hatte eine so beeindruckende Karriere in der Branche gemacht, dass sie für Keira auch eine hervorragende Mentorin war.

Als Keira die Redaktion von Viatorum betrat, war sie erstaunt, wie sehr sich die Atmosphäre dort verändert hatte. Vorher war da immer ein Hauch von Panik spürbar, eine Art unsichtbarer Druck, der auf allen lastete. Wenn sie früher auch noch so gut gelaunt morgens reinkam, so ging sie abends doch immer müde, überlastet und erschöpft nach Hause.

Der Unterschied lang eindeutig darin, dass Joshua hier nicht mehr arbeitete. Dank Keira hatte Elliot in rausgeworfen. Es war unglaublich, welchen Unterschied das für die Arbeitsatmosphäre machte. Das Büro wirkte sogar gemütlicher, obwohl da noch immer dieselben kalten weißen Kacheln waren und das Echo nach wie vor durch das Großraumbüro hallte. Es gab nur einen optischen Unterschied, der Keira auffiel. Alle Türen, die zu den Besprechungsräumen und den kleineren Büros führten, standen offen. Sie konnte Elliots Assistentin Heather sehen, die in ihrem Büro an ihrem Computer saß und tippte. Im Konferenzraum besprachen sich ein paar Mitarbeiter und es sah so aus, als hätten sie Spaß dabei. Zu Joshuas Zeiten waren diese Türen immer alle zu gewesen, wie eine körperliche Barriere zwischen Angestellten und Vorgesetzten.

„Keira ist da!“, rief jemand und alle Köpfe fuhren zu ihr herum.

Zu ihrer Überraschung begann jemand zu applaudieren.

Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, als immer mehr Leute sich von ihren Stühlen erhoben und in den Beifall einstimmten. Hatte sich Dorothy im Zauberer von Oz so gefühlt, nachdem sie die Hexe besiegt hatte? Immerhin hatte wegen ihr jemand seinen Job verloren, auch wenn er das wahrlich verdient hatte.

Nina kam zu ihr herüber und umarmte sie.

„Du hast es geschafft“, sagte sie sanft. „Ich sagte dir doch, alle freuen sich, dass du wieder da bist.“

Denise, eine der Nachwuchsautorinnen, mit der Keira bisher kaum mehr als zwei Worte gewechselt hatte, kam ebenfalls und umarmte sie. Keira war überrascht.

„Oh, äh, hallo“, sagte sie verlegen.

„Ich wollte mich nur bedanken“, sagte sie. „Ich war kurz davor, wegen Joshua zu kündigen. Er gab mir das Gefühl, ich sei nutzlos, ich könnte nicht schreiben und hätte überhaupt kein Talent. Ich wollte den Journalismus an den Nagel hängen. Aber dank dir bin ich noch da und alles ist jetzt so unendlich viel besser als vorher.“

„Gern geschehen“, sagte Keira und verspürte einen Hauch von Stolz. Sich gegen Joshua aufzulehnen war nicht leicht gewesen, aber es hatte sich gelohnt. Und es hatte mehr Leuten geholfen als ihr vorher bewusst gewesen war. Falls sie noch einen Rest von Schuldgefühlen hatte, lösten die sich in Luft auf angesichts der Wirkung, die ihr Handeln für alle hier hatte. Josh war ein erwachsener Mann und daher verantwortlich für sein Handeln. Niemand hatte ihn gezwungen, den Kollegen gegenüber wie ein Arschloch aufzuführen. Er hatte es sich nur sich selbst zuzuschreiben, dass er gefeuert worden war. Keira hatte das Ganze nur ausgelöst.

Zum ersten Mal seit Shane ihr das Herz gebrochen hatte, empfand Keira so etwas wie Zuversicht. Sie ging zu ihrem Schreibtisch, bereit, sich wieder in die Arbeit zu stürzen. Da konnte sie auf jeden Fall glänzen. Selbst wenn ihr Liebesleben mal wieder in Scherben lag, so hatte ihre Karriere wenigstens Fahrt aufgenommen und sie würde daraus das Beste machen.

Als sie an ihren Arbeitsplatz kam, fiel ihr auf, dass all ihre Sachen weg waren. Das gerahmte Foto von Bryn und ihrer Mutter, der kleine Kaktus, das gepunktete Mauspad, das sie zum Studienabschluss von Shelby geschenkt bekommen hatte, die Tasse in Katzenform, die ein Geschenk von Maxine im letzten Jahr gewesen war, alles weg. Sie hoffte inständig, dass man die ganzen Sachen nicht aus Versehen weggeworfen hatte. Es waren im Grunde wertlose kleine Dinge, aber sie bedeuteten ihr viel.

Sie schaute sich besorgt um. Dabei fiel ihr auf, dass Elliot direkt auf sie zukam.

Er blieb stehen, blickte auf sie herab und schüttelte ihr die Hand. „Willkommen zurück. Ich habe veranlasst, dass du in das Eckbüro umziehst. Ich hoffe, das ist okay.“

Keira war vor allem erleichtert, dass ihre Sachen alle noch da waren. Dann sickerte langsam in ihr Bewusstsein, was Elliot da gesagt hatte.

„Ich habe ein Büro?“, wiederholte sie ungläubig.

„Selbstverständlich. Du bist jetzt eine Vorgesetzte. Alle Vorgesetzten haben ein eigenes Büro.“

Er bedeutete ihr, ihm zu folgen. Als Keira durch das Büro schritt, fing sie einen Blick von Nina auf, die ihr zuzwinkerte. Sie musste es wohl schon gewusst haben.

Sie blieben an der Tür zu einem kleinen Eckraum stehen. Keiras Name stand auf dem Schild neben dem Eingang. Ihre persönlichen Gegenstände waren auf dem Tisch angeordnet, wie sie es gewohnt war. Bloß hatte sie hier viel mehr Platz, der Raum wirkte so leer.

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